Maidens of the night
ENDLICH! Endlich ist diese blöde Prüfung vorbei und endlich hatte ich mal wieder etwas Zeit, um mich diversen Dingen zu widtmen, die mittlerweile schon eine Spur zu lang auf der Warteliste versauen mussten. ^^° Also, in diesem Sinne: Ladies and Gentlemen - Ich präsentiere ihnen die erste Kurzgeschichte im Rahmen von Omega - Vorhang auf für Maidens of the night
But fiiiiirst...
@Lene: OK, das war vielleicht ein wenig vergriffen, geb ich schon zu ^^° Und das mit dem Plusquamperfekt... Irgendwie ist das wohl echt nicht mein Ding, fürchte ich... But I'm trying! Really! ^^°°°°
@Puu: Ähemm... Dann bitte stell dich auf was unangenehmes im Laufe der folgenden KG ein... Könnte eventuell auch etwas... ähh... unangenehm werden ^^°°°° Übrigens versuch ich in Zukunft weiter die Zeit zwischen den Teilen zu verkürzen, also das nächste Mal wenn du ne Woche weg bist, kannst du vielleicht schon nen Teil ERWARTEN ^^
@Lynx: Ja... Jax war mal wieder richtig in seinem Element. ^^ Und bald gibt es wieder Neues von ihm... vom Omega-Lynx übrigens gleich mal, sobald ich mit dem Post hier fertig bin ^^
@Louna: Here we go again ^^ Ich hoffe, das ging schnell genug *gg*
@Xry: Das Problem bei Jax war zumindest früher, dass ich ne Zeit brauchte, um "seinen" Stil zu finden. Jax ist ein Underdog, ein richtiger Gangsta. Wäre Omega auf Englisch, hätte er einen Slang wie 50 cent oder vergleichbare... Da ich aber auf Deutsch schreibe, ist das nicht gerade einfach. ^^° Erstmal schreibe ich seinen Dialog und dann muss ich es auf "Jax-Deutsch" konvertieren - was nicht gerade immer einfach ist... Geschweige denn fehlerfrei passiert ^^""" Aber ich find es schön, das dir das aufgefallen ist... Da merkt man mal wieder, wie genau du bist
*gg* ^^
@Majin: Wow... Ein neuer Leser... Das ist echt... Überraschend... Aber auch echt cool ^^ Willkommen in der Runde, MV89! Ich hoffe, du meldest dich, wenn du mal komplett durch bist mit der Geschichte ^^
So.... aber jetzt gehts wirklich weiter! ^^
Maidens of the night
Es war eine kristallklare Nacht, wie man sie nur mehr selten erlebte. Keine einzige Wolke verhinderte den Blick auf die unzähligen Sterne, die ihr schwaches Licht auf die Erde warfen. Und auch der Mond selbst strahlte in seiner Pracht auf die nächtliche Landschaft um den Pyramid Lake herum. Sein Abbild spiegelte sich wabernd und verformt in dem dunklen Wasser des Sees wieder und verpasste dem Ufer damit eine mystisch wirkende Korona, welche ihr blasses, schwaches Licht auch auf die einsame Straße warf, die nur wenige Meter neben dem Ufer verlief. Und auf der sich nur ein einziger Lastwagen zu dieser späten Stunde bewegte.
