[Aeruin RPG] Hauptthread

[Vor einer Nacht: Bei Nathan zuhause]

"Meine Schwester lebt" Nates Augen funkelten wild, voller Feuer. Sharon lächelte sofort und war erleichtert. "Wenn du möchtest, nehme ich dich einmal mit zu ihr." Sharon nickte sofort. "Ich würde mich freuen." Als das Thema in Richtung Marcus und Kalina schwankte, lachte Nathan auf Sharons Kommentar hin und blickte über den Rand des Weinglases in ihre Richtung. "Wir kennen uns auch nicht länger und waren schon zusammen unter der Dusche. Wer weiß, was die beiden so alles anstellen." Nun musste Sharon lachen. Kein kurzes Auflachen sondern ein langes, glockenhelles Lachen. Nicht zu schrill, nicht zu viel Gegacker. Ja, seine Antwort ergab Sinn. Und dann auch wieder nicht. "Wir waren aber auch bloß zusammen unter der Dusche, weil ich eine blöde Kuh bin", meinte sie kichernd. Einen Moment lang sah sie Nate an. Dann stellte sie sich Marcus und Nate zusammen unter der Dusche vor, aber noch mit Klamotten und prustete noch einmal los, wobei sie sich diesmal schneller beruhigte. "Ja, wer weiß, was die beiden so anstellen." Dann begann sie mit ihren Erzählungen aus ihrem Leben. "Ich kann mir Romantischeres vorstellen, als bei einem Date über Mord und Totschlag zu reden", gab er seufzend von sich. Hatte er es spaßig gemeint? Oder vielleicht ernst? Sharon glaubte nicht, dass Nate es spaßig gemeint hatte, dafür hatte er selbst wohl viel zu viel Mord und Totschlag gesehen.

"Du hast ein interessantes Leben geführt. Ich hingegen war immer an denselben Orten zu denselben Zeiten, hatte nur zwei Menschen, die ich für wichtig erachtete und lebte so vor mich hin. Ich bin ein fauler Sack, der am liebsten den ganzen Tag nur hier liegen würde und zum Himmel starren würde. Ich habe keine richtigen Jobs, ich helfe überall nur ein bisschen aus. Ich habe genug einkommen, um mir alles aus eigener Tasche bezahlen zu können, lege aber keinen Wert auf Gegenstände, die nicht zweckmäßig sind. Würde ich nicht Basketball spielen, ich glaube, ich würde sogar durchdrehen. Würde mir auch kein anderes Hobby suchen wollen. Es macht Spaß mit dem Ball in der Hand. Diese nutzlos verschwendeten Tage der Sorglosigkeit ..." Er lächelte schwach und schloss die Augen. "Wie sehr ich sie vermisse ..." Sharon sah Nathan ernst an, ihre Lippen eine dünne Linie. "Sorglosigkeit werden wir wohl nie wieder wirklich erleben", flüsterte sie mit traurigem Unterton. "Aber es muss doch mehr als nur Basketball in deiner Freizeit geben. Naja gut... So viele Hobbies habe ich auch nicht." Einen langen Moment schwieg Sharon. "Wenn du das hier als Date siehst, dann muss ich wirklich darauf bestehen, demnächst mal die Gastgeberin zu sein und dich anschließend mal... mitzunehmen. Vielleicht hast du dann ja etwas Spaß. Also, ohne dass ich mit dir den Boden aufwische..." Sie grinste frech und nippte am Weinglas. Auch musste sie ein Gähnen unterdrücken. Langsam brach ein neuer Tag an und sie war fast vierundzwanzig Stunden auf den Beinen. Dazu noch die lange, anstrengende Jagd und die Blechschlacht mit Nate... das konnte einen wirklich auslaugen.
 
[Vor einer Nacht: Bei Nathan zuhause]

"Wir waren aber auch bloß zusammen unter der Dusche, weil ich eine blöde Kuh bin", meinte sie kichernd. Einen Moment lang sah sie Nate an. Dann prustete sie noch einmal los, wobei sie sich diesmal schneller beruhigte. Dennoch beäugte Nate sie fragend. "Ja, wer weiß, was die beiden so anstellen." Sharon sah Nathan ernst an, ihre Lippen eine dünne Linie. "Sorglosigkeit werden wir wohl nie wieder wirklich erleben", flüsterte sie mit traurigem Unterton. "Aber es muss doch mehr als nur Basketball in deiner Freizeit geben. Naja gut... So viele Hobbies habe ich auch nicht." Einen langen Moment schwieg Sharon. "Wenn du das hier als Date siehst, dann muss ich wirklich darauf bestehen, demnächst mal die Gastgeberin zu sein und dich anschließend mal... mitzunehmen. Vielleicht hast du dann ja etwas Spaß. Also, ohne dass ich mit dir den Boden aufwische..." Sie grinste frech und nippte am Weinglas. Auch musste sie ein Gähnen unterdrücken. Langsam brach ein neuer Tag an und sie war fast vierundzwanzig Stunden auf den Beinen. Dazu noch die lange, anstrengende Jagd und die Blechschlacht mit Nate... das konnte einen wirklich auslaugen. Nate stand auf, nahm ihre Hand und lotste sie in sein Schlafzimmer. "Du kannst hier schlafen. Ich hoffe du hast kein Problem damit, wenn ich die andere Hälfte in Beschlag nehme ...", murmelte er und kratzte sich an der Wange, ehe er den Sleepmode des Zimmers aktivierte und die Glasflächen verdunkelte. Dabei gingen die Nachttischlämpchen an. Er setzte sich an die Bettkante, als ihm etwas klar wurde. Sharon konnte oder wollte wahrscheinlich nicht im Kleid schlafen. Das hieß ...

"Wie auch immer ... gute Nacht!", rief er etwas zu laut und verkroch sich unter der Bettdecke. Das Licht des Lämpchens auf seiner Seite erlosch.


[Heute morgen: Bei Nathan zuhause]

Nathan konnte immer noch nicht schlafen. Das ein hübsches Mädchen auf der anderen Seite seines Bettchens lag, half ihm da kein bisschen. Im Gegenteil, wenn er daran dachte, wie sie sich in der Duschkabine an ihn gedrückt hatte. Mit nichts als ihrer Unterwäsche an, die durch das Wasser recht ... durchsichtig war ... Er seufzte und öffnete die Augen, als er einen Schatten auf dem Fenster huschen sah. Mit einem Blick über die Schulter vergewisserte er sich, dass Sharon noch schlief. Sie musste wohl dringend Schlaf nachholen. Mit einem Tastendruck blendete er eine Uhr ein. Es war 7:30 morgens. Vorsichtig erhob er sich aus dem Bett und zog sich ein schwarzes Shirt an, ehe er die Tür per Knopfdruck öffnete. Er hoffte, Sharon nicht aufwecken zu müssen. Das Wohnzimmer war dunkel, jemand schien sich an der Elektronik zu schaffen gemacht zu haben. Während er inmitten des Raumes stand, machte er mehrere Schemen aus. "Hat euch eure Mama nicht gesagt, dass man vorher anklopft, ehe man zum Spielen kommt?" Die maskierten Männer, anscheinend Special Ops, sahen ihn abschätzend an. "Samuel Lee, Sie wurden des Mordes an mehreren Offizieren des Hohen Militärs für schuldig erklärt. Ein Augenzeuge hat sie identifiziert." Nathans Bernsteinaugen funkelten für einen Augenblick, ehe er seufzte und mit den Schultern zuckte. "Ihr habt mich. Ich ergebe mich", sagte er, ehe ihn einer mit einem Elektroschocker paralysierte. Zwei andere fingen ihn auf, ehe er zu viel Geräusche machte, dann zogen sie sich auch zurück. "EagleEye, hier! Haben Verdächtigen in Gewahrsam! Wiederhole: Haben Verdächtigen im Gewahrsam!"
 
[Heute: Schulhof]

Kalina nickte nur erstaunt, als Marcus sich anbot, ins Sekretariat zu gehen und Marcus lächelte sie an. "Gut. Ich bin gleich wieder da. Und wenn's nicht klappt, dann hab ich auch schon eine andere Idee." Mit diesen Worten machte er sich auf, überquerte rasch den Schulhof und betrat das Hauptgebäude der Arcana High School. Im Sekretäriat traf Marcus Mr. Torstan und Ms. Kaso, die sich kurz miteinander unterhielten. Als er eintrat, nickte sein Lehrer, während Frau Kaso freundlich lächelte. Die Sekretärin jedoch, eine ältere Dame mit gestrengen Blick, hob kritisch eine Augenbraue und erwartete die Bitte des Jungen. Sie ließ ihn nicht einmal ausreden, als sie auch schon den Kopf schüttelte. "Tut mir leid, Kindchen, aber die Schuleinrichtung wird nicht für so triviale Dinge verwendet. Wenn ihr Werbung für den Club machen wollt, macht es auf die altmodische Art und Weise. Und am besten selbst." Marcus verzog das Gesicht ob dieses Rückschlags, als Frau Kaso seine Schulter tätschelte und ihn anlächelte, während sie ihn und Mr. Torstan aus dem Zimmer lotste. "Nicht aufgeben! Es gibt noch andere Wege, Mitglieder zu finden. Mundpropaganda und Flyer, Poster und diese Dinge. Das Schuljahr hat gerade erst begonnen. Sicher findet ihr genug Erstsemester, die sich noch nicht für einen Club entschieden haben." Marcus nickte, denn Flyer wären seine nächste Idee gewesen. Er lächelte, wieder sichtlich aufgeheitert - ehe er Frau Kaso's nächste Worte hörte: "Die Macht der Jugend und Liebe sind mit euch beiden!" Marcus merkte, wie sein Gesicht heiß wurde und sein Kopf nahm die Farbe seines roten T-Shirts an. Die Macht der Jugend und der Liebe? Sie waren hier doch nicht bei den Mondlichtkriegerinnen, also wirklich! Ihm fiel nicht mal eine Antwort ein, denn zu patzig wollte er nicht reagieren und sein Mund war staubtrocken. Frau Kaso strahlte ihn an, Mr. Torstan seufzte jedoch und brach den peinlichen Moment, indem er Marcus Unterlagen reichte. "Hier. Die Unterlagen für den Kendō-Kurs. Die Club-Präsidentin ist ein Mädchen namens Reika und besucht die 2D. Am besten gehst du gleich zum Clubhaus und redest mit ihr. Es befindet sich direkt neben der Trainingshalle für die Bogenschützen. Miss Karsteen kann dir sicher weiterhelfen ..." Danach verabschiedeten sich die beiden von Marcus und schienen in einer hitzigen Diskussion zu sein. Gerne hätte Marcus das Thema gewusst, wollte jedoch nicht lauschen. Am Liebsten hätte er ein lautes "Was sich liebt, das neckt sich!" in den Raum geworfen, doch er ließ es bleiben und ging wieder nach draussen auf den Schulhof, setzte sich zu Kalina auf die Bank, während Aiolos heftig mit dem Schwanz wedelte. "Die wollten mir nicht helfen. Meinten, wir sollten es mit Flyern, Postern und Mundpropaganda versuchen." Er lächelte Kalina aufmunternd an. "Dann machen wir es eben so. Gibt es eine Frist, bis wann wir Leute für den Club haben müssen? Ich könnte mal versuchen, einen schönen Flyer am Computer zu entwerfen. Aber das ginge erst nach der Schule. Wenn der Club heute stehen muss, dann muss der Flyer eben etwas schlichter aussehen." Er packte seine Kendō-Unterlagen in den Rucksack. "Wenigstens das mit dem Kendō ist geregelt. Da müsste ich jetzt eigentlich zum Clubhaus gehen und mit der Club-Präsidentin reden." Er sah auf die Uhr. Sehr bald würde der Unterricht beginnen. Viel Zeit hatte er also nicht mehr. "Sehen wir uns in der ersten Pause?"
 
