12. Renegades (8)
Zeichen, Wunder, und ein neuer Teil!
Und langsam gehts auch ans Eingemachte. ^^ Im folgenden bin ich sehr, sehr happy, endlich einen Charakter auch in die Main Storyline einzubringen, der mir schon lange sehr am Herzen liegt. Ich hoffe, ihr habt Spaß daran ^^
Ach ja, im Übrigen fällt mir ein, dass ich eigentlich einmal ein wenig für Klarheit sorgen könnte, was den Namen von Stalkers Team angeht. Gut, für alle, die nicht so im Kyrillischen bewandet sind:
Собаки войны = Sobaki vojny = Dogs of War
Einleuchtend, oder? ^^
@Lene: So, ich hoffe, das war jetzt schnell genug.
„Unser Empfangskomitee steht also auch schon bereit.“
Fade seufzte laut, während er sein dunklen Haare nach hinten strich. Er beobachtete die beiden Agenten, wie sie langsam in ihre Richtung gingen. Colonel Joseph Leech und die Telepathin, Ms. Xara Shan. Ein nettes Paar, zumindest, wenn man eine leicht masochistische Ader hatte. Da dies bei ihm aber nicht gerade der Fall war, erschienen ihn die beiden lediglich als lästige Aufpasser. Die mit dem Finger am Abzug oder am, nicht nur rein metaphorischen, roten Knopf hinter ihnen standen. Und die nicht im Geringsten davor zurückschrecken würden, sie alle höchst persönlich zur Hölle zu schicken, wenn sie sich nicht mehr als nützlich erweisen würden.
Bei drei der vier Собаки войны hätten sie damit vermutlich auch Erfolg.
Ein besorgter Blick flog zu der jungen Frau neben ihn, die ihn heiter anlächelte.
„Mach dir keine Gedanken, Dimitri. Es ist nur ein weiterer Job. Richtig, Boss?“
Micric, der Angesprochene, reagierte allerdings nicht mehr auf die rhetorische Frage seiner Kameradin, sondern wandte sich mit direkten Befehlen an seine drei Unterstellten. Er wirkte dabei überraschend ernst und angespannt.
„War Machine. Setz einen Verteidigungsparameter auf. Ich will von niemand überrascht werden. Fade, versuch herauszufinden, ob es Augenzeugen gibt, und wo man diese finden kann. Und Nebula… Kontrolliere die Gegend. Ein Gefühl sagt mir, dass wir beobachtet werden.“
Klare Befehle, die von den drei anderen wortlos angenommen wurden. Der stählerne Gigant und der adrette Osteuropäer machten sich nahezu augenblicklich daran, diese auch in die Tat umzusetzen, während sich die junge Frau ein wenig verstohlen umsah. Ihre Blicke fielen schließlich auf einen schwarzen Minivan, hinter den sie schließlich mit eifrigen Schritten verschwand. Einen knappen Moment, bevor die beiden Omega-Agenten bei Micric angekommen waren.
„Ihre Leute scheinen hoch motiviert.“
„Sie sind Profis. Sie wissen, was zu tun ist.“
„Wissen sie es auch?“
Ein kurzes Aufblitzen in Stalkers künstlichem Auge war genau die Antwort, die sich Leech erwartet hatte. Mit einem süffisanten Grinsen verschränkte er die Arme vor der Brust und beobachtete genau, wie der ehemalige Soldat und Offizier vor ihm in die Knie ging. Micric schien hochkonzentriert zu sein, als seine Fingerkuppen über den festgetretenen Staub glitten und sich seine Nasenflügel aufblähten, als er gierig die heiße und trockene Wüstenluft aufsog.
