[Aeruin RPG] Hauptthread

[Mitten in der Nacht: Kalinas Balkon]

Sharon lächelte und zuckte mit den Schultern, betrachtete nur kurz das kobaltblaue Kleid. "Danke", sagte sie leise und trat näher, legte die Hände auf das Geländer und schaute in die Nacht hinaus. Nate betrachtete sie schweigend, sein Gesicht verriet nicht mehr als ein schwaches Lächeln. Sharon öffnete ihren Rucksack und reichte Nate zwei Fotos. "Gerne hätte ich mehr gerettet, aber ich hatte keine Zeit zum Suchen. Ohne Lia wäre ich ohnehin nicht da raus gekommen. Und kaum war ich raus, flog deine Wohnung auch schon in die Luft." Sie sah auf das Foto mit den zwei Kindern auf dem Apfelbaum, dann auf das andere Bild mit dem Mädchen mit der Gitarre. "Du hast mir gestern Nacht gesagt, du hättest nichts zum Aufhängen oder Hinstellen. Ein bisschen hast du schon." Sie lächelte aufmunternd. "Besser ein bisschen als garnichts." Doch schnell schwand ihr Lächeln. "Das ist alles meine Schuld. Es tut mir sehr, sehr leid. Wenn ich nicht gewesen wäre, dann hättest du noch deine Wohnung und all die Dinge in den letzten Stunden wären nicht passiert..."

Nathan betrachtete die Fotos. Vor allem dem Mädchen mit der Gitarre schien sein Interesse zu gelten. In den dunklen Augen konnte Sharon eine gewisse Nostalgie aufflammen sehen, ehe er seufzte und zum fiktiven Sternenhimmel aufsah. "Diese Fotos sind weder zum Aufhängen noch zum Hinstellen. Es wäre besser, wenn sie gar nicht existierten ... Sie erinnern mich daran, wie zerbrechlich ein Mensch doch sein kann ..." Bilder des heutigen Massakers blitzten vor seinem geistigen Auge auf. "Von dem Moment an, da ich dir zum ersten Mal begegnet bin, sah ich diese traurigen Augen. Und als du da am Balkon standest, mit der regungslosen Miene eines Todesengels, da musste ich dich einfach aufhalten. Du gehst denselben Weg, den ich eingeschlagen habe. Ein Weg, der noch sehr viel Schmerz und Trauer mit sich bringt. Auch Marcus geht einen gefährlichen Pfad. Ich wollte euch vor unnötigem Ärger fernhalten, und habe euch dadurch in noch größeren hineingezogen." Er ging zu Sharon und hielt ihre Schultern fest. "Es tut mir schrecklich leid ..." Sie schaute nach unten auf die Straße, suchte dann den Himmel ab. "Aber ich schätze, wir sind noch nicht ganz in Sicherheit. Ich hoffe, das Militär platzt hier nicht gleich herein." Aber andererseits: Ohne Kaserne hatten die hoffentlich erst einmal nicht die Mittel, um sie zu verfolgen. Sharon seufzte und sah Nate an. "Was hast du jetzt vor? Bleibst du? Oder gehst du?"

Nathan schwieg wieder und sah zur Seite. Er schwieg für ein paar Sekunden, ehe er sie wieder lächelnd ansah. "Ich bleibe. Ich hab die Befürchtung, dass unser Abenteuer gerade erst begonnen hat. Und ich habe vor, euch vor Ärger zu bewahren. Irgendjemand muss doch auf dich Hitzkopf aufpassen!", grinste er und wuschelte ihr kurz durchs Haar. Er entfernte sich vom Balkon, blieb aber im Türrahmen stehen, die Fotos nachdenklich betrachtend, ehe er sie Sharon wieder reichte. "Verbrenne sie. Kein Grund der Vergangenheit nachzutrauern. Ich bin für ein paar Stunden fort, ich muss Ai besuchen gehen." Er wusste, dass es mitten in der Nacht war, doch er musste gehen. "Ich hab es ihr versprochen ..."


[Mitten in der Nacht: Kalinas Wohnung]

Während Marcus wahllos Bücher durchblätterte und dem Fernseher lauschte, gab es erste Stellungnahmen zum vermeintlichen Zwischenfall in der westlichen Kaserne.

"Wie bereits berichtet, führte ein Gasleck zum tragischen Unglück in der westlichen Kaserne, bei der etwa 300 dort stationierte Soldaten ihr Leben ließen. Leider kam es zu diesem Zeitpunkt auch zu einer technischen Störung bei den Sicherheitskameras des Walls, wodurch jeglicher Zugriff auf Videoaufzeichnungen unmöglich ist. Ersten Stellungnahmen zufolge geht man nicht von einem Anschlag der Rebellen aus. Es sei Glück im Unglück, dass die Hauptkaserne, welche vor fünf Jahren auf ähnliche Weise außer Betrieb genommen werden musste, nun fertiggestellt wurde. Näheres erfahren Sie in den 6-Uhr-Nachrichten ... Hören Sie nun den neuesten Hit von Liaison: Out of Reach ..."

Ohne großartig Acht zu geben, zog Marcus das nächste Buch aus einem Regal und begann wahllos darin herumzublättern. Als er die Worte schließlich erfasste, hielt er einen Augenblick lang inne.

Ich bin einem Jungen begegnet. Sein Name ist Marcus und er spielt gerne Basketball. Obwohl wir uns kaum kennen, hat er sich entschlossen, mich bei der Gründung des Theater-Clubs zu helfen. Seine Freunde sind ebenso seltsam wie er selbst. Da wäre Nathan, auch ein Basketballer und ein ziemlicher Tollpatsch. Aber er hat das Herz am rechten Fleck und geht für seine Freunde durch dick und dünn. Oder Sharon, die in meiner Klasse ist und noch unsicherer zu sein scheint als ich. Aber auch sie möchte mir helfen und entgegen ihrer distanzierten Haltung ist sie ein sehr nettes Mädchen. Ich wäre gern wie sie, direkt und schlagfertig. Der Unterschied zwischen uns beiden ist genauso groß wie zwischen den beiden Jungs. Nate ist sehr direkt, und doch bewahrt er stets ein Mindestmaß an Höflichkeit. Er scheint sehr beliebt bei den Frauen zu sein, aber er bekommt es wohl nicht einmal mit. Marcus kann auch sehr direkt sein, dabei geht er manchmal ein bisschen zu weit und sagt Dinge, die vielleicht nicht immer angebracht sind. Aber er verschönigt die Dinge nicht und nennt sie beim Namen, das gefällt mir. Manchmal benimmt er sich seltsam und redet wirres Zeug, das finde ich niedlich. Aber er wirkt auch sehr distanziert, scheint seinen Blick stets in weiter Ferne zu haben. Basketball, Theater, Kendo ... er hat so viele Ziele, die er in Angriff nehmen möchte. Oder weiß er schlicht nicht, was er will? Es fällt mir schwer, ihn richtig einzuschätzen. Dennoch will ich ihn fragen, ob er ...

"Ist es nicht ein wenig unhöflich, anderer Leute Tagebücher zu lesen?", wisperte eine engelsgleiche Stimme. Kalina stand direkt hinter ihm und ihr Lächeln sowie ihre Aussprache hatten in diesem Augenblick - vielleicht, weil er auf frischer Tat ertappt wurde - etwas unheimlich Drohendes. Sie lächelte aber nur schüchtern, nahm ihm das Buch aus der Hand und schenkte sich etwas Multivitaminsaft ein. "Die beiden scheinen sich auszusprechen ...", lenkte Kalina das Thema auf etwas anderes. Es schien eine große Last von ihr abzufallen, wahrscheinlich hatte sie sich große Sorgen um die beiden gemacht. "Die beiden sind richtige Meister in 'sich die Schuld geben'. Wirklich, die beiden tun sich irgendwie schwer, miteinander umzugehen ... Oh warte, ich glaube Nathan kommt!" Sie nahm seine Hand in die ihre und zog in hinter sich her. Nate kam gerade vom Balkon und meinte, jemanden so spät noch besuchen zu wollen. Sie wollte einwenden, dass Travia davon abgeraten hatte, rauszugehen, aber nachdem der Junge meinte, er hätte es dieser Person versprochen, fiel es ihr schwer, ihn hindern zu wollen. "Kannst du sie denn nicht anrufen und sagen, dass du verhindert wurdest?", wandte sie ein, doch Nathan schüttelte den Kopf. "Sie würde nicht rangehen", meinte er mit einem Grinsen und zog sich an. Kalina stupste Marcus und sah ihn erwartungsvoll an. Sollen wir ihn wirklich alleine gehen lassen? fragte ihr Blick und schien sich eine Aktion von Marcus zu erwarten.


[Heute: Nachhauseweg]

Kevin beschloss, nach Tomo zu suchen. Es war für ihn einfach verdächtig, wie sie sich zuerst brav an ihren Tisch setzte und dann doch noch den Unterricht verlassen hatte. Darklighter folgte der Straße, die Tomo entlang gegangen war und bog an der selben Abzweigung ab wie sie. Das Mädchen hatte einige Minuten Vorsprung und vielleicht würde er sie nicht mehr einholen oder gar wieder finden. Doch zu seiner Überraschung war sie nicht weit gekommen. Sie stand bei Rot mitten auf dem Zebrastreifen, als ein Truck auf sie zuraste. Der Fahrer schien sie von seiner Kanzel aus nicht zu bemerken, denn es ging kein Hupen oder ein Bremsverfahren von ihm aus. Auch die Passanten um Tomo herum taten nichts, um dem Mädchen vielleicht zu helfen. Tomo drehte sich zur Seite und blickte gedankenversunken zum LKW, der auf sie zubretterte. Auch sie schien sich nicht sonderlich große Gedanken um ihr vermeintliches Ende zu machen.

"... nicht sehen ...", entkam ihren blassen Lippen. Mehr konnte Darklighter nicht vernehmen, als das Brummen des LKW-Motors jedes andere Geräusch zu übertönen schien.
 
[Mitten in der Nacht: Kalinas Wohnung]

Mit einem Schmunzeln und einem Kopfschütteln kommentierte Marcus den TV-Bericht über ein Gasleck, welches die westliche Kaserne zerstörte. Doch er fand es seltsam, dass man die Schuld nicht den Rebellen in die Schuhe schob. Vielleicht gab es da draussen doch vernünftige Leute. Vielleicht war Frieden doch nicht so unmöglich, wenn man nur daran glaubte und etwas dafür zu tun bereit war. Die Tatsache, dass die Hauptkaserne wieder in Betrieb war, beunruhigte ihn etwas. Möglicherweise war die Gefahr doch noch nicht vorbei. Auf jeden Fall beschloss Marcus, Sharon noch einmal dringend nahe zu legen, sich nicht mehr mit dem Militär anzulegen. So lauschte er der Musik, während er sich dem nächsten Buch widmete.

Ich bin einem Jungen begegnet. Sein Name ist Marcus und er spielt gerne Basketball. Obwohl wir uns kaum kennen, hat er sich entschlossen, mich bei der Gründung des Theater-Clubs zu helfen. Seine Freunde sind ebenso seltsam wie er selbst. Da wäre Nathan, auch ein Basketballer und ein ziemlicher Tollpatsch. Aber er hat das Herz am rechten Fleck und geht für seine Freunde durch dick und dünn. Oder Sharon, die in meiner Klasse ist und noch unsicherer zu sein scheint als ich. Aber auch sie möchte mir helfen und entgegen ihrer distanzierten Haltung ist sie ein sehr nettes Mädchen. Ich wäre gern wie sie, direkt und schlagfertig. Der Unterschied zwischen uns beiden ist genauso groß wie zwischen den beiden Jungs. Nate ist sehr direkt, und doch bewahrt er stets ein Mindestmaß an Höflichkeit. Er scheint sehr beliebt bei den Frauen zu sein, aber er bekommt es wohl nicht einmal mit. Marcus kann auch sehr direkt sein, dabei geht er manchmal ein bisschen zu weit und sagt Dinge, die vielleicht nicht immer angebracht sind. Aber er verschönigt die Dinge nicht und nennt sie beim Namen, das gefällt mir. Manchmal benimmt er sich seltsam und redet wirres Zeug, das finde ich niedlich. Aber er wirkt auch sehr distanziert, scheint seinen Blick stets in weiter Ferne zu haben. Basketball, Theater, Kendo ... er hat so viele Ziele, die er in Angriff nehmen möchte. Oder weiß er schlicht nicht, was er will? Es fällt mir schwer, ihn richtig einzuschätzen. Dennoch will ich ihn fragen, ob er ...

Marcus hätte sich selbst als anständigen, wohlerzogenen, höflichen jungen Mann bezeichnet. Neugierig war er eigentlich selten gewesen, aber kaum hatte er begriffen, was er da in den Händen hielt, kaum hatte er seinen eigenen Namen gelesen, da konnte er einfach nicht aufhören zu lesen. Erst als eine Stimme hinter ihm erklang und ihn auf seine Unhöflichkeit aufmerksam machte, schloss er sofort das Buch, obwohl ein Teil von ihm noch so gerne den letzten Satz zuende gelesen hätte. Hätte er seine Kräfte benutzen sollen? Nein, das wäre nicht richtig. Mit hochrotem Kopf drehte er sich um, erwartete schon ein Donnerwetter. Doch sie lächelte lediglich schüchtern und nahm ihm das Buch ab. "Das war keine Absicht", begann er. "Ich wollte nicht - Ich habe kaum etwas gelesen - ich konnte nur nicht schlafen..." Doch Kalina lenkte das Thema auf etwas anderes. Marcus sah kurz gen Wohnzimmer und schmunzelte, als Kalina bide als Meister des 'sich die Schuld gebens' bezeichnete. Er musste an Sharons Schilderungen ihrer Taten denken und an seine harten Worte und seine Reaktion auf dem Schulhof. Ja, er war sehr sauer gewesen. Doch rückgängig machen konnte man es nun eh nicht mehr. Aber man konnte aus Fehlern lernen. Plötzlich nahm Kalina seine Hand und zog ihn hinter sich her. Nate kam gerade vom Balkon und meinte, jemanden so spät noch besuchen zu wollen. Sie wollte einwenden, dass Travia davon abgeraten hatte, rauszugehen, aber nachdem der Junge meinte, er hätte es dieser Person versprochen, fiel es ihr schwer, ihn hindern zu wollen. "Kannst du sie denn nicht anrufen und sagen, dass du verhindert wurdest?", wandte sie ein, doch Nathan schüttelte den Kopf. "Sie würde nicht rangehen", meinte er mit einem Grinsen und zog sich an. Kalina stupste Marcus und sah ihn erwartungsvoll an. Sollen wir ihn wirklich alleine gehen lassen? fragte ihr Blick und schien sich eine Aktion von Marcus zu erwarten.

Dieser betrachtete Nate und seufzte. "Du bist ein Dickkopf, Alter. Ich muss gerade an das Spiel gegen die Annihilators aus Aos denken und wie dich dieser riesige Typ gefoult hat. Allister hieß der doch... Jedenfalls: Du hättest eigentlich nicht weiter spielen sollen, hast jedoch darauf bestanden. Und die entscheidenden Punkte geholt. Heute weiß ich, dass er dir wahrscheinlich kaum weh getan hat...." Er schwieg kurz. "Was ich sagen will: Du hast echt jede Menge Action hinter dir. Und nun willst du mitten in der Nacht jemanden besuchen? Glaubst du, du bist schon wieder fit genug? Was, wenn das Militär doch noch nach uns sucht? Wenn sie dich alleine erwischen? Du musst natürlich tun, was du für richtig hälst. Meine Fragen wären ja lediglich: Muss es wirklich jetzt sein? Musst du wirklich alleine los?" In seiner Stimme und seinem Blick lag Sorge. Prüfend sah Marcus Nate an. Wo wollte er nur hin? Etwa eine Frauengeschichte? Aber so spät in der Nacht? Marcus wollte auch nicht zu sehr nach haken, wartete geduldig Nate's Antwort ab und hielt dabei Kalinas Hand fest. "Es ist deine Entscheidung und da können wir natürlich nichts machen... Aber wir sind gerade erst dem Tod von der Schippe gesprungen und... Ich tu mich etwas schwer, einen Freund mitten in der Nacht ziehen zu lassen, ohne zu wissen, ob er nicht zusammen bricht oder noch einmal geschnappt und weg gesperrt wird. Ich mag da etwas paranoid sein, aber ich habe zuviele komische Dinge in den letzten 48 Stunden gesehen und erlebt." Nun schwieg er jedoch wirklich, sah kurz Kalina an, dann wieder Nathan. Auch wanderte sein Blick kurz gen Balkon. Vielleicht würde Sharon auch noch etwas sagen. Auf jeden Fall aber würde er Nate's Entschluss akzeptieren.

[Der Mittag zuvor: Ruinen der Militärbasis]

"Wie lange werden Sie abwesend sein, General?", hatte Hawksworth wissen wollen. Doch der General hatte sich nur abgewandt. "Solange wie nötig", war seine Antwort gewesen. Er hatte ihnen erklärt, dass die Hauptkaserne bald wieder bemannt und gänzlich in Betrieb sein würde, hatte beide jedoch davon abgeraten, sich allzu offensichtlich am helligten Tag dort einzufinden. Dann hatte er Toxin ein Handy gegeben, um sie jederzeit erreichen zu können und einen kleinen Zylinder, mit den Worten, dies würde eventuelle Kosten mehr als decken. Anschließend war er zum Helikopter zurück gekehrt und davon geflogen. Einige Sekunden lang waren Hawksworth und Toxin schweigend zurück geblieben. Dann hatte er seine weinroten Augen auf die Frau gerichtet. "Das Angebot, mich mit Ihnen um Ihre Schulanmeldung und Ihren gefälschten Ausweis zu kümmern steht nach wie vor. Ich erweitere es außerdem auf eine Fahrt in die Stadt mit mir und meinem Aircycle. Eine geeignete Unterkunft werden Sie sicher alleine finden, sonst würde ich auch da meine Unterstützung anbieten." Er lächelte freundlich, schob sich seine Brille erneut mit Zeige- und Mittelfinger zurecht und schwieg dann, um ihre Antwort und Reaktion abzuwarten. Außerdem war er eigentlich kein Mensch, der mehr als notwendig sprach. Er vermutete, dass die Frau sich einfach ohne ein Wort abwenden und im Wald verschwinden würde, wartete jedoch ab. Er selber war nicht in Eile und er wusste, dass Infiltration auch eine Frage von Zeit und Geduld sein konnte. Stinknormale Vaishara-Kinder aufzuspüren war zwar ganz nett, ein kleiner Beitrag zur Ordnung. Doch das eigentliche Problem waren die Rebellen. Sie waren das Geschwür im Fleische des Friedens. Sie gingen über Leichen, standen für das Chaos selbst. Hawksworth lächelte. Er würde sie aufspüren, irgendwann. Er hatte von den Geschichten gehört und freute sich darauf, sich eines Tages mit jemandem zu messen, der einen starken Willen hatte.
 