[Vor einer Nacht: Militärgelände]

Auf und Ab. Die Spannung halten. Auf die Atmung konzentrieren.
Toxin lief der Schweiß in Form kristallklarer Perlen das Gesicht herab und mit jeder weiteren Liegestütze begann ihr schwarzer Trainingsanzug mehr zu wiegen. In der Umgebung hörte sie das regelmäßige Ächzen zahlreicher Sandsackbezüge, das Quietschen von Turnschuhen über den Belag des Hallenbodens und das gebellte Anheitzen der Trainingspartner. Ihre Muskulatur brannte. Sie wechselte den Arm und verlagerte so die Belastung. Den anderen warf sie hinter ihren Rücken und machte weiter.

"In einem gesunden Körper lebt ein gesunder Geist. Absolvierst du regelmäßig deine Trainingseinheiten?" Toxin nickte und sah zu wie ihr Arzt einen schwarzen Füllfederhalter mit vergoldetten Rändern vom Schreibtisch vor ihr aufnahm und die Feder über seinem Notizblock kratzen lies. Es war eigenartig für Sie, wie sehr Sie das Geräusch irritierte. Er schien zu bemerken wie Toxin das Gesicht verzog und angestrengt seine Tätigkeit verfolgte, denn sogleich stellte er das Schreiben ein und zückte stattdessen sein vertrautes Diktiergerät. "Dann scheint das Problem wo anders zu liegen, nicht wahr?" fragte er. Diesmal regierte Sie nicht. "Manchmal ist eine Wunde nicht mit Bandagen und Salben zu versorgen und sitzt tiefer als das Fachgebiet jedes Internisten. Weißt du wovon ich spreche Toxin?" Sie schüttelte mit dem Kopf. "Ich spreche von einem Trauma, einer Erschütterung der Seele. So wie du eines hast", erklärte der Arzt.

Eins, Zwei. Eins, Zwei. Ducken. Finte. Seitenhieb. Eins, Zwei.
Ihre Schläge landetten im Sandsack und ihr Traingspartner hatte Mühe sich gegen die Wucht ihrer präzisen Treffer zu stämmen. Wie eine Maschine hielt sie konstant die Geschwindigkeit und Stärke ihrer Hiebe auf gleichem Level und reagierte nicht auf die Rufe des Mannes hinter dem Sack, bis er auf dem Boden lag und das Gerät am Haken mit aller Gewalt in die Decke schwang. Der Staub regnete von oben auf ihren bewusstlosen Partner herab und ihre erste Reaktion war es, ihre Laufeinheiten abzuarbeiten.

"Es kann keine Seele geben," sagte Toxin. "Wie kommst du darauf?", hakte ihr Arzt nach und betätigte sein Diktiergerät. "In unseren Gesprächen haben sie wiederholt erwähnt das unsere Persönlichkeit das Ergebnis von Prozessen ist, das durch Erlebnisse und Eindrücke geprägt wird. Das bedeutet wir sind von Beginn an ein leeres Gefäß, ohne Eindrücke und Erlebnisse die eine Persönlichkeit formen könnten," antwortete Sie ihm. Er lehnte sich leicht zurück und lächelte. "Und weiter?" Auf seine fordernde Frage hin runzelte Sie leicht die Stirn.

Einatmen. Ausatmen. Tempo halten.
Sie nahm die äußere Kurve und beschleunigte auf der Geraden. Der Laufwind kühlte ihr gerötetes Gesicht und die trainierte Atmung hielt ihre Kondition für eine weitere volle Stunde aufrecht. Nachdem Sie ihre Laufeinheiten absolviert hatte, nahm sie eine kalte Dusche und tauschte ihren Trainingsanzug gegen ihre zivile Kleidung. Ein schlichtes, ärmelloses Unterhemd über das sie ein schwarzes Tank-Top geworfen hatte. Eine dunkelgrüne Khakihose und durchgelaufene Sportschuhe mit denen Sie die Trainingsanlage der Einrichtung verlies und sich, auf das Geländer der Treppe vor dem Gebäude gelehnt, eine Zigarette anzündette. Einen Atemzug später, atmete sie ihre gesamte Länge aus und beobachtete die Abendrot gemalten Wolken die in das aufziehende Dunkel der Nacht zogen.

"Welche Eindrücke, glaubst du, haben dich zu der Person gemacht die du heute bist?" Toxin dachte nach.

"Ich kann mich nicht erinnern."
 
[Heute: Schulhof]

Marcus ging wieder nach draußen auf den Schulhof, setzte sich zu Kalina auf die Bank, während Aiolos heftig mit dem Schwanz wedelte. "Die wollten mir nicht helfen. Meinten, wir sollten es mit Flyern, Postern und Mundpropaganda versuchen." Er lächelte Kalina aufmunternd an. "Dann machen wir es eben so. Gibt es eine Frist, bis wann wir Leute für den Club haben müssen? Ich könnte mal versuchen, einen schönen Flyer am Computer zu entwerfen. Aber das ginge erst nach der Schule. Wenn der Club heute stehen muss, dann muss der Flyer eben etwas schlichter aussehen." Kalina schüttelte den Kopf und lächelte unsicher, während sie mit ihren Schuhen am Boden schabte. "Wir haben noch vier Tage, kein Grund zur Sorge ..." Er packte seine Kendō-Unterlagen in den Rucksack. "Wenigstens das mit dem Kendō ist geregelt. Da müsste ich jetzt eigentlich zum Clubhaus gehen und mit der Club-Präsidentin reden." Er sah auf die Uhr. Sehr bald würde der Unterricht beginnen. Viel Zeit hatte er also nicht mehr. "Sehen wir uns in der ersten Pause?" Kalina erhob sich und strich ihren Rock glatt, ehe sie ihre Tasche ergriff und Marcus fragend ansah, den Kopf schief legte. "Soll ich mitkommen? Reika ist ziemlich streng. Und stur. Und sie mag keine Männer ..." Oder wollte er bis zur ersten Pause warten? Sie wusste es nicht, doch ihr behagte der Gedanke nicht, ihn alleine bei Reika zu wissen. Wenn sie an die anderen Male dachte ... Sie schüttelte den Kopf und sah Marcus entschlossen an. "Ich komme mit. Es geht um Leben und Tod!"


[Heute: Auf dem Weg zur Schule]

Die Taxifahrerin war keine zwei Minuten lang gefahren, als ein gewaltiger Donner durch die Straße zog. Im Rückspiegel erkannte sie, wie dunkle Rauchschwaden aus dem Penthouse eines Hotels stiegen. Anscheinend war es in die Luft geflogen. "Die Welt wird immer gefährlicher", murmelte sie, während sie sich wieder auf den Verkehr konzentrierte. Drei Streifenwagen bretterten am Taxi vorbei und fuhren in Richtung des möglichen Terroranschlags. Ob Sharon wohl alles Wenige an Habseligkeiten, die Nathan gehabt haben mochte, retten konnte?


[Heute: Militärbasis, Verhörraum]

Lieutenant Wrath kam aus dem Verhörraum und sah sich prüfend um. Mehrere Soldaten schienen gespannt zu warten, denn sie alle hatten keinen Mucks aus dem ansonsten lebhaften Raum hören können. "Was ist? Möchte sich jemand zu dem Jungen hinzugesellen?", fragte er scharf und sofort löste sich die kleine Menschenschar. Übrig blieben ein alter Mann und eine junge Frau, die gerade einen Zigarettenfilter verdrückte. "Wie sieht es aus, Lieutenant?", fragte Gray, während er sein Barrett von imaginären Fusseln zu befreien versuchte. Wrath sagte nichts, sondern ging einen Schritt zur Seite. Sollte der General es sich selbst ansehen, denn schließlich wäre er nicht gekommen, wenn es nur um das Befinden des jungen Mannes ging. Dieser hing inmitten des dunklen Raumes, seine Arme in Drähte gewickelt, die sich durch sein Gewicht langsam in sein Fleisch schnitten. Verkrustetes Blut zierte seine Arme, blaue Flecken seinen nackten Oberkörper. Nathan hatte die Augen geschlossen, doch auf seinen Lippen befand sich ein schwaches Lächeln. Gray stupste ihn an und sein Körper begann an den Drähten zu baumeln. "Möchtest du uns nicht sagen, was du in der Kaserne zu suchen hattest, was du vom Major wolltest und warum du dich so einfach hast schnappen lassen?"

