Original geschrieben von Kaiser Wilhelm
Weder ein Hurra-Patriotismus wie zu Wilhelms Zeiten, noch ein Nationen verneinendes Minderwertigkeitsempfinden wie heute. Es gilt die Mitte zu finden.
P.S. Patriotismus hört für mich da auf, wo Hochmut gegenüber anderen Völkern anfängt.
Ich finde die Ausführungen von Wilhelm an sich inhaltlich vollkommen stimmig. Die Deutschen haben ein erkranktes Verhältnis zu ihrer nationalen Identität. Während nahezu jeder andere Nationalstaat (USA, GB, Frankreich, Italien) einen gesunden und auch nicht offensiven Patriotismus entwickelt hat, sind Wörter wie "Nation" oder "Patriotismus" fast Tabu und Schande. Die Ursachen liegen im zunächst Unterdrückten Nationalgefühl nach Wien 1815, dann im vergeblichen Krieg um die Nationalstaatliche Einheit 1848 bis hin zum rasanten Aufstieg der Nationalen Idee im Imperialsmus der 1870er. Die Deutschen steigerten sich in einen nationalen Wahn, die Ergebnisse sind uns bekannt: Der erste Weltkrieg, der in seinem demütigenden Ende Ursache des zweiten Weltkriegs war.
Die Deutschen misstrauen jeder Form von Nationalismus und Patriotismus. Ein Kind, welches sich an etwas heißen verbrennt, wird es so schnell nicht wieder anfassen. Dieses gestörte deutsche Verhältnis hat zwar nachvollziehbare Ursachen, ist aber weitgehend unbegründet! Wer heute Abend ARD gesehen hat, hat vielleicht die 700k Briten gesehen, die sich ihre Nationalhymne singend und weinend in den Armen lagen und ihre Königin feiern, alles über und über mit Union Jacks, die Menschen freuten sich und feierten gemeinsam, wie ein Familie.
Sowas wäre in der BRD schlichtweg undenkbar. Wann sieht man mal unsere Nationalfarben - die ja wohl ein riesenhaftes Symbol für Freiheit, Gleichheit und Einheit und NICHT für Nationalismus - darstellen? So gut wie nie. In Amerika singen die Schüler jeden Morgen ihre Hymne, auch in Frankreich (man möge mal dem Text auf deutsch lauschen). Unsere offizielle deutsche Hymne ist ein Apell für Freiheit, Menschenrechte und Toleranz... sie bleibt ungesungen. Ich hasse diese rechten Splittergruppen, die sich zu Verfechtern der nationalen Sache erklärt haben! Sie ziehen alle diese Dinge in den Schmutz!
Ich bin weder Rechts, noch ein Nationalist. Ich bin ein liberaler Idealist und auch bin ich ein Demokrat. Ich bin diesem Land dankbar für das Leben, dass es mir individuell ermöglicht hat. Ich bin dankbar für die doch so weitreichende Toleranz die es mir entgegenbrachte. Ich bin nicht "stolz Deutscher zu sein", oder nehme die Nationalitäten als Maßstab für eine Bewertung von Menschen. Ich habe viele Freunde aus anderen Ländern und ich liebe es, mich mit ihnen über ihre Staaten zu unterhalten, mehr über diese zu erfahren. Deutschland ist lange kein perfektes Land, Kritik in vielen Bereichen ist zwingend angebracht... doch müssen wir so tun, als ob wir unsere Verwandschaft und unser Erbe hassen oder es einfach ignorieren? Nationalismus ist das grösste Gift des 20. Jahrhunderts. Patriotismus ist wesentlicher Bestandteil einer jeden funktionierenden und bürgernahen Demokratie, nochmals nenne ich hier die USA oder Frankreich. Es ist ein wesentlicher Indikator dafür, dass die Menschen IM Staat GEMEINSAM leben und sich nicht wie regierte Sklaven fühlen!
Was ich mir aber wünschen würde - das die Deutschen endlich ein demokratisches Verhältnis zu ihrer Nation entwickeln und auch einmal ihre Dankbarkeit ihren Werten gegenüber zeigen. Wer feiert in Deutschland den Nationalfeiertag am 03.10. (der übrigens mein Geburtstag ist... wie prophetisch

)? Niemand! Das finde ich traurig.
Deutschland sollte ein wenig mehr Selbstbewusstsein entwickeln, es liegt immerhin im Zentrum eines friedlichen und zusammenwachsenden Europa, das selbst auch zu einer einheitlichen Identität finden muss und wird. Wir haben Schuld auf uns geladen, aber wir müssen diese nicht ewig mit uns tragen. Vergessen dürfen wir es niemals, doch darf unsere Zukunft nicht an der Ketten der Vergangenheit ruhen.
Heine sagte doch so schön in seinem Wintermärchen:
"Denk ich an Deutschland in der Nacht, so bin ich um den Schlaf gebracht...".