Sahlene
Sinful Hypocrite...
Ojeee, das ist wieder ziemlich viel. Der Teil "Rann erzählt" ist echt kitschig, darum hab ich ihn so kurz wie nur möglich gemacht...
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Als man wirklich gar nichts mehr sah, entschloss sich Sheryl endlich dazu, zu landen und nicht gegen irgendeine Insel zu fliegen. Sie holte eine kleine Fackel aus der Kiste und entzündete sie mithilfe zweier Feuersteine. Rann hatte indes echte Angst, der Teppich könne Feuer fangen und über dem Meer abstürzen. Nichts dergleichen passierte zum Glück und so landeten die drei sicher auf der Klippe eines kleinen Eilands. Sheryl machte sich auf den Weg, die Umgebung nach einem sicheren Schlafplatz abzusuchen und verschwand für kurze Zeit im Wald, der die gesamte Insel dicht bewucherte. Jamie und Rann blieben zurück, fröstelten und wechselten kein Wort. Nicht, dass sie sich nicht gerne unterhalten hätten – sie hatten nur beide zuviel Angst, sich durch Geräusche irgendwelchen unangenehmen Tieren oder Piraten zu offenbaren, die ja überall lauern konnten. Jamie war ebensowenig Überlebenskünstler wie Rann und die einzigen Dinge, die ihnen hier helfen konnten, waren Sheryl und ein gutes Schwert. Die Hälfte davon streifte unglücklicherweise im Wald herum.
Und dann hörten sie es. Regelmäßiges Knacken drang durch die Bäume zu ihnen herüber. Das Meer war ruhig wie ein Blatt, kein Lüftchen wehte. Man konnte alles genau hören, und sowohl Rann als auch der Barde waren sich absolut sicher: da kam etwas oder jemand! Sie rutschten panisch ein wenig zurück und tasteten in der Dunkelheit nach den Griffen ihrer Waffen. Jamie zog sein Schwert klirrend aus der Schwertscheide. Dachte zumindest Rann. Der Barde besaß gar kein Schwert, nur einen kleinen Dolch in einer Lederhülle. Das Geräusch neben dem Prinzen war also nicht Jamie gewesen, sondern jemand anders. Als Rann den kalten Stahl an seiner Kehle spürte, wusste er, Jamie war entweder tot oder kampfunfähig. Er war also mehr oder weniger allein und wurde von einem Schwert oder Dolch bedroht. Seine Hände wurden auf den Rücken gezogen. Der Stahl wich dabei nicht einen Zentimeter. Bitte nicht ausrutschen!, war das einzige, was Rann denken konnte, als man ihn, Hände auf dem Rücken gefesselt, einen schmalen geschlungenen Pfad herunterführte. In der Dunkelheit vor ihm konnte er nach langem Marsch endlich einen Lichtschimmer wahrnehmen. Erleichtert atmete er auf. Nicht mehr laufen...
Dann stand die ganze Gruppe in einem von an den Wänden angebrachten Fackeln beschienenen Höhleneingang. Und endlich konnte Rann auch seinen Entführer erkennen. Der Mann, der ihn mit dem Dolch in Schach hielt, war gedrungen, aber nicht dick. Er wirkte muskulös und äußerst skrupellos. Das konnte allerdings auch an den schmutzigen Sachen, die er trug, und an seiner Augenklappe, die er über dem linken Auge hatte, liegen.
Verfilztes, dunkles Haar fiel ihm bis auf die Schultern. Als er den Mund öffnete, um Rann anzumeckern, entblößte er eine Reihe schlechter Zähne. „Los, Bürschchen, nicht stehenbleiben!“, rief er ungeduldig und schubste Jann leicht nach vorne. An den Schatten konnte der Junge sehen, dass zwei weitere Männer den Körper... die Leiche? von Jamie hinterhertrugen.
Er blickte wieder nach vorne. Ein großer Felsblock versperrte der kleinen Gruppe den Weg. „Wer ist da?“, schallte eine Stimme durch den massiven Stein hindurch.