"Ein Körper verharrt im Zustand der Ruhe oder der gleichförmigen Translation, sofern er nicht durch einwirkende Kräfte zur Änderung seines Zustands gezwungen wird ...", murmelte Nathan, die Augen immer noch geschlossen. Der General wölbte eine Braue, dann wiederholte er seine Frage. "Die Änderung der Bewegung einer Masse ist der Einwirkung der bewegenden Kraft proportional und geschieht nach der Richtung derjenigen geraden Linie, nach welcher jene Kraft wirkt", antwortete der Junge diesmal. Gray seufzte, dann versetzte er Nathan einen Schlag mit der Rückhand, die ihn ein paar Mal um die eigene Achse drehen ließ und die Drähte dabei tiefer in seine Arme schnitt, ehe er zu Toxin sah. "Vielleicht möchtest du ja dein Glück versuchen. Wahrscheinlich ist er bei Frauen gesprächiger ..."
 
[Heute: Auf dem Weg zur Schule]

Die Taxifahrerin war keine zwei Minuten lang gefahren, als ein gewaltiger Donner durch die Straße zog. Sharon drehte sich auf dem Beifahrersitz um und sah, wie dunkle Rauchschwaden aus dem Penthouse eines Hotels stiegen. Was war geschehen? Sharon vermutete, dass das Militär sicher nicht gleich das ganze Penthouse gesprengt hätte. Wozu auch? Sie vermutete eher, dass Lia tatsächlich auf ihre letzte Anordnung gehört hatte und den Soldaten mit einer Selbstzerstörung Feuer unterm Hintern gemacht hatte. Doch sofort machte sich Sharon auch Sorgen um Nathan. Noch immer konnte sie ihn spüren, wenn sie nur intensiv genug an ihn dachte und an den Kuss unter der Dusche. Allerdings fiel es ihr zunehmend schwerer. Sie würde sich nicht ewig so konzentrieren können. Wenn sie seine Spur verlieren würde, wie sollte sie ihn dann je wieder finden? "Die Welt wird immer gefährlicher", murmelte die Taxifahrerin und Sharon nickte wie in Trance. Drei Streifenwagen bretterten am Taxi vorbei und fuhren in Richtung des möglichen Terroranschlags. Wie betäubt wischte sich Sharon die Tränen weg und erkannte, dass diese Situation ihre Schuld war. Nur wegen ihr war Nathan nun in der Gewalt des Militärs. Doch immerhin lebte er noch. Als sie endlich die Schule erreicht hatten, stieg Sharon aus dem Taxi und bezahlte die Fahrerin großzügig, lächelte sie mit einiger Mühe dankbar an. "Ohne Sie wäre ich echt aufgeschmissen. Passen Sie auf sich auf, ja?" Und sofort wandte sich Sharon ab und betrat den Schulhof. Wachsam sah sie sich um, suchte nach Marcus. Sie hatte keine Ahnung, wie sein Stundenplan aussah oder wo er Unterricht hatte, würde dies jedoch am Schwarzen Brett im Sekretariat zur Not heraus finden können. Sie überquerte den Schulhof, sah sich um und erblickte tatsächlich Marcus und Kalina bei einer Bank unter einem der Bäume. Sie ging bewusst langsam auf die beiden zu, wollte nicht zu auffällig wirken. Kalina stand nun auf und Sharon hörte sie noch etwas sagen, während sie sich neben sie stellte. "Ich komme mit. Es geht um Leben und Tod!" Ja, in der Tat. "Hallo ihr zwei", sagte Sharon leise und mit kraftloser Stimme. Marcus und Kalina würden sich wohl wundern oder sogar erschrecken bei ihrem Anblick. Sharon hatte ein blaues Auge, hatte jedoch sorgsam einige Haare in ihr Gesicht fallen lassen, um dies für Beobachter aus der Ferne zu kaschieren. Ihr langes, schwarzes Haar verbarg auch die Pflaster auf ihrem Rücken doch man sah, dass Sharons rechte Schulter ganz blau war. Sie war noch eine Spur blasser als sonst und ihre Augen waren vom vielen Weinen ganz gerötet. Auch ihr blaues Kleid würde wohl auffallen, so ganz im Kontrast zu ihrer üblichen Kleiderwahl. Sharon sah sich kurz um, ob auch kein anderer außer Marcus und Kalina in Hörweite war. "Marcus... Das Militär hat Nate", wisperte sie und ihr Atem rasselte, als sie fast wieder in Tränen ausbrach. "Ich kann ihn spüren... aber ich glaube, ich schaffe es nicht alleine. Hilfst du mir? Er hat mich gerettet und sich selbst geopfert..." Sie drohte, zu hyperventilieren und schlug die Hände vors Gesicht. "Ich kann ihn nicht einfach so im Stich lassen. Ich weiß, was ich da verlange... A-Aber du bist der einzige, den ich fragen kann..." Sie schnappte nach Luft, presste dann die Hände auf den Mund und Tränen rannen ihre Wangen hinab und über ihre Finger. Sie sah zwischen Marcus und Kalina hin und her und bereute, überhaupt hierher gekommen zu sein. Vielleicht hätte sie es doch alleine versuchen sollen... "Es ist alles meine Schuld..."
 
[Heute: Militärbasis, Verhörraum]

Auf die Anweisung General Grays hin nickte Toxin und trat aus dem schlechter beleuchtetem Bereich des Verhörraumes in den Lichtkegel über dem Körper des jungen, geschundenen Mannes. Ihr anteilnahmsloser Blick flog über seine Wunden, während er sich, durch Grays Schlagkraft, wie ein Brathähnchen langsam um die eigene Achse drehte. Sie hörte wie er leise vor sich hin murmelte und glaubte das er sich in Trance zu versetzten versuchte.
Auf einem kleinen Metaltisch, der neben Ihnen stand, blitzen scharfe Zungenlöser auf. Hieb-, Stich- und Schnittwerkzeug in allen Formen und Größen und an einigen klebte immer noch frisches Blut. Sie zündette sich eine weitere Zigarette an und nahm sich einen kleinen Hocker, der im Dunkeln stand, heran, um sich vor Nathan hinzusetzten. Aus dieser Position blickte Toxin zu ihm auf und sah ihm trotz seines hängendem Kopfes in die Augen. Als erstes viel ihr auf, dass sie solche Augen noch nie beim Militär oder Serpentis gesehen hatte und pustete den Qualm des Glimmstengels zur Seite.

"Du siehst nicht wie jemand aus der einen Menschen ohne nachzudenken auf Befehl töten würde." Sie zog ein weiteres Mal an der Zigarette. "Ich bin nicht gut im Lesen von anderen Personen, aber irgendetwas in deinen Augen sagt mir, dass dir Leben etwas bedeuten." Sie zündette sich erneut eine Zigarette an. "Sieh in meine Augen und sag mir wie viel mir dein Leben wert ist, wenn du uns nicht sagst, was wir hören wollen."

"Ich werde dir dreimal die gleiche Frage wie der General stellen. Nach dem dritten mal werde ich dir bei jeder Frage ein Stück abschneiden, dass du nicht zum Antworten brauchst."
 
[Heute: Schulhof]

"Wir haben noch vier Tage, kein Grund zur Sorge ..." Das ließ Marcus lächeln. "Super. Bis dahin dürfte es ein Kinderspiel sein, einen schönen Flyer zu entwerfen, ihn zu kopieren und in der Schule zu verteilen." Nun erhob sich Kalina, strich ihren Rock glatt und nahm ihre Tasche. Dann sah sie Marcus fragend an, legte den Kopf schief. "Soll ich mitkommen? Reika ist ziemlich streng. Und stur. Und sie mag keine Männer ..." So, die Club-Präsidentin mochte keine Männer. Großartig. Kalina schien sich ernsthaft Sorgen um ihn zu machen, denn sie schüttelte den Kopf und sah Marcus entschlossen an. "Ich komme mit. Es geht um Leben und Tod!" War diese Reika so schlimm? Vielleicht war das mit dem Kendō doch keine so gute Idee. Doch andererseits wollte er sich ja weiterbilden. Ehe er Kalina antworten konnte, sah er auf, als Sharon neben Kalina trat und sie beide begrüßte. "Woah", gab Marcus von sich, als er sah, wie übel Sharon aussah. Ein blaues Auge und dann erst diese verheulten Augen... Und dann kam der Satz, der Marcus' gute Laune nicht nur verdrängte - sondern sie regelrecht pulverisierte und annihilierte: "Marcus... Das Militär hat Nate. Ich kann ihn spüren... aber ich glaube, ich schaffe es nicht alleine. Hilfst du mir? Er hat mich gerettet und sich selbst geopfert..." Sie schlug die Hände vors Gesicht. "Ich kann ihn nicht einfach so im Stich lassen. Ich weiß, was ich da verlange... A-Aber du bist der einzige, den ich fragen kann..." Sie presste dann die Hände auf den Mund und Tränen rannen ihre Wangen hinab und über ihre Finger. Sie sah zwischen Marcus und Kalina hin und her. "Es ist alles meine Schuld..."

