nunja, sicher nicht der Ausbund an Qualität und hochstehendem Film, aber andererseits halt mal wieder richtig gute Unterhaltung, die zumindest dank Depp doch nicht so ganz 08/15-mässig daher kommt. Von da her hätte dieser Film vermutlich ohne die richtige Besetzung gehörig Schiffbruch erlitten...
Käpt'n Spatz auf großer Fahrt
Piratenfilme wurden in Hollywood oft verflucht: zu teuer, zu erfolglos. Doch jetzt verleiht die Action-Komödie "Fluch der Karibik" dem Seeräuber-Genre neuen Schwung.
Vor nichts fürchtet sich Hollywood so sehr wie vor Piraten. Mit Videokameras bewaffnet, kapern moderne Freibeuter die Kinos, filmen die neuesten Spektakel von der Leinwand ab und verbreiten die Aufnahmen dann via Internet. Verdächtige Gestalten, die Filme schon vor dem offiziellen Starttermin sehen wollen - Journalisten zum Beispiel -, müssen sich deshalb am Kinoeingang immer öfter Kontrollen gefallen lassen wie auf Flughäfen. Nur dass nicht nach Waffen gesucht wird, sondern nach versteckten Kameras. "Unerlaubte Aufnahmen werden sofort zur Anzeige gebracht", warnt eine offenbar auch grammatikalisch verunsicherte Filmfirma in einem "wichtigen Piraterie-Hinweis".
Durch die Video-Piraten drohen Hollywood Milliardenverluste; immerhin einige hundert Millionen haben die Studios in den letzten zwanzig Jahren jedoch mit eigenen Piratenfilmen versenkt.
Wann immer Seeräuberdarsteller die Leinwand enterten, ergriffen die Zuschauer die Flucht. Selbst Erfolgsregisseure wie Roman Polanski ("Piraten") oder Steven Spielberg ("Hook") erlitten Schiffbruch; der Action-Spezialist Renny Harlin trieb 1995 mit seiner 100-Millionen-Materialschlacht "Die Piratenbraut" sogar die mächtige Produktionsfirma Carolco in die Pleite. Zuletzt scheiterten die Zeichner von Disney bei dem Versuch, die gute alte "Schatzinsel" ins Weltall zu verlegen: Nur wenige Zuschauer wollten 2002 den "Schatzplaneten" entdecken.
Auf Piratenfilmen schien ein Fluch zu liegen - bis zu diesem Sommer. Ausgerechnet ein Seeräuberfilm erfreut in den USA gleichermaßen das Publikum, die meisten Kritiker und die Buchhalter der Walt-Disney-Studios: die Action-Komödie "Pirates of the Caribbean - The Curse of the Black Pearl", die nächste Woche unter dem Titel "Fluch der Karibik" auch in die deutschen Kinos kommt.
"Pirates of the Caribbean" hieß ursprünglich eine Attraktion mit Wasserrutsche und Plastikhöhle im Disney-Themenpark - ein Budenzauber, der weniger historischen Seeräuberdarstellungen nacheifert, als vielmehr erfolgreiche Hollywood-Klassiker zitiert, von "Captain Blood" (1935) bis zum "Roten Korsar" (1952). "Fluch der Karibik" (Produktion: Jerry Bruckheimer, Regie: Gore Verbinski) ist also das Zitat eines Zitats, das vorläufige Ende eines popkulturellen Verwurstungsprozesses und ein neues Modell für Synergie à la Hollywood: Der nächste Film nach einer Disneyland-Attraktion, "The Haunted Mansion", ist bereits abgedreht.
Anders als Western oder Gangsterfilme ist das Piraten-Genre nie erwachsen geworden. Piratenfilme sind immer, mehr oder weniger, Kinderfilme; der verspielte Umgang mit Säbeln, Schiffen und Schwerkraft ist wichtiger als dramatische Plotwendungen - eine Regel, an die sich auch die "Karibik"-Drehbuchautoren Ted Elliott und Terry Rossio ("Shrek") gehalten haben.
Entsprechend dürfen auch hier die Helden kämpfen, ohne zu leiden; sie nutzen, wie Burt Lancaster im "Roten Korsar", ein umgedrehtes Ruderboot als Tauchglocke; ihr Verhältnis zur Seefahrt und zu Frauen ist eher ironisch-distanziert als leidenschaftlich, die Piratenbraut also eher Kriegsbeute als Lustobjekt.
Die Piratenbraut in "Fluch der Karibik" spielt Johnny Depp. Das heißt: Eigentlich gibt er den Freibeuterkapitän Jack Sparrow, doch die Make-up-Künstler haben ihm mehr Lidschatten aufgespachtelt als Liz Taylor in "Cleopatra". Wie ein bekiffter Fred Astaire tänzelt Depp von Szene zu Szene und gurgelt - zumindest im amerikanischen Original - seine Dialogsätze irgendwo im Rachen durch, bevor er sie als Buchstabensuppe ausspuckt. Während Depp als Käpt'n Sparrow (Spatz) die seltsamste Piratenparodie der Filmgeschichte abliefert, betreibt sein Zahnarzt eine lustige Mundhygienekampagne. Dr. Rick Glassman, verantwortlich für die "Dental Special Effects for Johnny Depp", hat allein in dessen Gebiss drei Goldkronen sowie eine aus Platin eingebaut.
Der Rest folgt der Eskalationslogik jedes Bruckheimer-Films, wonach zwei Explosionen besser sind als eine; die Überraschung besteht darin, dass diesmal auch die Pointen zünden. Um die Räuberpistole in Gang zu setzen, entführt die Piratenbande von Barbossa (Geoffrey Rush) eine schöne Gouverneurstochter (Keira Knightley), die - Postfeminismus im 18. Jahrhundert - auch selbst zum Säbel greift. Ihr Lover in spe (Orlando Bloom) will sie befreien; Sparrow versucht, nicht zwischen die Fronten zu geraten. Es gibt schnelle Schiffe, einsame Inseln, einen sagenhaften Goldschatz und einen mysteriösen Fluch, der Piraten in lebende Leichen verwandelt. Der Fluch wirkt übrigens noch: Produzent Bruckheimer arbeitet bereits an einer Fortsetzung.
Dass Freibeuter nicht sterben können, ist allerdings keine Hollywood-Erfindung. Nachdem der Henker dem Seeräuber Klaus Störtebeker den Kopf abgeschlagen hatte, lief der noch, so die Legende, an elf Kameraden vorbei, die daraufhin begnadigt wurden. Kopflos, aber nicht totzukriegen: Das haben Piraten und Piratenfilme offenbar gemeinsam.
DER SPIEGEL