[Erde - Kampfplatz]
"Du spürst doch das gleiche wie ich, Sentinel, oder?", ertönte die bekannte Stimme hinter der Stirn des alten Kree-jin, der den Befehlston in ihr nicht abstreiten konnte. Etwas brummend setzte er zur Antwort. "Natürlich. Ganz egal, was dieser Junge auch in den letzten Tagen getrieben hat, diese Kraft kommt nicht von ihn. Und im Moment spüre ich eine immer stärker werdende Inhomogenität zwischen zwei Energien, die sich in seinem Körper tummeln."
Inhomogenität war noch milde ausgedrückt. Für die Sinneswahrnehmung des alten Kämpfers war es eher so, als würde ein Orkan im Inneren des Aka-jin wüten. Ein Orkan, der noch zu Beginn des Konflikts eine klare, eindeutige Farbe hatte, aber sich nun immer mehr und mehr in zwei unterschiedliche Farbtöne ausmischte. Sentinel hatte dieses Phänomen schon öfters beobachten können. Meist waren es zwei unterschiedliche Seelen, die in einem Körper stritten, oder zwei Persönlichkeiten, die um die Dominanz rangen. Doch dieses Mal sah es ein wenig anders aus. Einer der beiden Farbtöne im Ki des Aka-jin - es war der etwas rötlichere - Schien vollkommen fremd in Reapers Körper zu sein. Und bei genauerem Betrachten, mit den Sinnen eines ehemaligen Wächters, konnte man sogar einen winzig dünnen Faden von diesem Ki erkennen, der aus der Ferne kam.
"Jemand kontrolliert ihn.", murrte Byakko, als er zum selben Schluss kam. "Oder jemand mischt sich ungefragterweise ein. Ich denke, das ist die Rechtfertigung, die wir brauchen, oder?" Ein dumpfes Lachen erklang in seinem Verstand. "Du bist kein Wächter mehr, Sentinel. Du brauchst nicht mehr um Erlaubnis bitten, wenn du eingreifen willst. Und wie zu zuvor gesagt hast: Dies ist schon lange kein ehrenvoller Kampf mehr. Also. Wenn du führst, werde ich folgen."
Weiße Energie bildete sich in den beiden Handflächen des Kriegers, während sich sein Körper zu dematrealisieren begann. An dessen Stelle trat ein gleißendes, pur weißes Licht, welches fast so hell wie eine zweite Sonne strahlte. Einen Sekundenbruchteil später erfüllte ein Lichtblitz den Kampfplatz, als Sentinel und Byakko in Form von reiner Energie in den kleinen, dunklen Ki-Faden eindrangen, der Reapers Körper verließ.
[Neu - Namek]
Lautlos und schnell bewegte sich das Serpent Commando über die grünen Grasflächen des Planeten. Kein Wort wurde gesprochen, als sie in der besprochenen Formation vorwärts rückten, aber Azraels Geist war hellwach. Er war das letzte Mal vor langer, langer Zeit auf diesem Planeten gewesen. Doch damals war alles anders. Er war weder Lord, noch waren seine Beweggründe, die ihn auf Namek führten, einer vergleichbar ernsten Natur. Dieses Mal war er gekommen, um einen Namen aus dem ewigen Buch zu streichen. Ganz egal was passieren würde, dieses Mal durfte er nicht erkannt werden.