Sehr lange schwieg Marcus, sein Gesicht wie eine steinerne Maske. Er hatte die Hände zu Fäusten geballt und starrte zu Boden. Aiolos nahm vor ihm Platz und sah ihn forschend an. Als er seine Kräfte entdeckt hatte, hatte er jeden Kontakt zu seinen Freunden nach und nach abgebrochen. Er war sich selbst der Nächste geworden, aus Furcht, entdeckt zu werden. Immer hatte er vorsichtig sein wollen, um ein normales Leben zu führen. Eigentlich war er alleine ganz gut zurecht gekommen. Doch er hatte sich mit Nathan so gut verstanden. Auch der gestrige Tag war abgesehen vom Chaos in den Ruinen schön gewesen. Plötzlich hatte es gut getan, Leute um sich herum zu haben. Er musste auch an das Gespräch mit Zoe denken. Doch nun bat Sharon ihn darum, sein Leben zu riskieren um Nate zu befreien. Was wusste er denn über Nate? Oder über Sharon? Selbst über Kalina wusste er kaum etwas. "Ich hab mich immer aus diesem Mensch-Hexen-Konflikt heraus halten wollen. Einfach mein Leben leben, ohne entdeckt zu werden. Hab nur für mich gelebt, ohne Freunde, ohne Zwänge. Und kaum lerne ich ein paar Leute kennen, die ich sogar mal wieder mag... passiert so etwas." Er sah hoch, sah zu Kalina und dann zu Sharon. "Was wollen wir zwei denn machen? Wenn Nate sich opferte, um dich zu retten wusste er, wie aussichtslos Gegenwehr ist. Ich will garnicht wissen, wie viele Soldaten da auf uns warten. Und was für dreckige, technische Tricks die auf Lager haben. Ich bin schnell, ja. Aber das war's auch schon. Einem Schusswechsel von Tausenden von Kugeln und Lasersalven kann ich nicht entrinnen." Er lehnte sich zurück, sah die beiden Mädchen vor sich weiterhin an. Die Anspannung und die Qual der Wahl standen ihm ins Gesicht geschrieben. Mit den Händen krallte er sich an seine Jeans. "Das ist einfach nicht meine Schlacht..." Doch er wusste auch, dass er Nate vermissen würde. "Wie seid ihr denn da rein geraten?" Wie würde das Leben weiter gehen, wenn er er einfach nein sagte und nun ging? Sicher würde er irgendwann einfach vergessen... Doch vielleicht erwartete das Militär auch keinen Gegenschlag. Vielleicht würde es doch nicht in seinem qualvollem Tod enden und sie würden es irgendwie schaffen. "Ich komme mit, Sharon. Aber ich will Antworten haben. Wohin müssen wir nun?" Er sah zu Aiolos. Der Wolf könnte sicher gut die Spur zu Nate finden, doch würde er eventuell auch die Spur auf Zoe lenken, wenn man ihn dort sah. "Kalina, ich muss Aiolos in deine Obhut geben. Und ich habe das böse Gefühl, dass wir uns zur nächsten Pause nicht wieder sehen werden." Er sah wieder zu Boden. Konnte den Anblick der beiden nicht ertragen. "Sag mir, was ich wissen muss, Sharon. Dann machen wir uns auf den Weg. Ich werde deine Hand nehmen und dann... geradewegs fröhlich in den Untergang stürmen." Er klang zornig. Wie hatten sie und Nate das überhaupt angestellt? Wie konnte man nur so dumm sein? Und er selbst war keinen Deut besser, das wusste er. "Meine Mutter hat also doch einen Idioten groß gezogen", murmelte er leise.
 
[Vor einer Nacht: Bei Zoe zuhause]

Nachdem Marcus gegangen war, hatte sie ihre Wölfe frei gelassen und mit dem training begonnen. Die Fähigkeiten der älteren Tiere waren weitaus Stärker als die der Jungtiere, aber bei weitem noch nicht perfekt und das musste sich ändern. Sollten sie jemals entdeckt werden, mussten sie sich zu wehren wissen.

Kaum das sie für einen Moment mit den Gedanken wo anders war, spürte sie wie die Temperaturen deutlich zu sinken begannen. Ein leichtes frösteln durchzuckte ihren Körper, ehe ein schmales Lächeln sich auf ihren Zügen bildete.
"Sehr gut, versuch es jetzt mal mit einem kleinen Sturm", rief sie anerkennend einem ihrer Tiere zu, welches mit einem heulenden Laut antwortete.


[Einige Stunden später ...]

Ausgepowert und mit einigen blauen Flecken und Kratzern am Körper hatte sich Zoe ins Bett fallen lassen. Draußen braute sich ein Unwetter zusammen und nachdem sie den ersten Donnergroll vernommen hatte, eilte sie sich ihre Wölfe in die Unterkünfte zu bringen.
Im hinteren Teil des Hofes war versteckt hinter hohen Bäumen ein Gebäude in dem die größeren Tiere die Nacht verbrachten. Die Welpen waren allesamt bei Zoe, hatten es sich auf ihrem Bett gemütlich gemacht. Wenn man die Tatsache in betracht zog das es Acht an der Zahl waren mit denen sie ihr Bett teilen musste, konnte man sich vorstellen das nicht viel Platz für sie selber übrig war.
Ares und Deimos hatten es sich auf ihr gemütlich gemacht, während Iris und Hemeria an ihre Beine angelehnt lagen. Keto und Atropos beschlagnahmten das zweite Kopfkissen für sich und Phobos stritt sich mit Ramses um den Platz an Zoes Seite. Als endlich alle lagen wie sie liegen wollten, versuchte die Züchterin endlich ein wenig schlaf zu finden. Das Geräusch des Regens an ihrem Fenster beruhigte sie ein wenig, wohin gegen das grelle Licht der Blitze sie wieder an das erinnerte was in der Ruine passierte.
Sie presste die Augen fest aufeinander und als sich Keto direkt in ihr Blickfeld gelegt hatte, brauchte sie nur noch das Grollen des Donners auszublenden.
Irgendwann gelang es ihr und sie fiel in einen traumlosen Schlaf.

[Nächster Morgen: Bei Zoe zuhause]

Ein schriller Ton erklang, als sich der Wecker auf Zoe's Nachttisch meldete. Mit einem murrenden Geräusch öffnete sie die Augen und versuchte ihre Arme zu befreien um diesem ekligen Ton ein Ende zu bereiten. Als sie es endlich schaffte einen Arm unter der Bettdecke heraus zu kramen und den Wecker - der mittlerweile noch lauter zu Piepsen begonnen hatte - auszuschalten, waren die Welpen ebenfalls erwacht.
"Guten Morgen", wisperte sie noch schlaftrunken und streckte sich erst einmal ausgiebig unter der Decke, was die Kleinen ihr nachtaten. Einer nach dem anderen erhob sich und sprang vom Bett herab, während sie darauf warteten das sich Zoe erhob und ihnen die Tür öffnete.
Selbige lag noch immer im Bett und versuchte die schmerzenden Gelenke und Knochen zu ignorieren, die bei dem Versuch sich zu bewegen zu Jammern begannen. Wölfe waren eben keine Kuscheltiere.
Als es der Rasselbande anscheinend zu lange dauerte, fingen sie zu Bellen an und Ares hatte sich daran zu schaffen gemacht ihr die Bettdecke zu klauen.
Der kühle Wind bließ durch das herein geklappte Fenster zu ihr her und mit einem Satz saß sie aufrecht im Bett.
"Hey, du kleiner Dieb!", zeterte sie und rieb sich die Augen, ehe sie sich erhob und zur Tür taummelte.

Als sie alle hinaus gelassen hatte und sich vergewisserte das das Unwetter letzte Nacht keine Schäden angerichtet hatte, ging sie ins Haus zurück. Bis sie zur Schule musste hatte sie noch gut 1 1/2 Stunden Zeit, aber vorher musste sie noch alles andere erledigen.

Nachdem sie sich für den Tag fertig angezogen hatte, ihre Tasche gepackt war und etwas Geld für Essen auch verstaut wurde, ging sie hinaus ins freie. Der Geruch von frischem Regen lag noch in der Luft und einige der Welpen tollten in den Pfützen herum die sich im Hof gebildet hatten.
Zoe schüttelte nur den Kopf, stellte ihre Tasche neben der Haustür ab und ging in den hinteren Hof um die älteren Tiere raus zu lassen. Einige der Bäume wurden von dem Unwetter etwas in mitleidenschaft gezogen, was bedeutete das sie heute Mittag wohl erst mal wieder für Ordnung sorgen durfte.
Mit einem letzten Blick auf die Uhr, begann sie die Fütterung.

[Heute: Auf dem Weg zur Schule und der Schulhof]

Jetzt war sie doch tatsächlich zu Spät dran und das nur weil die Jungtiere mal wieder meinten ihren Dickkopf an ihr austesten zu müssen. Am Ende hatten sie doch den kürzeren gezogen nachdem Zoe nicht mehr weiter wusste und eines der älteren Tiere zur Hilfe nahm.
Nachdem sich die Meute beruhigt hatte, wurde der Züchterin allerdings auch klar das sie nun keinen von ihnen mit sich nehmen konnte. Sie würden es sonst nur als Belohnung für ihr aufsässiges Verhalten sehen und das konnte sie sich nicht erlauben.
Am Ende hatte sie sich für eines der älteren Tiere entschieden, was den jungtieren noch weniger in den Kram passte. Doch sie musste Konsequent bleiben, nur so konnte sie sicher gehen das die Welpen ihr nicht später auf der Nase herum tanzten.

Schon auf dem Weg zur Schule fing sie an, an ihrer Entscheidung zu zweifeln. Die älteren Tiere waren darauf ausgelegt Vaishara zu spüren, es würde nicht einfach werden dafür zu Sorgen das nichts schief ging.
"Charon, egal was du heute spüren magst, du darfst deinen Instinkten nicht nachgeben. Hast du mich verstanden? Tu nichts, bevor ich es dir nicht sage, ja mein Junge?" wisperte sie dem Wolf zu, der sie mit seinen eisblauen Augen ansah. Als er schnaubte klirrte das Halsband mit der Axt als Anhänger, doch er schien sich für den Moment damit abzufinden.

So gingen die beiden Schweigend nebeneinander her und es dauerte nicht lange, bis die Schule in Sichtweite kam. Noch einmal warf sie Charon einen vielsagenden Blick zu, ehe sie auf die Uhr sah und einen Schritt zu legte. Schnell überquerten sie die letzte Straße, ehe Zoe stehen blieb und sich umsah. Eine Menge an Schülern irrten auf dem Schulhof herum, doch noch erkannte sie niemanden den sie kannte.
Erst als sie neben sich ein Knurren vernahm und in die Richtung blickte, wo auch ihr Wolf hinsah, konnte sie vertraute Gesichter ausmachen.
"Vergiss nicht was ich gesagt habe, benimm dich", sagte sie etwas strenger als normal, ehe sie ihre Tasche schulterte und zu Kalina, Sharon und Marcus ging. Als sie näher kam sah sie wie Marcus sich aufraffte und wohl gerade im begriff war zu gehen. Die Züchterin blieb stehen als sie die Anspannung spüren konnte die in der Luft lag. Es schien kein guter Zeitpunkt zu sein jetzt zu stören.
Doch allein das Knurren das ein weiteres Mal von Seiten ihres Wolfes kam, würde sie wohl ungewollt verraten. Mit einem bösen Blick quittierte sie sein benehmen.
"Sag mir, was ich wissen muss, Sharon. Dann machen wir uns auf den Weg. Ich werde deine Hand nehmen und dann... geradewegs fröhlich in den Untergang stürmen", hörte sie Marcus zornig sagen und blinzelte ein paar Mal benommen, ehe sie wieder in die Richtung der Drei blickte.
Irgendwie gefiel ihr nicht was sie dort hörte, aber ihre Füße trugen sie dennoch näher heran.
"Wenn ihr noch lauter seit, haben die Schüler der Zeitung morgen schonmal eine neue Schlagzeile", wisperte sie, als sie neben Sharon zum stehen kam. Ihr Blick haftete sie dabei absichtlich auf Aiolos, er schien der einzige zu sein von dem im Moment keine Anspannung ausging.
 