Micric war ein Bluthund. Im wahrsten Sinne des Wortes. Es war seine spezielle Fähigkeit, der Grund, warum ihn Omega immer noch als
nützlich erachtete. Seine Sinne hatten sich in unermesslichen Maß geschärft und er besaß das einmalige Talent, sich in eine bestimmte Spur zu verbeißen. Ein Geruch, eine Fährte, die er wahrnehmen konnte, und der er solange folgen konnte, bis die Quelle zu seinen Füßen lag. Stalker war ein Jäger – der beste und begnadetste, den diese Welt jemals gesehen hatte. Leech musste ihn nur auf eine Fährte ansetzen und an der kurzen Leine halten. Langley hatte keine Chance.
„Sie waren zu dritt. Zwei Männer, eine Frau. Etwas Seltsames liegt auch noch in der Luft. Myrre. Weihrauch. Es kommt auch von diesem Wrack dort drüben.“
Mit einem vollkommen sicheren Gesichtsausdruck wies der Söldner auf die verbrannten, verbogenen Überreste eines Wohnmobils, welches neben einigen anderen Autoleichen bei den abgebrannten Zapfsäulen stand. Micric erhob sich langsam wieder, ging aber in weiter gebückter Körperhaltung über den staubigen Boden in Richtung der Grundmauern des Diners. Sein gesundes Auge flog über die Szene, während sein Atem schneller wurde. Leech ging einen Augenblick lang das Bild eines Suchhundes und dessen Hechelatmung durch den Kopf, bevor sich Stalker erneut zu Wort meldete.
„Ich rieche Blut. Und mehr Personen. Irgendjemand hat hier etwas sehr Dummes gemacht, aber offenbar ist niemand gestorben. Kein Leichengeruch, kein verbranntes, menschliches Fleisch. Dafür aber ein seltsames Feuer.“
„Seltsames Feuer?“
Ms. Shans Augen verengten sich deutlich.
„Ja. Seltsam. Der Geruch ist anders. Irgendwie…
natürlicher. Schwer zu beschreiben.“
„LeRoi.“
„Also konnten wir das zumindest eindeutig bestätigen. Aber vergessen sie ihn. Was ist mit der Telepathin?“
Stalker kniete sich abermals hin und nahm ein Stück verkohltes Holz auf, dass er zwischen seinen Fingern zerrieb, während er daran schnupperte. Danach begann er ein wenig ins Leere zu sehen, wenngleich man deutlich erkennen konnte, dass hinter seiner Stirn zahlreiche Prozesse auf Hochbetrieb liefen.
„Sie war ebenfalls da. Auch wenn vielleicht nicht im besten Zustand.“
„Was soll das heißen?“
Stalker stand langsam wieder auf, wischte sich die verbrannte Asche in seine Hose und grinste leicht in Richtung des Colonels, der gespannt auf jedes weitere Wort des Söldners wartete. Leech wurde sich plötzlich bewusst, dass ihn Micric vollkommen in der Tasche hatte und eine leichte Röte schoss ihn ins Gesicht. Um die Situation ein wenig zu entspannen, schüttelte der Russe einfach nur mit dem Kopf und lachte leise auf.
„Das ist nicht so wichtig. Sie interessiert doch nur, ob ich bestätigen kann, dass die beiden hier waren und ob ich ihrer Spur folgen kann, oder, Colonel? Beides kann ich bejahen. Die Details sollten wir aber vielleicht besprechen wenn wir wieder unter sechs Augen sind, oder was meinen sie, Ms. Shan?“
Die Augen der Asiatin weiteten sich von einer Sekunde auf die Nächste, als sie eine Reihe von Wahrnehmungen des Söldners empfang.
„Wir wurden verfolgt?“
„Keine Sorge. Ich habe mich bereits darum gekümmert.“
*
War das Camp bei Tag schon eine absolute Reizüberflutung, so machte es die Nacht nicht unbedingt einfacher, dem regen Treiben zu folgen. Kyle wurde sich dessen nur wenige Minuten nachdem er das Apartmentgebäude verlassen hatte bewusst.