Mit einem leisen Seufzen sah der Soldat wieder auf das Armaturenbrett des Fahrzeugs und musste mit Bedauern feststellen, dass gerade einmal fünf Minuten seit seinem letzten kontrollierenden Blick auf die Digitaluhr vergangen waren. Fünf ewig lang erscheinende Minuten in einem alten Militärlastwagen, der ungefähr so gut isoliert wie ein Stück Schweizer Käse war und nach Jahrzehnten des Diensteinsatzes auch schon ungefähr so roch. Und dann war da noch dieser Corporal – der Fahrer des LKWs. Eigentlich ein recht netter Kerl, aber nicht gerade gesprächig. In den vergangenen vier Stunden hatte er gerade einmal das notwendigste mit ihm gesprochen. Einige Details betreffend die Lieferung und der Route, dann einige private Sachen. Familienstatus, wie lange er schon diente – der übliche Smalltalk zwischen zwei Soldaten eben, die zufällig für ein und denselben Auftrag ausgewählt wurden und sich vermutlich genauso schnell wieder aus den Augen verlieren würden. Also warum sich Gedanken machen? Und so sah er weiter aus dem Fenster und beobachtete die leere, trostlose Landschaft, durch die sich die alte Straße schlängelte. Den Schlaglöchern und den vielen Rissen im Asphalt nach zu urteilen, war diese Straße ohnehin schon längst in Vergessenheit geraten. Vermutlich waren die Militärlastwägen die einzigen Fahrzeuge, die sich noch auf diese Route trauten, die offiziell mitten im Nirgendwo der Wüste endete. Inoffiziell allerdings sah die Sache anders aus. Aber es gab kaum jemanden außerhalb der Organisation, der von dem versteckten Depot wusste, von dem sie gerade kamen. Eigentlich war es eher eine alte Bunkeranlage aus einem längst vergangenen Krieg, doch sie bot ausreichend Platz. Und so hatte sie Omega recht schnell in ein großes Lager umgewandelt. Ein großes Lager, einige duzend Fuß unter dem staubigen Wüstenboden, das einzig und allein noch den Zweck besaß, einmal im Monat von einem Transporter besucht zu werden. Der entweder Güter dort ablud und verstaute oder – wie im aktuellen Fall – eine Lieferung dort abholte. Um sich danach wieder auf den langen Heimweg zu machen. Durch eine trostlose Gegend, die man zwar in weiblicher Begleitung als durchaus romantisch empfinden konnte, auf der Fahrerbank eines Militärtransporters hingegen nur als äußerst langweilig betrachtet werden konnte.
Für einen winzig kleinen Moment wünschte sich der Soldat fast schon, dass
irgendetwas passieren würde, um diese triste Eintönigkeit zu vertreiben. Ein Funkspruch der Zentrale, ein Platten, ein unvorsichtiges Tier, das sich zu dieser späten Stunde noch auf die Fahrbahn verirrte – irgendetwas eben.
Er hatte aber nicht damit gerechnet, dass sein Wunsch wahr werden könnte.
Geschweige denn, dass es so schnell passierte.
„Hast du das gehört?“
Die überraschenden Worte des Fahrers rissen ihn beinahe augenblicklich aus seinen Gedanken. Überraschend war dabei jedoch nicht nur die Tatsache, dass der Corporal sein Schweigen brach, sondern auch,
was er dem einfachen Soldaten vermitteln wollte. Mit gerunzelter Stirn horchte dieser konzentriert in die Umgebung. Das monotone Schlagen des Motorkolbens, der knirschende Asphalt unter den Reifen, das Pfeifen des Fahrtwindes und einige rumpelnde Geräusche, die wohl eindeutig von der Ladung kamen. Nichts Außergewöhnliches also. Mit immer noch konzentriert wirkendem Blick fixierte er den Fahrer.
„Was gehört?“
„Ich hätte schwören können, irgendwas ist auf unser Dach gefallen…“
Ein kurzes Lachen drang aus den Lungen des Private. Vermutlich war es nichts weiter als ein Vogel, welcher das Wagendach streifte – sofern da überhaupt etwas war. Er wusste nicht, wie oft der Corporal neben ihm schon diese Strecke gefahren war, aber er war sich ziemlich sicher, dass man durchaus paranoide Tendenzen entwickeln konnte, wenn man zu oft durch diese trostlose Wüste musste. Also setzte er ein gewinnendes Grinsen auf, drehte sich in zum Fahrersitz und versuchte einige beruhigende Worte an sein Gegenüber zu richten. Er dachte an ein
’Jetzt bleib mal cool.’ oder an ein
’Ist vermutlich nur der Wind.’, doch tatsächlich drang kein einziges Wort aus seinem halb geöffneten Mund. Seine Lungen, seine Muskeln und sein gesamter Verstand waren wie gelähmt, als er das explodierende Rot vor seinen Augen realisierte und als das deutete, was es auch in Wirklichkeit war.