"Habe Zielkoordinaten erreicht. Eine namekianische Siedlung liegt vorraus. Ganz offenbar ist sie belagert.", drang es über Funk von Runner, wenige Sekunden, bevor auch die beiden anderen Mitglieder des Teams ihre Zielpunkte erreichten und hinter einer größeren Felsenformation in Dekung gingen. Mirror und Roamer spähten vorsichtig in Richtung des beschriebenen Dorfes und sahen bereits im nächsten Moment, was ihre Kameradin als Belagerung definierte. Eine Handvoll Namek-jin, vielleicht ein gutes Dutzend, knieten vor ihren Hütten, die Hände hinte rihren Köpfen verschränkt, während eine Gruppe von bewaffneten, eindeutig nicht-namekianischen Soldaten Wache schob. Den ersten Empfinden, welches Azrael von der Gruppe bekam, befanden sich keine Nachtmahren darunter. Dafür konnte er aber die namekianischen Geiseln genauer betrachten. Die meisten von ihnen waren Greise oder kleine Kinder. Der Gestank von verbrannten Fleisch und Blut lag in der Luft. Mit größter Wahrscheinlichkeit war auch dies der Grund, warum kein wirklich wehrfähiger Namekianer bei der Gruppe zu finden war. Ein dunkles Feuer erglimmte in Azraels Augen, dass er nur unter größten Einsatz zügeln konnte.
"Haltet euch zurück. Runner, von unserer Seite aus können wir keine positive Identifizierung klarmachen. Vernimmst du von deiner Position aus die Präsenz einer der unsrigen?", sprach Roamer leise in das Funkgerät und wartete auf Antwort.
[Erde]
Weiß und Schwarz vermischten sich für einen knappe Sekunde, die aber in den Gedanken von Sentinel wie eine Ewigkeit erschien. Die andere Macht war stark, und unberechenbar, aber er hatte Byakko auf seiner Seite. Ein Kijin, so alt wie die Elemente selbst, dessen Weisheit wohl nur noch von seinem unzähmbaren Willen übertroffen wurde. Und von seinem äußert klar definierten Ego, welches einfach gewinnen wollte. Vielleicht war das der Grund, wieso sich der weiße Tiger ständig mit Rico gestritten hatte. Die beiden waren einfach zu ähnlich.
Die Existenz als körperlose Energie erzückte Sentinel. Es war ein vertrautes Gefühl, als würde man in eine alte Uniform schlüpfen, die man Jahrzehnte getragen hatte. Was von der Wahrheit gar nicht mal so weit weg war.
"Wer bist du?", zuckte der Gedanke durch das Weiß der beiden Krieger und fand auch schon sogleich Resonaz in den dunklen Wellen, die zwar in Form eines kleinen Fadens den Weg zu Reaper fanden, aber so stark wie Tsunami auf die Essenz des Kijin und des Kree-jin hereinpreschten. Plötzlich wuchsen zwei unendlich böse Augen und eine aufblitzende Zahnreihe aus dem umgebenden Dunkel der beiden Kämpfer.
"Als Wächter hättest du mir vielleicht entgegentreten können, aber so... mach dich nicht lustig über mich.", stachen die Worte in Sentinels Verstand, de reine gewisse Vertrautheit in der schneidenden Stimme erkennen konnte. Aber ehe er wirklich Konzentration finden konnte, wurde der Druck unmenschlich gewaltig. Ein unzähmbarer Wille, der sich Byakko und Sentinel entgegen stellte. Eine Macht, die größer war, als die ihrige. Eine leichte Panik drang in dem Kree-jin auf, als er das auch zu verstehen begann. "Bleib ruhig, alter Mann, und denk nach. Sie ist stark, na und? Als ob du das erste mal gegen eine Übermacht gekämpft hättest. Was macht man, wenn man einer Überlegenheit entgegensteht?"
Für K'Darim erschien es wie ein einfacher Lichtblitz, der Reaper im Rücken traf und keinen Sekundenbruchteil später seine Brust wieder verließ. Er zuckte noch einige hundert Meter weiter, ehe sich die geballte Energie wiede rin zwei Körper absplitterte. Einen weißen, riesigen Tiger und einen alten Kämpfer.
Der mit erschöpften Blick auf den Aka-jin sah. Erschöpften, aber zufriedenen Blick.
"Man sucht nach dem Schwächsten Glied in der Kette.", sprach Sentinel leise, als seine Sinne bestätigen, was er bereits wusste. Wie ein überdehntes Gummiband riss die Energieverbindung zu Reaper.
Sentinel war sich sicher, dass dieses Gummiband irgendjemand sehr schmerzhaft ins Auge geschnaltzt bekam.