„Die Retter dieses Landes!“, antwortete der kleine Mann laut.
Mit viel Geknirsche und großem Geächze wurde der Felsblock zur Seite gewuchtet und gab einen schmalen Durchgang frei. Ranns Entführer nickte den beiden mit Speeren bewaffneten Wachen kurz zu. Dann führte er seine Geisel durch ein Labyrinth von Gängen und Räumen. Schließlich blieben sie vor einer Holztür stehen, die von einem Mann in schimmernder Rüstung bewacht wurde. Auf dem Brustharnisch schimmerte ein roter Drache. Rann runzelte die Stirn. Ich kenne keinen Orden des Roten Drachen... welchem Ritterorden gehört dieser Ritter an? Er hatte keine Zeit, um lange nachzudenken, denn nach einem kurzen Gespräch mit dem Ritter schob ihn der gedrungene Kerl wieder vorwärts. Die Tür öffnete sich und die beiden traten hindurch. Als sich die Tür hinter den beiden geschlossen hatte, nahm der Mann endlich seine Waffe von Ranns Hals. Jamie war nicht da. Er hoffte inständig, die Männer hatten ihm nichts angetan und ihn nur bewusstlos geschlagen. Er hatte nämlich begonnen, den Mann, der am Ende genauso weltlich war wie er und Sheryl, auch wenn er nicht so wirkte, zu mögen.
Dann sah sich der junge Prinz in dem Raum um, in den er geführt worden war.
Es war eine hohe Halle, anscheinend in den massiven Stein geschlagen. Ein riesiges Gewölbe erhob sich über seinem Kopf. Der schwarze Stein schien jedes Licht einfach zu schlucken und wirkte unendlich groß und ungeheuer bedrohlich. Ein kalter Schauer jagte seinen Rücken hinab. Dies war wahrlich kein Ort zum Wohlfühlen. Es sah mehr aus wie ein Thronsaal. Hierzu gab es nur einen wesentlichen Unterschie:. In dem Raum gab es weder Thron noch Stuhl noch Tisch. Nur ein kleiner Teppich in der genauen Mitte der Halle diente als Zeichen, dass hier manchmal Menschen verweilten. Auf dem Teppich stand eine Schale mit Wasser. Wasser? Ich frage mich, was das hier soll... Wozu sollte man in einer riesigen Halle wie dieser ein kleines Schälchen mit Wasser benötigen?, fragte sich Rann.
„Ich benutze es als Medium für Beschwörungen“, antwortete eine sanfte männliche Stimme. Rann wirbelte herum. Wo kam das her? Und warum konnte es seine Gedanken lesen?
Dann fiel sein Blick wieder auf den Teppich. Und plötzlich erkannte er ihn...
Auf dem fliegenden Teppich saßen ein älterer Herr mit schwarzen, grau durchwirkten Haaren und einem langen Gewand... und Sheryl!
