7. Trespasser (9)
So... Nach den Strapazen der letzten Wochen gehts auch endlich weiter... 
Zuvor aber noch ein paar persönliche Anmerkungen von mir.
Zum Einen: Dieser Teil hat mich ziemlich lang ziemlich ausgiebig beschäftigt. Eigentlich hatte ich bereits über die Häfte fertig, merkte dann aber, dass einige Dinge einfach noch nicht zueinander passten. Also beschloss ich erstmal einen kleinen Füllteil einzuschieben, der alles etwas klarer machen sollte... Nun... aus dem "kleinen" Füllteil sind folgende ~ 3 Din A4 Seiten geworden... 
Sie bringen zwar die Story nicht so super toll voran, aber dennoch hoffe ich mal, sie sind einigermaßen unterhaltsam.
Ach ja... nochwas
@Canola, Yamato: Ahh... Da kommen wir der Sache schon näher ^^
@Jumper: Thx für das Lob.
@Lynx: Um genau zu sein, fehlen da eher zwei Fragezeichen... Es sind rerufene Fragen ^^" Zu der ersten Amerkung sag ich hingegen erstmal gar nichts (wartet ab ^^)
@Sendrik: Ebenfalls abwarten... Kommt Zeit, kommt Rat, kommt Antwort 
So, aber jetzt wirklich weiter
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Er starrte nun schon seit geschlagenen fünfzehn Minuten auf die schwach beleuchtete, graue Zimmerdecke. In dieser Zeit hatte er nicht einmal geblinzelt und nun spürte er langsam, wie seine Augen zu schmerzen begannen. Es war ein pochender und stechender, immer intensiver werdender Schmerz, als ob man ihm glühende Nadelspitzen durch die Augäpfel jagen würde. Und obwohl die Pein immer größer wurde, so strebte Kyle mit aller Willenskraft danach, ihr
nicht nachzugeben. Denn sie brachte eine positive Begleiterscheinung mit: Sie half ihm, seine Gedanken zu fixieren. Und das hatte er bitter nötig. Dringender als alles andere musste er endlich ein Wenig Ruhe und Ordnung in die tobenden Böen seines Verstandes bringen, die ihn wie ein hilfloses Papierschiffchen im brausenden Taifun seiner Emotionen immer und immer wieder nieder peitschten. Er war aufgewühlt. Und das zu Recht.
In den letzten 24 Stunden hatte er Dinge erfahren, Dinge
gesehen, die unmöglich wahr sein konnten. Und dennoch erschienen sie ihm als wahr. Und als die Antworten auf all die Fragen, nach denen er seit Rhodestones Tod so vehement suchte. Für die er so viel riskiert hatte. Er hatte sich in seinem eigenen Quartier ein Terminal einrichten lassen, welches nicht mehr auf Stimmenbefehle reagierte, sondern nur mehr auf Tastatureingabe. Dadurch konnte er all die lästigen und verräterischen Sicherheits-Logs umgehen, welche die Stimmenkommandos mit sich brachten. Und die seine Nachforschungen hätten auffliegen lassen können. Nachforschungen, zu denen er niemals berechtigt gewesen war. Nachforschungen über Rhodestone.
Und seine wöchentlichen Besuche bei dem Jamaikaner. Natürlich stand ihm als Offizier das Recht zu, im Gefangenentrakt nach Belieben ein- und auszugehen. Aber dennoch hatte es bestimmt Misstrauen geweckt. Vor der Sache mit Rhodestone war er ein seltener Gast in Sub Level 5 gewesen.
Das alles nur für die Wahrheit.
Und was hatte es ihm eingebracht?
Er war schon lange nicht mehr der Leiter der Einsatzkommandos, und hatte somit den Job verloren, für den er sprichwörtlich geboren wurde. Dann nahm man ihn
seine Squads. Er hatte alle Mitglieder der drei Elite Squads persönlich trainiert und unzählige Missionen mit ihnen gemeinsam durch gestanden. Kyle war äußerst vorsichtig mit dem Wort, aber sie waren mehr als nur seine Vertraute: Sie waren seine Freunde. Sofern er jemals welche hatte. Als Gegenzug dafür bekam er Informationen von einem kaltblütigen Mörder aufgetischt, die er nicht glauben konnte. Nicht glauben
wollte. Und nun auch noch Cassandra. Der Colonel wusste nicht genau, wie er das Gefühl am besten beschreiben sollte, das er tief im Inneren empfand, als er sich an ihren Gesichtsausdruck erinnerte. Den Ausdruck, den er erst vor nicht ganz einer Stunde in ihrem Gesicht entdeckte. Als sie es ihm mitgeteilt hatte. Vermutlich war es Trauer, die er empfand, vermischt mit Wut und zugleich Hilflosigkeit. Trauer über den Abschied. Wut über die Entscheidung. Hilflosigkeit. Doch er spürte ganz genau, dass ganz tief, hinter all diesen Emotionen, noch etwas anderes war. Etwas weitaus Schlimmeres.
