Kapitel 6
Migel und Merrick befanden sich nun alleine im Trainingsraum, als Alexia diesen so überstürzt verlassen hatte. Es herrschte ein betretenes Schweigen, bis Migel unterwürfig seine Stimme erhob.
"Eure Majestät, wenn ich das richtig verstehe ist Alexia also .. eure Nachfolgerin?"
Merrick legte zwei Finger an sein Kinn und strich sich nachdenklich über dieses. Seine Blicke gingen fahrig durch den Raum, als ob er sich einen Orientierungspunkt suchen müsste. Erst nach einer Weile sah er ihn wieder an.
"Ja, so ist es Migel. Und du fragst dich jetzt bestimmt warum ich mir keine Ausrede hab einfallen lassen. Ist es nicht so? Nun, ich werde es dir verraten. Ab sofort wirst du Alexias Leibwächter sein. Du wirst sie beschützen und sie im Auge behalten."
Migel sah ihn nur entgeistert an und bevor er auch nur ein einziges Widerwort, ein einziges Kommentar dazu abgeben konnte, schnitt Merrick ihm mit einer Handbewegung scharf das Wort ab.
"Das ist ein Befehl, Migel! Keine Diskussion!"
Alexia kniete noch immer vor ihrem japanischen Tisch, ihren Kopf auf ihre gefalteten Hände abgestützt, während vor ihr der Brief lag – ungeöffnet und unberührt. Sie wagte es nicht ihn zu öffnen, bzw. sie traute sich nicht. Alexia hatte Angst, dass der Brief nur eine Illusion sei, dass er verschwinden würde wenn sie ihn auch nur mit ihren Fingerspitzen berühren würde. Mit einem aufseufzen ließ sie sich nach hinten fallen und starrte nachdenklich den Kronleuchter an. Was sollte sie jetzt tun?
Mit einem gewaltigen Klirren flog eine bleierne Hantel direkt an die Wand, hinterließ einen länglichen Riss und eine tiefe Einkerbung in der Steinwand. Der Werfer war niemand anders als der wütende Migel. An der Wand befanden sich schon einige Risse und Einkerbungen, dementsprechend lagen vor der Wand auch schon einige Hanteln. Migel nahm eine weitere in die Hand und wog dessen Gewicht ab. Er konnte es nicht fassen das ausgerechnet er auf Alexia acht geben sollte. Migel hasste sie, auch wenn er immer versuchte sie zu verführen, sie endlich für sich zu gewinnen. Notfalls mit brutaler und rücksichtsloser Gewalt. Vielleicht sollte er darüber nachdenken diese endlich anzuwenden.
Impulsiv warf er die Hantel in seiner Hand mit voller Wucht an die Wand, diesmal war der Riss länger als sonst, die Einkerbung war deutlich tiefer. Es zeugte von einer gefährlichen Wut, die in seinem Inneren brodelte. Bevor er jedoch die nächste werfen konnte, welche sich schon in seiner Hand befand, erklang hinter ihm eine männliche Stimme.
"Hey Alter, welche Laus ist dir den über die Leber gelaufen?"
Hinter ihm stand, lässig und mit gekreuzten Armen an der Wand lehnend, Migels bester Freund Fabian. Sein Lippen zierten ein belustigendes lächeln, seine blond-braunen Haare fielen ihm frech ins Gesicht, während seine Kleidung ganz in schwarz gehalten war. Seine Interesse galt einzig und allein Migel, während seine rötlich-orangen Augen desinteressiert den Trainingsraum begutachteten. Er war recht selten hier, eigentlich so gut wie nie. Doch jetzt war er hier, da das laute Klirren ihn gestört hatte – beim essen.
"Das geht dich n feuchten Schmutz an, Fab."
Migel klang sehr gereizt und war nicht gerade freundlich gesinnt, auf Niemanden. Er warf Fabian nichts weiter als einen genervten Blick zu, doch so leicht würde Fabian sich nicht vertreiben lassen. Er mochte es nicht, wenn sein Kumpel ihn so schroff behandelte und er nicht den Grund dafür kannte. Im Raum hing jedoch noch immer Merricks Geruch, weswegen ihm eine leise Ahnung beschlich.
"Du hattest n Gespräch mit unserem König, nicht wahr? Und die kleine Schnecke war auch hier."
Unsanft fiel die Hantel auf den Boden, dass Klirren halte bedrohlich an den Wänden wieder. Gefährlich langsam drehte sich Migel um, sah Fabian gefühllos in die Augen. Dieser ausdruckslose Blick ließ Fabian frösteln, weshalb er abwehrend seine Hände hob und sich dem Ausgang näherte.
"Schon gut, schon gut, ich geh ja schon. Aber wenn du reden willst, du weißt ja wo mein Zimmer ist."
Mit den Worten drehte er sich herum, verließ den Raum und ließ einen unberechenbaren und gereizten Migel zurück.
Inzwischen hatte Alexia, als es aufgehört hatte zu regnen, heimlich die Burg verlassen und befand sich nun in einem Cafe mit dem Namen >>Moonlight<<. Es war ein gut besuchtes Cafe, welches in der Nähe der Innenstadt erbaut worden war. Der Name Moonlight kam daher, da die Decke in einem tiefen Blau gehalten worden war, an dem unzählige kleine Lichter in Form eines Mondes befestigt waren. An den Wänden befanden sich mondförmige Lampen, die das Cafe in ein sanftes Licht tauchten und so für eine angenehme Atmosphäre sorgten. Die Tische und Stühle waren aus einem dunkelbraunen Holz gefertigt. Auf so einem Stuhl saß nun Alexia, der Brief befand sich in ihrer schwarzen Lederjacke. Alexia hatte sich, kurz bevor sie die Burg verlassen hatte, eine dunkelblaue Jeanshose angezogen, darüber trug sie ausnahmsweise ein hellblaues Shirt, welches aber größtenteils von ihrer Jacke verdeckt wurde.