Rann erzählt:
Alles Lüge... Lüge und Verrat... ich hatte einiges erwartet, es war ja nicht das erste Mal, dass ich in eine gefährliche Situation kam. Aber wer hätte damit gerechnet, dass ausgerechnet meine Führerin, der ich begann zu vertrauen, dass ausgerechnet das Mädchen, zu dem ich mich hingezogen fühlte, mich verraten würde...? War denn alles gespielt gewesen? Ich hatte geglaubt, Freude in ihren Augen zu sehen und es war Hass gewesen. Ich hatte geglaubt, ihr Vertrauen gewinnen zu können und stattdessen hatte sie von Anfang geplant, mich weit weg von Zuhause entführen zu lassen! Ich war mir nie sicher über meine Gefühle gewesen, aber jetzt, wo sie so von mir weit weg war wie nie, jetzt spürte ich dieses schreckliche brennende Verlangen in mir, von ihr nette und bewundernde Worte zu hören. Wer würde damit rechnen, dass sie sich in mich je verliebt? Niemand. Nicht einmal ich, so sehr ich es mir auch wünschte, glaubte wirklich daran. Aber von ihr zu hören, dass sie mich hasst, wäre das Schlimmste. Und war dies hier nicht der Beweis dafür, dass sie genau das fühlte? Hass, Zorn, Enttäuschung... sie hatte mir ihre Geschichte erzählt. Aber Sheryl war nicht nur stark aus ihren Erfahrungen hervorgegangen, sondern auch verbittert. Nein, sie musste nichts mehr sagen, ich wusste auch so, dass sie mich verabscheute. Da war sie, die Gewissheit... Und ich fiel innerlich völlig zusammen. Tiefe, endlose Leere machte sich in mir breit. Da war nichts mehr. Keine Liebe, kein Hass, kein Schmerz, kein Leid. Ich war nur noch eine unmenschliche, gefühllose Puppe, als sich meinem Mund endich die alles entscheidende Frage entrang: „Warum, Sheryl? Hast du mich hintergangen?“ Ich erwartete hämisches Gelächter, spöttisches Grinsen und eine ironische Antwort. Ich bereitete mich auf die schreckliche Wahrheit vor, als sich Sheryl mir langsam näherte. Meine Augen waren geschlossen und ich betete, dass sie mein Herz schnell brechen würde. Bitte, keine langen Schmerzen... bitte, lass es schnell vorbei sein... bitte, quäle mich nicht... bitte, wenn du es gesagt hast, lach nicht... bitte, lach nicht... alles, nur das nicht. „Bitte“, flüsterte ich. „Sag’ es schnell.“ Meine Augen waren fest zugepresst. Sie war ganz nah... ich spürte, wie sie Luft einsog, wie sich ihr Mund öffnete, wie sie sich vor mein Gesicht beugte. Ich spürte, wie mein Herz vor schrecklicher Erwartungen zerspringen wollte. Konnte sie es hören, die leisen, knirschenden Geräusche, als es tiefe Risse bekam?
„Wovon redest du, verdammt!“
Sheryls Gesicht war vor Zorn gerötet. „Bist du betrunken oder verrückt?“, zeterte sie, die Hände in die Hüften gestemmt. Schwach öffnete Rann die Augen. Sein Blick drückte Verwirrung und Todesangst gleichzeitig aus.
„Also... nicht?“, flüsterte er. „Du hast hiermit nichts zu tun?“ Er klang krank. Etwas besorgt löste Sheryl seine Fesseln.
„Geht’s dir nicht gut?“, fragte sie? Rann nickte. „Es war doch nur eine Patrouille... ich hätte nicht gedacht, dass Nelm einem einen solchen Schrecken einjagen kann. Ihr Götter... er ist ganz blass...“
Der Mann hob Ranns Kinn an. Er lächelte geheimnisvoll. „Nun, dass war nicht Nelm... unser junger Freund hatte Angst vor dir...“
Nelm, der kleine, kräftige Mann, der Rann gebracht hatte, trat unruhig von einem Fuß auf den anderen. Der ältere Herr entließ ihn mit einer eleganten Handbewegung. „Kümmer dich darum, dass der andere freigelassen wird. Er gehört zu uns.“
Schnell verließ Nelm die Halle.
Sheryl holte tief Luft und erklärte Rann einen Teil dessen, was vorgefallen war.
„Dieser Mann ist ein Freund von mir, besser gesagt, einer meiner Lehrmeister. Ich wusste, dass er hier ist, wollte ihn aber zuerst allein sprechen. Er wird uns Unterschlupf für die Nacht gewähren. Hier sind wir sicher. Er schickt Patrouillen, um die Gegend von Feinden zu... säubern. Da Nelm und seine Männer nicht wussten, dass ihr beide zu mir gehört, haben sie euch erstmal mitgenommen. Das ist alles.“
Rann deutete mit dem Finger auf den älteren Herrn, der immer noch lächelte. „Wer ist er?“
Sheryl warf dem Mann einen kurzen, beunruhigten Blick zu. Er nickte, und so erzählte sie auch von ihm.