[Der Mittag zuvor: Ruinen der Militärbasis]

Die Formalitäten waren schnell erledigt, eine spezifizierte Missionsbeschreibung blieb aus. General Grey schien es eilig zu haben und übereichte der Soldatin ein Mobiltelefon und einen Zylinder, der nach den Worten ihres Vorgesetzten möglicherweise Zahlungseinheiten für das reibungslose Etablieren einer neuen Scheinidentität beinhaltete. Den Zylinder lies Toxin ohne umwege in einer Seitentasche ihrer Uniform verschwinden, das andere Gerät, das Telefon beobachtete sie mit ungewisser Miene - selbst als sie sich von Grey, welcher den Helikopter bestieg, mit einem mechanischem Salut verabschiedete. Sie hatte Erfahrung mit einer Vielzahl von militärischen Funkgeräten, einige davon Sprachgesteuert, andere erforderten einfache Handbewegungen, doch dieser Sprachsignalsender wies auf den ersten Blick eine Unzahl an Tasten auf, deren Kontext sich Toxin nicht sofort erschließen wollten. Kurz darauf brach Hawksworth die Stille, die nach dem verstummen der Rotorblätter eingekehrt war.

"Das Angebot, mich mit Ihnen um Ihre Schulanmeldung und Ihren gefälschten Ausweis zu kümmern steht nach wie vor. Ich erweitere es außerdem auf eine Fahrt in die Stadt mit mir und meinem Aircycle. Eine geeignete Unterkunft werden Sie sicher alleine finden, sonst würde ich auch da meine Unterstützung anbieten.", sagte Hawksworth mit einem Lächeln und Toxin nahm ihre Augen von dem kleinen mobilen Werkstück in ihrer Hand. Sie nickte ihm zu.

"Brechen wir auf."
 
[Mitten in der Nacht: Kalinas Balkon]

Nathan betrachtete die Fotos. Vor allem dem Mädchen mit der Gitarre schien sein Interesse zu gelten. In den dunklen Augen konnte Sharon eine gewisse Nostalgie aufflammen sehen, ehe er seufzte und zum fiktiven Sternenhimmel aufsah. "Diese Fotos sind weder zum Aufhängen noch zum Hinstellen. Es wäre besser, wenn sie gar nicht existierten ... Sie erinnern mich daran, wie zerbrechlich ein Mensch doch sein kann ... Von dem Moment an, da ich dir zum ersten Mal begegnet bin, sah ich diese traurigen Augen. Und als du da am Balkon standest, mit der regungslosen Miene eines Todesengels, da musste ich dich einfach aufhalten. Du gehst denselben Weg, den ich eingeschlagen habe. Ein Weg, der noch sehr viel Schmerz und Trauer mit sich bringt. Auch Marcus geht einen gefährlichen Pfad. Ich wollte euch vor unnötigem Ärger fernhalten, und habe euch dadurch in noch größeren hineingezogen." Nate ging zu Sharon und hielt ihre Schultern fest. "Es tut mir schrecklich leid ..." Sie war perplex, fand sein Entschuldigungsersuch so fehl am Platz. Ihn traf doch keine Schuld, oder doch? Sie schaute nach unten auf die Straße, suchte dann den Himmel ab. "Aber ich schätze, wir sind noch nicht ganz in Sicherheit. Ich hoffe, das Militär platzt hier nicht gleich herein." Aber andererseits: Ohne Kaserne hatten die hoffentlich erst einmal nicht die Mittel, um sie zu verfolgen. Sharon seufzte und sah Nate an. "Was hast du jetzt vor? Bleibst du? Oder gehst du?" Nate schwieg wieder und sah zur Seite, ehe er sie wieder lächelnd ansah. "Ich bleibe. Ich hab die Befürchtung, dass unser Abenteuer gerade erst begonnen hat. Und ich habe vor, euch vor Ärger zu bewahren. Irgendjemand muss doch auf dich Hitzkopf aufpassen!", grinste er und wuschelte ihr kurz durchs Haar. Sie lachte kurz und er entfernte sich vom Balkon, blieb aber im Türrahmen stehen, die Fotos nachdenklich betrachtend, ehe er sie Sharon wieder reichte. "Verbrenne sie. Kein Grund der Vergangenheit nachzutrauern. Ich bin für ein paar Stunden fort, ich muss Ai besuchen gehen." Er wusste, dass es mitten in der Nacht war, doch er musste gehen. "Ich hab es ihr versprochen ..."

Nate trat ins Wohnzimmer und Sharon sah die beiden Fotos an, steckte diese wieder in ihren Rucksack. Der Vergangenheit nachzutrauern hieß, sie nicht zu vergessen. Sie betrachtete das Ankh, welches um ihren Hals baumelte. Ja, sie trauerte noch um Kathy. Aber sie war auch unendlich froh, dass sie einst eine so gute Freundin gehabt hatte. Sie würde Nate's Fotos aufbewahren, vielleicht überlegte er es sich ja irgendwann anders. Einen langen Moment starrte sie zum Himmel, dachte an seine Worte. Ja, Menschen waren zerbrechlich. Aber einige waren umso beschützenswerter. Liebenswerter. Sharon lächelte, wandte sich ab und folgte Nate ins Wohnzimmer. Nate erklärte derweil Kalina und Marcus - die Händchen hielten - dass er jemanden besuchen wolle, es versprochen habe und nicht absagen könne. Sharon trat in den Flur, gerade als Marcus das Wort ergriff. "Marcus macht sich zu Recht Sorgen", sagte sie freundlich, führsorglich. "Wie fit bist du schon wieder? Wie sicher ist es? Besonders zu dieser späten Stunde? Aber es ist deine Sache, ob du gehst, bleibst oder jemanden mit nimmst. Es besteht ja auch das Risiko, das Militär zu eben jener Person zu führen, die du besuchst. Das wäre nicht wünschenswert. Und das kann dir aber auch passieren, wenn du alleine gehst." Sie zuckte mit den Schultern, lehnte sich an den Türrahmen der Wohnzimmertür und sah Nate abwartend an. "Oder aber du gehst mit Marcus. Das wäre sicherer. Er ist schnell und kann die Schnelligkeit auf dich übertragen. Ihr beide wärt schnell am Ziel und schnell wieder zurück." Sie lächelte und verschränkte die Arme. "Deine Wahl, Nate. Wir werden sie respektieren."

[Heute: Nachhauseweg]

Tomo hatte einige Minuten Vorsprung und vielleicht würde Darklighter sie nicht mehr einholen oder gar wieder finden. Doch zu seiner Überraschung war sie nicht weit gekommen. Sie stand bei Rot mitten auf dem Zebrastreifen, als ein Truck auf sie zuraste. Der Fahrer schien sie von seiner Kanzel aus nicht zu bemerken, denn es ging kein Hupen oder ein Bremsverfahren von ihm aus. Auch die Passanten um Tomo herum taten nichts, um dem Mädchen vielleicht zu helfen. Tomo drehte sich zur Seite und blickte gedankenversunken zum LKW, der auf sie zubretterte. Auch sie schien sich nicht sonderlich große Gedanken um ihr vermeintliches Ende zu machen. "... nicht sehen ...", entkam ihren blassen Lippen. Mehr konnte Darklighter nicht vernehmen, als das Brummen des LKW-Motors jedes andere Geräusch zu übertönen schien. Darklighter war intelligent, tatsächlich konnte er blitzschnell nachdenken, auch wenn sein Körper nicht schnell genug reagieren würde. Testete Tomo da vielleicht ihre Kräfte? Hatte sie sich für alle anderen unsichtbar gemacht? Das würde sie vor dem LKW jedoch nicht retten. Er kannte die Zusammenhänge nicht. Falls sie eine Vaishara war, hatte er nicht einmal eine Ahnung, wozu sie fähig war. Er musste davon ausgehen, dass sie ein Mensch war und einfach dumm war, bei Rot über die Straße zu gehen. Oder war sie lebensmüde? Jedenfalls beschloss Darklighter, zu handeln. Er musste sie einfach retten. Er versteckte sich ein wenig hinter einem Briefkasten, vor allem, um nicht von Tomo bemerkt zu werden. Dann konzentrierte er sich, trotz seiner Kopfschmerzen, und griff mit seinem Geist nach dem LKW. Sofort spürte er das Fahrzeug, war Teil von ihm. So gelang es ihm, das Fahrzeug zum Stehen zu bringen. Reifen quietschen und der Fahrer wurde in seine Sicherheitsgurte geworfen, ehe das schwere, massige Fahrzeug knapp vor Tomo zum Stillstand kam. Gerne hätte er Tomo zurecht gestutzt, doch wollte er seine Kräfte nicht vor ihr offenbaren. Schlimmer waren jedoch seine Kopfschmerzen. Darklighter taumelte vom Geschehen weg, bog in eine Seitengasse und setzte sich hinter einem Müllcontainer auf einen Blechkübel, lehnte sich an die Wand und schloss die Augen, kämpfte gegen die Erschöpfung. Er musste dringend nach hause, dringend Ruhe und Schlaf finden. Es war wohl ein Fehler gewesen, Tomo zu folgen. Doch vielleicht wäre sie ohne sein Eingreifen gestorben. Vielleicht war aber auch alles nicht so, wie es den Anschein hatte. "Rechne immer mit allem", hatte ihm sein Mentor einst erklärt. "Wäge immer alle Möglichkeiten hab, bevor du handelst. Tue niemals etwas unüberlegtes. Aber andererseits... Instinkt ist auch manchmal ganz nützlich." Darklighter lächelte traurig bei der Erinnerung, kniff sich dann in den Arm, um nicht einfach einzuschlafen. Nur noch ein paar Minuten sitzen und ausruhen... dann würde - musste - er nach hause gehen.
 
(dann versuch ich mal auch wieder zu Posten, aber falls was nicht in Ordnung ist dann bitte sagen.)

[Mitten in der Nacht: Kalinas Wohnung]

Schon seit Stunden lag sie wach, seit sie von Kalina das Zimmer zu gewiesen bekam starrte sie die Decke an und versuchte das zu verarbeiten was sie erlebt hatte. Vielleicht hatte Marcus recht gehabt und es war keine gute Idee, dass sie sich entschlossen hatte mit zu gehen. Doch irgendein innerer Impuls hatte sie dazu gebracht seine Hand zu ergreifen und sich auf dieses Chaos einzulassen.
Und schon der Weg zur Kaserne gestaltete sich als ein suspektes unterfangen als sie auf die Taxifahrerin Travia trafen die Sharon schon zu kennen schien. Auf der Fahrt erfuhren sie einige Informationen über Nate die Zoe bisher weder einzuordnen noch auszuwerten wusste. Was sollte sie mit den erhaltenen Informationen anfangen? Ihr ganzes Bild über diesen Jungen hatte sich mit diesem einen Tag gewandelt, sie musste ihre kompletten Informationen über ihn noch einmal überdenken und neu strukturieren.

Und dann der Moment, da sie bei der Kaserne angelangt waren. Oder bei dem, was einst die Kaserne gewesen war. Inmitten des Trümmerhaufens stand Nate, tobte wie ein wildgewordener Berserker. Egal wie oft Sharon, Marcus und Travia es versuchten, es war ihnen einfach nicht möglich ihn zu beruhigen. Und Zoe? Sie stand einfach nur Abseits des Kampffeldes, perplex und wie erstarrt von dem was sich ihr bot und unfähig auch nur eine Mine zu verziehen. Solche Kraft, solch Energie hatte sie ihr Leben lang noch nie gesehen. Nie war sie Zeuge solch gewaltiger Auseinandersetzungen geworden.
Wie ein Computer nahm sie alle Informationen in sich auf, schob sie in eine 'Karteikarte' und legte sie ab um sie zu einem späteren Zeitpunkt zu verwehrten. Emotionen preschte auf sie ein die sie das ein oder andere Mal fast zum Wanken brachten, Emotionen die zwischen Wut und grenzenloser Verzweiflung immer wieder hin und her schwankten. Angst mischte sich darunter und ihr war einfach nicht Möglich zu erkennen, von wem sie diese Gefühle gerade bekam.

Irgendwann war der Kampf vorbei - in einer riesigen und zugleich ohrenbetäubenden Explosion hatte er geendet. Was folgte war ein Blackout, bis sie bei Kalina in der Wohnung wieder erwachte. Das erste was sie sah war das Nate ebenso vertreten war, auch Sharon und Marcus schienen wohl auf. Wann Kalina sich zu ihnen gesellt hatte, war ihr nicht bewusst und auch Aiolos war bei ihr. Etwas ängstlich war ihr Blick umher gehuscht, bis sie ihren Wolf nah an ihrem Sitz liegend erkennen konnte. Es schien ihm gut zu gehen, welch Glück!

Und während Travia die Fragen der anderen beantwortete und sie über einige Dinge aufklärte, spürte Zoe wie die Müdigkeit bald die Oberhand über sie gewann. Die Gruppe trennte sich und sie ging mit Kalina und ihrem Wolf, doch kaum das sie sich hin gelegt hatte um zu Schlafen war sie wieder Hellwach. Ihr Hirn arbeitete auf Hochtouren, versuchte zu verstehen was passiert war und doch schien es ein unmögliches unterfangen. Zoe spürte die Kopfschmerzen die sich breit machten und massierte sich die Schläfen, dass war einfach alles zuviel auf einmal.
Kalina hatte irgendwann das Zimmer verlassen, doch das Mädchen wagte es nicht ihr nach zu gehen. Charon lag mit ihr auf dem Bett, seine eisblauen Augen starrten zum Fenster hinaus, während eine seiner Pfoten auf Zoe's Schoss lag.
Eine Weile lang lag sie noch ruhig da, bis sie ihr Gedankenstrom dazu brachte aus dem Bett aufzustehen um etwas umher zu laufen.

Und kaum das sie ins Wohnzimmer zurück gekommen war, sah sie das auch Marcus, Kalina, Sharon und Nate versammelt waren. Ein wenig unsicher blieb sie im Türrahmen stehen, Charons Halsband rasselte bei jedem Atemzug den er tat.
Worüber gerade gesprochen wurde, hatte sie nicht mit bekommen. Doch an der Mimik und der Haltung der Anwesenden konnte sie erkennen das sie angespannt waren, stimmte etwas nicht? Zoe entschied sich fürs erste erst einmal zu warten und die Situation zu beobachten, ohnehin wusste sie derzeit nicht was sie sagen sollte. Das Karusell ihrer Gedanken drehte sich noch immer, es würde noch eine Weile dauern bis sie alles wieder geordnet hatte.
 
[Mitten in der Nacht: ???]

Ehe Darklighter es kommen sah, empfing in wohltuende Finsternis. Das letzte, das sein Verstand verarbeiten konnte war das Auftauchen eines Schattens, ehe seine Augen bleiern schwer wurden. Als er wieder zu sich kam, meldeten sich seine Kopfschmerzen wieder, die beinahe einem Kater glichen. Noch immer waren seine Augen geschlossen, es fiel ihm schwer sie zu öffnen. Seinem Gefühl nach zu urteilen lag er unglaublich weich. Ein Bett wahrscheinlich. Es war still, obwohl er den Wind hören konnte. Und die Lichtquelle des Raumes schien in Bewegung zu sein und zu tanzen. Ein Hauch von Jasmin lag in der Luft. Langsam begann Kevin Anderson zu blinzeln und das erste, das er erkannte, war der leuchtend helle Mond am Sternenhimmel. Nein, korrigierte er sich, das Hologramm des Mondes. Nichts weiter als eine Imitation, ein verzerrtes Spiegelbild der Wahrheit. Sein Verstand begann zu erwachen und erkannte nun, dass er durch ein Loch in der Decke eines ihm fremden Zimmers zum Sternenhimmel starrte. Er war allein im Raum, auf einem Nachttisch befand sich neben einer Kerze, die den Raum erhellte, auch ein Glas mit Wasser. Der Raum selbst gab nichts über die Identität dessen Besitzers preis, doch nach einer Weile fand er alt anmutende Zeitungsausschnitte und Artikel an den Wänden kleben.

"Die Melodie des Alls", "Das Universum singt", "Theorie über Parallelwelten", "Schwingungslehre auf dem Prüfstand", "Die Welt als Gitarrensaite", "Auf der Suche nach der Weltformel", "Über die Lehre der bewegten Saiten", "Das Wiegelied der Schöpfung - Wahrheit oder Hirngespinst?", "Parallelwelt entdeckt?!", "Auf den Spuren der Schöpfung", "Schwingungslehre widerlegt?", "Projekt eingestellt!", "Kritiker zweifeln an Echtheit der Schwingungslehre", "Mob greift Wissenschaftler an!", "Die Rückkehr des kosmischen Lieds", "Anti-Theorie widerlegt!", "Quo vadis Schwingungslehre?", "Wissenschaftler verunglückt", "Der Traum vom Multiversum", "Die Sinfonie des Seins" und etliche weitere Artikel, manche von ihnen stammten aus einer Zeit vor dem Nebel.

Die Türe öffnete sich und Tomo trat ein - mit nichts anderem als einem Badetuch bekleidet. Ihr apathischer Blick wanderte zu ihm. "Du bist wach? Gut." Sie ging zu einem Schrank am anderen Ende des Raumes und ließ das Handtuch fallen. Das nasse, schneeweiße Haar fiel ihr über die Schultern. Für eine Zwölfjährige hatte sie definitiv einen guten Körperbau, doch was vielleicht aufgrund ihrer blassen Haut noch viel auffälliger war, waren diverse Brandnarben, die ihren Rücken zierten. Sie schlüpfte in ein weißes Abendkleid ehe sie auf ihn zuging. Wasser perlte von ihren Haarspitzen, das Grün ihrer Augen wirkte desinteressiert, hatte jedoch einen gewissen Glanz. In einer geschmeidigen Bewegung kniete sie sich neben ihn auf den Boden, während ihr Gesicht seinem näher kam. "Wieso hast Du Dich eingemischt?"

