Lebenserinnerungen einer Ratte - Fantasy

LadyR

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Scheint als wäre der alte Thread mit diesem Thema verloren gegangen. Jedenfalls habe ich ihn vergeblich gesucht.
Also beginnen wir nochmals von vorn:

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Lebenserinnerungen einer Ratte
1

Viele Menschen denken, eine königliche Speisekammer sei ein Paradies für meinesgleichen, aber da irren sie sich. Getreidespeicher sind nicht übel, aber es geht nichts über den Abfallhaufen einer großen Burg. Wo Äpfel zwischen Käserinden und Brotrinden faulen, wo Kartoffelschalen ausgekochte Knochen überdecken, ja dort lässt es sich leben.
Ein derartiges Glück war mir leider nicht beschieden. Meine Mutter hatte ihr Nest in einer Mauerlücke hinter einem Fass eingelegte Gurken gebaut. Und eben dort, in der königlichen Speisekammer von Noricand erblickten meine fünf Geschwister und ich das Dunkel der Welt, denn wie alle Ratten wurden wir blind geboren, und außerdem herrschte in der fensterlosen Kammer stets Finsternis.
Noch heute erinnere ich mich an meine ersten Gerüche, an den Duft von Käserädern, Wurstketten, Honig und Salzgurken. Ratten haben keine Namen. Unser beschränktes Repertoire an Lauten reicht gerade für Ausdrücke wie „Das ist mein, Zähne weg oder es gibt was auf den Nackenpelz“ oder „Wenn dir deine Ohren lieb sind, dann verzieh dich“. Wir erkennen uns an Gerüchen. Ich bin bis heute den Geruch der Salzgurken nicht losgeworden, und meinen Geschwistern sitzt er auch immer noch im Fell.
Wir lernten rasch, weshalb das Königsschloss ganz unten auf der Beliebtheitsliste für Rattenlöcher stand. Zum einen war der König ein begeisterter Jäger. Um Fasane oder Rehe aufzuspüren braucht es natürlich bessere Nasen, als die verkümmerten Zinken, die in den nackten Menschengesichtern sitzen. Die gehorsamen Hilfsriecher der Menschen, die Hunde mit ihren Schlabberzungen und Dolchzähnen hatten freien Zugang zu den meisten Räumen im Schloß. Ich fürchte mich nicht vor Katzen. Die einzige Katze im ganzen Schloss war das überfütterte Schoßtier der Königin, sie zog höchstens ihre vornehme Plattnase hoch, wenn eine Ratte ihr zu nahe kam. Die Hunde jedoch sahen die Rattenjagd als leichtes Training zwischen ihren Ausflügen an.Wehe dem Nager, der ihnen vor die Schnauze kam.
Der zweite Grund roch beständig nach Zwiebeln und Fett. Greinolf, des Königs Chefkoch, liebte Sauberkeit über alles. Des abends wurde die Küche bis auf den kleinsten Winkel ausgekehrt und blankgeschrubbt. Hinterher streuten sie frisches, mit getrockneten Kräutern durchmischtes Stroh. Jeder Teller, jede Tasse, jeder Topf wurde gescheuert, bis sich die verschwitzten Gesichter der Küchenmägde darin spiegelten. Kein Krümel war so klein, daß er Meister Greinolf verborgen blieb, und dann setzte es harte Worte und noch härtere Kopfnüsse. Die Küchenjungen und die Mägde zogen die Köpfe ein, aber hinter seinem Rücken schnitten sie wilde Grimassen. Zu ihrem Glück ahnte Greinolf nichts davon.
Täglich wanderten die Abfälle in einen Eimer, den einer der Küchenjungen zum Müllplatz schleppte. Normale Schlösser und Burgen hatten Abfallhaufen, Berge schimmeliger Köstlichkeiten, die zum Himmel stanken.
Das Köngisschloss hingegen besaß eine Reihe tiefer Gruben. War eine voll, wurde sie mit Laub, Ästen und Erde zugeschüttet. Vielleicht hätte die eine oder andere Ratte dennoch ein sattes Dasein führen können, wären nicht die Jagdhunde gewesen, die unter den wachen Augen des Meutenführers um den Müllplatz herumtobten. Von den Ratten, die den verlockenden Düften des Abfalleimers folgten, sah man kaum eine lebend wieder.
Ratten und Mäuse standen bei Greinolf gleich nach Schmeißfliegen und Küchenschaben auf der Die-Welt-wäre-ohne-sie-besser-dran-Liste. Der Chefkoch duldete keine Hunde in der Nähe der Speisekammer, Blutwurst und Schinken schmeckten besser, als jede noch so fette Ratte, daher wandte er sich an Meister Sebiond, den königlichen Hofzauberer.
Meister Sebiond war über diesen Auftrag alles andere als erbaut. „Ihr wollt, dass ich meine magischen Kräfte an Gurkenfässer und Käseräder verschwende? Die größten Geheimnisse der Welt harren der Entdeckung.“
Greinolf ließ sich von Sebionds theatralischem Gehabe nicht beeindrucken. „Die größten Geheimnisse der Welt sind bisher ganz gut ohne Euch zurechtgekommen“, sagte er. „Seid versichert, wenn der König über einen abgeknabberten Kuchen und angefressene Schinkenscheiben in Zorn gerät, werde ich ihm von Eurer Hilfsbereitschaft berichten. Das Essen im Kerker soll nicht sehr bekömmlich sein, wie ich gehört habe.“
Sebiond funkelte Greinolf an und machte sich zähneknirschend ans Werk. Der Schutzzauber, den er über die Köstlichkeiten der Speisekammer sprach hatte in etwa die Wirkung als würde man eine Glasglocke darüber stülpen. Wir Ratten sahen die Würste, konnten sie aber weder riechen, noch beknabbern. Somit waren die versiegelten Leckereien für mich und meine Geschwister von da an so interessant wie Pflastersteine. Erst wenn eine Wurst die Kammer verließ, wurde sie zu einer Verlockung.