Nun war sie hier, im Cafe, vor ihr befand sich eine Tasse mit heißem Kaffee. Es würde auffallen wenn sie nichts zu trinken oder zu essen bestellen würde, solche Menschen waren meist verdächtig. Nachdenklich rührte sie immer wieder mit dem Löffel in ihrem Getränk – einmal links rum, einmal rechts rum. So ging das eine ziemlich lange Zeit.
Ich wusste nicht was ich tun sollte, der Brief hatte mich ziemlich verwirrt – aber um ehrlich zu sein war ich auch verstört. Und das war ich sehr sehr selten. Behutsam holte ich den Umschlag hervor, hielt ihn einfach nur schweigend in meiner Hand.
Dann verließ ich dreist das Cafe, ohne den Kaffee zu bezahlen. Sollten sie mir doch die Polizei auf den Hals hetzen. Meine Schritten lenkten mich in eine schmutzige und heruntergekommene Gasse, wo ich bewegungslos verharrte, wie ein düsterer Schatten. Langsam glitt meine Hand in meine Hosentasche, fischte ein silbernes Feuerzeug hervor und sah es an. Nein .. ich sollte dich vergessen. David, du bist tot! Ich hatte es gesehen, mit meinen eigenen Augen. Der Brief konnte nicht von dir sein, nein, er konnte es nicht.
Dies war eine bittere Erkenntnis. Alexia ließ die Flamme aufschnappen und hielt den Umschlag mit dem Brief darunter. Die Flamme leckte erst scheu an dem Papier, bis es langsam begann zu brennen, während Alexia ihn noch immer in der Hand hielt. Ihr Griff lockerte sich, bis der Umschlag letztendlich brennend aus ihrer Hand fiel, gen Boden segelte und dort einsam und allein liegen blieb. Sie selbst drehte sich herum und verließ mit schnellen Schritten die Gasse. Hinter ihr brannte die letzten Reste des Briefes langsam nieder, bis nur noch ein kleiner Haufen Asche übrig blieb.
Als sie um die Ecke bog, bremste sie ab. Nur ein paar Meter von ihr entfernt lehnte Dragon an der Wand und schenkte Alexia einen amüsierten Blick. Keiner der beiden beachtete jetzt mehr die Menschen um sich herum.
"Ich hätte mir denken können, dass du auf den Brief nicht reinfallen würdest. Aber deine Verwirrtheit zu beobachten, deine Hoffung das dein über alles geliebter Bruder David noch leben würde, war wirklich mehr als köstlich."
Dragon schenkte Alexia ein dreckiges grinsen, während sie langsam wütend und zugleich traurig wurde – eine teuflische Mischung. Doch genau das beabsichtigte Dragon. Er wollte das sie litt und sie nichts dagegen tun konnte.
"Aber du müsstest doch noch wissen, dass ich ihn getötet habe, dass ich ihn der Sonne ausgesetzt und dann dabei zugesehen habe wie er verbrannte. Ich erinnere mich noch jetzt an seine qualvollen Schreie. Sie war wie Musik in meinen Ohren."
Er sah Alexia mit einem verträumten Gesichtsaudruck an, während seine Augen sie mit voller Hohn und Spott auslachten. Doch sie selbst wurde immer wütender und trauriger, sie ballte ihre Hände zu Fäusten. Langsam näherte sich Dragon Alexia. Als er direkt vor ihr stand, legte er eine Hand unter ihre Kinn und hob ihr Gesicht seinem entgegen. Alexia ging ihm nämlich nur bis zur Schulter. Er sah ihr tief in die Augen.
"Du erinnerst dich noch bestimmt an deine Freundin Marlene, nicht wahr? Kleine Prinzessin? Der Schuss war gar nicht für dich, sondern für sie bestimmt. Es war Gregorys reine Absicht gewesen sie zu treffen."
Sein Kopf flog zurück, Alexia hatte ihm einen brutalen Kinnhacken verpasst. Dragon wischte sich über die Lippen, Blut klebte an seinen Fingern. Mit einem spöttischen grinsen drehte er sich zurück. Doch dann erstarrte er mitten in der Bewegung – denn er spürte ihre Aura. Sie war voller Zorn und Hass und würde auch nur noch ein falsches Wort von seinen Lippen kommen, würde sie diesen Hass auf ihn loslassen.
Alexia rang mit sich selbst, nein, sie musste ruhig bleiben und nicht die Beherrschung verlieren – nicht hier, nicht jetzt. Ihr Atem ging schwer, aber auch schnell. Sie wollte einen günstigen Moment abwarten, aber dafür musste sie sich erst einmal wieder beruhigen.
Ihr Hass klang nach und nach ab und sie bedachte Dragon mit einem frostigen Blick. Als sie sprach, klang ihre Stimme äußerst gelangweilt.
"Dragon, allmählich habe ich deine kleinen Machtspielchen so richtig satt. Entweder du bringst endlich den Mumm auf mich zu töten oder du nervst mich weiter mit deinen dämlichen Sprüchen."
Und ohne ihm noch groß ihre Beachtung zu schenken, ging sie an ihm vorbei und ließ ihn einfach eiskalt stehen. Als Dragon sich wutentbrannt umdrehte, war sie bereits verschwunden. ..