Sie blickte ihm lange in die Augen, ehe sie die Kerze betrachtete. "Wie auch immer ... danke ..."



[Mitten in der Nacht: Kalinas Wohnung]

Nathan lauschte den Argumenten seiner Freunde mit schwachem Lächeln. Lediglich als Sharon erwähnte, dass er das Militär womöglich zu Ai führen könnte, versteinerte seine Miene für die Dauer eines Herzschlags. Doch er erwiderte nichts darauf und betrachtete stattdessen Marcus, der mit Kalina Händchen hielt. Diese ließ los und kam ihm näher, legte ihm die rechte Hand an den linken Oberarm, während sie ihn besorgt ansah. "Geht es dir wirklich gut? Deine Augen ..." Die blutroten Rubine betrachteten sie schweigend, das Lächeln lag noch immer auf seinen Lippen. "Ein Nebeneffekt meines Ausrasters. Keine Sorge, das hat sich bald wieder." Sein Blick schwenkte wieder zu Marcus und Sharon. An Letztere richtete er seine folgenden Worte: "Ich wollte sie dir eigentlich vorstellen, nicht?" Er klopfte Marcus auf die Schulter und grinste schwach. "Glaub mir, Kumpel, es tat weh. Aber du musst meinetwegen kein Risiko eingehen. Es gibt andere Wege, unerkannt durch die Stadt zu reisen ... Nicht wahr, Travia?" Er drehte sich nicht um, er spürte, wer hinter ihm im Türrahmen stand. Er konnte sich sogar vorstellen, wie sie die Arme vor der Brust verschränkt hatte und ihn mit missbilligender Miene betrachtete. Bei der Erwähnung ihres Namens zuckte ihr Mundwinkel und sie starrte stattdessen zur Zimmerdecke. "Wie wäre es zuerst mit einem Danke, Travia, dass du meinen Arsch gerettet hast?" Nate erwiderte nichts darauf, sondern schritt zur Türe. Als er an ihr vorbeischritt, bedachten sie einander keines Blickes. Innerhalb eines Augenblickes verwandelte sich die Atmosphäre um diese zwei zu einem Schwarzen Loch. Es wirkte, als wäre die Gravitation um ein Dutzendfaches angestiegen, es fehlte nur noch, dass die Spannung zwischen ihnen elektrische Entladungen zu Tage förderte. An der Türe blieb Nathan noch einmal stehen. "Wenn ihr mitkommen möchtet, ich halte euch nicht auf ..." Travia schwieg auf diesen Seitenhieb und folgte ihm hinaus in Richtung Taxi. Kaum waren beide gegangen, verschwand auch diese bedrückende Atmosphäre. "Was war das denn gerade?", wisperte Kalina ein wenig perplex. Sie hatte keinen von beiden je so gesehen. Es wirkte auf sie beinahe so, als wären sich die zwei am liebsten an die Kehle gesprungen ... Ihr fragender Blick wanderte durch den Raum und bemerkte dabei Zoe mitsamt Wolf in einer Ecke stehen. Als sich ihre Blicke trafen spürte Zoe einen Mahlstrom sich überschlagender Gefühle, Freude, Angst, Hoffnung, Zorn - und plötzlich nichts mehr. Noch immer sahen sich die beiden Mädchen an, doch in jenem Augenblick ging von Kalina kein einziges Gefühl aus, ehe sie die wieder die von ihr bekannte Freundlichkeit und Unsicherheit ausstrahlte.
 
[Mitten in der Nacht: ???]

Sein Bewusstsein kehrte langsam zurück und damit auch pochende Kopfschmerzen, die einem Kater glichen. Zwar hatte er noch nie Alkohol getrunken, jedoch ausführlich darüber gelesen. In den Jahren bis zur Volljährigkeit wollte er sich weder mit Freundinnen noch mit Alkohol oder Partys aufhalten. Vernunft war ihm das Wichtigste. In seinem dürren, kleinen Körper war sein Verstand immer seine wichtigste Waffe, sein bestes Werkzeug gewesen. Kevin hielt die Augen geschlossen, tastete langsam mit den Händen um sich herum. Er lag auf etwas Weichem, wahrscheinlich auf einem Bett. Seine Hände waren nicht festgebunden, was bereits die erste gute Nachricht war. Er konnte den Wind hören und als er die Augen langsam öffnete, sah er, dass die Lichtquelle des Raums sich zu bewegen schien. Ein Hauch von Jasmin lag in der Luft. Langsam begann Kevin Anderson zu blinzeln und das erste, das er erkannte, war der leuchtend helle Mond am Sternenhimmel. Nein, korrigierte er sich, das Hologramm des Mondes. Nichts weiter als eine Imitation, ein verzerrtes Spiegelbild der Wahrheit. Sein Verstand begann zu erwachen und erkannte nun, dass er durch ein Loch in der Decke eines ihm fremden Zimmers zum Sternenhimmel starrte. Er war allein im Raum, auf einem Nachttisch befand sich neben einer Kerze, die den Raum erhellte, auch ein Glas mit Wasser. Der Raum selbst gab nichts über die Identität dessen Besitzers preis, doch nach einer Weile fand er alt anmutende Zeitungsausschnitte und Artikel an den Wänden kleben.

"Die Melodie des Alls", "Das Universum singt", "Theorie über Parallelwelten", "Schwingungslehre auf dem Prüfstand", "Die Welt als Gitarrensaite", "Auf der Suche nach der Weltformel", "Über die Lehre der bewegten Saiten", "Das Wiegelied der Schöpfung - Wahrheit oder Hirngespinst?", "Parallelwelt entdeckt?!", "Auf den Spuren der Schöpfung", "Schwingungslehre widerlegt?", "Projekt eingestellt!", "Kritiker zweifeln an Echtheit der Schwingungslehre", "Mob greift Wissenschaftler an!", "Die Rückkehr des kosmischen Lieds", "Anti-Theorie widerlegt!", "Quo vadis Schwingungslehre?", "Wissenschaftler verunglückt", "Der Traum vom Multiversum", "Die Sinfonie des Seins" und etliche weitere Artikel, manche von ihnen stammten aus einer Zeit vor dem Nebel. Die Türe öffnete sich und Tomo trat ein - mit nichts anderem als einem Badetuch bekleidet. Ihr apathischer Blick wanderte zu ihm. "Du bist wach? Gut." Sie ging zu einem Schrank am anderen Ende des Raumes und ließ das Handtuch fallen. Das nasse, schneeweiße Haar fiel ihr über die Schultern. Für eine Zwölfjährige hatte sie definitiv einen guten Körperbau, doch was vielleicht aufgrund ihrer blassen Haut noch viel auffälliger war, waren diverse Brandnarben, die ihren Rücken zierten. Sie schlüpfte in ein weißes Abendkleid ehe sie auf ihn zuging. Wasser perlte von ihren Haarspitzen, das Grün ihrer Augen wirkte desinteressiert, hatte jedoch einen gewissen Glanz. In einer geschmeidigen Bewegung kniete sie sich neben ihn auf den Boden, während ihr Gesicht seinem näher kam. "Wieso hast Du Dich eingemischt?"

Sie blickte ihm lange in die Augen, ehe sie die Kerze betrachtete. "Wie auch immer ... danke ..." Eine Pause folgte, in der Kevin Tomo einfach nur ansah. Als sie das Zimmer betreten und ihr Handtuch fallen gelassen hatte, hatte Kevin höflich zur Decke geblickt. Nun betrachtete er Tomo und innerlich knirschte er mit den Zähnen. Sie kannte sein Geheimnis. Kevin lächelte schwach und zuckte mit den Schultern. "Normalerweise mische ich mich nicht in die Belange anderer ein. Niemals. Heute habe ich meine Prinzipien gleich zweimal über Bord geworfen. Ich habe mich eingemischt, weil ich die Möglichkeit hatte. Nichts zu tun hätte mir Schuldgefühle beschert. Wobei... irgendwie habe ich das Gefühl, das du niemals wirklich in Gefahr warst. Schon der Begriff Einmischen lässt darauf schließen, dass du die Situation unter Kontrolle hattest. Der Gedanke kam mir auch. Aber falls nicht... Da musste ich eben handeln. Es war allerdings nicht geplant, dass du mich dabei bemerkst." Er machte eine Pause. Es gab nur eine einzige Person, die ihn gut genug kannte und um sein Geheimnis wusste. Tomo wusste es nun ebenfalls. Da sie ihn nicht ans Militär verfüttert hatte, konnte er genau so gut mit offenen Karten spielen. "Ich bin Darklighter. Zumindest war ich das bis jetzt. Aber irgendwie werde ich wohl langsam unvorsichtig und nachlässig. Unprofessionell. Ich werde daran arbeiten müssen." Er grinste. "Danke, dass du mich nicht einfach in der Gasse hast liegen lassen. Darf ich dich fragen, warum du so plötzlich die Schule verlassen hast und dem LKW nicht ausgewichen bist? Du bist sonst ein sehr aufgewecktes Mädchen, ich bezweifle, dass du einfach vor Schock wie gelähmt warst..."

[Mitten in der Nacht: Kalinas Wohnung]

"Ich wollte sie dir eigentlich vorstellen, nicht?" Sharon nickte und lächelte schwach bei Nathans Worten. "Ja schon. Aber nur wenn du willst. Es eilt nicht und ich dränge mich ungern auf." Ehe Nate antworten konnte, stand Travia im Türrahmen des Gästezimmers. Die Atmosphäre kühlte merklich ab und Sharon konnte sich denken warum: Travia kannte Nate's Vater und schien auf dessen Seite zu sein. Daran musste es liegen. An der Türe blieb Nathan noch einmal stehen. "Wenn ihr mitkommen möchtet, ich halte euch nicht auf ..." Travia schwieg auf diesen Seitenhieb und folgte ihm hinaus in Richtung Taxi. Kaum waren beide gegangen, verschwand auch diese bedrückende Atmosphäre. "Was war das denn gerade?", wisperte Kalina ein wenig perplex. "Ich vermute, die beiden reagieren so distanziert weil Travia Nathans Vater kennt. Es ist kompliziert." Mehr wollte sie zu dem Thema nicht sagen. Nun bemerkte auch Sharon Zoe und Charon und lächelte das andere Mädchen an. "Wie geht es dir?" Sie wartete auf Antwort, sah dann Kalina und Marcus an. "Ich werde Nate begleiten." Sie wollte Ai kennen lernen. Allerdings fragte sie sich auch, wie Nate auf die Anwesenheit von Marcus, Kalina und Zoe reagieren würde. Es klang zwar nicht so, als habe er ein Problem damit, dennoch war sich Sharon nicht sicher. "Kommt ihr mit oder wartet ihr hier? Ich sorge auch dafür, dass Travia und Nate nicht abhauen sondern brav mit mir hierher zurück kommen."
 
[Mitten in der Nacht: Kalinas Wohnung]

Schweigend lauschte sie der Unterhaltung, während sie darauf bedacht war kein Geräusch zu verursachen. Ihr Kopf brummte, fühlte sich an wie ein Uhrwerk bei dem nur noch der Glockenschlag fehlte.
Als Kalina sich von Markus löste und auf Nate zu ging, folgte sie ihren Schritten und beobachtete ihr Verhalten, doch noch genauer das von Nate. Nachdem was passiert war, traute sie ihm irgendwie nicht mehr über den Weg. "Geht es dir wirklich gut? Deine Augen ...", hörte sie Kalina sagen und runzelte die Stirn, ehe sie genau dort hin sah wovon sie eben sprach. Es war ihr nicht aufgefallen das sie ihre Farbe verändert hatten, seltsam.
"Ein Nebeneffekt meines Ausrasters. Keine Sorge, das hat sich bald wieder", erklärte er dem Mädchen und Zoe verschränkte die Arme vor der Brust. Ob er ihnen wirklich die Wahrheit sagte? Sie fing an sein Verhalten, seine Gestik und alles was bisher passiert war in Frage zu stellen. Was, wenn dieser Angriff in der Ruine zum Ziel hatte Nate auszuschalten und die anderen nur unglücklicherweiße zur falschen Zeit am falschen Ort waren?
Wer wusste schon was es mit all dem auf sich hatte, so viele Fragen und so wenig Antworten ...
Die Züchterin war in Gedanken versunken und bekam die weitere Unterhaltung schon nicht mehr mit, erst als sie die Veränderung in ihrer Umgebung wahr nahm schrak sie aus ihrer Starre hervor und wich instinktiv weiter zurück. Charon stellte sich vor ihr auf, schien jedoch nicht im geringsten von dem was er sah Verunsichert oder Verängstigt.
"Wenn ihr mitkommen möchtet, ich halte euch nicht auf ..." Travia schwieg auf diesen Seitenhieb und folgte ihm hinaus in Richtung Taxi. Kaum waren beide gegangen, verschwand auch diese bedrückende Atmosphäre. "Was war das denn gerade?", wisperte Kalina ein wenig perplex. Zoe hatte gar nicht mit bekommen das sie den Atem angehalten hatte, der ihr jetzt erst wieder aus den Lungen wich. Irgendetwas war mit diesen beiden und sie hatte das Gefühl als würde ihr etwas Offensichtliches völlig entgehen.
Als sie sich etwas beruhigt hatte und ihr Blick durch den Raum glitt, fing sie den von Kalina auf. Als sich ihre Blicke trafen spürte Zoe einen Mahlstrom sich überschlagender Gefühle, Freude, Angst, Hoffnung, Zorn - und plötzlich nichts mehr. Noch immer sahen sich die beiden Mädchen an, doch in jenem Augenblick ging von Kalina kein einziges Gefühl aus, ehe sie die wieder die von ihr bekannte Freundlichkeit und Unsicherheit ausstrahlte. Was zum Teufel war das eben? Wusste Kalina um ihre Fähigkeit und war imstande dazu ihre Gefühle vor ihr zu Verbergen? Die Züchterin hob verwirrt und verunsichert die Brauen an, wer war dieses Mädchen und was noch viel wichtiger war, war sie ein Mensch? Ihr fielen die Informationen ein die Kalina ihnen über die Militärbasis gegeben hatte und weitere Fragen drängten sich auf. Doch noch ehe sie daran weitere Gedanken verschwenden konnte hörte sie die Frage die Sharon an sie richtete.
"Wie geht es dir?" Eine einfache Frage, doch in der jetztigen Situation auch eine Frage die sie so einfach nicht beantworten konnte, also zuckte sie lediglich mit den Schultern. Als Sharon davon sprach das sie Nate begleiten würde, war es für sie eigentlich schon vorher klar gewesen das sie das sagen würde. Fast war sie gewillt sie davon abhalten zu wollen, ihrer eigenen Sicherheit wegen, doch nachdem was sie auf der Militärbasis gesehen hatte, wurde ihr nur zu schnell bewusst wie lächerlich ihre Sorge war.
"Kommt ihr mit oder wartet ihr hier? Ich sorge auch dafür, dass Travia und Nate nicht abhauen sondern brav mit mir hierher zurück kommen." Als sie das sagte kam ein kurzes Lächeln über Zoe's Züge, ehe sie wieder ausdruckslos zur Decke sah. "Nein, ich würde aber gerne etwas an die frische Luft gehen, wenn es Ok wäre." Es gab einiges das sie Verarbeiten musste und worüber sie nachdenken musste. Gerne hätte sie Kalina gefragt ob sie sie begleiten mochte, doch gleichsam wollte sie sie nicht von Marcus trennen.
 
[Mitten in der Nacht: Kalinas Wohnung]

"Geht es dir wirklich gut? Deine Augen ..." Kalinas Frage an Nathan schien Marcus nicht ganz unbegründet. Alleine das Aussehen der Augen war beunruhigend und wenn man bedachte, was Nate noch wenige Stunden zuvor getan hatte, fand Marcus die Idee, dass er durch die Nacht huschte anstatt sich auszuruhen auch nicht sehr gut. Nate tat die Sorge von Kalina jedoch mit einem Lächeln ab. "Ein Nebeneffekt meines Ausrasters. Keine Sorge, das hat sich bald wieder." Marcus registriertem dass es Nate wohl eine weibliche Person besuchen wollte und das Sharon wahrscheinlich wusste, um wen es sich da handelte. Dann klopfte er Marcus auf die Schulter und grinste schwach. "Glaub mir, Kumpel, es tat weh. Aber du musst meinetwegen kein Risiko eingehen. Es gibt andere Wege, unerkannt durch die Stadt zu reisen ... Nicht wahr, Travia?" Marcus schmunzelte, doch kurz darauf kühlte die Stimmung merklich ab. Nate ging schließlich zur Tür und meinte, dass er niemanden aufhalten würde, der ihn begleiten wolle. Travia folgte ihm. "Was war das denn gerade?", wisperte Kalina ein wenig perplex. . Ihr fragender Blick wanderte durch den Raum und bemerkte dabei Zoe mitsamt Wolf in einer Ecke stehen. "Ich vermute, die beiden reagieren so distanziert weil Travia Nathans Vater kennt. Es ist kompliziert.", kommentierte Sharon das mehr als gespannte Aufeinandertreffen von Nate und Travia. "Ich werde Nate begleiten.", sagte sie dann, "Kommt ihr mit oder wartet ihr hier? Ich sorge auch dafür, dass Travia und Nate nicht abhauen sondern brav mit mir hierher zurück kommen." Marcus zuckte mit den Schultern. "Wenn Nate sich mit einem Mädchen trifft, dann möchte ich nicht das 5. Rad am Wagen sein. Außerdem finde ich, dass wir uns noch bedeckt halten sollten. Ein Haufen Jugendlicher mitten in der Nacht wird jemandem auffallen, da bin ich sicher. Deshalb würde ich gerne hier bleiben." Er sah Kalina fragend an. "Möchtest du mitgehen? Wenn du mich hier nicht alleine lassen möchtest, kann ich auch gerne zu mir nach hause..." Als Zoe meinte, dass sie etwas an die frische Luft gehen wollte, deutete Marcus durch das Wohnzimmer Richtung Balkon. "Du kannst natürlich machen, was du möchtest, aber so hast du frische Luft und bist trotzdem in unserer Nähe." Er lächelte freundlich, ahnte jedoch, dass Zoe lieber die Beine vertreten wollte.