Leere.
Rhodestone und Cassandra waren die einzigen Lebewesen in seinem Leben, für die er mehr als nur Sympathie empfand. Rhodestone war sein Vater gewesen. Nicht biologisch gesehen - vielmehr auf einer geistigen und emotionalen Ebene, aber dennoch: Er war sein Vater. Und Cassandra? Wenn Kyle überhaupt in der Lage war, so etwas wie ‚Liebe’ zu empfinden, dann musste es das Gefühl sein, wenn er in Cassandras blaue Augen sah. Das leichte Kribbeln in seinem Magen, wenn sie sich in einem Raum mit ihm befand. Und die friedliche Wärme, die seinen Körper durchströmte, wenn sich ihr Bild vor seinem inneren Auge bildete. Cassandra war alles, was er jetzt noch hatte. Und er würde alles verlieren, wenn er noch einen Tag länger im Zweifel leben würde. In diesem Dämmerungszustand der Ungewissheit. In der Unsicherheit über den nächsten Schritt. Nein, das konnte er nicht zulassen. Noch heute Nacht würde er die Wahrheit finden. Nicht nur für sich. Vielmehr für Cassandra.
Mit diesem Gedanken sprang er vom Bett und eilte zu seinem Kleiderschrank.
*
Wie ein mächtiges Mahnmal aus geronnener Schwärze und Finsternis ragte das Omega HQ über die Dächer von Los Angeles. Ein mächtiges Gebäude, das in der Nacht noch viel größer und bedrohlicher erschien, als es in Wirklichkeit war. Wie ein stählerner Gigant, ein schwarzer Sentinel wachte es über die schlafende Stadt, die in ihrer Vergangenheit schon so viel durchmachen musste. Krieg. Hungersnot. Krankheit. Tod. Keiner der vier biblischen Reiter zog spurlos an dieser Stadt vorüber. Sie alle hinterließen ihre Spuren. In den Straßen. Den Gebäuden der Stadt. Und auch in ihrer Seele. Den Bewohnern. Doch alles änderte sich, als der schwarze Koloss, wie der sagenumwobene Phönix, aus der Asche des Krieges und des Todes auferstand und seinen schützenden Schatten über die Stadt warf. Unter der unsichtbaren Macht des stählernen Riesen erblühte die Stadt der Engel wieder zu neuem Glanz. So wie die Menschen in ihr. Obwohl sie nicht wussten, was der Titan wirklich darstellte, so erkannten sie die positiven Veränderungen, die seit seiner Fertigstellung kamen. Der Wiederaufbau der Gebäude. Die weitgehende Verminderung der Strafdelikte. Das Gefühl der
Sicherheit, das er spendete. Die Menschen erkannten, dass der Wolkenkratzer über sie wachte, wie ein himmlischer Cherubim.
Und
er war es, der über den Wächter wachte.
Hoch oben, in der 69te Etage des Giganten. An seinem Fenster, durch welches er die gesamte Stadt überblicken konnte. General Ivan Rykov. Oberster Befehlshaber von Omega. Gründer der vermutlich stärksten Armee, die nicht in Diensten eines Staates stand. Kriegsveteran. Mensch. Er war das Auge des Sentinels. Der
wahre Wächter über diese Stadt. Und er hatte nicht mehr viel Zeit. Zeit, um seinen Lebenstraum zu erfüllen, und das Ziel der letzten dreißig Jahre zu erreichen. Langsam und fast ein wenig traurig blickte der General in die blasse Spiegelung an der Fensterscheibe. Sie zeigte einen alten Mann. Mit leicht eingefallenen Wangen und fast schon kahlem Schädel. Dunklen Ringen unter den Augen und fast genauso dunklen Altersflecken auf der Stirn und den Wangen. Dreißig Jahre. Nur zwei Worte, aber eine lange Zeit seines Lebens. So lange hatte er auf diesen Tag gewartet. Und nun stand er so kurz vor der Erfüllung seines Lebensziels. Endlich. Und dennoch gab es immer noch einige ungelöste Variabeln. Die ihm alles zunichte machen könnten. Eine davon saß gerade in Sub Level 5, Sektor 3. Aber diese Variabel war die kleinste seiner Sorgen. Immerhin würde sie sich in weniger als 24 Stunden in Wohlgefallen auflösen. Aber es gab da noch die Anderen.