Die Halsschlagader des Fahrers, die gerade von einer Klinge zerfetzt wurde und deren Inhalt sich mit großen Druck über dem Gesicht des Soldaten ergoss. Er hörte nicht mehr die letzten, röchelnden Geräusche seines Kameraden. Er machte sich keine großen Gedanken darüber, woher diese Klinge gekommen war, die durch das Dach hindurch auf den Fahrer niederging und noch immer im Hals des sterbenden Corporals steckte. Er spürte noch nicht einmal den brennenden Schmerz, den das warme Blut verursachte, als es in seine Augen lief. Für einen einzelnen Moment existierte nichts mehr im Leben des jungen Soldaten als die Grausamkeit dieses einen Augenblicks, der sich wohl für immer und ewig unauslöschbar in sein Gedächtnis gebrannt hatte.
Als der Moment vorbei war, brach die Hölle unter ihm auf.
„SCHEEEIIIISSSSEEEEE!“
Ohne es bewusst steuern zu können, schrie sich der junge Mann fast die Stimme aus dem Hals, als er mit panisch zitternden Händen nach seiner Waffe griff, diese entsicherte und unkontrolliert auf das Dach der Fahrerkabine schoss. Der Lärm der preschenden Salve in dieser geschlossenen Kabine war zuviel für seine Ohren, sodass sich diese bereits nach den ersten Schüssen mit einem monotonen Tinnitus verabschiedeten. Doch das bemerkte er nicht. Er bemerkte auch nicht den brennenden Schmerz in seinen Augen, der durch das Blut seines Kameraden und die zahlreichen, mikroskopisch kleinen Splitter verursacht wurde. Frei von jeder rationalen Entscheidung entlud er kreischend einfach nur das gesamte Magazin der Maschinenpistole an dem Dach, welches nach wenigen Sekunden nur noch aus zerbeulten Metallfetzen bestand. Blasses Mondlicht schien durch die vielen neuen Löcher in das Innere des Transporters und zeigte ihm das Ausmaß seiner Zerstörung. Doch was fehlte war die Ursache dieses Gewaltaktes. Er konnte niemanden erkennen, der sich auf dem Dach befand. Zu spät gebar er den Gedanken, dass sein Handeln falsch war. Und dass er den Lastwagen vielleicht hätte stoppen sollen, anstatt seiner Panik freien Lauf zu lassen. Genau in diesem Moment rammte der Transporter die Gestalt in der braunen Kutte, die sich unbemerkt von dem Soldaten auf der Fahrbahn positioniert hatte.
Mit voller Wucht wurde der Kopf des jungen Soldaten gegen die Konsole des Innenraums geschleudert.
Und eine finstere Wolke der Ohnmacht verschluckte ihn.
*
Sein Kopf dröhnte. Eine jede Faser seines Körpers schien sich mit einem wahrhaften Feuerwerk aus Pein wieder zurückzumelden, als er die Augen langsam wieder aufschlug und dabei fast seine letzte Mahlzeit wieder hochwürgte. Er versuchte sich zu orientieren. Noch immer befand er sich im Inneren des Lastwagens, doch dieser befand sich nicht mehr auf der Straße. Oder in einer normalen Position. Er war zur Seite gekippt. Warum, das wusste er nicht, aber er konnte sich noch wage an einen schweren Zusammenstoß erinnern. Doch mit was? Der eingedrückten Front und dem zerschredderten Blech nach zu urteilen war es wohl mindestens ein Panzer. Doch er konnte sich an keinen Panzer erinnern. Nur an eine Gestalt in einer Kutte. Ein weiter Schmerzimpuls durchzuckte seinen Kopf, als sich die Erinnerung in seinem Gedächtnis losriss. Er keuchte, biss die Zähne zusammen und versuchte wieder klar zu denken. Er musste hier raus. Raus aus diesem Wrack und weg von dem Fahrer. Er musste Meldung erstatten. Den Schuldigen finden. Und ihn für das bestrafen, was er dem Corporal antat. Er musste…
Aus den Augenwinkeln heraus sah er nach oben und bereute diesen Anfall von Neugier auch sofort wieder. Der Fahrer war zwischen seinem Sitz und dem Lenkrad eingeklemmt, doch die starren, toten Augen sahen direkt in seine Richtung. Und von der Klinge in seinem Hals tropfte noch immer Blut auf ihn herab. Ein weiteres Mal rebellierte sein Abendessen dagegen, im Magen zu bleiben. Diesmal gab er dem Drang nach.