[Der Mittag zuvor: Ruinen der Militärbasis]


"Brechen wir auf." Erstaunlich wenig Worte, aber es würde reichen müssen. Hawksworth nickte knapp und ging zu seinem Aircycle. Wenigstens war sie nicht einfach im Wald verschwunden. Dennoch war Toxin sehr wortkarg, was einerseits besser war als sinnloses Gebrabbel. Doch ein Mindestmaß an Kommunikation war notwendig. Hawksworth öffnete eine Seitenklappe seines Aircycles und holte einen Laptop hervor, den er auf den Sattel des Aircycles abstellte. Dann zog er ganz langsam und vorsichtig sein Handy aus der Tasche und machte ein Foto von Toxin. Schnell war das Foto mit dem richtigen Programm mit einem gefälschten Ausweis verbunden. "Fehlt nur noch ein schöner Name", bemerkte Hawksworth und deutete auf die Tastatur des Laptops. Aus der Seitentasche holte er noch zwei kleine Geräte hervor: Einen Spezial-Drucker und ein Gerät zum Einschweißen des gefälschten Ausweises. "Wenn wir das gleich hier hinter uns bringen, können wir sofort zur Schule fahren. Das geht schneller, als wenn ich erst auspacken müsste. Mein Hotel als provisorische Niederlassung ist außerdem am anderen Ende der Stadt, durchaus ein wenig von der Schule entfernt."
 
[Der Mittag zuvor: Ruinen der Militärbasis]

Nachdem Hawksworth sie instruiert hatte wies er mit einer einfachen, fordernden Handbewegung auf die Bedienvorrichtung des Laptops. Toxin betrachtete das Bild der Frau mit den leblosen Augen, dass direkt neben einem ungeduldig blinkenden Eingabefeld gerahmt war. "Wenn wir das gleich hier hinter uns bringen, können wir sofort zur Schule fahren. Das geht schneller, als wenn ich erst auspacken müsste. Mein Hotel als provisorische Niederlassung ist außerdem am anderen Ende der Stadt, durchaus ein wenig von der Schule entfernt." Sie nickte ihm zu, sein Gedankengang war praktisch ausgelegt und auch wenn man es ihr nicht ansah, begrüßte sie es auf ihre eigene Weise. Als sie ihre Hände auf die Tasten ablegte und zu schreiben begann, schien sie für einen Moment tief in sich versunken zu sein. Ihre Augen suchten nach etwas, darauf wiesen die raschen Bewegungen ihrer Sinnesorgane hin, doch was, wollten sie nicht preisgeben. Wahrscheinlich nicht einmal ihr selbst.

Fehlt nur noch ein schöner Name.

Ein schöner Name. Es war schwer so etwas zu finden, wenn das eigene Empfinden, wenn man es so ausdrücken konnte, mehrfach gefalteten Stahl und einen stabilen Griff in Händen zu halten, als höchsten ästhetischen Ausdruck betrachtete. Doch diese Assoziation war besser als nichts. Mit relativ vorsichtigen und behäbigen Bewegungen manövrierte sie ihre Finger über das ungewohnte Terrain des digital nativen Zeitalters. BLADE war das erste Wort das sie in das Feld für den Nachnamen bzw. Familiennamen eingab. Nach- bzw. Familienname. Familienname ...

Ich dachte oft zurück an die Zeit, in der mich ein Lächeln auf ihren Gesichtern zu schallenden Untaten und ein Kratzer auf ihrem Antlitz in brennende Rage versetzt hatte. Ich teilte jedes Gefühl mit ihnen so intensiv das es mich zu verzehren drohte. Ob sie noch leben? Ob sie auf mich warten? Meine Schinder haben heute die Tür meiner Zelle offen stehen lassen. Sie versuchen mich mit Hoffnung, um sie mir aus der Seele zu reißen.

Die Erinnerung an ein Zitat aus dem Buch das sie während ihren Therapiestunden gelesen hatte trat aus dem Schatten in ihrem Gedächnis. Sie wusste nicht warum sie sich in diesem Moment genau an diese Textpassage erinnerte, doch mit einem Mal betrachtete sie die Wahl ihres Decknamens mit anderen Augen. Hawksworth wartete geduldig und Toxin betätigte ein paar Mal die Rückgängig- Taste. Dann, wie von einem neuen Wind durchflutet, gab sie alle notwendigen Daten ein und stand aufrecht vor dem Aircycle, als wolle sie sagen. Erledigt, Sir.

Egal was ihre Absichten sind. Egal wohin mich dieser Schritt führt. Heute Nacht bin ich ein freier Mann und sie werden Himmel und Hölle in Bewegung setzten müssen, um daran etwas zu Ändern. Heute Nacht bin ich kein Gefangener, Ich bin Nikolas Clarks.

Die Daten waren eingegeben, sie vertraute Hawksworth mit den restlichen Angelegenheiten und bestieg hinter ihm das Gefährt, nachdem sie aus einem ausklappbaren Fach an der Seite das Cycles ihren Helm geholt und angelegt hatte. Sie umfasste die Tailie des Agenten und dann fuhren sie los Richtung Stadt.

[Der Nachmittag zuvor: Auf dem Weg zur Stadt]

Der Fahrstil von Hawksworth erschien der Soldatin rasant aber effizient. Er beschleunigte sobald er die Gelegenheit hatte und verringerte die Geschwindigkeit nur selten um einen scharfe Kurve zu nehmen. Während sie eine Straße entlang eines Berghanges nahmen, hatte Toxin die Gelegenheit einen Blick in die Ferne zu werfen und das Licht der Sonne an der abgedunkelten Scheibe ihres Helmes brechen zu lassen. Sie konnte sich nicht daran erinnern eine Militärbasis ohne genaue Missionsbeschreibung oder direktes Ziel verlassen zu haben und Hawksworth konnte im Gegensatz zu ihr, die Anspannung in ihrem Körper fühlen. Selbst ein Blick in den Rückspiegel verriet, wie sie mit den Eindrücken während der Fahrt umging. Sie wirkte hochkonzentriert, verspannt.

„Wissen sie etwas genaues über das Ziel dieser Operation, Sir?“ konnte man Clarks über den Lautsprecher hören, die jeweils in den Innenseiten der Helme angebracht waren. Es schwang ein wenig mehr als Kälte mit in ihrer Stimme, es war Unruhe.
 
[Der Mittag zuvor: Ruinen der Militärbasis]

Hawksworth wartete geduldig, als Toxin ihre Hände auf die Tastatur legte. Sie schien sorgfältig zu überlegen und einen Moment lang überlegte er, ob er nicht einfach einen Namen vorschlagen sollte. Doch er hatte ihr eine erwachsene Frau vor sich, sie würde es schon alleine schaffen. Und wenn er ehrlich war: Manchmal brauchte er ebenfalls etwas länger, wenn er sich verschiedene Identitäten ausdachte. Er hoffte, Toxin würde ihre Rolle gut spielen. Er selbst sah sich als recht versiert in der Kunst der Schauspielerei. Normalerweise hatte er keine Schwierigkeiten bei seiner Arbeit und seine besonderen Kräfte halfem ihm manchmal sehr. Toxin jedoch schien etwas überrumpelt von der Anordnung des Generals. Er hoffte, sie würde klar kommen. Er selbst musste daran denken, dass er eigentlich noch nie direkt als Team gearbeitet hatte. Das würde auch eine Umstellung für ihn bedeuten.

BLADE war das erste Wort das sie in das Feld für den Nachnamen bzw. Familiennamen eingab. Hawksworths rote Augen funkelten kurz, schwach zuckten seine Mundwinkel. Er selbst hatte seinen Tarnnamen ebenfalls abgeleitet. In der Schule würde man ihn als William Archer kennen. Zwar konnte er mit Schusswaffen ausreichend gut umgehen, doch war es eher die Tatsache, dass er sich in einem gewissen Sinne als Jäger, als Schütze sah. Toxin betätigte ein paar Mal die Rückgängig-Taste. Dann, wie von einem neuen Wind durchflutet, gab sie alle notwendigen Daten ein und stand aufrecht vor dem Aircycle, als wolle sie sagen. Erledigt, Sir. Hawksworth druckte den Ausweis aus und ließ ihn sofort einschweißen. Toxin hatte in der Zwischenzeit den zweiten Helm gefunden und Hawksworth reichte ihr ihren Ausweis, ehe er seinen eigenen Helm aufsetzte und auf sein Aircycle stieg. Es war ungewohnt, als sie von hinten die Arme um ihn legte. Es wäre wohl einfacher, wenn sie etwas weniger attraktiv wäre. Ruhig, Will, sagte sich Hawksworth. Du fängst jetzt ganz sicher nicht an, die Professionalität über Bord zu werfen...

[Der Nachmittag zuvor: Auf dem Weg zur Stadt]

Auf dem Weg in die Stadt gab er Gas, denn dazu war das Banshee-Aircycle immerhin konzipiert. Die beiden Antriebsspulen dröhnten, als er über den Asphalt schoss. Jahrelange Erfahrung ließen ihn mit so einer Sicherheit fahren. Toxin hielt sich gut an ihm fest, eine Spur zu angespannt. Hatte sie vielleicht Angst? "Wissen sie etwas genaues über das Ziel dieser Operation, Sir?" hörte er sie schließlich über den helminternen Lautsprecher. Sofort fuhr er ein wenig langsamer. "Auf Anordnung von Doktor Caine bin ich hier in Ylesia. Meine Instruktionen lauteten, mich in der Militärbasis im westlichen Wald zu melden und mich in General Grays Dienste zu stellen." Eine kurze Pause. "Sie müssen mich nicht Sir nennen, bei der kommenden Operation sind wir gleichgestellte Partner und ich habe keine Befehlsgewalt über Sie. Ich bin einfach nur William Archer. Der General wusste um meine Vorgehensweise in anderen Ländern und Städten. Ich bin selber überrascht, dass er Ihnen befahl, ebenfalls die Schulbank zu drücken. Möglicherweise will er bloß, dass Sie ein Auge auf mich haben. Aber abgesehen davon, sieht unsere Aufgabe und unser Ziel wie folgt aus..."

Im Zickzack fuhr er um einige Autos herum, denn die Straßen wurden belebter je näher sie der Stadt kamen. "Der General meinte, dass einige Ihr Gesicht kennen könnten und das uns dies entgegen kommt, da die Vaishara einander warnen könnten. Sobald dies geschieht, kann der Zugriff beginnen. Ich verlasse mich jedoch nicht auf so viel Glück." Erneut eine kurze Pause, als Hawksworth das Tempo erneut drosselte, um die Geschwindigkeitsbegrenzungen nicht zu überschreiten. "Doktor Caine meinte einmal zu mir, dass Vaishara ein sehr junges Phänomen sind. Kaum eine Hexe ist älter als achtzehn. Das bedeutet, dass es auf den Schulen einige Hexen geben könnte. Irgendwann machen einige von ihnen Fehler und aufmerksame Beobachter können sie erkennen. Das ist unsere Aufgabe. Ich persönlich interessiere mich jedoch nicht für kleine Kinder, die nicht einmal eine Ahnung von dem haben, was sie anstellen können. Bei einem gewissen Alter reicht es, die Daten aufzunehmen und weiter zu leiten. Andere, ältere Hexen jedoch... Sie können Probleme machen, ihre Kräfte missbrauchen und was das Wichtigste ist: Die Rebellen könnten versuchen, hier an den Schulen Hexen zu erkennen und zu rekrutieren. Vielleicht haben sie den Lehrkörper infiltriert oder haben selbst Schüler eingeschleust. Wenn wir die Chance haben, diese Spione auszuschalten oder uns gar direkt zu den Rebellen führen zu lassen, müssen wir diese Chance ergreifen. Ich denke, das wäre unsere höchste Priorität und im Sinne des Generals. Die Rebellen sind die größte Bedrohung für Recht und Ordnung. Alles andere wird registriert und berichtet, ist jedoch zweitrangig." Ganz ruhig fuhr Hawksworth durch die Stadt. Weit war die Schule nicht mehr entfernt.
 
[Mitten in der Nacht: Unterwegs]

Kalina lauschte Sharons Worten und blickte abwechselnd von Marcus zu ihr. Sharon wollte gehen, Marcus bleiben. Hin und hergerissen blieb sie zwischen den beiden stehen. Sie wollte ebenfalls gehen, wollte herausfinden, wen Nathan so spät noch besuchen wollte. Doch sich dem einen nähern, bedeutete gleichzeitig sich vom anderen zu entfernen. Als gingen Nate und Marcus zwar in dieselbe Richtung aber auf entgegengesetzten Straßenseiten. Sie wollte beide verstehen lernen, fand aber keine Möglichkeit dazu, ohne einen von ihnen am Seitenrand stehenzulassen. Sie richtete ihren Blick auf Sharon. "Erzähl mir nachher alles, versprochen?" Sharon folgte Travia und Nathan kurze Zeit später. Die Fahrerin hatte gerade erst ihr Fahrzeug aus der Erde gehievt und öffnete Sharon die Türe, ehe sie selbst einstieg und losfuhr. "Diesselbe Adresse?", fragte sie kurz und deutete sein Schweigen als ein Ja. Der Junge blickte aus dem Seitenfenster zum künstlichen Mond am Himmel. Travia seufzte. "Hör mal, dein Vater hat damals alles versucht ..."

"... uns umzubringen", unterbrach er sie und sagte es mit der tonlosen Deutlichkeit einer Maschine.




Kalina stand lange vor der Eingangstüre und schien in Gedanken versunken, als Marcus meinte, Zoe könnte am Balkon etwas frische Luft schnappen. Sie zog sich ihre Schuhe an und legte ihre Jacke an. "Es ist keine schlechte Idee, sich etwas die Beine zu vertreten. Hier um die Ecke gibt es einen kleinen Supermarkt, da könnte ich Zutaten für ein leckeres Frühstück auftreiben. Sie lächelte Zoe schwach an, und öffnete die Türe. "Da kommt es wie gerufen, dass wir einen Mann an unserer Seite haben." Sie sandte ein strahlendes Lächeln in Marcus Richtung und wartete auf die beiden, ehe sie die Türe hinter sich schloss und mit den beiden Richtung Supermarkt ging. Die Nacht war kühl, eine leichte Brise streifte durch menschenleere Straßen. In hundert Metern Höhe schallte das Repulsorensurren fliegender Vehikel. Marcus nutzte den kurzen Spaziergang um mit Aiolos Gassi zu gehen, doch insgeheim stellten sich die Mädchen die Frage, wer wen führte. Kalina und Zoe hielten etwas Abstand zum Jungen, Charon ging schweigsam neben seiner Herrin. "Ich hoffe es geht dir gut", murmelte Kalina, die Marcus' Spiel mit dem jungen Wolf mit einem Lächeln bedachte, ehe sie sich aufgrund des aufkommenden Windes das Haar hinter das Ohr strich. "Das war alles ziemlich viel für 48 Stunden. Ich weiß zwar nicht, welche Gabe du besitzt, aber sie scheint dir ungelegen zu kommen." Sie blickte zum Sternenhimmel, sah aber lediglich die vielen Lichter der Airshuttles. "Zumindest entnehme ich das deinem Gesicht ..."




Es herrschte eisernes Schweigen im Taxi. Jegliches Zugehen Travias wurde von Nathan mit Seitenhieben pariert. Und doch hatte dieses Gefühl von Distanz nicht gänzlich dunklen Charakter. Es wirkte viel eher, als konnten sich diese zwei Menschen nur durch die Entfernung verstehen. Ja, die Atmosphäre war unterkühlt, sie würdigten sich keines Blickes, und doch war in ihren Augen keine Spur von Wut oder Hass zu erkennen. Beinahe bildete sich Sharon ein, ein Lächeln auf Travias Lippen zu erkennen, doch das musste am verzerrten Bild im spiegelnden Seitenfenster liegen. "Ich bin überrascht, dass ihr euch alle so gut miteinander versteht, obwohl ihr euch faktisch erst seit zwei Tagen kennt", kommentierte sie, "Ich kann ja verstehen, dass Vaishara einander helfen, aber dass selbst ein Mensch mitspielt ... Ich war wirklich überrascht, bei diesem Mädchen - Kalina - nicht den Hauch von Manah zu spüren. Sie ist ein nettes Mädchen, ja, aber ich frage mich, warum sie es anscheinend nicht einmal in Erwägung zieht, das Militär einzuschalten. Im Gegenteil, sie hilft euch sogar." Travia blickte über den Rückspiegel zu Sharon. "Es ist gut einen Anker der Menschlichkeit zu besitzen. Viel zu oft vergessen wir, dass wir selbst auch nur Menschen sind ... nur mit einer Gabe - oder einem Fluch." Ihr Blick wurde wieder etwas ernster. "Passt bloß auf, dass sie nicht zu eurer Schwachstelle wird. Sie ist das schwache Glied in der Kette und der Feind wird versuchen, das auszunutzen!"




Marcus befand sich vor dem Regal mit Hundefutter. Man gab Wölfen doch Hundefutter, oder? Davon abgesehen würde er sich noch den ein oder anderen Napf zulegen müssen. Außerdem sollte er mit Zoe vielleicht noch einmal abklären, wann Aiolos normalerweise Gassi gegangen werden möchte. Das Wolfswelpen blickte ebenso unentschlossen und verwirrt drein wie sein Herrchen - ein Bild, das es in jede Comedyshow bringen würde. Kalina kicherte kurz, ehe sie ihm ausrichtete, dass sie draußen auf die beiden warten würde, da sie ein wenig an die frische Luft wollte. Marcus war wohl drauf und dran, die Münze entscheiden zu lassen, welches Futter Aiolos bekommen würde, als jemand gegen seine Schulter prallte. Er blickte zur Seite - und erkannte nichts. Erst nach einem Blinzeln erkannte er das etwas kurz geratene Mädchen mit langen, brünetten Haar. Die braunen Augen erwiderten seinen Blick genervt, ehe sie ein Bellen vernahm und zu Aiolos sah. Sofort hellte sich ihre Miene auf und sie ging vor dem Wolf in die Hocke. "Mensch, ist der niedlich!", wisperte sie mit einer angenehm zu lauschenden Stimme. Das Mädchen hatte das Lächeln eines Engels, ihre eben erst ausdruckslosen Augen strahlten vor Entzückung. "Wie heißt er denn?", fragte sie ihn und nahm ihn auf den Arm - etwas, gegen das er nichts einzuwenden hatte. Stattdessen schnüffelte er an ihr und leckte ihr über den Handrücken. Das Mädchen lächelte. Zu seinem Erstaunen bemerkte Marcus erst jetzt ein Holzschwert, das an ihrem Gürtel baumelte.




