[Nightmare-sei]
Mit einem leichten Kopfnicken deutete Azrael an, dass er die zuvor gegebenen Befehle verstanden hatte, ehe er selbst zur Antwort ansetzte. "Schon bald. Ich werde mich noch heute auf den Weg machen und gedenke, bis in wenigen Tagen dieses Problem bereinigt zu haben. In der Zwischenzeit werden sich zwei meiner Offiziere um die restliche Koordination kümmern. Sie mögen zwar jung sein, aber was ihnen an Erfahrung fehlt machen sie an Eifer wieder wett." Eldar dachte über diese Worte einen Moment lang nach. "Bedeutet dass, du vertraust ihnen?"
Azrael schwieg einen Moment und dachte an die beiden Jüngeren. Sie waren noch halbe Kinder, aber hatten sich durch ihren Enthusiasmus und ihren Respekt gegenüber den Königsthron schnell von der Masse herausgehoben, ihre Loyalität war vermutlich nicht zu bestreiten. Jedoch war Vertrauen etwas, dass man nicht leichtfertig hergeben sollte. "Nein.", antwortete Azrael wahrheitsgemäß "Aber ich vertraue darauf, dass sie es nicht wagen würden, ihre Position auszunützen. Dafür haben sie zu viel Angst. Vor mir." Es schwang eine gewisse Melancholie in den letzten Worten mit, die Eldar wohl nur allzu gut deuten konnte. Von all den Techniken, die Azrael beherrschte, von all seinen taktischen Wissen und von all den Fertigkeiten als Krieger, die ihn definierten, so war die undefinierbare Furcht, welche die meisten der Soldaten vor ihn hatten, letztenendlich die zuverlässigste seiner Waffen. Aber das war nicht sehr verwunderlich.
Zu viele Gerüchte warem über den neuen Lord des Hauses Vhades im Umlauf gewesen, eines Clans, der in der Vergangenheit ohnehin schon als gefährlich und undurchsichtig gegolten hatte. Doch nun war sein Führer ein Mann mit zweifelhafter Vergangenheit und einem noch zweifelhafteren Ruf. Es hatte sich schon bald das Gerücht durchgesetzt, dass es sich bei diesem Mann nicht um einen reinrassigen Nachtmahren handelte. Ein Halbblut, wenn nicht sogar etwas viel Schlimmeres. Der in der Vergangenheit ein Mörder, ein Attentäter gewesen war und ohne Ausnahme töten würden. Und der dennoch das Vertrauen und die Freundschaft des Königs genoss. Zu viele unverstandene Faktoren, die sich zu einem sehr schlechten Ruf aufsummierten - bis an dem Tag, an den sich Lord Azrael Vhades zum ersten Mal seinen Männern vorstellte. Ab diesem Zeitpunkt grassierten keine Gerüchte mehr. Die zweifelnden Stimmen waren verstummt. Um der Angst Platz zu machen, die an ihren Stellen nun vorherrschte. Denn ganz egal, wie schlimm die Gerüchte um Azrael waren - Azraels Präsenz selbst übertraf sie.
"Sie werden unverzüglich handeln, wenn sie den Befehl dazu erhalten.", schloss Azrael seine Erklärung, als er merkte, dass betretenes Schweigen den Raum füllte.
[Erde - Dojo]
Mit einem tiefen Atemzug sog der alte Mann die kalte Nachtluft in seine Lungen und stieß sie mit einem lauten Schrei wieder aus. Zeitkleich wirbelten zwei Kunai in seinen beiden Händen, während er eine Abfolge verschiedener Kampfpositionen durchging. Mit enthusiastischen Lauten schnitt er sich durch die klare Luft um ihn herum, während eine weißblaue Aura um ihn herum langsam zu leuchten begann. Ein letzter Tritt gegen einen nichtvorhandenen Feind folgte, ehe der Mann wieder in seine Ausgangsposition zurückkehrte und beide Kunai hinter seinem Rücken in die passenden Halterungen zurückschob. Musternd betrachtete er seine beiden Hände, die mittlerweile unter zwei eisernen Handschuhen Platz gefunden hatten. Seine grüne Kampfkleidung wehte in der nächtliche Briese der Berge, die auch an seinen Bart und den Haaren zerrte.