[Schulhof]

Marcus schwierg eine Weile, sein Gesicht steinern wie Marmor. Dann begann er zu reden, sprach davon, dass er sich immer aus dem Mensch-Hexen-Konflikt heraus halten wollte. Ja, Sharon hätte es doch besser alleine versuchen sollen, anstatt andere da mit herein zu ziehen. Auf diese Weise wären im Fall eines Scheiterns nur zwei Schüler urplötzlich verschwunden, würden wohl nie wieder auftauchen. Nun würde mit Marcus ein weiterer fehlen. Und Kalina würde genau wissen, warum. "Was wollen wir zwei denn machen?", fragte Marcus nun, "Wenn Nate sich opferte, um dich zu retten wusste er, wie aussichtslos Gegenwehr ist. Ich will garnicht wissen, wie viele Soldaten da auf uns warten. Und was für dreckige, technische Tricks die auf Lager haben. Ich bin schnell, ja. Aber das war's auch schon. Einem Schusswechsel von Tausenden von Kugeln und Lasersalven kann ich nicht entrinnen." Er lehnte sich zurück, die Anspannung stand ihm ins Gesicht geschrieben. "Das ist einfach nicht meine Schlacht. Wie seid ihr denn da rein geraten?" Sharon war wegen seiner Worte noch eine Spur blasser geworden. Wenn Marcus sie begleitete und ihm etwas passierte, dann wäre sie für seinen und Nate's Tod verantwortlich. Gerade als Sharon sich abwandte, um zu gehen, sagte Marcus, dass er mitkommen würde und sie blieb stehen. Erst wollte sie sagen, dass sie doch besser alleine gehen würde. Doch Marcus war so schnell... "Aber ich will Antworten haben. Wohin müssen wir nun?" Sharon atmete tief durch. "Wenn ich mich auf ihn konzentriere, dann kann ich die Richtung spüren, in die wir müssen. So kann ich dich zu ihm bringen", sagte Sharon leise. Marcus vertraute seinen Welpen indes Kalina an, verabschiedete sich von ihr. Es klang ziemlich endgültig. War er sich so sicher, dass sie es nicht schaffen würden? Warum kam er dann mit? Er klang sehr wütend, sprach davon, ein Idiot zu sein. "Wenn ihr noch lauter seit, haben die Schüler der Zeitung morgen schonmal eine neue Schlagzeile", erklang eine Stimme neben ihr und Sharon sah zu Zoe, sah sich dann etwas genauer um, ob nicht noch jemand in der Nähe war. Sie nickte Zoe grüßend zu, sprach leise weiter. "Wie gesagt, ich kann dich zu Nate führen, Marcus. Wir befreien ihn aus den Händen des Militärs und sehen dann, wie wir fliehen können. Unterwegs erkläre ich dir, wie es zu alldem gekommen ist, ja?"
 
[Schulhof]

Wenigstens würde Sharon ihn irgendwie zu Nate führen können. Das war schonmal ein Anfang. Dennoch war Marcus nach wie vor wütend. Auf Sharon und auch auf sich selbst. Zoe's Worte rissen ihn ein wenig aus seiner Rage und er atmete tief durch. "Hey, Zoe", begrüßte er sie. "Nate sitzt in der Klemme und Sharon und ich wollen ihn da raus holen. Zuerst habe ich überlegt, ob ich Aiolos mitnehme, als Spurensucher. Aber wenn er gesehen wird, könnte man das zu dir zurück verfolgen und du könntest Ärger bekommen. Man könnte dir deine Tiere weg nehmen. Daher lasse ich ihn erst einmal bei Kalina. Oder du nimmst ihn, sollte ich nicht zurück kommen. Egal." Er streckte sich. "Hoffentlich kannst du uns wirklich zu Nate führen, Sharon." Er seufzte, fuhr sich nervös mit einer Hand durchs Haar. "Eigentlich wäre ich bereit. Und von mir aus kannst du mir alles detailliert unterwegs erklären. Aber ich würde hier und jetzt, vor Kalina und Zoe gerne wissen, warum das Militär Nathan hat und nicht dich, wenn es doch angeblich deine Schuld ist. Was ist da vorgefallen? Kannst du uns das mit einem kurzen Satz erläutern, ehe wir beide aufbrechen?" Nun meldete sich ein harter, kalter Teil seiner Persönlichkeit. Ja, er würde Sharon und Nate helfen. Aber vorher wollte er wissen, wie es zu all dem gekommen ist. Und er wollte, dass Sharon es ihnen allen erklärte. Denn leichtfertig half er ihr nicht. Und auch Kalina und Zoe sollten erfahren, was Sache war und warum er vielleicht nicht zurück kommen würde.
 
[Schulhof]

Zoe brauchte nicht einmal einen der Anwesenden anzublicken um zu spüren das die Luft zum zerreißen gespannt war. Was auch immer gerade vor sich ging, es schien nichts gutes zu verheißen.
Unbewusst erwiderte sie das Nicken von Sharon, ehe sie ihr zuhörte und die Arme vor der Brust verschrenkte.
"Wie gesagt, ich kann dich zu Nate führen, Marcus. Wir befreien ihn aus den Händen des Militärs und sehen dann, wie wir fliehen können. Unterwegs erkläre ich dir, wie es zu alldem gekommen ist, ja?"
Die Züchterin legte den Kopf etwas schief und runzelte die Stirn. Nate war in den Händen des Militärs? Hatte Derian ihn etwa doch verraten? Unsicher suchte sie den Schulhof nach ihm ab, konnte ihn jedoch nirgends entdecken. Aber wenn er es gewesen wäre, dann wären Marcus und Sharon sicherlich auch schon längst fest genommen worden.
Das ganze wurde zunehmend verwirrender, also beschloss sie der Unterhaltung erst einmal weiter zu lauschen.
"Hey, Zoe", wurde sie schließlich von Marcus begrüßt. "Nate sitzt in der Klemme und Sharon und ich wollen ihn da raus holen. Zuerst habe ich überlegt, ob ich Aiolos mitnehme, als Spurensucher. Aber wenn er gesehen wird, könnte man das zu dir zurück verfolgen und du könntest Ärger bekommen. Man könnte dir deine Tiere weg nehmen. Daher lasse ich ihn erst einmal bei Kalina. Oder du nimmst ihn, sollte ich nicht zurück kommen. Egal."
... sollte ich nicht zurück kommen
Die Worte halten wie ein Echo in ihrem Kopf wieder und sie verengte die Augen, nur um kurz darauf einen leisen Pfiff auszustoßen.
"Wir kommen mit euch, wenn ihr nichts dagegen habt", erwiderte sie knapp auf seine Bemerkung hin und bei dem Wort 'Wir' schloß sie mit einer Geste den Wolf an ihrer Seite mit ein.
"Bei Charon wird das Militär nicht aufmerksam werden. Er ist einer der älteren Tiere, wurde von ihnen bereits ausgemustert. Sie wissen das ich sie zu mir geholt habe, damit sie ihre letzten Jahre nicht in einem Käfig verbringen müssen." Zoe strich dem Tier sanft über den Kopf, welches skeptisch zwischen den Anwesenden hin und her sah und immer wieder die Lefzen kurz anzog.
Diesmal wollte sie nicht wieder diejenige sein die Hilflos zurück blieb, während die anderen ihr Leben riskierten. Und sie wollte auch nicht zulassen das Aiolos seinen neuen Besitzer so schnell wieder verlor.
Ihr Blick glitt hinüber zu Sharon und sie erinnerte sich daran was in den Ruinen passiert war, an das Nasenbluten. Sie machte sich Sorgen um sie und aus irgend einem Grund empfand sie Sympathie für dieses Mädchen. Irgendwie wurde sie einfach das Gefühl nicht los das sie sie bereits einmal gesehen hatte, aber womöglich bildete sie sich es auch nur ein.
Als Marcus seine Worte an Sharon richtete, schwieg die Züchterin und verlagerte unruhig das Gewicht von einem Fuß auf den anderen. Sharon sollte daran Schuld sein das Nate vom Militär gefasst wurde? Die ganze Sache wurde immer skurieller.
 