Vor vielen der kleineren Zelte in der Mitte des riesigen, überspannten Hofes brannten nun schon Lagerfeuer und kleinere Personengruppen hatten sich um diese versammelt. Es wurde gelacht, teilweise sogar gesungen. Meistens aber einfach nur miteinander gesprochen. Eine seltsame Harmonie ging von diesem Bild aus, die Kyle nur schwer fassen konnte. Denn trotz all dem freundlichen Miteinander konnte er auch langsam immer deutlicher die Schattenseiten erkennen. Die dutzenden Wachen, die in einer selbst hergestellten Schutzkleidung, ähnlich der von Ricky, durch die Pfade der Zeltstadt und die umliegenden Gebäuderuinen patrouillierten. Die alten und provisorisch reparierten Sturmgewehre, die nahezu in jedem Zelt zu finden waren, genauso wie die dazupassende Munition. Die Gesichter der Jugendlichen, die so ausgezehrt und alt wirken. Verbraucht, um es härter auszudrücken. Kyle verstand langsam, dass – auch wenn die Bewohner dieses San Franciscos Zivilisten waren – sie alle jeder Zeit für einen Kampf bereit waren. Dass ihr ganzes Leben ein andauernder Kampf war.
Ein Kampf gegen Omega – gegen Leute wie
ihn.
Vielleicht hatte Jax bei der einen oder anderen Geschichte übertrieben. Vielleicht war nicht alles so schwarz und weiß, aber dennoch konnte man diverse Fakten einfach nicht abstreiten. Diese Mensche hier waren keine Terroristen. Sein gesamtes Leben lang hatte er gegen Terroristen, gegen Diktatoren, Guerilla, Soldaten und Söldner gekämpft. Und diese Leute waren nichts von alledem. Aber was waren sie dann? Was waren Cassandra und er selbst, nun, nachdem sie Omega verraten und in diesem Camp Unterschlupf gefunden hatten? Diese war wohl die wichtigste aller Fragen, denn streng genommen bedeutete sie ihre Zukunft. Würde er seine Vergangenheit auf ewig geheim halten können? Er war nicht naiv. Cassandra, die noch nie aktiv bei einer Mission teilgenommen hatte, war vollkommen unbekannt, aber er selbst? Ein Colonel Kyle Langley ließ sich nicht einfach verstecken. Vor allem nicht in Mitten von Leuten, die er noch bis vor wenigen Wochen ins Gefängnis gesteckt hatte.
Oder Schlimmeres.
Wie viele von Jax’ Jungs hatte er in den letzten Jahren getötet?
Wie vielen der Kinder hier hatte er den Vater oder den älteren Bruder genommen?
Als Soldat hatte er sich nie besonders viele Gedanken über die Menschen gemacht, die durch seine Hand gestorben waren. Die meisten von ihnen waren ohnehin andere Soldaten gewesen. Und das Leben eines Soldaten bestand im Wesentlichen nun mal aus Kämpfen und Sterben. Andere waren Söldner oder tatsächliche Terroristen gewesen, die Geld oder Fanatismus zu unmenschlichen Taten getrieben hatte. Für diese hatte er noch weniger Mitleid empfunden.
Aber Zivilisten?
Ein bitteres Gefühl überkam ihn, worauf er sich von der Szene des Innenhofes abwenden musste. Was hatte er sich nur dabei gedacht? Zweifel überkamen ihn, während er weiter ziellos in die verzweigten Gassen der zerbombten Häuserschluchten schlenderte. Dieser Ort
war gefährlich. Nicht wegen Jax oder wegen dessen Jungs, sondern einfach und allein wegen
ihm.
Seine Anwesenheit würde Cassandra mehr in Gefahr bringen, als alle diese Möchtegern-Soldaten. Doch was war die Alternative? Gab es überhaupt eine? Er konnte weder Cassandra alleine lassen, noch konnte er sich mit ihr längerfristig sehen lassen. Und wenn sie weiter zogen? Alles in allem hatte Jax dennoch Recht: Dieser Ort hier war der sicherste Platz, wenn man vor Omega auf der Flucht war. Doch konnten sie wirklich hier bleiben? Was könnte noch alles passieren, wenn sie sich dazu entschließen würden, in San Francisco zu verweilen?