„Er ist der Sohn des größten Magiers aller Zeiten, Themis. Sein Name ist Tars ak’Themis.“ Mit einem schiefen Lächeln fügte sie hinzu: „Das ist zwar nicht sehr einfallsreich, aber es passt. Tars bedeutet so viel wie ‚der Weise’. Und das trifft zu. Er hat mir viel über Heilkräuter beigebracht. Als Kämpfer kann man so etwas immer gebrauchen, weißt du?
Themis ist vor einigen Jahren gestorben und nun ist er hier, um sein Werk zu vollenden.“
Anmerkung der Autorin: ak’... bedeutet so viel wie ‚Sohn’)
Rann runzelte die Stirn. „Ich glaube, ich kann mich an Themis erinnern... er war mal auf unserem Schl– ich meine, bei uns zu Hause.“ Dann fiel ihm ein, dass der Zauberer offensichtlich Gedanken lesen konnte. Daher hatte es nicht viel Sinn, zu lügen. „Ach... er hat das große Tor gesegnet. Damals habe ich ihn gesehen.“ Er betrachtete Tars eingehender. „Ihr seht ihm ähnlich.“
Tars nickte. „Ich weiß. Wenn Eure Hoheit sich setzen möchten...“ Er schwenkte kurz mit der Hand und zeigte auf den Teppich. Ein wenig enttäuscht setzte sich Rann auf den alten Teppich in der Mitte der Halle. Keine Magie? Irgendwie hatte er erwartet, wie von Zauberhand würden Tische und Stühle erscheinen oder so etwas.
Belustigt antwortete Tars auf die unausgesprochene Frage: „Magier studieren die Natur und ihre Kräuter. Manchmal machen sie sich die Kraft der Elemente zunutze, um Dinge zu beschwören oder ähnliches. Niemand von uns ist in der Lage, Dinge nach Belieben erscheinen zu lassen. Das ist dummes Geschwätz und dient nur dazu, den Respekt vor unserer Gilde aufrechtzuerhalten. Wenn das gewöhnliche Volk wüsste, dass wir keine Zauberer, sondern nur die Boten der Natur und ihrer Götter sind, würden wir einige unserer Privilegien verlieren. Das ist alles.“
Also war Rann nicht besser als das Bauernvolk und auf einen Aberglauben hereingefallen? Er wurde tiefrot und duckte sich etwas.
„Ihr übermittelt Botschaften für die Götter?“
„So würde ich es nicht nennen“, widersprach der Mann. „Wir segnen Gegenstände und machen sie zum Eigentum der Götter. Wenn uns die Götter gnädig sind, dürfen wir diese Dinge danach noch benutzen. Daher darf man nichts falsch machen bei einer Segnung. Stellt Euch vor, Ihr verärgert unbeabsichtigt den Gott des Feuers bei der Segnung einer Burg. Sie wird auf ihre Grundfesten herabbrennen und Ihr selbst mit ihr. Daher sind gute Magier so selten. Man darf absolut keine Fehler machen. Wenige gehen das Risiko ein, einen oder mehrere Götter zu verärgern. Wenn wir die richtigen Götter anrufen, können wir durch die Luft reisen oder unter Wasser gehen. Aber es ist die Gnade der Hohen Herren, die über unsere Fähigkeiten bestimmt.“
Verstehend nickte Rann. Er versuchte, interessiert und wissend zu wirken. Als er Sheryls Blick begegnete, wusste er, dass er sich mal wieder völlig falsch verhielt. Aber in ihren Augen lagen nicht nur Zorn und Spott, da war auch Trauer und Verständnis. Sie schlug die Augen nieder, um ihm auszuweichen. Das war das erste Mal, dass sie sein Gesicht nicht ertrug. Was hatte Sheryl noch für Geheimnisse? Würde sie sie je mit Rann teilen? Auch er senkte den Blick. Keine Chance...
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Verdammt!!!!! Jetzt ist er doch in sie verknallt! Eigentlich wollte ich das vermeiden, aber... es hat mich überfallen... na gut, solange es Cal gibt, wird Sheryl wohl kaum was mit Rann anfangen... hoffe ich.