[Heute: Schulhof]

Alles ging so unendlich schnell und doch zog sich die Stille eine gefühlte Ewigkeit hin. Nathan war vom Militär gefangen genommen worden. Und Sharon meinte, es wäre alles ihre Schuld. Es kam alles viel zu schnell, als dass Kalina es verarbeiten konnte. Vielleicht war das auch der Grund dafür, warum sie als einzige noch immer ein Lächeln auf den Lippen hatte und den Kopf fragend leicht zur Seite neigte. Alsbald gesellte sich auch Zoe mit einem ihr noch unbekannten älteren Wolf zur illustren Runde. Während Marcus seine Miene schrecklich verzog, legte Kalina ihren rechten Zeigefinger an die Unterlippe. "Kannst du spüren wie weit er ungefähr weg ist?" Sie begann damit, mit einem neben der Bank liegenden Ästchen Basketball großen Kreis zu zeichnen. Dann markierte sie einen zwei Finger breiten Abstrich im Südwesten, ehe sie ein großes Quadrat im Zentrum, einen viel kleineren im Westen und einen im Osten zeichnete. "Die Arcana High befindet sich im Südwesten der Stadt und die meisten Schüler wohnen in der unmittelbaren oder nahen Umgebung. Ich nehme an, dass Nathan da keine Ausnahme ist, sonst hätte er gestern ein Taxi genommen. Wenn das stimmt, hat ihn das Militär wahrscheinlich in die westliche Basis zum Verhör gebracht, da das HQ nach allem was ich gehört habe, nach einem Unfall geschlossen wurde und es zu umständlich wäre, ihn in die Ostbasis zu bringen." Sie zeichnete etwas Neues und sah dabei immer noch so fröhlich verträumt aus, als wäre ihr die Gefahr nicht wirklich bewusst. "Das ist der Grundriss der westlichen Kaserne, basierend auf dem letztjährigen Schulausflug. Die Basis fasst ungefähr 100 Mann, nach dem Unfall vor fünf Jahren im HQ sind wahrscheinlich etwa 400 Mann untergebracht. Der Verhörsaal befindet sich im ersten Untergeschoss im Nordflügel. Auf dieser Seite befindet sich ein Tunnelsystem zur möglichen Evakuierung, dessen Ausgang in einem kleinen Wald liegt. Wenn ihr den nehmt, solltet ihr ohne große Probleme die Basis infiltrieren können. Wenn ihr das Überraschungsmoment nutzt, sollten die Soldaten für eine gewisse Zeit orientierungslos sein. Das könntet ihr nutzen, um Nathan zu retten." Sie hielt in ihrer Hocke inne und umschlag ihre Knie, während sie den Kopf nachdenklich darauf bettete. "Aber selbst dann ist es nicht leicht. Ein anderer Weg wäre, das Fundament der Basis über die Kanalisation zum Einsturz zu bringen. Die Soldaten wären dann zu sehr damit beschäftigt, heil aus der Kaserne zu kommen, als dass sie sich um Nathan sorgen würden. Aber wer weiß, wie viele dabei sterben könnten ..." Sie schwieg und neigte zur Seite, bevor sie einfach umfiel und wie ein Fötus am Boden liegen blieb. Dabei betrachtete sie die drei nacheinander. "Oder ihr lasst euch helfen ... aber die Folgen dessen könnten schwerer wiegen." Sie ritzte mit ihrem linken Zeigefinger ein X im Süden der Stadt ein. "Es gibt Gerüchte, dass dieser Kerl mit dem weißen Mantel dort zu finden sein soll. Und dass er Hexen in Not hilft ... unter gewissen Konditionen." Sie schwieg und versuchte sich zu verkneifen, sie aufhalten zu wollen oder darauf zu bestehen, mitzugehen. Was konnte sie schon ausrichten? Alles, was sie tun konnte, war, sie mit allen Informationen zu versorgen, die sie durch Fernsehen und Hören-Sagen so aufgeschnappt hatte. Aber war das wirklich alles? War es wirklich genug?
 
[Schulhof]

"Eigentlich wäre ich bereit", sagte Marcus, "Und von mir aus kannst du mir alles detailliert unterwegs erklären. Aber ich würde hier und jetzt, vor Kalina und Zoe gerne wissen, warum das Militär Nathan hat und nicht dich, wenn es doch angeblich deine Schuld ist. Was ist da vorgefallen? Kannst du uns das mit einem kurzen Satz erläutern, ehe wir beide aufbrechen?" Sharon schluckte und vermiet es, die anderen anzusehen. Kurz sah sie Marcus an, als hoffte sie er würde es sich anders überlegen und seine Frage zurück ziehen. Doch sie hielt seinem Blick nicht lange stand. Vielleicht wäre es wirklich besser gewesen, alleine zur Militärbasis aufzubrechen um Nate zu retten. Sie spürte die Blicke der anderen auf sich und ihr Herz begann, wie wild zu klopfen. "Ich jage Hexenjäger", sagte sie leise, kaum mehr als ein Atemhauch. "Ich nahm gestern eine alte Kaserne auseinander und Nate kam zufällig vorbei, wollte mich aufhalten. Am Ende flohen wir beide und sind zu ihm... Und dann haben sie ihn geholt, während ich dank ihm fliehen konnte, ohne bemerkt zu werden." Detaillierten würde sie es nun nicht erklären. Noch immer sah sie gen Boden, umklammerte ihren Rucksack mit beiden Händen. Sie hoffte, dass Marcus nicht weiter nachbohren würde. Dann verkündete Zoe, mit Marcus und ihr zu kommen und Sharon sah sie völlig überrascht an. "Wenn das Militär weiß, dass ältere Tiere zu dir gebracht werden, dann können sie das sehr wohl zu dir zurück verfolgen, wenn du und dein Wolf gesehen wirst. Das gilt auch für Marcus' Wolf. Dazu kommt, dass die Soldaten Schusswaffen haben. Warum willst du dich in Lebensgefahr begeben? Es reicht doch schon, wenn Marcus sein Leben riskiert. Vielleicht hätte ich ohnehin nicht hierher kommen sollen, um ihn zu fragen... Ich habe es verbockt. Ich ganz alleine." Blut lief aus ihrer Nase und sie wischte es mit dem Handrücken weg. Mit all ihren Prellungen, dem blauen Auge und den verheulten Augen sah Sharon sehr elend aus.

Eine weitere Überraschung kam von Kalina, die fragte, wie weit Nate entfernt sei und dann mit einem Zweig einen Kreis auf den Boden malte. Sie erklärte, wo sich die Arcana High befand und dass Nate wohl in der westlichen Basis war. Sharon atmete tief durch und konzentrierte sich auf Nate. Es war wichtig, seine genaue Richtung zu kennen, damit sie nicht zur falschen Basis aufbrachen. Sie dachte an den Kampf gegen ihn, dachte wieder an den Kuss unter der Dusche. "Ich bin mir sicher, dass er im Westen ist", sagte Sharon während Kalina einen Grundriss der Kaserne zeichnete. "Du musst ein unglaublich gutes Gedächtnis haben, Kalina!", sagte Sharon und lächelte zum ersten Mal seit gefühlten Äonen. Doch 400 Mann waren keine Kleinigkeit. Allerdings war es gut, die Position des Verhörsaals zu kennen. Kalina wusste auch von einem Tunnelsystem, welches in die Basis führte. Als Kalina davon sprach, dass man das Fundament zum Einsturz bringen könnte, schluckte Sharon hart. "Ich könnte das vielleicht. Aber... Ich möchte möglichst keine Soldaten töten. Nate würde das nicht wollen. Deswegen fing der Ärger ja überhaupt erst an." Sie schnappte nach Luft, zitterte, als würde sie gegen die Tränen ankämpfen. Plötzlich schlug Kalina vor, den Mann im weißen Mantel im Süden der Stadt zu suchen. "Das sind nur Gerüchte, die auch das Militär kennen wird. Gut möglich, dass wir im Süden der Stadt nur Ärger bekommen, dass sich die Gerüchte als unwahr erweisen und wir zu viel Zeit verlieren." Doch irgendwann würde sie selber mal im Süden der Stadt vorbei schauen, dachte Sharon sich. Dann kniete sie sich an, richtete Kalina wieder auf. "Dank dir haben wir wenigstens einen Plan. Vielen Dank!" Überschwenglich umarmte sie Kalina, während sich diese wieder in der Hocke befand und noch immer die Knie umschlungen hatte. Dann erhob sich Sharon wieder. "Also ich schlage vor, die Basis durch das Tunnelsystem zu infiltrieren und Nate möglichst schnell da raus zu holen und wieder zu verschwinden, möglichst ohne zu viele Soldaten... auszuschalten." Sie wandte sich an Kalina. "Kalina, passt du auf meinen Rucksack auf?"
 
[Schulhof]

"Ich jage Hexenjäger", sagte Sharon leise, "Ich nahm gestern eine alte Kaserne auseinander und Nate kam zufällig vorbei, wollte mich aufhalten. Am Ende flohen wir beide und sind zu ihm... Und dann haben sie ihn geholt, während ich dank ihm fliehen konnte, ohne bemerkt zu werden." Marcus stieß in einem lautlosen Seufzen die Luft aus seiner Nase. "Oh Mann", sagte er und sein Mund war ganz trocken geworden. "Ich frage mich, wie viele du wohl schon getötet hast", sagte er leise, mit einer Stimme scharf wie ein Messer. Er hätte schweigen können, konnte es sich jedoch nicht verkneifen, Sharon wissen, sehen, hören und fühlen zu lassen, wie angepisst er wegen ihrem Unfug war. "Wie viele...", sprach er leise, ohne es wirklich ernsthaft als Frage an Sharon gemeint zu haben. Eher stellte er sich selbst die Frage, wie so ein Mädchen so viel Schaden anrichten konnte. Zoe unterbrach den Gedankengang jedoch: "Wir kommen mit euch, wenn ihr nichts dagegen habt. Bei Charon wird das Militär nicht aufmerksam werden. Er ist einer der älteren Tiere, wurde von ihnen bereits ausgemustert. Sie wissen das ich sie zu mir geholt habe, damit sie ihre letzten Jahre nicht in einem Käfig verbringen müssen." Marcus sah kurz zu Aiolos, dann zu Zoe und dann zu Sharon, als diese einen Einwand erhob. "Vielleicht hättest du nicht kommen sollen, Sharon", stimmte er ihr zu. "Du hast es verbockt. Aber ich bin schnell. Vielleicht haben wir eine Chance." Marcus sah zu Zoe. "Sharon hat nicht unrecht, das wird gefährlich. Ein enormes Risiko für dich. Mehr noch als für Sharon oder für mich. Entweder schaffen wir es und entkommen glorreich... oder wir laufen in den Tod. Willst du wirklich dein Leben riskieren? Zumal... Sich auch die Frage stellt, wie wir anschließend entkommen. Ich bin schnell, könnte zur Not jemanden mit nehmen. Vielleicht sogar mehrere. Aber je mehr wir sind, desto schwieriger wird es." Er schwieg. "Am Ende muss jeder selber wissen, was er macht. Und mit den Konsequenzen leben." Er sah zu Sharon, öffnete den Mund um etwas zu sagen. Doch er schwieg, als Kalina das Wort ergriff und einen vereinfachten Plan auf den Boden zeichnete. "400 Leute sind... beunruhigend. Ich bin schnell, aber nicht so schnell. Ich stimme Sharon zu, dass wir das Fundament in Ruhe lassen. Ich möchte kein Blut an meinen Händen haben." Als Kalina ihnen vom Mann im weißen Mantel erzählte, schüttelte er den Kopf. "Wir wissen zu wenig über ihn. Und wie Sharon schon sagte: Wir haben wenig Zeit." Als Sharon Kalina fragte, ob diese auf ihren Rucksack aufpasste, streichelte Marcus Aiolos. "Bleib bei Kalina, ja?" Dann nahm er Sharons Hand. "Okay, rein und raus. Vielleicht klappt es ja ganz gut so. Ohne viel Blutvergießen." Nun streckte er eine Hand nach Zoe aus, hielt ihr die Handfläche entgegen. "Noch hast du die Wahl, Zoe. Das wird kein Spaziergang im Park. Nimmst du meine Hand, gibt es kein Zurück."
 
