Und ein neuer Teil - sogar ein relativ langer
KAPITEL 5 "EIN NEUER LEHRER" - TEIL 3
Lynx erkannte den Stab, der sich rasch auf sein Gesicht zu bewegte, erst Zentimeter vor sich. Gerade noch riss er den Kopf zur Seite und den Arm hoch und parierte den Angriff so.
Doch bevor er sich erholen konnte, traf das zweite Ende des Stabes ihn an der rechten Schläfe.
Lynx fiel zu Boden, kam schwankend wieder auf die Beine. Ein Schlag gegen das Kinn ließ ihn rückwärts stolpern, ein Stoß an seine Brust nahm ihm das Vermögen zu atmen.
Nach Luft schnappend kniete er auf dem Steinboden.
Lyra hatte recht behalten. Das Training war in der Tat verdammt hart.
Tag für Tag zog er sich blaue Flecken bei dem Versuch zu, Apus‘ Attacken im Dunkeln auszuweichen.
„Sie haben gewonnen,“ gab er missmutig zu und erhob sich langsam. Der Stab prallte auf seine Schulter, warf ihn erneut zu Boden.
„Was soll das?“ fragte er empört. Bevor er eine Antwort erhielt, verschwand die Finsternis und wurde vom Licht verdrängt.
„Glaubst du wirklich, die Triade würde dich verschonen, wenn du aufgeben würdest?“ erwiderte Apus und schritt mit ernstem Gesicht an ihm vorbei in die Küche.
Lynx verkniff sich eine Antwort.
Ja, genau das glaubte er. Er verschwieg, dass er bereits mehrere Male verschont worden war, wie er es immer getan hatte.
Seit zwei Wochen dauerte das Training an, und nie hatte Lynx mehr als den ersten Angriff seines Lehrers abwehren können.
Er fragte sich, ob die Übung überhaupt zu meistern war.
Langsam und mit gesenktem Kopf schlich er Apus hinterher, setzte sich schweigend an den Tisch. Er stocherte eine Weile in seinem Essen herum.
Es gab Müsli, wie jeden Tag, denn etwas anderes gab es in diesen Notzeiten nicht. Immerhin, es war besser als die Wurzeln, die er im Herbst und Winter hatte zu sich nehmen müssen.
Endlich hob er den Kopf und sah Apus an, der zurückhaltend sein Frühstück verzehrte.
„Meister,“ begann er, „ich beginne mich zu fragen, ob ich diese Übung überhaupt meistern kann.“ Er hoffte auf aufmunternde Worte, doch es kamen keine.
„Ich hoffe es,“ entgegnete Apus lediglich.
„Sie hoffen es? Soll das heißen, es hat noch nie jemand geschafft?“ brach es aus Lynx heraus.
„Ich verbitte mir diesen Ton! Natürlich hat es schon jemand geschafft. Hast du dich nie gefragt, wie ich im Dunkeln angreifen kann? Ob allerdings du in der Lage bist, diese Kunst zu erlernen, weiß einzig Gott.“
Lynx ließ vor Schreck den Löffel in die Schüssel fallen. Wieso hatte er sich diese Frage nie gestellt? Wie konnte Apus überhaupt in der Finsternis Lynx‘ Position ausmachen?
„Wie können Sie mich im Dunkeln sehen? Bitte verraten Sie mir den Trick,“ bettelte er.
„Das wäre dir recht, nicht wahr? Ein simpler ‚Trick‘, den man erklärt bekommt, in ein paar Tagen lernt und schon etwas kann, das allen anderen Menschen verborgen bleibt. Aber so einfach ist es nicht. Ich sehe dich NICHT.“
„Was?“ fragte Lynx skeptisch.
„Ich FÜHLE dich. Jede deiner Bewegungen verursacht Luftverschiebungen, dein Körper strahlt Wärme ab. Das ist das ganze Geheimnis. Einzig: Es zu beherrschen ist schwer.“
„Das hätte er aber auch früher sagen können,“ dachte Lynx. Schnell griff er wieder nach dem Löffel und begann hastig zu essen.
Er konnte es kaum erwarten, mit dem Training fortzufahren, selbst diese Technik auszuprobieren.
Nochmals blickte er auf, schluckte und sprach:
„Bitte nehmen Sie die Frage nicht persönlich, aber: Wozu ist dieses Training überhaupt gut? Soll ich die Triade im Dunkeln angreifen?“
„Nein,“ erwiderte Apus kalt, „doch du sollst einen Gegner, der mit einem Stab bewaffnet ist, besiegen können, bevor du selbst den Kampf mit dem Stab erlernst. Lerne die böse Seite einer Waffe, die Seite, die gegen dich arbeitet, kennen, bevor du den Umgang mit ihr erlernst!“
Was Apus sagte, war für Lynx kaum nachvollziehbar, er nahm die Übung einfach als notwendig hin. Vielleicht würde sie ihm irgendwann tatsächlich nützlich sein.
Vielleicht war es gar keine so schlechte Idee, die Triade im Dunkeln anzugreifen.
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Was sagt ihr dazu?