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Als man wirklich gar nichts mehr sah, entschloss sich Sheryl endlich dazu, zu landen und nicht gegen irgendeine Insel zu fliegen. Sie holte eine kleine Fackel aus der Kiste und entzündete sie mithilfe zweier Feuersteine. Rann hatte indes echte Angst, der Teppich könne Feuer fangen und über dem Meer abstürzen. Nichts dergleichen passierte zum Glück und so landeten die drei sicher auf der Klippe eines kleinen Eilands. Sheryl machte sich auf den Weg, die Umgebung nach einem sicheren Schlafplatz abzusuchen und verschwand für kurze Zeit im Wald, der die gesamte Insel dicht bewucherte. Jamie und Rann blieben zurück, fröstelten und wechselten kein Wort. Nicht, dass sie sich nicht gerne unterhalten hätten – sie hatten nur beide zuviel Angst, sich durch Geräusche irgendwelchen unangenehmen Tieren oder Piraten zu offenbaren, die ja überall lauern konnten. Jamie war ebensowenig Überlebenskünstler wie Rann und die einzigen Dinge, die ihnen hier helfen konnten, waren Sheryl und ein gutes Schwert. Die Hälfte davon streifte unglücklicherweise im Wald herum.
Und dann hörten sie es. Regelmäßiges Knacken drang durch die Bäume zu ihnen herüber. Das Meer war ruhig wie ein Blatt, kein Lüftchen wehte. Man konnte alles genau hören, und sowohl Rann als auch der Barde waren sich absolut sicher: da kam etwas oder jemand! Sie rutschten panisch ein wenig zurück und tasteten in der Dunkelheit nach den Griffen ihrer Waffen. Jamie zog sein Schwert klirrend aus der Schwertscheide. Dachte zumindest Rann. Der Barde besaß gar kein Schwert, nur einen kleinen Dolch in einer Lederhülle. Das Geräusch neben dem Prinzen war also nicht Jamie gewesen, sondern jemand anders. Als Rann den kalten Stahl an seiner Kehle spürte, wusste er, Jamie war entweder tot oder kampfunfähig. Er war also mehr oder weniger allein und wurde von einem Schwert oder Dolch bedroht. Seine Hände wurden auf den Rücken gezogen. Der Stahl wich dabei nicht einen Zentimeter. Bitte nicht ausrutschen!, war das einzige, was Rann denken konnte, als man ihn, Hände auf dem Rücken gefesselt, einen schmalen geschlungenen Pfad herunterführte. In der Dunkelheit vor ihm konnte er nach langem Marsch endlich einen Lichtschimmer wahrnehmen. Erleichtert atmete er auf. Nicht mehr laufen...
Dann stand die ganze Gruppe in einem von an den Wänden angebrachten Fackeln beschienenen Höhleneingang. Und endlich konnte Rann auch seinen Entführer erkennen. Der Mann, der ihn mit dem Dolch in Schach hielt, war gedrungen, aber nicht dick. Er wirkte muskulös und äußerst skrupellos. Das konnte allerdings auch an den schmutzigen Sachen, die er trug, und an seiner Augenklappe, die er über dem linken Auge hatte, liegen.
Verfilztes, dunkles Haar fiel ihm bis auf die Schultern. Als er den Mund öffnete, um Rann anzumeckern, entblößte er eine Reihe schlechter Zähne. „Los, Bürschchen, nicht stehenbleiben!“, rief er ungeduldig und schubste Jann leicht nach vorne. An den Schatten konnte der Junge sehen, dass zwei weitere Männer den Körper... die Leiche? von Jamie hinterhertrugen.
Er blickte wieder nach vorne. Ein großer Felsblock versperrte der kleinen Gruppe den Weg. „Wer ist da?“, schallte eine Stimme durch den massiven Stein hindurch.
„Die Retter dieses Landes!“, antwortete der kleine Mann laut.