[Heute: Schulhof | Auf dem Weg zur Kaserne]

Marcus nahm Sharons Hand. "Okay, rein und raus. Vielleicht klappt es ja ganz gut so. Ohne viel Blutvergießen." Nun streckte er eine Hand nach Zoe aus, hielt ihr die Handfläche entgegen. "Noch hast du die Wahl, Zoe. Das wird kein Spaziergang im Park. Nimmst du meine Hand, gibt es kein Zurück." Zoe zögerte nicht, sondern ergriff seine Hand und dann liefen sie auch schon los. Doch sie kamen nicht weit, denn ein Sharon nicht gänzlich unbekanntes Taxi versperrte ihnen den Weg. Die Fahrerin lugte aus dem Beifahrerfenster heraus und wirkte selbst mit ihrer Sonnenbrille ein wenig verwirrt. "Habt ihr es jetzt eilig oder nicht? Hopp, rein da!" Es mochte den dreien nicht gefallen, doch es war der schnellste Weg zur Kaserne ohne zu viel Gebrauch von Marcus' Kräften zu machen. Kaum waren die drei eingestiegen, rammte die Frau ihren Fuß ins Gaspedal und mit lautem Gehäul raste das Taxi davon. Kalina stand lange schweigend da und blickte dem Gefährt nach. In ihren Händen befand sich Sharons Rucksack und Aiolos zu ihren Füßen. Das Wolfsjunge blickte zum Mädchen empor und wedelte schwach mit der Rute, während Kalina sich umdrehte und ging.

"Gut, ich weiß nicht, was ihr vorhabt - und ich will es auch gar nicht wissen - aber ich hoffe ihr seid euch bewusst, dass ihr wahrscheinlich den größten Irrsinn eures Lebens begeht, ja? Und stellt euch nicht dumm! Das Mädchen hier ist nicht gerade die beste Schauspielerin und ich glaube nicht an Zufälle. Ich nehme sie mit und plötzlich gibt es einen Anschlag auf einen Major. Ich hole sie ab und eine Bude fliegt in die Luft, gefolgt von großem Polizeiaufgebot. Ich hätte längst das Militär eingeschaltet, wenn es ihr nicht wirklich dreckig gegangen wäre ... Also, wo soll's hingehen?"


[Heute: Militärbasis, Verhörraum]

Nathan öffnete bei Toxins Worten die Augen und betrachtete sie aus seinen Bernsteinaugen. "Ich war einst wie du", murmelte er leise mit demselben schwachen Lächeln auf den Lippen, "Wie füllst du deine Leere?" Danach schloss er seine Augen wieder und schwieg eisern. Er spürte Sharon, die sich nach ihm ausstreckte, nicht von seinem Geiste ließ, seit sie voneinander getrennt wurden. Innerlich seufzte er. Wusste sie nicht, dass ihre Sorge vollkommen unnötig war? Er hatte schon Schlimmeres hinter sich. Der General ging auf ihn zu, als ein Telefon läutete. Gray blickte überrascht auf das Display und bestätigte die Verbindung. "Admiral Mayer, was kann ich für Sie tun?", fragte er ruhig und stieß den Rauch seiner Zigarre langsam aus.

"Der von Ihnen gefangen genommene Mann mit Namen Samuel Lee ist Eigentum der neunten Division und untersteht meinem Zuständigkeitsbereich.", meldete sich eine tiefe Stimme zu Wort.

"Gut, dass Sie anrufen, Admiral. Da gibt es einige Ungereimheiten, die ich gerne klären würde. Unter anderem das Projekt Apeyron. Warum gibt es hierzu keine Aufzeichnungen in den Datenbanken? Welchen Zusammenhang gibt es zwischen diesem Jungen, dem Projekt und der Vernichtung eines Militärstützpunktes vor einigen Jahren? Sie waren zu diesem Zeitpunkt doch ebenfalls zuständig für diese Einrichtung ..."

"General Gray, wenn Sie meine Autorität infrage stellen wollen, so empfehle ich Ihnen, Beschwerde beim Tribunal einzureichen. Bis dahin würde ich es jedoch begrüßen, wenn Sie sich aus Affären heraushalten würden, die Ihre Kompetenzen übersteigen. Ich wiederhole mich ein letztes Mal: Ihr Gefangener unterliegt meinem Zuständigkeitsbereich. Übergeben Sie ihn mir oder tragen Sie die Konsequenzen. Ich schwöre Ihnen aber, Lucien, dass das Tribunal diesmal kein Einsehen mit Ihrem Vorgehen haben wird."

Der Anruf wurde beendet und General Gray schritt mit einem Lächeln auf Nathan zu. "Scheinst Glück gehabt zu haben, Kleiner." Mit diesen Worten rammte er sein Jagdmesser in die linke Brust des Jungen und entfernte sich von diesem. Mit einem Wink ließ er Toxin folgen. "Überwache den Transport. Sollte irgendetwas schiefgehen, erstatte Meldung. Und ein gut gemeinter Rat: Halte Dich von Admiral Mayer fern. So du an deinem Leben hängst." Er lächelte grimmig und ging davon. Nathan hustete stark und kämpfte gegen die Ohnmacht an.
 
[Heute: Schulhof | Auf dem Weg zur Kaserne]

Sharon war erstaunt, als Zoe Marcus' Hand ergriff und schon eilten sie los. Es würde wohl für Betrachter merkwürdig aussehen: Marcus, als junger Mann mit zwei jungen Frauen. Sie war gespannt, wie Marcus seine Kräfte nun benutzen würde, um sie drei schnell zur Kaserne zu bringen. Doch ehe sie eine Kostprobe seiner Kräfte erleben konnte, versperrte ihnen ein Taxi den Weg und Sharon sah die Fahrerin verblüfft an. Hatte sie vielleicht die ganze Zeit gewartet? Kurz sah sie Marcus und Zoe an, dann stieg sie bei der Beifahrerseite ein. Marcus würde seine Kräfte brauchen, doch andererseits machte sie sich auch Sorgen um das Wohlergehen der Fahrerin und darüber, dass dieser langsam dämmerte, dass sie - Sharon Eris - nur Unheil mit sich brachte. Kaum waren sie alle eingestiegen, brauste das Taxi davon. Kurz fiel Sharons Blick in den Seitenspiegel und auf Kalina, die ihnen nach sah und sich dann abwandte. Sehr lange sah Sharon in den Seitenspiegel und schwieg, hing ihren Gedanken nach. Sie würde mit Kalina ausgiebig reden, sofern sie den heutigen Tag überlebte. Die Stimme der Taxifahrerin riss sie aus ihren Gedanken. Sie sah die Taxifahrerin an und wurde rot. Natürlich, die Frau war nicht dumm. "I-Ich muss einen Freund befreien, den ich in die Scheiße geritten habe..." Sie sah gequält aus. "Bitte, das Militär ist da eher keine große Hilfe... eher das Gegenteil. Wir wüssen zum großen Wald im Westen..."
 
[Heute: Schulhof | Auf dem Weg zur Kaserne]

Zoe zögerte nicht, sondern ergriff Marcus' Hand und dann liefen sie auch schon los. Das ist das Problem, wenn man anderen eine Wahl lässt, die zu einer Entscheidung führt, die man selbst für falsch hält, dachte er sich binnen eines Sekundenbruchteils. Marcus war sich sicher, dass Zoe mit ihrem Wolf nur die Aufmerksamkeit des Militärs auf sich ziehen würde und selbst im Falle einer erfolgreichen Flucht sicher ein unschönes Nachspiel folgen würde. Doch andererseits hatte sie es doch so gewollt. Sie hatte eine Entscheidung getroffen, wie auch er selbst. Obwohl er es für hirnrissig hielt und stark daran glaubte, die Kaserne im Westen nicht mehr lebendig zu verlassen, Schnelligkeit hin- oder her. Oder war er einfach zu pessimistisch? Würde es vielleicht sogar ein Kinderspiel werden? Besonders mit Zoe's perfekt trainiertem Wolf an ihrer Seite? Marcus verdrängte diese Gedanken, denn nun hieß es, zur Tat zu schreiten. Er konzentrierte sich und setzte sich in Bewegung, zog die beiden anderen mit sich und erschrak, als ein Taxi ihnen den Weg abschnitt. Er hatte es nicht kommen sehen. Und dann fiel ihm auf, wie schwierig es war, seine Geschwindigkeit auf zwei weitere Personen zu übertragen. Schwer ausatmend stellte er fest, dass die Fahrerin wohl Sharon kannte. Sie stiegen ein. Hatten sie denn eine Wahl? Keiner von ihnen hatte ein Fahrzeug. Ein Taxi war die beste Alternative. Vielleicht würden seine Kräfte bei der Flucht besser funktionieren. Er würde sich Gedanken machen müssen, wie er dann drei andere Personen mit sich zerren konnte. Das würde hart werden. Doch das Taxi fiel als Fluchtmöglichkeit aus. Es sei denn, man würde die Fahrerin sanft aber bestimmt außer Gefecht setzen. Wie ich hier denke, schalt sich Marcus mit einem Knurren, wie ein Verbrecher! Das Taxi setzte sich in Bewegung und Marcus sah kurz Zoe mit etwas Sorge und Zweifel in seinem Blick an, dann Sharon mit einer Spur des alten Zorns, immerhin waren sie nur wegen ihr in dieser Lage. Dann bemerkte er Sharons Blick in den Spiegel und drehte sich um und sah Kalina in Richtung Schule davon gehen. Würde er sie wiedersehen? Oder Aiolos?