Obgleich es auf den Straßen an Menschen fehlte, gab sich keiner der drei der Illusion hin, sicher zu sein. Kalina wickelte ihren Einkauf rasch ab, sie wollte ihr Glück nicht herausfordern. Während Marcus und Zoe noch ein bisschen im Supermarkt blieben und etwaige Dinge einkauften, ging sie an die frische Luft. Sie fühlte sich im Augenblick nicht sonderlich gut, und beschloss, eine Tablette zu nehmen sobald sie zu Hause ankamen. Das Geräusch einer scheppernden Dose erregte ihre Aufmerksamkeit und sie blickte nach rechts in eine dunkle Seitengasse. Es folgte Stille, dann leises Schluchzen. Entgegen ihrer Intuition, die sie davor warnte, weiterzugehen, tat sie genau dies. Sie wusste, dass es eine dumme Idee war, in eine dunkle Gasse zu gehen. Vor allem ohne ihre Begleiter, aber das Schluchzen hypnotisierte sie. Sie musste einfach nach dem Rechten sehen. Langsam schritt sie in die Gasse, tastete sich vorsichtig nach vorne. Es war stockfinster. Die Straßenbeleuchtung schien beschädigt zu sein. Sie wollte schon umkehren, als sie erneut das Schluchzen vernahm. Es war definitiv ein Mädchen. Sie beeilte sich nun und bog um die Ecke, als sie auch schon den Ursprung des Geräusches fand. Eine Gruppe von fünf halbwüchsigen Burschen in Ledermontur machte sich an einem jungen Mädchen zu schaffen. Sie hatten ihr womöglich Drogen verabreicht, denn das arme Ding schien wie im Fiebertraum. Es war das Klügste umzukehren, Marcus Bescheid zu geben und dann die Polizei zu rufen. Doch was, wenn sie ihre Freunde dadurch an das Militär auslieferte? Vielleicht sollte sie sofort die Polizei anrufen und dann mit Marcus und Zoe das Weite suchen. Einfach hoffen, dass es dem Mädchen schon gut gehen würde. Einer der Jungen, leicht korpulent und mit schweinischem Grunzen zerriss den Rock des Mädchens, ehe er an seiner Hose herumfummelte. Sie sollte schleunigst Hilfe holen.

"Aufhören!", sagte sie etwas leise dafür aber deutlich. Sofort drehten sich die fünf in ihre Richtung und ein hämisches Grinsen zierte ihre Gesichter. "Was macht so ein hübsches, kleines Ding wie du ganz alleine hier?" - "Sollen wir dich nach Hause bringen, Miss?" - "Ich wette, die ist noch Jungfrau!" Kalina umfasste die Einkaufstasche fester, machte jedoch keinen Schritt zurück. Ihre Augen spiegelten beidermaßen Furcht wie Entschlossenheit wider.




[Mitten in der Nacht: Tomos Haus]

Tomos Gesicht wich eine gewisse Röte auf, als Darklighter darauf anspielte, dass sie nicht in Gefahr war. "Es ist ... Tomo hatte es nicht unter Kontrolle. Tomo ist es nur nicht gewohnt, dass jemand Tomo zu Hilfe eilt ..." Ihre Augen spiegelnden Schmerz wider. "Normalerweise wird Tomo übersehen ..." Sie stutzte bei dem Namen Darklighter etwas und legte den Kopf fragend schief. Sie schien damit nichts anfangen zu können. Als Kevin sich bei ihr bedankte, blickte sie wieder zur Kerze. "Du hast Tomo nicht ignoriert, also konnte Tomo dich auch nicht ignorieren ..." Dass sie sich selbst stets beim Vornamen nannte, war bekannt. Manch einer vermutete darin ein nicht verarbeitetes Trauma, das sie den Bezug zu sich selbst verlieren ließ. Kevin stellte ihr die Frage, warum sie nicht ausgewichen sei, und sie sah ihm direkt in die Augen. Ohne Vorwarnung legte sie ihre rechte Hand an seine Wange. Sie fühlte sich eiskalt an. "Warum Tomo die Schule verlassen hat? Weil sie nicht mehr sicher ist. Menschen werden kommen und andere gehen. Jene mit und auch jene ohne Gabe werden sterben. Tomo möchte nicht ansehen wie Freunde und Verwandte einander abschlachten. Warum Tomo dem LKW nicht ausgewichen ist? Weil Tomo nichts passiert wäre. Weil Tomo nie etwas passiert." Den letzten Satz betonte sie etwas merkwürdig, doch was genau sie damit meinte, erklärte sie nicht. Sie sah ihm nur direkt in die Augen - und durch diese hindurch. "Auch du wirst sterben ..."




[Mitten in der Nacht: Ai's Apartment]

Es dauerte gute zwanzig Minuten, ehe Travia vor einem Wohnblock anhielt. Ein Blick in Nathans aufgehelltes Gesicht bestätigte Sharon, dass sie angekommen waren. Nachdem sie ausgestiegen waren und den Wagen in der Dunkelheit einer Seitengasse versteckten, machten sie sich auf, das dritte der Wohnhäuser aufzusuchen. Nathan holte einen Schlüssel hervor und sperrte die Eingangstüre auf, ließ die beiden Frauen eintreten, ehe er die Tür hinter sich wieder schloss. Das Gebäude war ein Altbau, es gab nicht einmal einen Lift. Dafür war die Miete mehr als erschwinglich. Angesichts seiner Luxuswohnung stellte man sich doch die Frage, warum seine Schwester nicht etwas Luxuriöseres bevorzugte. Aber wahrscheinlich stellte sie das Gegenteil zu Nathan dar. Der war aber selbst bereits ein gewisser Geizkragen wenn es um die Raumausstattung ging. Ihr Ziel lag im vierten Stock, der nur über die steinerne Wendeltreppe zu erreichen war. Vom Dach schimmerte Mondlicht durch die Spirale an Treppen und erleuchtete so das Stiegenhaus. Im vierten Stock angekommen, bogen sie links ab und gingen an mehreren Türen vorbei. An jener mit der Nummer 12 hielt Nathan inne und räusperte sich. "Es ist schon spät, also versucht möglichst leise ..." Die Tür wurde aufgerissen und spuckte eine junge Frau aus. Nicht irgendeine, wie Sharon auffiel. Es war die Rezeptionistin aus Nathans Nobelschuppen. "Hast du schon einmal auf die Uhr geschaut, Casanova?!", fuhr sie den Jungen an und brachte ihn mit der Macht eines einzelnen Zeigefingers dazu, sich zurückzuziehen. Man stelle sich das nur vor: ein Mann mit der Macht eine vierhundert Mann starke Armee im Alleingang zu besiegen, schrumpfte angesichts dieses Mädchens auf die Größe eines Sandkorns zusammen. In seinen Augen war Furcht zu erkennen, Schweißtropfen bildeten sich auf seiner Stirn. Sowohl Travia als auch Sharon standen etwas sprachlos neben ihm. "Mi-Mina! Da-das ist alles nicht so wie es scheint. Ich war auf d-dem Weg, als Sharon ..." Das Mädchen machte zwei große Schritte auf ihn zu und beugte sich zu ihm herab, ihre Miene versprach ewigliche Qualen. "Wer ist Sharon?" Nates zitternder Zeigefinger deutete auf Sharon und sofort fuhr Mina hoch, ehe sie ihre Hände in die eigenen nahm und sie kräftig schüttelte. "Oh, hallo Sharon! Freut mich, dich kennenzulernen! Und Travia, welch eine Ehre!" Die Fahrerin lächelte etwas gezwungen und nickte lediglich. Nathan nutzte die Gunst der Stunde, um aufzustehen, doch sofort packte ihn Mina am Kragen und schenkte ihm erneut diesen freundlich-furchterregenden Blick. "Wenn du noch einmal so spät kommst, schleppe ich dich an deiner 'Plasmakanone' hierher, verstanden?" Etliche Köpfe lugten aus benachbarten Türen und verlangten Ruhe, ehe sie sich wieder verzogen. Schulterklopfend, bedeutete Mina Travia und Sharon in die Wohnung einzutreten, ehe sie sich wieder an Nathan wandte: "Und du, sei endlich ruhig!"

Mina führte die drei in ein geräumiges Wohnzimmer. Darin befanden sich etliche Uhren, die allesamt unterschiedliche Zeiten angaben. Da sich alle lediglich um Stunden unterschieden, konnte man davon ausgehen, dass sie verschiedene Zeitzonen darstellten. Sie alle hatten ein anderes Ticken, es hörte sich bei einer jeden Uhr anders an. Die eine klang elektrisch, die andere analog, eine andere klang wie ein Windspiel und so weiter ... Doch sie alle schlugen in einem seltsam anmutenden Gleichklang. Mina servierte grünen Tee, ehe sie sich zu ihnen ans Sofa setzte. Nate nahm einen Schluck, ehe er aufstand und hinter einer Türe verschwand. "Er sollte sich besser bei Ai entschuldigen ...", murmelte Mina und wandte sich nun den beiden Frauen zu, "Sobald er fertig ist, wird er dich ihr sicher vorstellen wollen, Sharon." Dabei lächelte sie fast schon verträumt und nahm einen Schluck aus ihrer Tasse.
 
[Mitten in der Nacht: Unterwegs]

Sharon bemerkte, dass Kalina hin- und hergerissen schien, ob sie nun mitkommen oder bei Marcus und Zoe bleiben sollte. Als Kalina Sharon ansah und bat, ihr alles zu erzählen, nickte Sharon und lächelte warmherzig. "Mach ich, versprochen!" Mit diesen Worten folgte sie Travia und Nathan und stieg hinten ein, als Travia ihr die Tür zum Taxi öffnete. Die Stimmung war erneut besonders gespannt. Travia versuchte scheinbar, zwischen Nate und seinem Vater zu vermitteln: "Hör mal, dein Vater hat damals alles versucht ..."

"... uns umzubringen", unterbrach Nathan sie und sagte es mit der tonlosen Deutlichkeit einer Maschine. Sharon musste jedoch an die Tatsache denken, dass Travia ihnen geholfen hatte. Wenn Nathans Vater seinen Sohn wirklich so dringend tot sehen wollte, dann hätte er doch längst Erfolg gehabt, oder? Natürlich war Nate mächtig, doch allmächtig war er noch lange nicht. Zweifellos war die Sache wohl sehr kompliziert und Sharon sah aus dem Fenster und widerstand dem Drang, Fragen zu stellen oder sonstwie dazwischen zu quatschen.

Es herrschte eisernes Schweigen im Taxi. Jegliches Zugehen Travias wurde von Nathan mit Seitenhieben pariert. Und doch hatte dieses Gefühl von Distanz nicht gänzlich dunklen Charakter. Es wirkte viel eher, als konnten sich diese zwei Menschen nur durch die Entfernung verstehen. Ja, die Atmosphäre war unterkühlt, sie würdigten sich keines Blickes, und doch war in ihren Augen keine Spur von Wut oder Hass zu erkennen. Beinahe bildete sich Sharon ein, ein Lächeln auf Travias Lippen zu erkennen, doch das musste am verzerrten Bild im spiegelnden Seitenfenster liegen.

"Ich bin überrascht, dass ihr euch alle so gut miteinander versteht, obwohl ihr euch faktisch erst seit zwei Tagen kennt", kommentierte sie, "Ich kann ja verstehen, dass Vaishara einander helfen, aber dass selbst ein Mensch mitspielt ... Ich war wirklich überrascht, bei diesem Mädchen - Kalina - nicht den Hauch von Manah zu spüren. Sie ist ein nettes Mädchen, ja, aber ich frage mich, warum sie es anscheinend nicht einmal in Erwägung zieht, das Militär einzuschalten. Im Gegenteil, sie hilft euch sogar." Travia blickte über den Rückspiegel zu Sharon. "Es ist gut einen Anker der Menschlichkeit zu besitzen. Viel zu oft vergessen wir, dass wir selbst auch nur Menschen sind ... nur mit einer Gabe - oder einem Fluch."

Ihr Blick wurde wieder etwas ernster. "Passt bloß auf, dass sie nicht zu eurer Schwachstelle wird. Sie ist das schwache Glied in der Kette und der Feind wird versuchen, das auszunutzen!" Sharon hatte bereits selbst darüber nachgedacht. Sie mochte Kalina sehr und wollte nicht, dass sie in Gefahr geriet. "Wir haben sie bei der Schule zurück gelassen", erklärte Sharon, "Und sie ist uns gefolgt. Freunde sind für einander da. Das kann natürlich auch Nachteile haben...und Risiken mit sich bringen." Kurz verschluckte sie ihre Worte, als sie an Kathy denken musste. Als sei es gestern gewesen sah sie den Tod ihrer Freundin vor sich, die hellbraunen Haare lagen auf dem Boden des Schulhofes wie eine Lache, die blauen Augen waren vor Schreck aufgerissen...

"Ich habe den Großteil meines Lebens alleine verbracht. Aber wenn ich sagen würde, dass ich mir keine Freunde wünsche, würde ich lügen. Es ist schön, sich auf andere verlassen zu können. Ich würde aber auch nicht wollen, dass jemand wegen mir in Gefahr gerät... Ich möchte Kalina nicht einfach meiden oder eiskalt in die Wüste schicken. Aber ich werde mit ihr darüber reden, wie gefährlich es alleine sein kann, uns zu kennen - ganz abgesehen davon wie es ist, in unserer Nähe zu sein wenn... die Post abgeht." Einen Moment lang schwieg sie. "Ich würde gerne Marcus' Gedanken zu dem Thema hören. Wie er das wohl sieht?"

[Mitten in der Nacht: Ai's Apartment]

"Es ist schon spät", erklärte Nate als sie bei Ai angekommen waren, "Also versucht möglichst leise ..." Die Tür wurde aufgerissen und spuckte eine junge Frau aus. Nicht irgendeine, wie Sharon auffiel. Es war die Rezeptionistin aus Nathans Nobelschuppen. "Hast du schon einmal auf die Uhr geschaut, Casanova?!", fuhr sie den Jungen an und brachte ihn mit der Macht eines einzelnen Zeigefingers dazu, sich zurückzuziehen. Sowohl Travia als auch Sharon standen etwas sprachlos neben ihm. "Mi-Mina! Da-das ist alles nicht so wie es scheint. Ich war auf d-dem Weg, als Sharon ..."

Das Mädchen machte zwei große Schritte auf ihn zu und beugte sich zu ihm herab, ihre Miene versprach ewigliche Qualen. "Wer ist Sharon?" Nates zitternder Zeigefinger deutete auf Sharon und sofort fuhr Mina hoch, ehe sie ihre Hände in die eigenen nahm und sie kräftig schüttelte. "Oh, hallo Sharon! Freut mich, dich kennenzulernen! Und Travia, welch eine Ehre!" Die Fahrerin lächelte etwas gezwungen und nickte lediglich. Nathan nutzte die Gunst der Stunde, um aufzustehen, doch sofort packte ihn Mina am Kragen und schenkte ihm erneut diesen freundlich-furchterregenden Blick.

"Wenn du noch einmal so spät kommst, schleppe ich dich an deiner 'Plasmakanone' hierher, verstanden?" Etliche Köpfe lugten aus benachbarten Türen und verlangten Ruhe, ehe sie sich wieder verzogen. Schulterklopfend, bedeutete Mina Travia und Sharon in die Wohnung einzutreten, ehe sie sich wieder an Nathan wandte: "Und du, sei endlich ruhig!" Mina führte die drei in ein geräumiges Wohnzimmer. Darin befanden sich etliche Uhren, die allesamt unterschiedliche Zeiten angaben. Da sich alle lediglich um Stunden unterschieden, konnte man davon ausgehen, dass sie verschiedene Zeitzonen darstellten.

Sie alle hatten ein anderes Ticken, es hörte sich bei einer jeden Uhr anders an. Die eine klang elektrisch, die andere analog, eine andere klang wie ein Windspiel und so weiter ... Doch sie alle schlugen in einem seltsam anmutenden Gleichklang. Mina servierte grünen Tee, ehe sie sich zu ihnen ans Sofa setzte. Nate nahm einen Schluck, ehe er aufstand und hinter einer Türe verschwand. "Er sollte sich besser bei Ai entschuldigen ...", murmelte Mina und wandte sich nun den beiden Frauen zu, "Sobald er fertig ist, wird er dich ihr sicher vorstellen wollen, Sharon." Dabei lächelte sie fast schon verträumt und nahm einen Schluck aus ihrer Tasse.

Sharon war noch immer absolut sprachlos. Lange schaute sie Mina an, ehe sie sich endlich traute, etwas zu sagen. "Ich habe noch nie gesehen, dass Nate vor einer Frau so... inferior ausgesehen hat." Dann grinste sie. "So gehört sich das. Aber darf ich dich fragen, wie genau du zu Nate und seiner Schwester stehst? Es ist doch auch gefährlich für dich, irgendwie..." Sie wusste nicht so recht, wie sie ihre Gedanken in Worte fassen sollte. Also nippte Sharon am Tee und wartete ab. "Ich bin echt gespannt auf Ai..."

[Mitten in der Nacht: Tomos Haus]

Tomos Gesicht wich eine gewisse Röte auf, als Darklighter darauf anspielte, dass sie nicht in Gefahr war. "Es ist ... Tomo hatte es nicht unter Kontrolle. Tomo ist es nur nicht gewohnt, dass jemand Tomo zu Hilfe eilt ..." Ihre Augen spiegelnden Schmerz wider. Darklighter legte den Kopf schief und musterte das Mädchen neugierig, als könne alleine ein Blick ausreichen, sie zu deuten. "Normalerweise wird Tomo übersehen ..." Sie stutzte bei dem Namen Darklighter etwas und legte den Kopf fragend schief. Sie schien damit nichts anfangen zu können. Als Kevin sich bei ihr bedankte, blickte sie wieder zur Kerze. "Du hast Tomo nicht ignoriert, also konnte Tomo dich auch nicht ignorieren ..." Dass sie sich selbst stets beim Vornamen nannte, war bekannt. Manch einer vermutete darin ein nicht verarbeitetes Trauma, das sie den Bezug zu sich selbst verlieren ließ. Darklighter hatte eine böse Ahnung, wagte es jedoch nicht, sie auszusprechen. Er stellte ihr die Frage, warum sie nicht ausgewichen sei, und sie sah ihm direkt in die Augen. Ohne Vorwarnung legte sie ihre rechte Hand an seine Wange. Sie fühlte sich eiskalt an. "Warum Tomo die Schule verlassen hat? Weil sie nicht mehr sicher ist. Menschen werden kommen und andere gehen. Jene mit und auch jene ohne Gabe werden sterben. Tomo möchte nicht ansehen wie Freunde und Verwandte einander abschlachten. Warum Tomo dem LKW nicht ausgewichen ist? Weil Tomo nichts passiert wäre. Weil Tomo nie etwas passiert." Den letzten Satz betonte sie etwas merkwürdig, doch was genau sie damit meinte, erklärte sie nicht. Darklighter vermutete, dass es wohl etwas mit ihren Kräften zu tun hatte. Er war sich sehr sicher, dass sie ebenfalls Vaishara war. Sie sah ihm nur direkt in die Augen - und durch diese hindurch. "Auch du wirst sterben ..."