Mit viel Geknirsche und großem Geächze wurde der Felsblock zur Seite gewuchtet und gab einen schmalen Durchgang frei. Ranns Entführer nickte den beiden mit Speeren bewaffneten Wachen kurz zu. Dann führte er seine Geisel durch ein Labyrinth von Gängen und Räumen. Schließlich blieben sie vor einer Holztür stehen, die von einem Mann in schimmernder Rüstung bewacht wurde. Auf dem Brustharnisch schimmerte ein roter Drache. Rann runzelte die Stirn. Ich kenne keinen Orden des Roten Drachen... welchem Ritterorden gehört dieser Ritter an? Er hatte keine Zeit, um lange nachzudenken, denn nach einem kurzen Gespräch mit dem Ritter schob ihn der gedrungene Kerl wieder vorwärts. Die Tür öffnete sich und die beiden traten hindurch. Als sich die Tür hinter den beiden geschlossen hatte, nahm der Mann endlich seine Waffe von Ranns Hals. Jamie war nicht da. Er hoffte inständig, die Männer hatten ihm nichts angetan und ihn nur bewusstlos geschlagen. Er hatte nämlich begonnen, den Mann, der am Ende genauso weltlich war wie er und Sheryl, auch wenn er nicht so wirkte, zu mögen.
Dann sah sich der junge Prinz in dem Raum um, in den er geführt worden war.
Es war eine hohe Halle, anscheinend in den massiven Stein geschlagen. Ein riesiges Gewölbe erhob sich über seinem Kopf. Der schwarze Stein schien jedes Licht einfach zu schlucken und wirkte unendlich groß und ungeheuer bedrohlich. Ein kalter Schauer jagte seinen Rücken hinab. Dies war wahrlich kein Ort zum Wohlfühlen. Es sah mehr aus wie ein Thronsaal. Hierzu gab es nur einen wesentlichen Unterschie:. In dem Raum gab es weder Thron noch Stuhl noch Tisch. Nur ein kleiner Teppich in der genauen Mitte der Halle diente als Zeichen, dass hier manchmal Menschen verweilten. Auf dem Teppich stand eine Schale mit Wasser. Wasser? Ich frage mich, was das hier soll... Wozu sollte man in einer riesigen Halle wie dieser ein kleines Schälchen mit Wasser benötigen?, fragte sich Rann.
„Ich benutze es als Medium für Beschwörungen“, antwortete eine sanfte männliche Stimme. Rann wirbelte herum. Wo kam das her? Und warum konnte es seine Gedanken lesen?
Dann fiel sein Blick wieder auf den Teppich. Und plötzlich erkannte er ihn...
Auf dem fliegenden Teppich saßen ein älterer Herr mit schwarzen, grau durchwirkten Haaren und einem langen Gewand... und Sheryl!
Rann erzählt:
Alles Lüge... Lüge und Verrat... ich hatte einiges erwartet, es war ja nicht das erste Mal, dass ich in eine gefährliche Situation kam. Aber wer hätte damit gerechnet, dass ausgerechnet meine Führerin, der ich begann zu vertrauen, dass ausgerechnet das Mädchen, zu dem ich mich hingezogen fühlte, mich verraten würde...? War denn alles gespielt gewesen? Ich hatte geglaubt, Freude in ihren Augen zu sehen und es war Hass gewesen. Ich hatte geglaubt, ihr Vertrauen gewinnen zu können und stattdessen hatte sie von Anfang geplant, mich weit weg von Zuhause entführen zu lassen! Ich war mir nie sicher über meine Gefühle gewesen, aber jetzt, wo sie so von mir weit weg war wie nie, jetzt spürte ich dieses schreckliche brennende Verlangen in mir, von ihr nette und bewundernde Worte zu hören. Wer würde damit rechnen, dass sie sich in mich je verliebt? Niemand. Nicht einmal ich, so sehr ich es mir auch