Die Antwort kam schneller und schmerzhafter, als es sich der Colonel jemals ausgemalt hätte in Form eines spitzen und scharfen Gegenstandes, der ihn aus der Dunkelheit her ansprang und sich blitzschnell in seine Schulter bohrte.
*
Viel hätte nicht gefehlt, und Captain Canola wäre vor Schreck aufgesprungen und nach hinten gestürzt. Aber zu viele Missionen und zu viele solcher Momente in der Vergangenheit hinterließen eine gewisse Praxis in solchen Situationen. Also bewahrte sie die Ruhe und drückte sich vorsichtig nach hinten, um langsam von der Kuppe des kleinen Hügels hinab zurutschen, auf der sie ihren Beobachtungsposten bezogen hatte. Der kalte Schauer über ihren Rücken verblieb allerdings dennoch, während ihr inneres Auge noch immer Stalker Gesicht manifestiert hatte, das mit einem gehässigen Grinsen in ihre Richtung starrte.
Kaum war sie im Schatten des Hügels verschwunden, richtete sie sich vollständig auf und begann, die kleine Parabolantenne in ihrer Hand zusammen zuklappen. Ein nützliches Spielzeug, das zusammen mit dem Restlichtverstärker und dem Zoom in der schwarzen Sonnenbrille das perfekte Überwachungswerkzeug darstellte. Ihre Gedanken schwirrten noch immer um die letzten Worte des Söldners. Sie waren beunruhigend. Ihre Schritte gingen zielstrebig weiter durch die hereingebrochene Nacht in Richtung der Ninja, während die Finger ihrer rechten hand das Funkgerät an der Sonnenbrille ertasteten.
„Dagger Four an Dagger One. Dagger One, kannst du mich hören?”
„Laut und deutlich. Also, was machen die da draußen?“
Ihr Herzschlag wurde ein wenig ruhiger, als sie Lynx’ Stimme vernahm.
„Ich weiß es nicht, aber sie haben ein paar komische Gestalten dabei. Einer davon kommt mir sehr bekannt vor, aber ich kann nicht sagen, woher. Außerdem denke ich, dass sie mich bemerkt haben.“
„Kommst du alleine klar?“
„Ich denke schon. Du weißt ja: Entkommen war immer meine Spezialität.“
„Gut. Dann komm auf schnellstem Wege zurück. Wir haben jede Menge zu-“
Canola blieb wie versteinert stehen, als der Funkkontakt plötzlich abriss und nur mehr ein leises Rauschen in den Ohrhörer zu vernehmen war. Doch es war nicht die unterbrochene Verbindung, die sie so unangenehm überraschte. Vielmehr die Ursache dafür.
Eine junge Frau in schwarzer Einsatzuniform, die mit einem breiten Grinsen auf Canolas schwarzen Ninja saß und demonstrativ mit dem Zeigefinger auf den Funkverstärker im Armaturenbrett tappte. Ohne den Verstärker im Motorrad würde das Signal ihres Kommunikators keine fünf Kilometer weit gehen.
„Eine nette Maschine.“
Mit den ersten Worten der Fremden brach auch die Starre der Offizierin. In einer verschwimmenden, übermenschlich schnellen Bewegung zog sie ihre Dienstwaffe und richtete sie auf die Unbekannte vor ihr. Ein roter Laserstrahl visierte genau deren Herz an, während Canolas Gesichtszüge ernster wurden.
„Identifizieren sie sich.“
„Ich bin Nebula. Und… ich sag das nur sehr ungern, aber… ich fürchte, ich muss dich jetzt töten. Sorry!“
*
Wütend biss der Colonel die Zähne aufeinander, als er das schwarze Katana aus der Saya an seinem Rücken zog. Wütend, auf sich selbst, nicht besser aufgepasst zu haben. Verdammt, hatte er nicht gerade klar gestellt, dass es für ihn persönlich hier nur so vor potentiellen Feinden wimmeln würde? Mit fletschenden Zähnen fluchte er leise, als er nach dem Fremdkörper in seiner Schulter griff und ein zehn Zentimeter langes Wurfmesser herauszog.