"Gut, ich weiß nicht, was ihr vorhabt", begann die Taxifahrerin, "...und ich will es auch gar nicht wissen - aber ich hoffe ihr seid euch bewusst, dass ihr wahrscheinlich den größten Irrsinn eures Lebens begeht, ja? Und stellt euch nicht dumm! Das Mädchen hier ist nicht gerade die beste Schauspielerin und ich glaube nicht an Zufälle. Ich nehme sie mit und plötzlich gibt es einen Anschlag auf einen Major. Ich hole sie ab und eine Bude fliegt in die Luft, gefolgt von großem Polizeiaufgebot. Ich hätte längst das Militär eingeschaltet, wenn es ihr nicht wirklich dreckig gegangen wäre ... Also, wo soll's hingehen?" Marcus verzog das Gesicht, als Sharon davon sprach, einen Freund in die Scheiße geritten zu haben. "Nicht nur Nate", wisperte er leise, eher zu sich selbst und für die anderen nur hörbar, wenn sie wirklich ein gutes Gehör hatten. Sharon gab den großen Wald im Westen als Ziel an und Marcus atmete tief ein und aus und merkte, wie sein Mund trocken wurde. "Vergiss nie wieder, dass Entscheidungen und Handlungen Konsequenzen haben, Sharon. Perfekt ist niemand, ich erst recht nicht. Aber ich ermahne dich, besser aufzupassen." Er saß auf dem Rücksitz, direkt hinter der Fahrerin. "Miss, ich würde es auch sehr begrüßen, wenn sie Polizei und Militär aus dem Spiel ließen. Ich würde es auch auch sehr schätzen, wenn sie am Ziel das Taxi verlassen. Ich hoffe, es ist versichert und sie bekommen keinen Ärger. Der Polizei können sie immer noch sagen, man hätte es ihnen gestohlen. Kommt ja immer mal vor, dass man verrückte Fahrgäste hat, nicht wahr?" Ein Seitenblick gen Sharon, dann ein entschuldigender Blick zu Zoe und ein verwirrtes, verzweifeltes Kopfschütteln. Marcus lehnte sich wieder zurück und schloss die Augen. "Tut mir leid. Ich bin einfach unheimlich gereizt und nervös. Der Tag fing so gut an und nun... Nun hoffe ich, dass keine weiteren Dummheiten gemacht werden und wir 'den größten Irrsinn unseres Lebens' - wie es unsere Fahrerin so treffend ausdrückte - überstehen. Redete er zu viel? Nun, die Fahrerin hätte wohl wirklich längst das Militär kontaktieren können. Ausflüchte fielen ihm bei dieser Situation keine ein. Also sah er nun einfach aus dem Fenster, während das Taxi seinem Schicksal - seinem Ende? - entgegen brauste.
 
[Heute: Auf dem Weg zur Kaserne]

Travia Elbridge hatte schon so manch sonderbaren Fahrgast chauffiert. Von halbnackten It-Girls bis hin zu Suizidbombern dachte sie, alle Arten von Fahrgästen bereits getroffen zu haben. Nun jedoch saß sie am Steuer ihres fünfzehn Jahre alten Airshuttles und musterte ihre drei Insassen mit einer Mischung aus leidenschaftlichem Interesse und distanzierter Einschätzung. Ihr Blick fixierte mittels Rückspiegels dabei Sharon, da Marcus sich in ihrem toten Winkel befand. Durch ihre getönte Sonnenbrille konnte man die Augen jedoch nur erahnen. "Es ist leicht über Entscheidungen und Konsequenzen zu philosophieren. Aber im echten Leben besteht das Leben aus Hunderten von gleichzeitig gefällten Entscheidungen, deren Konsequenzen sich überlappen, vermengen, multiplizieren. Und jeder von uns kann nur seine eigenen Entscheidungen schultern", lächelte sie, während sie eine Ausfahrt nahm, "Was auch immer gestern Abend vorgefallen sein mag, ist das Ergebnis ihrer Handlungen und jenen des Jungen, dem ihr nun helfen wollt. Und dass du dabei bist, ist deine Entscheidung gewesen. Und die Konsequenzen daraus kannst nur du tragen, Kleiner. Ich kann nachvollziehen, dass die Situation dir nicht gefällt, aber ich finde, dass Sharon - wenn ich richtig gehört habe - sich schon genug Vorwürfe macht und sich ab nun genauer überlegt, was sie machen wird. Hab ich nicht Recht?" Sie zog die Sonnenbrille etwas vor und zwinkerte Sharon mit ihren nussbraunen Augen zu.

Auf Marcus' Worte hin lachte sie. "Ich wette, dass ich heftig dafür bestraft werde, euch überhaupt chauffiert zu haben. Das einzige, das ihr im Wald finden könntet, ist die westliche Militärkaserne. Zum Gänseblümchen pflücken werdet ihr ja nicht gekommen sein. Das bedeutet, dass ihr entweder Hexen oder Rebellen seid. Wie auch immer, Beihilfe zu terroristischen Handlungen kosten mich mehr als nur mein Auto oder meine Fahrerlizenz, Junge. Ganz nebenbei hänge ich an meinem Baby."


[Vor fünf Jahren: Die Sandlande von Kimua]

"Seid ihr es nicht müde, ständig zu kämpfen?", fragte der Junge mit von Müdigkeit und Schlafmangel gezeichneter Stimme. Ai und Nathan blickten in einer flüssig synchronen Bewegung in seine Richtung. War ihre Synchronität nicht schon schlimm genug für die meisten, so taten ihre Bernsteinaugen ihr Übriges. Nathan war einen Kopf größer als seine Schwester, sein ebenholzfarbenes Haar mit dem leichten Blaustich konnte er bereits zusammenbinden. Ai hingegen hatte ihr glattes Haar mit dem feurigen Rotstich hüftlang. Beide schwiegen sie, ein jeder von ihnen in eigenen Gedanken vertieft. "Es gibt sonst nichts", erwiderte Ai schließlich, während sie an einem Apfel kaute. In ihrer Stimme lag keine Resignation, kein Bedauern, nur die monotone Genauigkeit einer Atomuhr. "Und wir haben alles", schloss Nathan mit einem schwachen Lächeln. Die Sandlande waren ein todbringendes Ödland, am Tage so heiß, dass selbst die Schatten dampften, des Nachts so kalt, dass man den eigenen Atem sehen konnte. Sie waren nur noch einen Tagesmarsch von der Basis entfernt, dann würden sie einen Tag ausspannen können, ehe es eine neue, noch schwierigere Jagd geben würde.

Als alle schliefen, löste Nathan Ai als Wache ab und legte ihr die Decke um die Schultern. Sie blickte ihn schweigend von der Seite an, dann wieder in die Ferne. "Denkst du manchmal an früher?", fragte sie mit einer gewissen Nostalgie in der Stimme, "Sie haben uns alles genommen. Unsere Eltern, unsere Kindheit, die Unschuld, die Träume, die Hoffnungen, die Wünsche, die Probleme anderer Kinder unseres Alters. Und unsere Leben fordern sie Tag für Tag aufs Neue ein ..." Nathan setzte sich neben sie hin und blickte zum unendlich weiten Sternenhimmel. "Wir haben Momente wie diesen", murmelte er und wuschelte ihr durchs Haar. Sie lächelten sich kurz an, dann verdrehte sie die Augen und kniff ihn in die Seite. "Du Idiot ..." Und doch lehnte sie ihren Kopf an seine Schulter, das einzige Vertraute in einer völlkommen fremden Welt.

Es war jener Abend vor der Explosion.
 
[Heute: Auf dem Weg zur Kaserne]

Marcus' Worte von Entscheidungen und Konsequenzen ließen Sharon zusammen zucken. Unbehaglich rutschte sie in ihrem Sitz hin- und her und strich sich nervös ihr Kleid glatt. Die Taxifahrerin jedoch sagte sofort, was sie davon hielt. Ja, jeder musste seine eigenen Entscheidungen treffen und mit den Folgen leben. Sie hatte wieder Marcus noch Zoe gezwungen, sie zu begleiten. "Ich kann nachvollziehen, dass die Situation dir nicht gefällt, aber ich finde, dass Sharon - wenn ich richtig gehört habe - sich schon genug Vorwürfe macht und sich ab nun genauer überlegt, was sie machen wird. Hab ich nicht Recht?" Sie zog die Sonnenbrille etwas vor und zwinkerte Sharon zu. Diese war noch immer leichenblass und nickte langsam, wusste jedoch selber nicht, ob sie es ernst meinte oder nicht. Verzweifelte Zeiten erforderten manchmal verzweifelte Maßnahmen. Doch sie würde bei dieser Befreiungsaktion zumindest versuchen, nicht wie ein Todesbote unter den Soldaten zu wüten. "Ich reisse mich zusammen", wisperte sie leise. Dieses Mal. Sie musste an Nates Worte denken und an die des kleinen Jungen, Darklighter. Ja, sie hatte eine Menge Blut an den Händen kleben und schürte damit nur den Hass der Menschen. Doch gab es einfach welche, die den Tod verdienten. Vielleicht sogar sie selbst. Marcus sprach erneut und meinte, die Fahrerin sollte am Ende der Fahrt besser das Taxi verlassen. Seinen Seitenhieb ignorierte sie, doch wenigstens entschuldigte er sich. Sharon sah die Fahrerin an, als sie Marcus' Bitte kommentierte. "Ja, die Kaserne ist unser Ziel", sagte sie leise und ihre Stimme zitterte. "Ich möchte Sie nicht in diese Sache hinein ziehen. Fahren sie uns soweit, wie Sie es für sicher erachten, den Rest schaffen wir alleine. Das ist nicht Ihr Kampf, ich möchte nicht, dass das Militär auf Ihre Spur kommt. Wir steigen einfach aus, sobald wir weit genug von der Stadt entfernt sind. Ist bestimmt das Beste für Sie. Oder?" Sharon sah die Fahrerin forschend an, drehte sich dann im Sitz zu Zoe und Marcus um.
 
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