Es war komisch, doch irgendwie tat ihm das gut. Fast so, als würde er nicht nur seinen Mageninhalt hochwürgen, sondern auch die letzten Zweifel, die sich in seinem Körper befanden. Er musste raus hier, das war oberste Priorität.
Ohne sich ein weiteres Mal ablenken zu lassen, wischte er sich mit seinem Ärmel den Mund ab und griff danach zu seiner Maschinenpistole, die noch immer an einem Gurt um seinen Hals hing. Mit dem Heft der Waffe schlug er zwei Mal auf das eingebrochene Glas der Windschutzscheibe, bis sich diese mit einem lauten Krachen aus der Fixierung löste und zu Boden fiel. In einer weiteren Kraftanstrengung befreite er sich aus den Resten der Kabine und krabbelte ungeschickt aus dem Fahrzeug hinaus. Sein Herz raste und seine Lungen sogen gierig die kalte Luft der Wüstennacht ein, als sich sein Körper um einhundertachtzig Grad drehte und die Front des Lastwagens betrachtete. Hatte er noch bis vor wenigen Sekunden daran geglaubt, dass sie ein Panzer gerammt haben musste, so sicher war er sich jetzt, dass es was anderes gewesen war. Etwas weitaus
mächtigeres.
Der komplette Motorblock des Fahrzeuges war in Trümmern. Das Blech und Metall hatte sich verformt, als wäre es Knetmasse. Sie hatten etwas gerammt, ja. Aber dieses Etwas war viel kleiner als ein anderes Fahrzeug. Und es war mittlerweile verschwunden. Zumindest konnte er es nicht in seiner direkten Umgebung erkennen. War es vielleicht doch eine Person? Ein feindlich gesonnener Superior? Oder noch schlimmer: Ein Freak? Mit diesen Gedanken im Hinterkopf machte er sich daran, seine Waffe schleunigst nachzuladen. Seine zuckenden Finger griffen nach einem weiteren Magazin in seiner Jacke und rammten es heftig in den dafür vorgesehen Schacht der MP. Er fühlte sich nun ein kleines bisschen besser. Doch nur für einen Augenblick. Bis er ein krachendes Geräusch vom Ende des Lastwagens hörte und nur einen Sekundenbruchteil später eine solide Containertür durch die Luft segelte. Und eine Gestalt in einer braunen Kutte hinter dem umgestürzten LKW auftauchte.
„SIE DA! KEINE BEWEGUNG! WENN SIE SICH BEWEGEN, MUSS ICH DAS FEUER ERÖFFNEN!“
Die Hysterie war deutlich in seiner Stimme abzulesen, aber dennoch – oder vielleicht gerade deswegen – versuchte er sich einzureden, dass er nun standhaft sein musste. Dieser Angreifer sollte keine zweite Chance bekommen, etwas so furchtbares zu vollbringen. Doch die Person in der Kutte schien von der geschrieenen Drohung nicht im Geringsten beeindruckt. Ohne ein Wort zu sagen, ging sie einfach weiter, direkt auf ihn zu. Da bemerkte er, dass zwei glühend grüne Augen aus dem Schatten der Kapuze herausleuchteten. Seine schlimmsten Albträume erschienen ihm in diesem Moment regelrecht erholsam und beruhigend. Ohne eine weitere Warnung betätigte er den Abzug und sandte eine Salve Kugeln zu dem Angreifer.
Welche blitzend und klirrend von diesem abprallten.
Panik wuchs in ihm.