Es ging schneller, als er es gedacht hatte. Wenn er sich selbst einschätzen müsste, würde er sein momentanes Ki-Niveau irgendwo knapp unter dem einfachen Super Kree-jin ansiedeln. Stark genug, um sich damit auf die Reise zu machen aber zu schwach, um wirklich eine Chance in zukünftigen Kämpfen zu haben. Er musste also auf der Reise weiter trainieren. Seinen Geist und Körper weiter synchronisieren. Ohne nicht mindestens den dreifachen Super Kree-jin erreicht zu haben, wäre er wohl kaum eine Hilfe für die Gruppe. Und selbst dann bezweifelte er dies noch immer ein wenig. Immerhin - was sollte er ihnen sagen? Er wusste mittlerweile nicht mehr oder weniger als die anderen Kämpfer. Der Deal für seine Rückkehr lautete immerhin so. Sein alter, materieller Körper und die Erlaubnis, sich in die Belangen der Sterblichen einzumischen im Austausch für die Macht und jegliche Erinnerung über die aktuellen Geschehnisse im Universum, die ihm seine Position als Wächter eingebracht hatten. Kurzum: Er selbst durfte wieder mitmischen, solange er mit keinen Startvorteil ins Rennen geschickt wurde. Ein fairer Deal aus Sicht des Rates. Nicht genug, aus der Seinigen.
Dennoch musste es ausreichen. Es musste. Genauso wie auch seine momentane Kraft ausreichen müsste. Er musste den anderen helfen, ganz egal wie. Selbst, wenn er noch nicht wusste, an wen er sich wenden sollte, oder wie er sich vorstellen sollte. Er war nicht länger das Wesen, dass die anderen gekannt hatten. Dieses Wesen hatte keine Rasse, es hatte keinen physischen Körper und es hatte keine Möglichkeit, einzugreifen. Er allerdings besaß all diese Merkmale. Wer war er also? Im Moment wohl nichts weiter als ein Namenloser Kämpfer, der auf den Weg zu einem weit entfernten Planeten war. Den er mithilfe eines Geschenks erreichen würde. Mit einem zustimmenden Nicken erhob er seine Stimme. "Prometheus. Mein Ziel erfassen und direkten Transport in die Brücke durchführen."
Keinen Moment später wurde er in seine Moleküle zerlegt, nur um einige hundertausend Meilen weiter wieder zusammengesetzt zu werden.
[Prometheus]
Mit einem leichten Seufzen setzte er sich auf den Platz des Captains, während er alle Kontrollen des Schiffes durchstöberte. Zu lange war es her, dass er in diesen Stuhl gesessen hatte. Es war in einem anderen Leben gewesen. Damals, als er noch Sterblich war, damals, als alles noch anders war.
Glücklicherweise hatte Rico im Verlauf der Jahre nie viel an der grundliegenden Steuerung der Prometheus oder ihrer Programmierung geändert. In den Ereignissen der Invasion hatte er zwar eine Sub-Routine verfasst, die andere, zuvor identifizierte Personen Kommandorechte verpasste und sie automatisch an Bord des Schiffes transportierte, aber die ureigene Haupt-Kommandoroutine war noch immer unangetastet. Dies war noch immer das letzte Schlachtschiff der Kree-jin. Und er war wieder zu einem Kree-jin geworden. Prometheus hatte zu gehorchen.
"Setze Kurs auf Gemuse-sei. Maximalgeschwindigkeit."
Einem stummen Fiepsen nach zu urteilen hatte das Schiff verstanden und ein dementsprechender Kurs wurde berechnet. Das Schiff beschleunigte spürlos, während sich der Kämpfer tiefer in den Pilotensessel hineinsetzte. Er musste trainieren, doch zuvor musste er sich einige Dinge klar werden, sie noch überdenken.
Rico war tot. Die anderen Kämpfer hatten dies vermutlich schon mitbekommen. Er malte sich aus, wie einige von ihnen Rachepläne schmiedeten und gerade schworen, die Krähen für diesen Mord bezahlen zu lassen. Genau dies wäre auch seine ureigentste Motivation, wenn da nicht der Funke eines wichtigen Gedankens wäre, der sich marternd in seinen Schädel bohrte. Er war sich sicher, dass blinde Wut nun nicht weiterhelfen würde, sondern man einen gewissen, kühlen Kopf bewahren musste. Doch dies war leichter gesagt als getan. Wer von den Kämpfern hatte die nötige Besonnenheit? Er wusste es nicht. Noch nicht. Aber es würde sich herausstellen, spätestens, wenn er auf Gemuse-sei angekommen war. Und beginnen würde er bei den Nod-jin. Vent und Void. Vielleicht waren sie die Richtigen. Er hoffte es zumindest.