Und Darklighter lächelte und nickte. "Ja, ich werde sterben. Jeder muss irgendwann sterben. Wir haben nur wenig Kontrolle über die Art unseres Todes - Altersschwäche wäre mir ja am Liebsten - aber wir können entscheiden, wie wir leben." Er musste an den Fuchs denken, viele seiner Worte kamen Darklighter nun in den Sinn. "Erst gestern hat mich das Militär geschnappt und ich wäre beinahe umgekommen. Das war mein eigener Fehler. Aber es gibt noch Dinge, die ich in meinem Leben erreichen möchte. Ich lebe für etwas. Ich kämpfe für etwas..." Er machte eine kurze Pause, ehe er weiter sprach: "Okay, kämpfen eigentlich nicht. Nicht mehr. Aber ich glaube an den Frieden." Er schwieg und sah Tomo an. "Ich vermute, du hast auch eine gewisse Gabe. Oder mehrere. Deshalb hat dich der LKW beinahe erwischt, schätze ich. Vielleicht warst du abgelenkt. Kannst du Gedanken lesen? Oder in die Zukunft sehen? Wie auch immer, du musst lernen, deine Kräfte zu kontrollieren. Egal, ob dir bisher nie etwas passierte, es gibt immer ein erstes Mal." Er sah zu den Zeitungsartikeln an der Wand. "Melodie des Alls? Gesang des Universums? Parallelwelten? Schwingungslehre? Das klingt alles sehr interessant. Wie kommt es, dass du all die Artikel sammelst? Darf ich sie mir mal durchlesen?" Er sah Tomo freundlich lächelnd an, ehe ihm einfiel, dass er dringend seine Eltern anrufen sollte. Zwar wussten die beiden Bescheid - waren sie doch alte Freunde des Fuchses - doch liebten sie Kevin wie ihr eigenes Kind und so war es einfach besser, ihnen mitzuteilen, dass es ihm gut ging. "Ich müsste mal meine Eltern anrufen. Hast du ein Telefon in der Nähe?"
 
[Mitten in der Nacht: Tomos Haus]

Er schwieg und sah Tomo an. "Ich vermute, du hast auch eine gewisse Gabe. Oder mehrere. Deshalb hat dich der LKW beinahe erwischt, schätze ich. Vielleicht warst du abgelenkt. Kannst du Gedanken lesen? Oder in die Zukunft sehen? Wie auch immer, du musst lernen, deine Kräfte zu kontrollieren. Egal, ob dir bisher nie etwas passierte, es gibt immer ein erstes Mal." Er sah zu den Zeitungsartikeln an der Wand. "Melodie des Alls? Gesang des Universums? Parallelwelten? Schwingungslehre? Das klingt alles sehr interessant. Wie kommt es, dass du all die Artikel sammelst? Darf ich sie mir mal durchlesen?" Er sah Tomo freundlich lächelnd an, ehe ihm einfiel, dass er dringend seine Eltern anrufen sollte. Zwar wussten die beiden Bescheid - waren sie doch alte Freunde des Fuchses - doch liebten sie Kevin wie ihr eigenes Kind und so war es einfach besser, ihnen mitzuteilen, dass es ihm gut ging. "Ich müsste mal meine Eltern anrufen. Hast du ein Telefon in der Nähe?" Tomo sah ihn leicht verwirrt an, dann schüttelte sie den Kopf. "Tomo ist nicht wie du. Tomo kann keine Wunder vollbringen. Der LKW hat Tomo lediglich übersehen." Sie erhob sich schwach lächelnd und blickte nun ebenfalls zu den Zeitungsartikeln. Ihr Blick hatte etwas Nostalgisches, etwas Verträumtes. "Tomo liebt die Wissenschaft. Tomo liebt die Melodie des Alls." War sie nun intelligent oder debil? Einen Rhetorikpreis würde sie wohl nicht gewinnen, soviel stand zumindest schon einmal fest. Auf die Frage nach einem Telefon hob Tomo einen Zeigefinger an die Unterlippe und schien nachzudenken. Wusste sie denn nicht einmal, ob sie ein Telefon besaß?! "Komm mit ...", murmelte sie und verließ das Zimmer. Ein langer Flur mit Holzboden erwartete sie. Holz war in diesen Zeiten eine rare Ressource, die seit dem Auftauchen des Nebels nicht mehr für den Hausbau Verwendung fand. Der helle Boden fühlte sich gut unter Kevins Füßen an. Natürlich und warm. Sie schritten an ein paar Zimmern vorbei, die allesamt mit Büchern und altertümlich anmutenden CDs gefüllt zu sein schienen. Das Haus selbst wirkte mit jeder verstreichenden Sekunde größer, und doch hallten ihre Schritte kalt und leer den Flur entlang. In einer Nische befand sich das Telefon. Zumindest konnte man davon ausgehen. Dieses Ding war antik, hatte kein digitales Interface oder gar Stimmerkennung. Ein schwarzes Ding mit kabelgebundenem Hörer und Wählscheibe stand vor ihm. Und die Frage stellte sich, ob es überhaupt noch funktionierte. Tomo wartete geduldig und würte Kevin nach dem Gespräch zurück in ihr Zimmer begleiten und ihm einige Artikel zeigen, so er noch hierbleiben wollte. Sie würde ihn aber nicht am Gehen hindern.




[Mitten in der Nacht: Ai's Apartment]

Sharon war noch immer absolut sprachlos. Lange schaute sie Mina an, ehe sie sich endlich traute, etwas zu sagen. "Ich habe noch nie gesehen, dass Nate vor einer Frau so... inferior ausgesehen hat." Dann grinste sie. "So gehört sich das. Aber darf ich dich fragen, wie genau du zu Nate und seiner Schwester stehst? Es ist doch auch gefährlich für dich, irgendwie..." Sie wusste nicht so recht, wie sie ihre Gedanken in Worte fassen sollte. Also nippte Sharon am Tee und wartete ab. "Ich bin echt gespannt auf Ai..."

Mina grinste schwach. "Der Kleine ändert sich nie. Aber wo bleiben meine Manieren? Ich bin Mina Tepes, und passe auf Nate und Jaina auf seit sie klein sind. Ich bin sozusagen ihre Babysitterin." Travia legte ihre Tasse ab und betrachtete das lächelnde Antlitz ihrer Gastgeberin nachdenklich und mit einem Anflug von Distanz. "Lass dich vom Äußeren nicht täuschen, Sharon. Mina ist viel älter als ich. Und sie ist sehr mächtig." Das gespenstisch nette Lächeln auf Minas Lippen verblieb wie eine eingebrannte Erinnerung. "Immer noch eine schlechte Verliererin wie ich sehe ..." Travia schenkte ihr ein Raubtierlächeln und nahm wieder einen Schluck. Mina betrachtete zwischenzeitlich Sharon und winkte ab. "Keine Sorge, ich mache keinen Ärger. Ich weiß, dass viele unserer Art wahre Unruhestifter sein können. Ich habe gehört, ihr habt Lakar getroffen. Den Mann in weiß. Ein wahrer Partypooper der Mann." Sie sprach ziemlich gelangweilt von ihm, als wäre sie ihm schon einmal begegnet, doch schnell hellte sich ihre Miene auf. "Travia meinte, ich soll euch Kids mal testen und vielleicht sogar trainieren. Das wird ein Spaß, wir hatten schon lange nichts mehr zu tun." Ehe Sharon fragen konnte, wen sie mit 'wir' meinte, öffnete sich die Eingangstüre. Eine Frau trat ein - die genau so aussah wie Mina. Im Gegensatz zu ihr wirkte sie jedoch ziemlich reserviert und observierend. Wie die Rezeptionistin am vorherigen Abend. Mina strahlte und sprang auf, ehe sie auf ihr Ebenbild zuging.

"Nina! Mensch, hast du dir Zeit gelassen!"
 
[Mitten in der Nacht: Unterwegs]

Kalina stand lange vor der Eingangstüre und schien in Gedanken versunken, als Marcus meinte, Zoe könnte am Balkon etwas frische Luft schnappen. Sie zog sich ihre Schuhe an und legte ihre Jacke an. "Es ist keine schlechte Idee, sich etwas die Beine zu vertreten. Hier um die Ecke gibt es einen kleinen Supermarkt, da könnte ich Zutaten für ein leckeres Frühstück auftreiben. Sie lächelte Zoe schwach an, und öffnete die Türe. "Da kommt es wie gerufen, dass wir einen Mann an unserer Seite haben." Sie sandte ein strahlendes Lächeln in Marcus Richtung und wartete auf die beiden, ehe sie die Türe hinter sich schloss und mit den beiden Richtung Supermarkt ging. Marcus schmunzelte, zuckte mit den Schultern. "Ich mache mich gerne nützlich", entgegnete er gut gelaunt als sie ins Freie traten. Die Nacht war kühl, eine leichte Brise streifte durch menschenleere Straßen. In hundert Metern Höhe schallte das Repulsorensurren fliegender Vehikel. Marcus nutzte den kurzen Spaziergang um mit Aiolos Gassi zu gehen. Ganz anständig sammelte er mit etwas Küchenrolle auf, was der Welpe hinterließ und entsorgte es im nächsten Mülleimer - stellte sich jedoch gleichzeitig die Frage, wie er das wohl machen würde, wenn der Wolf erst ausgewachsen war. Auch gehorchte Aiolos nicht immer. Obwohl Marcus eine gewisse Bindung zu dem Tier spürte und der Wolf ihn auch als Herrchen akzeptierte, war der Besitz eines "Gefährten" völlig neu für ihn. Er würde Zoe dringend um Tipps bitten müssen, stellte er fest. Als sie den Supermarkt erreicht hatten, wunderte sich Marcus noch, dass Tiere dort nicht verboten waren. Doch Aiolos war ganz brav und wich ihm nicht von der Seite. Vor dem Regal mit Hundefutter jedoch musste er lange überlegen. Man gab Wölfen doch Hundefutter, oder? Auch brauchte er noch einen Napf und eine vernünftige Leine - oder noch besser: Ein Geschirr. Außerdem sollte er mit Zoe vielleicht noch einmal abklären, wann Aiolos normalerweise Gassi gegangen werden möchte. Kalina kicherte kurz ob seiner offensichtlichen Ratlosigkeit, ehe sie ihm ausrichtete, dass sie draußen auf die beiden warten würde, da sie ein wenig an die frische Luft wollte.

Marcus wollte gerade Zoe fragen, was genau Aiolos denn nun fraß, als jemand gegen seine Schulter prallte. Er blickte zur Seite - und erkannte nichts. Erst nach einem Blinzeln erkannte er das etwas kurz geratene Mädchen mit langen, brünetten Haar. "Mensch, ist der niedlich!", wisperte sie mit einer angenehm zu lauschenden Stimme. Das Mädchen hatte das Lächeln eines Engels, ihre eben erst ausdruckslosen Augen strahlten vor Entzückung. "Wie heißt er denn?", fragte sie ihn und nahm ihn auf den Arm - etwas, gegen das er nichts einzuwenden hatte. Stattdessen schnüffelte er an ihr und leckte ihr über den Handrücken. Das Mädchen lächelte. Zu seinem Erstaunen bemerkte Marcus erst jetzt ein Holzschwert, das an ihrem Gürtel baumelte. "Das ist Aiolos", erklärte Marcus ein wenig verwundert. Sein Blick haftete immer noch an dem Schwert. "Bist du Larper?" Live-Action-Rollenspiel hatte er selbst zwar noch nie gemacht, doch eine andere Erklärung für das Holzschwert fiel ihm gerade einfach nicht ein. Er hatte auch die Nase voll, stundenlang vor dem Hundefutter zu brüten und nahm sich einfach einen Beutel mit Trockenfutter, sah dabei Zoe fragend an. Dann fiel sein Blick jedoch auf den Preis und ein zweiter Blick in seine Geldbörse verriet ihm, dass ihm ein wenig Kleingeld fehlte. "Zoe, hast du mal bitte...?" Doch Zoe schüttelte mit dem Kopf. Das fremde Mädchen wollte er nicht fragen. "Ich bin gleich wieder da", erklärte er. "Zoe, wartest du hier und passt auf meinen Korb und auf Aiolos auf? Bis gleich". Rasch eilte er nach draussen und sah sich nach Kalina um. In der Nähe des Eingang war sie jedoch nicht zu finden. War sie einfach abgehauen? Dazu hatte sie ja eigentlich keinen Grund. Irgendwo rechts von sich hörte er Gelächter. Er sah kurz nach links, ehe er sich nach rechts wandte und ein paar Schritte ging, ehe er eine Seitegasse erreichte. Es war dunkel, doch konnte Silhouetten sehen und trat näher ans das Geschehen heran, ehe er Kalina erkannte und neben ihr stand. Als sich seine Augen jedoch an die Dunkelheit gewöhnt hatte, bemerkte er die fünf Typen in Lederklamotten und das andere Mädchen mit dem zerrissenen Rock. Passierte da das, was er dachte? Oder war alles garnicht so, wie es schien? Doch das leise Schluchzen des Mädchens und das Grinsen der Kerle sprach eine deutliche Sprache.

Den ersten der Gruppe erreichte er unvorbereitet und trat ihm feste gegen die Kniescheibe, konzentrierte sich dabei und erhöhte seine Geschwindigkeit, so dass das Bein des Typen wie ein Zweig brach. Ein lauter Schmerzensschrei hallte wie in Zeitlupe durch die Gasse, doch Marcus hielt nicht inne sondern schubste den Jungen zu Boden und trat ihm dann kräftig seitlich auf den Hals, ehe er sich den nächsten Kerl vornahm. Einem Faustschlag wich er mühelos aus, schlug dem Angreifer dann mit einer Wucht ins Gesicht, dass die Vorderzähne weg brachen. Noch einmal schlug er zu, von unten gegen die Nase. Der dritte Typ hatte ein Springmesser gezogen und stach nach Marcus. Dieser sprang zur Seite, packte den Arm und schlug von der Seite gegen den Ellenbogen. Kaum hatte der Junge sein Messer fallen gelassen, um seinen gebrochenen Arm zu halten, hatte Marcus das Messer aus der Luft gefischt und seitlich in den Hals des Jungen gerammt. Die beiden verbliebenen Kerle wollten davon laufen. Marcus warf das Messer und erwischte den einen genau im Rücken, so dass er mit dem Bauch voran zu Boden stürzte. Gelassen schritt Marcus zu ihm, zog ihm das Messer aus dem Rücken. Wimmernd drehte sich der Junge um und mit einem Lächeln drückte er ihm das Messer in die Hände - die Klinge zum Körper. Dann erhob er sich wieder und trat kräftig auf den Griff des Messers, so dass sich die Klinge tief in den Körper bohrte. Der letzte Junge hatte das andere Ende der Gasse erreicht. Doch binnen eines Wimpernschlags war Marcus bei ihm, rammte ihm die Faust in die Magengrube. Dann schlug er ihm mit der linken Faust ins Gesicht, dann mit der Rechten. Anschließend legte er ihm einen Arm um den Hals, ging mit ihm fast kumpelhaft ein paar Meter gen Straße, klopfte ihm auf den Rücken - und stieß ihn dann nach vorne. Der Junge taumelte auf die Straße und wurde von einem Auto erfasst. Zuerst wurde er vom Aufprall von den Beinen gerissen, krachte auf die Windschutzscheibe und wurde einige Meter in die Luft geschleudert, ehe er mit verdrehten Gliedern leblos auf der Straße liegen blieb. Marcus lächelte düster, ehe er ein Schluchzen hinter sich vernahm. Er drehte sich um und sah Kalina, die ihn entsetzt und voller Angst ansah.

Wenn sich Marcus konzentrierte, hatte er nahezu alle Zeit der Welt, um sich Gedanken zu machen. Die bildliche Vorstellung schwand so schnell wie sie gekommen war, ließ ihn jedoch mit klopfendem Herzen zurück. Ja, mühelos würde er die Typen fertig machen können. Doch so war er nicht. Er hatte sich seine besondere Gabe nicht ausgesucht, hatte sich jedoch geschworen, sie niemals für böse Zwecke einzusetzen. Es gab immer eine andere Lösung. Am Ende war sein Verstand eine bessere Waffe als blitzschnelle Bewegungen. Doch die Versuchung war da, tief in ihm. Manchmal gab es keine richtigen oder falschen Entscheidungen, in diesem Fall jedoch schon. Er nahm Kalinas Hand in seine, sah dann zu dem anderen Mädchen. Helfen? Fliehen? Marcus beschloss, alles auf eine Karte zu setzen. "Ich bin mir ziemlich sicher, einen Polizeiwagen vorne beim Parkplatz gesehen zu haben. Der Cop hat gerade Pause und raucht genüsslich seine Kippe zuende, ehe er in den Markt gehen will. Er würde mich hören, wenn ich ihn jetzt rufe. Warum gebt ihr nicht besser Fersengeld?" Er deutete auf das andere Ende der Gasse. "Ihr habt dem Mädchen dort wohl weh getan. Schön ist das nicht. Aber das alles ist kein Grund, diese Nacht gänzlich zu ruinieren. Verschwindet einfach. Besser, als im Knast zu landen, oder?" Marcus sprach mit fester Stimme. Er hoffte, die Kerle würden den Bluff nicht als solchen erkennen. Kapierten die denn nicht, was sie da taten? Dass so etwas böse war? Hatten die denn keine Erziehung genossen? War denen nicht klar, dass sie tatsächlich im Knast landen konnten? Marcus sah die fünf Kerle mit festem Blick an, hatte sich jedoch angespannt und war hochkonzentriert. Wenn die Kerle nicht abhauen würden, dann würde es unangenehm werden. In dem Fall würde er Kalinas Rückzug aus der Gasse decken, die fünf Kerle aufhalten - und sich gehörig verkloppen lassen. Wenn er Sprünge aus dem Fenster überstehen konnte und eine Landung sanft wie eine Feder werden lassen konnte, dann vielleicht auch Fausthiebe und Tritte. Angreifen jedoch würde er nicht. Zu unwahrscheinlich wäre ein Sieg unter normalen Umständen. Er würde seine Kräfte nicht zur Offensive benutzen. "Geht einfach", sagte er noch einmal.
 