„Scheiße! Scheiße! Scheiße! SCHEISSE!“
Wild fluchend drückte er eine Salve nach der anderen aus der MP heraus. Trotz seiner momentanen Situation waren seine Schüsse präzise. Sie trafen Brust, Kopf und Gliedmaßen der Gestalt. Sie zerfetzten ihre Kutte und machten den Blick auf einen silbrig glänzenden Körper frei, der sich darunter befand. Doch langsamer machten sie sie nicht. Ganz im Gegenteil sogar. Sie erhöhte ihre Geschwindigkeit, sodass sie direkt vor ihm stand, als die letzten Kugeln des Magazins den Lauf verließen und an der stählernen Oberfläche der Gestalt abgelenkt wurden. Ein einzelner Moment der Stille trat ein, als sich die glühenden Augen unter den Resten der Kapuze mit den menschlichen trafen. Und als ein silbrig-grauer Arm blitzschnell nach der MP griff und sie wie ein Stück Papier zerknüllte. Es war das letzte, das der Soldat sah, bevor ihn die Dunkelheit der Ohnmacht wieder einholte. Und er leblos auf dem Boden zusammensackte.
*
Die Blicke der fremden Gestalt folgten dem leblosen Körper einen Moment lang, bevor sie sich wieder auf die schwarz gekleidete Frau mit der Gesichtsmaske richteten, die sich unbemerkt von hinten an den Soldaten angeschlichen hatte.
„Der wird sicher nicht gut schlafen heute Nacht.“
Die Stimme klang metallisch und ein wenig verzerrt, fast so, als würde sie durch einen Lautsprecher erklingen. Aber dennoch konnte man die feminine Tönung erkennen. Ein leichtes Seufzen folgte, worauf die Gestalt schließlich die Reste des braunen Stoffes ablegte und den Blick auf den stählernen Körper ihrer Rüstung frei machte.
Es war keine Rüstung im gewöhnlichen Sinne. Mehr die Interpretation des 22. Jahrhunderts. Ein metallener Helm mit zwei grünlich schimmernden, ovalen Visieren, die wie Insektenaugen auf ihm befestigt waren. Der Helm mündete in einem Halsschutz, der genauso eng der Trägerin angeschneidert war, wie der Rest dieser Rüstung. Ein stählerner Schutz, der trotz aller Leistungsfähigkeit aber noch immer die feminine Form behalten hatte. Ein wahres Meisterstück der Ästhetik, das fast so aussah, als hätte sich nur ein hauchdünner, silbrig-grauer Metallfilm, der aber immer wieder von schwarzen Linien durchzogen war, um den Körper einer jungen Frau gelegt. Nur der Helm und zwei stäbchenförmige Antriebsdüsen an den Schulterblättern zollten davor, dass es sich hierbei wirklich um einen funktionellen Metallanzug handelte. Und vielleicht auch die Tatsache, dass er seine Trägerin gerade vor einer MP-Salve aus nächster Nähe bewahrt hatte, ohne einen Kratzer davonzutragen.
„Ist alles in Ordnung?“
Im Vergleich zu der Frau in der Rüstung war die Stimme der Zweiten dunkel und emotionslos. Die Schwarzgekleidete trat einen Schritt näher, sodass etwas Licht von den halbkaputten Scheinwerfern des umgestürzten LKWs hinter ihnen auf ihren Körper schien.
Ihre Augen waren das herausstechendste Merkmal an ihrem Äußeren. Dunkle, unendlich tiefe Augen, die ein gewisses Funkeln beinhalteten, dass man nicht sehr häufig in den Augen von jungen Menschen wieder fand. Ihr Blick hatte etwas endgültiges, etwas unendlich Dunkles an sich haften, aber zugleich auch etwas unfassbar Faszinierendes. Sodass man sich nicht mehr davon loseisen konnte.
Viel mehr als die Augen war aber von ihrem Gesicht nicht zu erkennen. Eine schwarze Gesichtsmaske verhüllte alles von der Nasenspitze abwärts. Ihre schulterlangen, pechschwarzen, glatten Haare waren an ihrem Hinterkopf zusammengebunden, und wippten ihre Bewegungen mit, als sie langsam näher kam. Sie trug einen nachtschwarzen Body, der wohl aus einem sehr leichten und strapazierfähigen Material gemacht war, sodass er sich perfekt ihrer Figur anpasste, aber dennoch ein gewisses Maß von Schutz vermittelte. Auf Armen, Beinen und um ihre Hüfte herum trug sie mehrere Gürtel, an denen allerlei Gegenstände befestigt waren. Hauptsächlich aber scharfe Gegenstände. Wurfmesser an ihren Armen, Sai und Wurfsterne an ihren Beinen und die Saya von zwei mittellangen, japanischen Schwertern an ihrer Hüfte. Jedoch war nur eine der Saya mit einem Schwert besetzt, die andere war leer.