Kaum befand es sich in seiner Hand, begann sich die Wunde an seiner Schulter auch schon wieder zu schließen. Doch keinen Herzschlag später durchstießen zwei weitere Messer sein Fleisch. Diesmal im Rücken, knapp an seiner Wirbelsäule vorbei.
Kyle grunzte zornig, während er sich wieder zu konzentrieren versuchte. Wurfmesser! Wer benutzte heutzutage noch Wurfmesser? Irgendwie fühlte es sich fast wie ein schlechter Scherz an, wenn nicht der Schmerz in seinen Rücken und die zwei kurzen Blitze waren, die er gerade noch aus den Augenwinkeln vernehmen konnte. Instinktiv riss er das Schwert hoch und schaffte es, eines der beiden heran fliegenden Messer daran abprallen zu lassen. Das andere drang in seinen rechten Handrücken ein. Ein grimmiges Brummen war Kyles Antwort auf den weiteren Angriff, während er sich versuchte, von den Fremdkörpern zu befreien.
„Nicht gerade sehr mutig, einen Passanten von hinten anzugreifen!“
Hektisch suchten seine Augen die umgebende Finsternis nach irgendeinem Indiz ab. Einen Schatten, einer Silhouette, irgendeiner Bewegung. Doch er konnte nichts vernehmen. Keinen visuellen Reiz, keinen akustischen. Nur das Pfeifen des Windes und die herkömmliche Umgebung einer alten Seitenstraße, die zu beiden Seiten geziert von halb eingestürzten Hochhäusern war, und damit hunderttausend Verstecke für einen ausgebildeten Attentäter bot. Nicht gerade die besten Voraussetzungen.
„Ich hätte mir nicht vorgestellt, dass es so einfach werden würde. Zumal sie kein einfacher Passant sind.“
Die Stimme verwunderte ihn doch einigermaßen. Zum einen, da sie von scheinbar allen Seiten gleichzeitig zu kommen schien und es damit beinahe unmöglich machte, eine tatsächliche Quelle ausfindig zu machen. Und zum anderen da sie, obwohl sie einigermaßen gedämpft erklang, eindeutig weiblich war.
„Ach? Bin ich nicht?“
Seine Sinne filterten die Umgebung ab, während er sich dabei beständig um die eigene Achse drehte. Seine rechte Hand führte das schwarze Katana wie ein Schild vor seinem Gesicht, während die linke Hand mit einem der Messer spielte, die gerade noch in seinem Rücken steckten.
„Nein, sind sie nicht, Colonel Langley.“
Die Stimme klang nah. Und dieses Mal konnte er eine ungefähre Quelle ausmachen. Ruckartig wirbelte er um die eigene Achse und riss seinen Oberkörper nur einen Sekundenbruchteil später zur Seite. Knapp entkam er einem weiteren Messer, das aus der Dunkelheit angeflogen kam und nur kurz im schwachen Licht einer nahen brennenden Mülltonne aufleuchtete. Kyle spannte seine Muskeln an und schickte quasi in derselben Bewegung das Messer in seiner Linken in Richtung des letzten Angriffes. Dahin, wo er seine unbekannte Angreiferin vermutete. Doch ein Ziel traf es nicht. Kurz bevor es endgültig von der Dunkelheit verschluckt wurde, packte eine blitzschnelle Hand nach ihm und fischte es so praktisch aus der Luft.
Und aus der Hand wurde schließlich ein ganzer Arm. Und ein ganzer Körper, der in den Schein der brennenden Mülltonne, keine zwanzig Meter von dem Colonel entfernt, trat.