[Mitten in der Nacht: Tomos Haus]

Tomo sah ihn leicht verwirrt an, dann schüttelte sie den Kopf. "Tomo ist nicht wie du. Tomo kann keine Wunder vollbringen. Der LKW hat Tomo lediglich übersehen." Darklighter wurde einen Moment lang blass, dann lächelte er und schüttelte mit dem Kopf. "Wunder kann ich leider auch nicht vollbringen", sagte er ruhig. "Vergiss einfach, was ich gesagt habe. Ich dachte nur, du wärst auch Vaishara." Tomo erhob sich schwach lächelnd und blickte nun ebenfalls zu den Zeitungsartikeln. Ihr Blick hatte etwas Nostalgisches, etwas Verträumtes. "Tomo liebt die Wissenschaft. Tomo liebt die Melodie des Alls." War sie nun intelligent oder debil? Einen Rhetorikpreis würde sie wohl nicht gewinnen, soviel stand zumindest schon einmal fest. Darklighter jedoch war das egal, die Artikel fand er interessant. Auf die Frage nach einem Telefon hob Tomo einen Zeigefinger an die Unterlippe und schien nachzudenken. Wusste sie denn nicht einmal, ob sie ein Telefon besaß?! "Komm mit ...", murmelte sie und verließ das Zimmer. Darklighter folgte ihr und sah sich dabei aufmerksam um. Was für ein seltsamer Ort, an dem Tomo lebte... Ein langer Flur mit Holzboden erwartete sie. Holz war in diesen Zeiten eine rare Ressource, die seit dem Auftauchen des Nebels nicht mehr für den Hausbau Verwendung fand. Der helle Boden fühlte sich gut unter Kevins Füßen an. Natürlich und warm. Sie schritten an ein paar Zimmern vorbei, die allesamt mit Büchern und altertümlich anmutenden CDs gefüllt zu sein schienen. Das Haus selbst wirkte mit jeder verstreichenden Sekunde größer, und doch hallten ihre Schritte kalt und leer den Flur entlang. In einer Nische befand sich das Telefon. Dieses Ding war antik, hatte kein digitales Interface oder gar Stimmerkennung. Ein schwarzes Ding mit kabelgebundenem Hörer und Wählscheibe stand vor ihm. Und die Frage stellte sich, ob es überhaupt noch funktionierte. Tomo wartete geduldig und Darklighter wählte die Nummer seiner Eltern - genauer gesagt: Die Nummer im Arbeitszimmer seines Ziehvaters. "Dad? Ja, ich bin's. Tut mir leid. Ich bin morgen früh zuhause, keine Sorge. Es geht mir gut." Mehr brauchte er nicht zu sagen. Er legte auf und sah zu Tomo. "Wo waren wir stehen geblieben? Die Artikel, oder?"

[Mitten in der Nacht: Ai's Apartment]

Mina grinste schwach. "Der Kleine ändert sich nie. Aber wo bleiben meine Manieren? Ich bin Mina Tepes, und passe auf Nate und Jaina auf seit sie klein sind. Ich bin sozusagen ihre Babysitterin." Travia legte ihre Tasse ab und betrachtete das lächelnde Antlitz ihrer Gastgeberin nachdenklich und mit einem Anflug von Distanz. "Lass dich vom Äußeren nicht täuschen, Sharon. Mina ist viel älter als ich. Und sie ist sehr mächtig." Das gespenstisch nette Lächeln auf Minas Lippen verblieb wie eine eingebrannte Erinnerung. "Immer noch eine schlechte Verliererin wie ich sehe ..." Travia schenkte ihr ein Raubtierlächeln und nahm wieder einen Schluck. Mina betrachtete zwischenzeitlich Sharon und winkte ab. "Keine Sorge, ich mache keinen Ärger. Ich weiß, dass viele unserer Art wahre Unruhestifter sein können. Ich habe gehört, ihr habt Lakar getroffen. Den Mann in weiß. Ein wahrer Partypooper der Mann." Sharon merkte sich den Namen Lakar gut, wunderte sich jedoch, wie Mina denn jünger aussehen konnte, als sie tatsächlich war. "Travia meinte, ich soll euch Kids mal testen und vielleicht sogar trainieren. Das wird ein Spaß, wir hatten schon lange nichts mehr zu tun." Ehe Sharon fragen konnte, wen sie mit 'wir' meinte, öffnete sich die Eingangstüre. Eine Frau trat ein - die genau so aussah wie Mina. Im Gegensatz zu ihr wirkte sie jedoch ziemlich reserviert und observierend. Wie die Rezeptionistin am vorherigen Abend. Mina strahlte und sprang auf, ehe sie auf ihr Ebenbild zuging. "Nina! Mensch, hast du dir Zeit gelassen!" Sharon sah Travia fragend an. "Zwillingsschwestern? Beides Vaishara?"
 
[Mitten in der Nacht: Unterwegs]

Marcus deutete in Richtung des Balkons und sagte daraufhin "Du kannst natürlich machen, was du möchtest, aber so hast du frische Luft und bist trotzdem in unserer Nähe", meinte Marcus auf ihre Aussage hin, doch Zoe schüttelte den Kopf. Und als sie bemerkte wie Kalina sich auf machte, ihre Schuhe und Jacke anzog und zur Eingangstür maschierte, wurde Zoe klar das sie mit den Gedanken nicht alleine war. "Es ist keine schlechte Idee, sich etwas die Beine zu vertreten. Hier um die Ecke gibt es einen kleinen Supermarkt, da könnte ich Zutaten für ein leckeres Frühstück auftreiben. Sie lächelte Zoe schwach an, und öffnete die Türe. "Da kommt es wie gerufen, dass wir einen Mann an unserer Seite haben." Sie sandte ein strahlendes Lächeln in Marcus Richtung und wartete auf die beiden, ehe sie die Türe hinter sich schloss und mit den beiden Richtung Supermarkt ging. Die Nacht war kühl, eine leichte Brise streifte durch menschenleere Straßen. In hundert Metern Höhe schallte das Repulsorensurren fliegender Vehikel. Die Züchterin folgte ihr ohne weitere Worte und genoss die kühle Brise die durch ihr Gesicht wehte.
Marcus nutzte den kurzen Spaziergang um mit Aiolos Gassi zu gehen, doch insgeheim stellten sich die Mädchen die Frage, wer wen führte. Kalina und Zoe hielten etwas Abstand zum Jungen, Charon ging schweigsam neben seiner Herrin. "Ich hoffe es geht dir gut", murmelte Kalina, die Marcus' Spiel mit dem jungen Wolf mit einem Lächeln bedachte, ehe sie sich aufgrund des aufkommenden Windes das Haar hinter das Ohr strich. "Das war alles ziemlich viel für 48 Stunden. Ich weiß zwar nicht, welche Gabe du besitzt, aber sie scheint dir ungelegen zu kommen." Sie blickte zum Sternenhimmel, sah aber lediglich die vielen Lichter der Airshuttles. "Zumindest entnehme ich das deinem Gesicht ..." Als Kalina ihre Worte an sie richtete, blieb Zoe etwas verdutzt kurz stehen, ehe sie weiter ging und ihr Gegenüber mit schräg gelegten Kopf ansah.
Ein tiefes Seufzen folgte, ehe Zoe zu ihrem Wolf sah und ihm sacht über den Kopf strich. Sollte sie wirklich mit ihr darüber reden? Wusste Kalina denn, was sie für eine Fähigkeit besaß? Nachdem sie in der Mine zu den anderen beiden gehalten hatte und auch bei der Situation als sie erfuhr das Nate in schwierigkeiten war nicht den Anschein machte, als hätte sie etwas gegen Vaishara, schien es keinen Grund zu geben sich ihr nicht anzuvertrauen. Aber woher wusste sie das Zoe auch eine Hexe war? Urplötzlich fiel ihr die Situation in ihrem Haus wieder ein, als sie die Gefühle von Kalina gespürt hatte und eben jene so plötzlich verschwunden waren. War sie womöglich ... ?
Ein kurzer Blick huschte zu dem Mädchen, ehe sie innerlich den Kopf schüttelte. Nein, sie wirkte nicht so als sei sie eine von ihnen. Sie wirkte nicht wie jemand der etwas zu verbergen hatte. Aber man sagte nicht ohne Grund das Stille Wasser tief seien, wer wusste schon was sich hinter ihrem Gesicht verbarg. So mehr sie darüber nachdachte umso stärker wurden die Kopfschmerzen wieder, also beließ sie es vorerst einmal bei dem was sie bisher wusste. Alles weitere würde sie womöglich noch in Erfahrung bringen.
Als sie bemerkte das sie die Frage der anderen schon zu lange unbeantwortet gelassen hatte, räusperte sie sich ein wenig verlegen. "Es geht schon", antwortete sie knapp, ehe sie wartete das Marcus und Aiolos noch etwas Abstand zu ihnen gewonnen hatte und ergänzte "ungelegen würde ich sie nicht nennen, eher Zeitweise etwas anstrengend. Es ist manchmal nicht einfach die Grenze zu finden zwischen dem was man selbst spürt und dem was man von anderen empfängt." Oh nein, hatte sie da nicht gerade zu viel verraten? Mist! Ihr Körper spannte sich unfreiwillig an und ein forschender Blick ging über Kalinas Gesicht hinweg um zu sehen wie sie auf die Information reagierte.

Im Supermarkt angekommen entfernte sie sich zunächst von den anderen und ging zur Drogerieabteilung um sich ein paar Kopfschmerztabletten zu besorgen und etwas gegen Magenschmerzen. Als sie wieder bei Marcus angekommen war, befand jener sich in einem Gespräch mit einem kurz geratenen Mädchen und von Kalina war weit und breit keine Spur. Zoe dachte nicht weiter darüber nach und suchte bei den Hundefutter Sorten nach etwas das viele Vitamine enthielt. Für die Welpen war es wichtig, die älteren Tiere benötigten dagegen schon ein ganz anderes Futter. Hin und wieder bekamen jenes die Jungtiere aber ebenso, dass musste sie Marcus irgendwann noch sagen.
"Zoe, hast du mal bitte...?" hörte sie Marcus fragen, der anscheinend kein Geld dabei hatte um das Futter zu bezahlen. Doch Zoe schüttelte mit dem Kopf, nicht weil sie nicht genug bei sich hatte sondern eigentlich mehr deswegen weil er im Begriff war Futter für ausgewachsene Tiere zu kaufen. Doch noch ehe sie im stande war ihm das zu sagen war er mit den Worten "Ich bin gleich wieder da" und "Zoe, wartest du hier und passt auf meinen Korb und auf Aiolos auf? Bis gleich" auch schon verschwunden.
Die Züchterin schüttelte nur den Kopf, während Charon schon einmal zu dem Jungtier gelaufen war und sich an dessen Seite setzte. Zoe indess nahm das falsche päckchen Futter aus dem Korb und legte ihm das richtige hinein, ehe sie noch eine Dose mit Vitaminen dazu legte. Durch seine Fähigkeit so schnell sein zu können wie sein Besitzer, verbrauchte der Kleine eine menge Vitamine und brauchte folglich auch mehr davon als die anderen. Als sie die Einkäufe erledigt hatte, überlegte sie einen kurzen Moment das Mädchen mit dem Holzschwert - welches ihr nicht entgangen war - einfach stehen zu lassen und zu bezahlen oder bei ihr zu bleiben und zu warten. Letztlich entschied sie sich für letzteres, verschrenkte locker die Arme vor der Brust und betrachtete die Fremde, die noch einige Momente zuvor so vergnügt mit dem Jungtier gekuschelt hatte.
"Hast du keine Angst, dass er dich Beissen könnte?" fragte sie schließlich mit einem angedeuteten Grinsen auf den Lippen.
 
[Mitten in der Nacht: Unterschlupf]

"Niko Clarks?" Sie nickte dem Vermieter zu und stellte ihre Tasche mit einem lauten Krachen vor den versifften Counter ab. Er zog seine pockennarbige Nase hoch und rotzte in eine rostige Kupfervase zu seinen Füßen, während er den gefälschten Ausweis in seinen Händen drehte. "Du bist also 18 und gehst in dieser Stadt zur Schule? Auf die Arcana? Also wie 18 siehst du nicht aus Niko Clarks." Er scherbelte den Ausweis auf die klebrige Counteroberfläche und holte mit einem langezogenen Ächzen einen Türschlüssel von einem der Haken hinter ihm. Aus Gründen der Bequemlichkeit hatte er sie nicht nach Etage sortiert sondern es irgendwie geschafft alle Schlüssel an einem einzelnen Haken, relativ auf Brusthöhe, aufzuhängen. Trotzdem konnte Toxin begutachten wie sich auf dem ihr zugewandten Rücken Sturzbäche in das schmierige Unterhemd ergossen. Ihre Atemwege waren an Kampfstoffe gewöhnt und ihr blieben somit tränende Augen ersparrt. "Das wäre dann das Zimmer neben dem Generator, nich gerade die Königsklasse, aber für junge Frauen mit gefälschtem Ausweis sollte es reichen Niko Clarks."

Sie sah ihn leicht verwundert an, bis er nach seinem Gürtel griff und das Symbol der Schlange unter seinem Bierbauch hervorholte. "Kannst die Fangzähne wieder einziehen Niko Clarks, das hier ist ein Operationsstützpunkt." Er deutete mit seinem Kopf auf ihre Hand, die ihr Kampfmesser an seinen Hals gelegt hatte und deutete einmal deutlicher auf den Lauf seiner Waffe die auf ihren Bauch gerichtet war. Sie trat langsam zurück und steckte die Waffe weg. "Natürlich gibt es hier auch normale Mieter, also wäre es schön wenn du dein Spielzeug da in der Tasche schlafen lässt solange deine Mitbewohner ebenfalls ruhen." Sie nickte erneut, nahm den Schlüssel entgegen und schulterte ihr angesprochenes Gepäck.

Auf dem Weg die Treppe herunter hörte sie den Mann noch laut Seufzen.
"Miete ist immer am Monatsersten fällig. Die Toilette ist im Erdgeschoss und jedes Zimmer hat einen Schlüssel. Wenn du deinen verlierst habe ich hier einen Ersatzschlüssel. Achja, der Name ist übrigens De´Coy und keine blöden Sprüche drüber, verstanden Labertasche?" rief er ihr noch hinterher und sie sah ihn erneut verdutzt an bevor sie nickte und die Treppe hinunter zu ihrem Zimmer nahm.

Zimmer, war eine Übertreibung. Als sie die Tür hinter sich schloss stand neben ihr nur ein altes und lange unbezogenes Bett mit einem dunklen Eisengestell am anderen Ende des Raumes. Darüber befand sich ein schmales Kellerfenster, durch das Schritte und die Geräusche der Straße zu ihr drangen. Sie entdeckte eine kleine Nische hinter der sich ein weiteres Zimmer verbarg. Es war angefähr halb so groß wie das Erste, jedoch doppelt so gut eingerichtet. Hier standen ein alter Schrank, eine abgenutzte Hantelbank mit ein paar Gewichten und ein in die Ecke geschmissener Sandsack. Scheinbar war dieser Raum für die Soldaten ausgestattet worden, die hier vor ihr untergekommen waren. Sie war sich außerdem ziemlich sicher das De´Coy keines dieser Geräte auch nur angefasst hatte, geschweige denn einen Block Seife.

Es war noch Zeit bis zum verabredeten Treffen mit Archer. Bevor er sie hier abgesetzt hatte um seinen eigenen Unterschlupf aufzusuchen hatte er mit ihr einen Treffpunkt vor Schulbeginn in der Nähe des Hauptgeländes ausgemacht. Sie erinnerte sich an seine Worte während die ersten Schläge im Sandsack landetten, den sie in der Mitte des Raumes aufgehangen hatte.

"Ab morgen bist du Niko Clarks, 18 Jahre alt und eine Austauschschülerin mit Stipendiat des Militärs. Einige haben dein Gesicht schon gesehen, daran wird auch dein neuer Haarschnitt nichts ändern. Wir brauchen also nicht mit völlig verdeckten Karten spielen und können von Stunde Null Druck auf die Rebellen und ihre Anwärter ausüben. Auf Gutes Gelingen."

Auf Gutes Gelingen. Mit einem lauten Knall schleuderte ihr Schlag den Sandsack gegen die Decke, worauf von oben ein Stampfen und Fluchen zu hören war. Sie sah auf die Uhr, die sie neben ihrem Bett aufgestellt hatte. Es war 1 Uhr Morgens, doch sie konnte nicht schlafen. Vielleicht würde ein wenig Schattenboxen sie müde machen und den Schlaf ihrer neuen Nachbarn schonen ...
 