wünschte, glaubte wirklich daran. Aber von ihr zu hören, dass sie mich hasst, wäre das Schlimmste. Und war dies hier nicht der Beweis dafür, dass sie genau das fühlte? Hass, Zorn, Enttäuschung... sie hatte mir ihre Geschichte erzählt. Aber Sheryl war nicht nur stark aus ihren Erfahrungen hervorgegangen, sondern auch verbittert. Nein, sie musste nichts mehr sagen, ich wusste auch so, dass sie mich verabscheute. Da war sie, die Gewissheit... Und ich fiel innerlich völlig zusammen. Tiefe, endlose Leere machte sich in mir breit. Da war nichts mehr. Keine Liebe, kein Hass, kein Schmerz, kein Leid. Ich war nur noch eine unmenschliche, gefühllose Puppe, als sich meinem Mund endich die alles entscheidende Frage entrang: „Warum, Sheryl? Hast du mich hintergangen?“ Ich erwartete hämisches Gelächter, spöttisches Grinsen und eine ironische Antwort. Ich bereitete mich auf die schreckliche Wahrheit vor, als sich Sheryl mir langsam näherte. Meine Augen waren geschlossen und ich betete, dass sie mein Herz schnell brechen würde. Bitte, keine langen Schmerzen... bitte, lass es schnell vorbei sein... bitte, quäle mich nicht... bitte, wenn du es gesagt hast, lach nicht... bitte, lach nicht... alles, nur das nicht. „Bitte“, flüsterte ich. „Sag’ es schnell.“ Meine Augen waren fest zugepresst. Sie war ganz nah... ich spürte, wie sie Luft einsog, wie sich ihr Mund öffnete, wie sie sich vor mein Gesicht beugte. Ich spürte, wie mein Herz vor schrecklicher Erwartungen zerspringen wollte. Konnte sie es hören, die leisen, knirschenden Geräusche, als es tiefe Risse bekam?
„Wovon redest du, verdammt!“
Sheryls Gesicht war vor Zorn gerötet. „Bist du betrunken oder verrückt?“, zeterte sie, die Hände in die Hüften gestemmt. Schwach öffnete Rann die Augen. Sein Blick drückte Verwirrung und Todesangst gleichzeitig aus.
„Also... nicht?“, flüsterte er. „Du hast hiermit nichts zu tun?“ Er klang krank. Etwas besorgt löste Sheryl seine Fesseln.
„Geht’s dir nicht gut?“, fragte sie? Rann nickte. „Es war doch nur eine Patrouille... ich hätte nicht gedacht, dass Nelm einem einen solchen Schrecken einjagen kann. Ihr Götter... er ist ganz blass...“
Der Mann hob Ranns Kinn an. Er lächelte geheimnisvoll. „Nun, dass war nicht Nelm... unser junger Freund hatte Angst vor dir...“
Nelm, der kleine, kräftige Mann, der Rann gebracht hatte, trat unruhig von einem Fuß auf den anderen. Der ältere Herr entließ ihn mit einer eleganten Handbewegung. „Kümmer dich darum, dass der andere freigelassen wird. Er gehört zu uns.“
Schnell verließ Nelm die Halle.
Sheryl holte tief Luft und erklärte Rann einen Teil dessen, was vorgefallen war.
„Dieser Mann ist ein Freund von mir, besser gesagt, einer meiner Lehrmeister. Ich wusste, dass er hier ist, wollte ihn aber zuerst allein sprechen. Er wird uns Unterschlupf für die Nacht gewähren. Hier sind wir sicher. Er schickt Patrouillen, um die Gegend von Feinden zu... säubern. Da Nelm und seine Männer nicht wussten, dass ihr beide zu mir gehört, haben sie euch erstmal mitgenommen. Das ist alles.“
Rann deutete mit dem Finger auf den älteren Herrn, der immer noch lächelte. „Wer ist er?“
Sheryl warf dem Mann einen kurzen, beunruhigten Blick zu. Er nickte, und so erzählte sie auch von ihm.