Eine junge Frau, die in einen pechschwarzen Body gekleidet war, der sich wie eine zweite Haut an ihren Körper schmiegte. Eine ebenso nachtschwarze Gesichtsmaske verhüllte sie, sodass Kyle nicht mehr als glänzen schwarze und glatte Haare erkennen konnte, die zu einem kurzen Pferdeschwanz an ihrem Hinterkopf zusammengebunden waren. Und zwei dunkle Augen, die ihn irgendwie an die seinen erinnerten, auch wenn diese über einen weißen Glaskörper verfügten. Doch der Ernst und die Entschlossenheit, die in der dunklen Iris weilte – es war fast so, als würde er in einen Spiegel blicken.
Doch von ihrem Gesicht abgesehen wurde auch so ihre Absicht schnell klar. Überall an ihrem Körper konnte Kyle Messer und kleinere Schwerter entdecken. Mehrere Gurte, die um ihre Oberschenkel und –arme gewickelt waren und Platz für die gleiche Sorte Wurfmesser boten, deren schmerzliche Bekanntschaft er eben gemacht hatte. Sai-Dolche, die an Halterungen auf ihrem Rücken angebracht waren und schließlich noch zwei mittellange, japanische Schwerter, die in ihren Saya hinter der Hüfte der Unbekannten ruhten.
Aber nicht für lange. Mit einem klirrenden Geräusch zog sie eines der Kodachi und richtete es auf den Offizier.
„Sie sind eine Gefahr, Colonel. Eine Gefahr für uns alle. Vielleicht will Jax seine Augen davor verschließen – ich werde das nicht tun. Mein Name ist Sahlene, Colonel Langley. Merken sie sich ihn, falls sie ein
Shinigami danach fragen sollte.“
Die Worte waren noch nicht vollständig verklungen, als Jax’ rechte Hand, seine persönliche Genrälin, so wie er Sahlene einst bezeichnet hatte, auch schon auf Kyle zustürmte. Sie war schnell. Viel zu schnell. Kaum hatte sich der Soldat auf den Zusammenprall vorbereitet, sprang die Angreiferin auch schon zur Seite, gegen die nächste Wand der Seitengasse, von der sie sich mit einem gewaltigen Tempo andrückte. Kyle konnte der Bewegung kaum folgen, als sie plötzlich an seiner Seite war und sich die Klinge ihres Schwertes durch die Muskeln seines rechten Arms schnitt.
Er keuchte auf und taumelte einen Schritt nach hinten, ehe er wieder festen Stand fand und schon wieder mit dem nächsten Angriff konfrontiert wurde. Sahlenes Kodachi visierte direkt seinen Sonarplexus an, den er nur mit einer beherzten Rolle rückwärts schützen konnte. Abermals riss er dabei das Katana schützend nach oben. Noch während er die Rolle vollführte, konnte er das klirrende Geräusch von splitterten Metall und das zischende Einsaugen von Luft vernehmen. Kaum hatte er schließlich wieder den Asphalt unter seinen Füßen, schnellte er auch schon wieder hoch und ging mit dem Schwert eine defensive Haltung ein. Erst jetzt bemerkte er, dass er offenbar ziemliches Glück hatte.
Das Katana durfte bei der Bewegung wohl auf das Kodachi getroffen sein und hatte dabei seine Qualität bewiesen. Die Qualität eines Schliffes auf
molekularer Ebene. Gute zehn Zentimeter von der Spitze des kleineren Schwertes fehlten und Sahlenes Body war in Höhe ihres Bauchnabels mehrere Zentimeter weit aufgeschnitten. Blut lief aus der Wunde darunter und erinnerte ihn an seine eigenen Verletzungen. Er konnte allerdings schon fühlen, wie sich Muskeln und Fleisch wieder zusammensetzten. Ein leichtes Grinsen schlich sich unbemerkt auf sein Gesicht.
„Macht sie solch eine kleine Wunde schon glücklich? Wie… erbärmlich.“
Die kalten Worte der weiblichen Ninja wurden nur dadurch unterstrichen, dass sie mit einer leichten Handbewegung das Blut von der Wunde strich.
Die sich in diesem Moment gerade zu schließen begann.
Das Grinsen in Kyles Gesicht war wie weggewischt.
„Nun… Ich denke, das könnte interessant werden.“