„General? Ist alles in Ordnung mit ihnen?“
Aus dem Dunkel seines Büros tauchte plötzlich eine zweite Gestalt in der Reflexion an der Fensterscheibe auf. Ein viel jüngeres Gesicht. Blond, blauäugig. Mit einem gefährlichen, eiskalten Blick, wie ein gieriges und unberechenbares Raubtier. Der es trotzdem irgendwie schaffte Besorgnis zu übermitteln. Rykov zweifelte keine Sekunde an diesen Gefühlen. Dazu kannte er die Person, die sich zeitgleich mit ihm in seinem Büro befand, einfach zu gut.
„Es ist nichts, Joseph… Ich bin lediglich froh, wenn der morgige Tag vorbei ist…“
Leech nickte nur zustimmend. Danach trat er ein paar Schritte näher, sodass sein ganzer Oberkörper nun in der Reflexion zu erkennen war.
„Ich verstehe. Sie müssen das ganze aber positiv sehen: Morgen ist es dann endlich vorüber…“
„Ist es das…?“
Mit einem schwungvollen Ruck drehte sich der General um die eigene Achse und fixierte noch in der Bewegung die Augen seines Gegenübers. Welcher überrascht und ein wenig erschrocken einen zaghaften Schritt nach hinten machte. Kaum verschwand die Überraschung aus dem Gesicht des Colonels, trat an ihre Stelle auch die Verwunderung über die letzte Aussage des Oberbefehlshabers.
„Sir…?“
„Hört sich das alles nicht zu gut an, um wahr zu sein, Joseph? Dass morgen mit der Exekution des Terroristen auch endlich Rhodestones letztes Geheimnis stirbt? Und dass damit alle Gefahren beseitigt wären? Dass wir sorgenfrei und ohne weitere Komplikationen unsere Arbeit zu Ende führen können…? Es klingt so wunderbar in meinen Ohren. Und zugleich auch so
unwahr. Haben wir mit Jax wirklich unser letztes Problem beseitigt?“
Leech senkte seinen Blick gen Boden. Man konnte ihm wahrlich ansehen, wie er angestrengt über diese Frage nachdenken musste. Doch nur wenige Augenblicke später schnellte sein Kopf wieder in die Höhe. Und wieder war da dieser gierige und vor allem gefährliche Ausdruck.
„Langley.“
Der General sog nachdenklich sie Luft etwas schärfer ein, bevor er zur Antwort ansetzte.
„Ich weis es nicht. Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Rhodestone hatte schier unendlichen Einfluss auf ihn, und dennoch… Er war uns immer loyal ergeben. Aber wir dürfen kein Risiko eingehen. Auch wenn ich die Entscheidung nur sehr ungern treffe…“
Rykov setzte seinen Körper langsam in Gang und machte einige Schritte zu seinen Schreibtisch. Seine Blicke streiften den eingeschalteten TFT Bildschirm, auf den momentan nur der Bildschirmschoner zu sehen war. Eine Digitaluhr. Die ihn nur unsanft an etwas erinnerte. Er seufzte noch einmal leise und drehte sich dann zu Leech.
„Wie auch immer. Wir werden weiter nach Plan vorgehen. Und nun kommen Sie, Joseph… Wir müssen unseren
Freunden noch einen kleinen Besuch abstatten.“
*
Langsam und gründlich betrachtete er sich noch ein letztes Mal im großen Spiegel seines Quartiers. Die schwarze Standard Uniform war einem schwarzen Rollkragenpullover und einer dazupassenden, selbstverständlich ebenfalls schwarzen, Ärmellosen Jacke mit vielen aufgenähten Taschen – in denen sich mindestens gleich viele nützliche Gegenstände befanden – gewichen. Auch das schwarze Beret bedeckte nicht mehr seinen Kopf, stattdessen hatte er nun eine noch aufgewickelte Schimaske auf, die dadurch wie eine Haube aussah. Das einzige, was er nicht verändert hatte, waren seine Beinkleider: Die robuste schwarze Hose und die festen Schuhe. Und der Beinhalfter mit seiner Dienstwaffe auf dem rechten Oberschenkel. Ganz wohl fühlte er sich nicht dabei, sich bewaffnet auf den Weg zu machen, aber eine kleine Stimme in seinem Inneren riet ihn doch dazu. Denn wer wusste schon tatsächlich, was er in SL 6 vorfinden würde – sofern dieser Level überhaupt existierte? Doch dass würde er bald herausfinden. So oder so.
Kyle drehte sich nach rechts, schnappte sich den, zuvor sorgfältig gepackten, schwarzen Rucksack und ging schnellen Schrittes durch den Ausgang seines Quartiers.
Hinaus, auf der Suche nach der Wahrheit.
Auf der Suche nach SL 6.
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