„Er ist der Sohn des größten Magiers aller Zeiten, Themis. Sein Name ist Tars ak’Themis.“ Mit einem schiefen Lächeln fügte sie hinzu: „Das ist zwar nicht sehr einfallsreich, aber es passt. Tars bedeutet so viel wie ‚der Weise’. Und das trifft zu. Er hat mir viel über Heilkräuter beigebracht. Als Kämpfer kann man so etwas immer gebrauchen, weißt du?
Themis ist vor einigen Jahren gestorben und nun ist er hier, um sein Werk zu vollenden.“
Anmerkung der Autorin: ak’... bedeutet so viel wie ‚Sohn’)
Rann runzelte die Stirn. „Ich glaube, ich kann mich an Themis erinnern... er war mal auf unserem Schl– ich meine, bei uns zu Hause.“ Dann fiel ihm ein, dass der Zauberer offensichtlich Gedanken lesen konnte. Daher hatte es nicht viel Sinn, zu lügen. „Ach... er hat das große Tor gesegnet. Damals habe ich ihn gesehen.“ Er betrachtete Tars eingehender. „Ihr seht ihm ähnlich.“
Tars nickte. „Ich weiß. Wenn Eure Hoheit sich setzen möchten...“ Er schwenkte kurz mit der Hand und zeigte auf den Teppich. Ein wenig enttäuscht setzte sich Rann auf den alten Teppich in der Mitte der Halle. Keine Magie? Irgendwie hatte er erwartet, wie von Zauberhand würden Tische und Stühle erscheinen oder so etwas.
Belustigt antwortete Tars auf die unausgesprochene Frage: „Magier studieren die Natur und ihre Kräuter. Manchmal machen sie sich die Kraft der Elemente zunutze, um Dinge zu beschwören oder ähnliches. Niemand von uns ist in der Lage, Dinge nach Belieben erscheinen zu lassen. Das ist dummes Geschwätz und dient nur dazu, den Respekt vor unserer Gilde aufrechtzuerhalten. Wenn das gewöhnliche Volk wüsste, dass wir keine Zauberer, sondern nur die Boten der Natur und ihrer Götter sind, würden wir einige unserer Privilegien verlieren. Das ist alles.“
Also war Rann nicht besser als das Bauernvolk und auf einen Aberglauben hereingefallen? Er wurde tiefrot und duckte sich etwas.
„Ihr übermittelt Botschaften für die Götter?“
„So würde ich es nicht nennen“, widersprach der Mann. „Wir segnen Gegenstände und machen sie zum Eigentum der Götter. Wenn uns die Götter gnädig sind, dürfen wir diese Dinge danach noch benutzen. Daher darf man nichts falsch machen bei einer Segnung. Stellt Euch vor, Ihr verärgert unbeabsichtigt den Gott des Feuers bei der Segnung einer Burg. Sie wird auf ihre Grundfesten herabbrennen und Ihr selbst mit ihr. Daher sind gute Magier so selten. Man darf absolut keine Fehler machen. Wenige gehen das Risiko ein, einen oder mehrere Götter zu verärgern. Wenn wir die richtigen Götter anrufen, können wir durch die Luft reisen oder unter Wasser gehen. Aber es ist die Gnade der Hohen Herren, die über unsere Fähigkeiten bestimmt.“
Verstehend nickte Rann. Er versuchte, interessiert und wissend zu wirken. Als er Sheryls Blick begegnete, wusste er, dass er sich mal wieder völlig falsch verhielt. Aber in ihren Augen lagen nicht nur Zorn und Spott, da war auch Trauer und Verständnis. Sie schlug die Augen nieder, um ihm auszuweichen. Das war das erste Mal, dass sie sein Gesicht nicht ertrug. Was hatte Sheryl noch für Geheimnisse? Würde sie sie je mit Rann teilen? Auch er senkte den Blick. Keine Chance...
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Verdammt!!!!! Jetzt ist er doch in sie verknallt! Eigentlich wollte ich das vermeiden, aber... es hat mich überfallen... na gut, solange es Cal gibt, wird Sheryl wohl kaum was mit Rann anfangen... hoffe ich.