[Mitten in der Nacht: Unterwegs]

Marcus beschloss, alles auf eine Karte zu setzen. "Ich bin mir ziemlich sicher, einen Polizeiwagen vorne beim Parkplatz gesehen zu haben. Der Cop hat gerade Pause und raucht genüsslich seine Kippe zuende, ehe er in den Markt gehen will. Er würde mich hören, wenn ich ihn jetzt rufe. Warum gebt ihr nicht besser Fersengeld?" Er deutete auf das andere Ende der Gasse. "Ihr habt dem Mädchen dort wohl weh getan. Schön ist das nicht. Aber das alles ist kein Grund, diese Nacht gänzlich zu ruinieren. Verschwindet einfach. Besser, als im Knast zu landen, oder?" Marcus sprach mit fester Stimme. Er hoffte, die Kerle würden den Bluff nicht als solchen erkennen. Kapierten die denn nicht, was sie da taten? Dass so etwas böse war? Hatten die denn keine Erziehung genossen? War denen nicht klar, dass sie tatsächlich im Knast landen konnten? Marcus sah die fünf Kerle mit festem Blick an, hatte sich jedoch angespannt und war hochkonzentriert. Wenn die Kerle nicht abhauen würden, dann würde es unangenehm werden. In dem Fall würde er Kalinas Rückzug aus der Gasse decken, die fünf Kerle aufhalten - und sich gehörig verkloppen lassen. Wenn er Sprünge aus dem Fenster überstehen konnte und eine Landung sanft wie eine Feder werden lassen konnte, dann vielleicht auch Fausthiebe und Tritte. Angreifen jedoch würde er nicht. Zu unwahrscheinlich wäre ein Sieg unter normalen Umständen. Er würde seine Kräfte nicht zur Offensive benutzen. "Geht einfach", sagte er noch einmal. Die Kerle sahen ihn grinsend an. "Ein Streifenwagen? Interessant ... Nicht wahr, Bobby?" Hinter Marcus waren Schritte zu hören und eine weitere Gruppe Möchtegernrocker versperrte ihnen den Fluchtweg. Auch auf ihrem Antlitz fand sich ein Grinsen wieder. "Komisch", erwiderte ein Kerl mit Glatze - wahrscheinlich Bobby -, "Gerade eben hab ich keinen gesehen." Die Jungs auf der anderen Seite schüttelten mit gespielter Enttäuschung die Köpfe. "Du solltest besser zweimal überlegen, was du sagst, Kleiner. Großmäulern gehört einfach die Fresse poliert!" Sie gingen auf Marcus und Kalina zu, das Mädchen an den Haaren zerrend. Auch die andere Gruppe kam näher und kesselte die zwei ein. Konnte Marcus Kalina wirklich vor dem ganzen Dutzend beschützen? Selbst mit seiner Geschwindigkeit konnte er nicht an zwei Orten gleichzeitig sein ...

"Da bin ich ganz eurer Meinung!", durchbrach eine Frauenstimme die ohrenbetäubende Stille. Die Gruppe hinter Marcus und Kalina drehte sich um. Im Schein der nahe stehenden Straßenlaterne war das Mädchen aus dem Supermarkt zu sehen. Sie hatte die Arme vor der Brust verschränkt und wirkte extrem mies gelaunt. Die Männer begannen zu lachen und gingen nun auf das Fräulein zu, doch dieses blieb ungerührt stehen, selbst als einer der Hünen - dem sie beinahe nur an die Hüfte reichte -, sich vor ihr auftürmte. "Eure Mama hat wohl vergessen, euch zu zeigen, wie man mit Damen umzugehen hat." Die Männer grinsten sardonisch, doch auch das Mädchen schenkte ihnen ein Raubtierlächeln. Der Hüne packte sie am Kragen und hob sie hoch in die Luft, doch noch immer machte sie keine Anstalten sich zu wehren. "Was ist denn los, große Klappe aber nichts dahinter?" Die braunen Augen funkelten im Licht der Laterne als sie das Handgelenk ihres Gegenübers zur Seite schlug, sich um ihre Achse drehte und dem Kerl mit dem Griff ihres Holzschwertes in die Kronjuwelen schlug. Sofort ging er in die Knie und hielt sich das gute Stück, während sie seine gebeugte Position nutzte und sich über seine Schulter schwang, ehe sie einem anderen einen Tritt gegen das Unterkiefer versetzte. Kaum taumelte dieser einige Schritte zurück, kam ein anderer angerannt und griff nach ihrem Bein, aber das Mädchen umklammerte sein Handgelenk mit beiden Knöcheln, ließ vom Hünen ab und warf ihren Angreifer mit dem Schwung ihres Falls über sich hinweg. Ehe sie sich jedoch erheben konnte, packte sie ein anderer Kerl von hinten und schloss seine Arme um die ihren. Mit roher Gewalt konnte sie der eisernen Umklammerung nicht entkommen, als sich ein weiterer Schläger dazu herabließ, ihr gehörig in den Magen zu boxen. Der Treffer saß und zeigte sofort Wirkung. Die Luft entwich ihren klammen Lungen und sie kämpfte gegen die Ohnmacht an, als er zum finalen Schlag ansetzte. Ehe es jedoch dazu kam, rammte sie ihren Hinterkopf gegen die Nase ihres anhänglichen Freundes, sodass diese brach und entschlüpfte seinem Griff, als sein Kumpel ihm gewaltig in den Bauch schlug. Sie landete in der Hocke und schlug mit aller Kraft seitlich gegen dessen Knie. Ein unschönes, leises Krachen war zu vernehmen, ehe sie ihn mit einem Fußfeger komplett von den Beinen holte.

Marcus hatte indes wenig Zeit, ihr zuzusehen. Zwar hatte er alle Zeit der Welt zur Verfügung, aber es warteten auch fünf Kerle auf ihre Abreibung. Außerdem hatten sie das Mädchen als Geisel. Doch just in dem Moment warf Kalina ihre Einkaufstasche nach dem Mann, der im Reflex seine Arme schützend vor sich hielt. Sie schnappte sich das Mädchen, blieb nicht stehen und lief weiter. Zwei Männer versperrten ihr jedoch den Weg und hinter ihr befanden sich drei weitere, die abwechselnd zu Marcus und ihr blickten.

"Kommst du bald in die Gänge, oder soll ich übernehmen?", wisperte das Mädchen neben Marcus. Sie hatte das Holzschwert geschultert und grinste maliziös in Richtung der Bande. Sie war etwas angeschlagen, ihre Schuluniform - die der Arcana High - an einigen Stellen aufgerissen und dreckig. Ihr Haar war ebenfalls etwas schmutzig und stand etwas ab. Doch das Braun ihrer Augen funkelte lichterloh. Und das Grinsen wich nicht von ihrem Antlitz.




[Mitten in der Nacht: Ai's Apartment]

Sharon sah Travia fragend an. "Zwillingsschwestern? Beides Vaishara?"

Der Major sah zu den beiden, die sich mehr oder minder lebendig miteinander zu unterhalten schienen. Wahrscheinlich planten sie bereits das Training. Sie seufzte. "Weder das eine noch das andere, wenn man ihrer Geschichte glauben schenkt. Vielleicht erzählen sie sie dir eines Tages. Ihrer Aussage nach zu urteilen seid ihr also bereits auf Lakar gestoßen. Wie die beiden ist er ein Aviati, einer von fünf Auserwählten der Götter selbst. Sein wahrer Name ist unbekannt, aber Nina nennt ihn den Drachen der Dämmerung. Die beiden wirkten wie Gegensätze. Auf der einen Seite die impulsive, lebhafte Mina - auf der anderen die stoisch, ruhige Nina. Sie sahen nicht älter aus als Sharon selbst, doch als Aviati mussten sie die Götter persönlich gekannt haben. Und deren Zeitalter endete vor rund zweitausend Jahren!

Die Türe öffnete sich und Nathan trat aus dem Zimmer. Er wirkte ein wenig nachdenklich, grinste aber als er Nina ausmachte. Sie nickte zur Erwiderung und sah dann wieder zu Mina. Travia erhob sich und packte Nate an der Schulter. "Hab keine Zigaretten mehr, Lust mitzukommen?" Der Junge verdrehte die Augen, zuckte dann aber mit den Schultern. "Wenn du darauf bestehst ..."

Sie gingen, während sich die Zwillinge einen bedeutsamen Blick zuwarfen, ehe sie zu Sharon blickten. "Ai ist ein wenig sauer", begann Mina und Ninas vollendete den Satz: "dass er sie hat warten lassen. Aber sie war auch" - "besorgt um ihn, selbst hier konnte man ihn spüren ..." Irgendwie gingen ihre Worte flüssig ineinander über, so als wüsste die eine wann die andere ihr das Reden überlassen würde. Mina nahm Sharon an der Hand. "Ich nehme an, du möchtest sie nun kennenlernen." Bereits von draußen schien sie ein weiteres Piepsen im Rhythmus der Uhren hören zu können. Wieviele Uhren es hier wohl gab? Langsam betraten die drei den Raum, erst die Zwillinge gefolgt von Sharon. Das Zimmer war in ein sanftes Himmelblau getaucht, das in Richtung Decke in weiße Wolken überging. Es duftete nach Rosen. Das Piepsen der Digitaluhr wurde lauter und gesellte sich zu einem anderen ihr nicht bekannten Geräusch. Als die Zwillinge dann endlich Platz machten, bestätigte sich Sharons Verdacht, dass es sich nicht um eine Uhr handelte. Ein Monitor zeichnete EKG, Blutdruck, Sauerstoffsättigung, Körpertemperatur und Ähnliches auf. Ein Beatmungsgerät pumpte in regelmäßigen Abständen Luft in die Lunge des Mädchens, welches blass und leblos in einem Krankenbett lag. Ai hatte langes schwarzes Haar, das in extremen Kontrast zu ihrer Haut stand. Das Piepen des Monitors war in stetem Gleichklang mit den Uhren.

"Ai, Sharon ist gekommen. Sie ist eine Freundin von Nathan", flüsterte Mina, die sich zu dem Mädchen herabgebeugt hatte. Für einen winzigen Augenblick kam das Piepsen aus dem Takt, beruhigte sich aber sofort wieder. Das Mädchen hatte die Augen noch immer geschlossen und es war fraglich, ob sie diese jemals wieder aufmachen würde.




[Mitten in der Nacht: Tomos Haus]

Tomo wartete bis der Junge den Hörer wieder aufgelegt hatte, dann schritt sie zurück in ihr Zimmer. "Dir ist der Energieerhaltungssatz ein Begriff?", fragte sie und kramte in einer Schublade ihres Schreibtisches herum, "Innerhalb eines geschlossenen Systems kann Energie nie verloren gehen, sie wechselt nur ihre Form. Doch was ist Energie? Es gibt so viele Formen der Energie. Sie kommt in elektrischer Form aus der Steckdose, ein Stück Kohle birgt chemische Energie, ein Airshuttle produziert Bewegungsenergie, die Heizung erzeugt Wärmeenergie und in Atomen steckt nukleare Energie." Sie fand einen Schlüssel und nickte lächelnd, ehe sie an ihm vorbei erneut den Gang entlang ging. "Habt ihr euch je die Frage gestellt, woher eure Kräfte kommen? Welcher Mechanismus dahintersteckt und welche Energie ihr dafür nutzt? Wahrscheinlich nicht ..." Sie seufzte und ging eine Treppe abwärts. Mitten in der Bewegung blieb sie stehen und drehte sich zu ihm um, sah auf, da sie sich zwei Stufen unter ihm befand. "Welche Energie ist vonnöten um ein Leben zu erzeugen und was ist das, was manch einer Seele nennt?" Sie schritt weiter. "In der Physik existiert das ungeschriebene Gesetz des äquivalenten Tausches: Um A zu bekommen, brauchst du denselben Wert dessen in B. Wir alle stehen tagein, tagaus im steten Austausch von Energien, indem wir dieselbe Menge an Energie abgeben, die wir aufnehmen. Welche Energie? Nun ..." Sie hielt kurz inne und versuchte anscheinend, eine einfache Erklärung zu formulieren.

"Am Anfang war die Energie des Alls an einem Punkt konzentriert, ehe sie sich explosionsartig ausbreitete. Diese kosmische Energie formte Planeten, Monde, Sonnen, Schwarze Löcher ... Diese wiederum formen die Energie zu etwas Anderes um. Im Fall unseres Planeten könnte man es Lebensenergie nennen - oder Manah, wie es unsere Ahnen einst taten. Die Energie verdichtete sich, erschuf Mikroben, Einzeller, Mehrzeller, Menschen. Noch heute fließt diese Energie aus dem Planeten selbst und versiegt in diesem wieder. Wir alle sind dieser Strahlung ausgesetzt, speichern einen Teil davon und geben ihn im Verlauf unseres Lebens wieder ab. Dabei ist das Verhältnis aus Aufnahme und Abgabe äquivalent, sodass wir im täglichen Leben nichts davon mitbekommen." Sie erreichten eine Tür im Keller und blieben vor dieser stehen. "Wenn ein Lebewesen geboren wird, erbt es einen Teil des Lebensstromes und macht es sich zu eigen. Diese Energie, dieses Fragment des Kosmischen Willens nenen wir meist Seele. Das Ich, das Selbstreflektierende. Wenn diese Energie verloren geht ... nun, man existiert weiter dank des Lebensstromes, doch ob man dies noch Leben nennen kann? Aber was hat das alles mit der Sinfonie des Alls zu tun? Die Antwort darauf ist gleichzeitig eine Frage: Wenn Energie nicht verloren gehen kann sondern nur ihre Form wechselt, wo landet dann die Seele? Wo landet die Energie, welche von einem Schwarzen Loch absorbiert wurde?"

Tomo drehte den Schlüssel im Schloss und öffnete das alte Holztor, welches in den rostigen Angeln aufkreischte. Das Zimmer dahinter war dunkel und beherbergte ein alles ausfüllendes Hologramm. Es zeigte eine Kugel mit etlichen Schalen. "Was passiert, wenn man in einem Luftzug so hoch es geht fortgehend 'A' zu sagen? Der Ton wird tiefer, leiser - die Frequenz ändert sich. Was, wenn die Lebensenergie auch Frequenzen besitzt, die sich im Verlauf der Zeit einfach ändern? Nehmen wir an, dieses Universum, diese Dimension liefe auf Frequenz 440. Was würde passieren, wenn deine Existenz eine andere Frequenz annimmt, Kevin Anderson?"
 
[Mitten in der Nacht: Unterwegs]

Das Mädchen schien auf ihre Frage hin nicht weiter reagieren zu wollen und gerade als die Züchterin sich kurz abgewandt hatte, um den Gang hinter sich hinauf zu blicken und dann wieder zu ihr sah, war sie verschwunden. Zurück blieb nur der etwas verunsichert drein blickende Welpe, der anfing sich die Zeit damit zu vertreiben an den Lefzen des älteren Tieres zu ziehen. Zoe legte den Kopf ein wenig schief, betrachtete dann fragend die beiden Wölfe und dann den Einkauf. Was sollte sie nun tun, auf Marcus warten oder schon einmal bezahlen gehen und schauen wo sie alle abgeblieben waren? Nachdem sie eine Weile recht ratlos in der Gegend herum stand, entschied sie sich dafür an die Kasse zu gehen. Sie nahm Aiolos auf die Schulter, der daraufhin ein vergnügtes Quieken von sich gab und rief Charon an ihre Seite.
Als sie durch die Gänge schlenderte, mit ihrem Einkauf und dem von Marcus, fragte sie sich ob Tiere in einem Einkaufszentrum eigentlich gestattet waren. Sie hatte beim betreten des Gebäudes nicht darauf geachtet ob etwas an der Tür Aufschluss darüber gab.
Nachdem sie sich der Kasse genähert hatte, an der sich außer ihr kein weiterer Kunde befand, deutete sie den Blick der Kassiererin als etwas ratlos und fast ängstlich. Sie blickte über ihre dicken Brillengläser zu dem Wolf den Zoe auf der Schulter hatte und dann zu dem Tier das sich an ihrer Seite befand. Ob die beiden wohl als Hund durchgingen? Die Züchterin zögerte den Blick der Frau zu erwidern, tat es letztlich aber doch. Die Gefühle die ihr übermittelt wurden waren seltsam, sie waren gemischt von Angst und Furcht, gleichsam schien aber auch etwas wie Zorn und ein hauch Aggression darin zu liegen. Als die Kassiererin den Blick wieder von ihr nahm, holte Zoe hörbar Luft und versuchte sich wieder zu Konzentrieren, während das monotone Piepsen des Scanners sich unter die Musik der Lautsprecher mischte.
Als sie alles abgezogen hatte und das Mädchen alles in ein paar Tragetaschen verstaut hatte, verabschiedete sie sich freundlich von der Frau und bemerkte einen Blick der ihr einen leichten Schauer über den Rücken jagte.

Nachdem sie das Einkaufszentrum verlassen hatte, lies sie den kleinen Welpen von ihrer Schulter, der spielerisch seiner eigenen Rute nachjagte. Einen Moment lang gönnte sie sich ihm dabei zu zu sehen, ehe sie ein tiefes Knurren von Charon vernahm der in eine Richtung blickte, wo eine Straße in eine Ecke einbog. "Was ist, was hörst du?" fragte sie ein wenig beunruhigt, ehe sie das Gefühl hatte als würden Kampfgeräusche an ihr Ohr dringen. "Nicht schon wieder ....",dachte sie bei sich, ehe sie die Einkaufstüten schulterte und sich mit den Tieren aufmachte der Ursache jenen Geräusches auf den Grund zu gehen.

Als sie die Biegung erreicht hatte, konnte sie im Widerschein der Straßenlaternen Marcus, Kalina und das Mädchen aus dem Supermarkt erkennen. Ein paar unfreundlich und unhygienisch aussehende Kerle befanden sich ebenfalls bei ihnen und ein fremdes Mädchen klammerte sich ängstlich an Kalina. "Was zum.. Kann man euch keine fünf Minuten alleine lassen?" murrte Zoe leise vor sich hin, ehe sie die Einkaufstaschen abstellte. Charon brannte förmlich darauf sich in den Kampf einzumischen, die Lefzen weit angehoben präsentierte er sein Gebiss und die aufgestellten Borsten ließen ihn noch um einiges größer wirken als er war.
"Aiolos, du bleibst hier", befahl sie dem Welpen, sofern Marcus nichts gegenteiliges mit ihm vor hatte. Die Züchterin krempelte die Ärmel hoch, während sie darauf wartete das die Fremden sie bemerkten. Charon indes hatte sich aus dem Staub gemacht, hetzte um die Häuserecken der Straßen herum und versuchte die andere Öffnung der Gasse zu erreichen um Kalina und dem fremden Mädchen zu helfen.
"Sagt nicht, ich hab die Party schon verpasst..", feixte sie etwas lauter, damit man auf sie aufmerksam wurde. Sie wusste das sie mitnichten die Stärke von Marcus, Sharon oder Nate besaß. Aber sie war in der Nacht bevor sie am nächsten Morgen aufgebrochen waren um Nate zu retten nicht untätig gewesen und hatte ihre Kampftechnik ein wenig verbessert, vielleicht würde es für ein oder zwei ja genügen.
 
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