„Mir geht es gut. Xryclorx hat alles gut abgefangen. Ich würde sagen, nicht schlecht für einen ersten Test, oder was meinst du, Sahlene?“
Die dunkle Frau schwieg für einen Moment, bevor sie kurz nickte und in Richtung des umgestürzten Fahrzeuges ging.
„Was ist mit der Ladung? Haben wir alles, was wir brauchen?“
„Ja, ist alles drinnen. Insulin, Antibiotika, Schmerztöter, einige Konserven und das Wichtigste: Die Grippemedikamente.“
Sahlene nickte erneut, bevor sie mit einem schnellen und gewaltigen Satz auf die Fahrerkabine des LKWs sprang und mit einer blitzartigen Handbewegung in das Innere griff, um etwas aus der Kabine herauszuziehen. Es war das fehlende Schwert. Einen Moment lang fixierte sie das Blut auf der Klinge, bevor sie ein weißes Baumwolltuch aus einer kleinen Tasche holte, die an ihrem Hüftgürtel befestigt war, und begann, das Schwert zu säubern.
Ohne die Frau in der Rüstung anzusehen, wandte sich Sahlene erneut an sie.
„Dann lass uns das Ganze in Sicherheit bringen. Tiara… Könntest du den Container entleeren, während ich unseren Lastwagen hole?“
„Ich war schon dabei, als dieser Typ da vorne mich bemerkt hat. Also keine Ursache… Nur…“
Die Tonart ihrer Freundin gefiel ihr nicht. Fragend blickte sie von der Säuberung ihres Kodachi auf und stellte Tiara eine lautlose Frage. Nur mit einigem Zögern fuhr diese auch fort.
„Du weißt, welcher Tag heute ist, oder?“
Dieses Thema schon wieder. Sie hatte es befürchtet.
„Ja, das weiß ich.“
„Dann weißt du auch, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis die anderen eine Entscheidung von dir haben wollen. Lene… Du bist die Nummer Zwei… Und so, wie es gerade aussieht, müssen wir vielleicht damit rechnen, dass er nie…“
„Sprich das nicht aus!“
Die Worte kamen viel verletzender und wütender aus ihrer Kehle, als sie es beabsichtigt hatte. Und dennoch wusste sie nicht, wie sie es hätte anders ausdrücken können. Ein weiteres Mal sprang sie hoch in die Luft und landete nur wenige Zentimeter vor der jungen Frau in der Rüstung. Ihre dunklen Augen funkelten noch viel intensiver, als man es bei ihr normalerweise gewohnt war.
„Er wird bald zurückkehren. Er hat es versprochen. Und Jax ist kein Mensch, der seine Versprechen bricht. Das weißt du genauso gut wie ich.“
„Natürlich weiß ich das. Aber es sind jetzt schon über drei Monate… Unsere Leute werden ungeduldig. Und das weißt
du genauso gut wie ich. Sie brauchen einen Anführer, Sahlene. Jemanden, der genau solche Aktionen hier plant und durchführt. Jemand, der sich um sie kümmert. Und du bist nun mal die Nächste auf dieser Liste, ob es dir nun passt oder nicht.“
Ein nachdenkliches Schweigen breitete sich zwischen den Beiden aus, als die dunkle Kämpferin ihren Kopf leicht in den Nacken legte und auf den Sternenhimmel sah. Das Sternbild Orion war das erste, welches sie mit seinem strahlenden Licht begrüßte. Orion, der Krieger. Orion, der Jäger. Ein Jäger, so wie auch sie es war. Ein leichtes Seufzen der Resignation entkam ihren Lippen, als sie ihre Freundin wieder ins Zentrum ihrer Blicke rückte.
„Wir warten noch drei Tage. Ich bin mir sicher, unser
Anführer wird bis dahin den Weg nach Hause finden… Und jetzt komm, wir haben Arbeit zu tun.“