In der Küche wußte Greinolf sich selbst zu helfen. Sein Sauberkeitswahn hielt Schaben in Schach. Lederbezogene Brettchen aus elastischem Holz machten jede erreichbare Fliege platt. Nur wenige entkamen Greinolfs Jagdeifer, und die landeten in einem der vergifteten Honigschälchen. Auf uns Ratten warteten in dunklen Winkeln Fallen. Sie kosteten jedem Wurf etwa ein Viertel der Jungratten. Nachdem ich in die gebrochenen Augen zweier Schwestern geblickt, den schimmligen Speck und den alten Käse in ihren Mäulern beschnuppert hatte, machte ich einen Bogen um alles was nach schimmligem Speck, altem Käse und rostigem Metall gleichzeitig roch.
Das hatte nichts mit der vielzitierten Schläue von Ratten zu tun. Sie ist ein Hirngespinst von Menschen, die ihre Instinkte längst unter flohbesetzten Perücken begraben haben. Der Überlebensinstinkt allein befahl meinen Pfoten links oder rechts abzubiegen, wenn eine Situation nach Tod stank.
Der einzige Ort, wo weder Greinolf noch Hunde uns vertrieben, war der königliche Speisesaal. Der König und seine Frau speisten zusammen mit dem Hofstaat. Da Tischmanieren bei so feinen Leuten keine Rolle spielten, geriet immer wieder mal ein Stück Brot oder ein Bissen Braten unter den Tisch. Zwar war der Spießrutenlauf unter den lackierten Absätzen kein Vergnügen, aber die Reste reichten aus, um die meisten von uns am Leben zu halten. Sicherer freilich war es bei Nacht das Stroh zu durchstöbern.
In einer solchen Nacht ergatterte ich eine halbe Brotscheibe und verschlang fast die Hälfte, ehe eine ältere Ratte mir den Rest stahl. Satter als üblich wagte ich mich in einen für mich bis dahin unbekannten Teil des Schlosses. Neben einem Schrank entdeckte ich ein gemütliches Loch. Dort döste ich, bis kurz vor Morgengrauen plötzlich stumpfe Krallen über den Steinboden klapperten. Ich schreckte hoch, wollte fliehen, aber da hatten die beiden Hunde mich schon entdeckt. Ich huschte unter den Schrank und da sie nur zwei der drei offenen Seiten belauern konnten, gelang mir die Flucht. Hechelnd und sabbernd hetzten sie hinter mir her. Ich sauste den Korridor hinunter, so schnell mich meine Beine trugen. Kurz vor seinem Ende, das auch das meine gewesen wäre fand ich einen Spalt in der Wand und zwängte mich hindurch. Ich hörte die Hunde draußen scharren und jaulen, aber ich war in Sicherheit. Zumindest bildete ich mir das ein. Zurück konnte ich nicht und so quetsche ich mich zwischen den Mauersteinen hindurch direkt in die Falle. Das Gitter fiel herunter, und da saß ich, eingeklemmt in eine Drahtröhre, in die ich gerade noch hineinpasste.
Kein Wesen, das ein bisschen Verstand besitzt, verkündet der ganzen Welt, dass es in der Falle sitzt. Doch so etwas wie Verstand hatte unter meinem Kopfpelz keinen Platz. Ich nagte verbissen an den Stäben, pfiff frustriert und quietsche ängstlich. Kaum hatte ich mich mit meinem Gefängnis vertraut gemacht, da wurde die Gitterröhre hochgehoben. Ich hing in der Luft vor dem feixenden Gesicht Morinors. Der Gestank nach halbverdautem Fisch und schlecht vergorenem Bier entströmte seinem breiten Grinsen.
„Was haben wir denn da?“ fragte er. Seine Eulenaugen glitzerten.“ Auf eine wie dich warte ich schon seit einer Woche. Sebiond kann euch Ratten genau so wenig leiden wie die Läuse unter seiner Perücke.“ Er lacht, schwenkte mich herum und trug mich zum Tisch, auf dem zwischen Pergamentrollen und Büchern ein alter Vogelkäfig stand. Morinor hielt die Röhre an das offene Türchen, klappte das Gitter hoch und schüttelte mich hinein. Ich landete auf dem mit Sand bestreuten Käfigboden und schüttelte verwirrt den Kopf. Ehe ich reagieren konnte, klappte das Türchen zu. Ich saß erneut in der Falle. „Du bleibst darin, bis Sebiond kommt“, sagte Morinor und warf die Röhre in eine Ecke. Er beachtete mich nicht weiter, sondern begann, eine Reihe seltsamer Dinge zusammenzutragen.
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Das war Teil 1
 
Da die meisten den ersten Teil schon gelesen habe werden bevor er verschwand, hänge ich jetzt noch den nächsten Teil dran:

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Ich scharrte im Sand, steckte meine Nase soweit als möglich zwischen die Käfigstangen, fiepte, kurz tat, was alle Ratten tun, die sich in einem Vogelkäfig wiederfinden. Während ich vergeblich versuchte, mich zwischen den Stäben durchzuzwängen, sondierte ich den Geruch des Raumes. Staub, Mottenpulver und brüchiges Leder beherrschten die Bibliothek des Hofzauberers. Bücherregale nahmen zwei der drei Wände ein. Jedes Brett war mit dicken Wälzern oder Schriftrollen vollgepackt und auf jedem Stück lag der Staub mehr als vier Pfoten dick. Selbst die zähesten Bücherwürmer wären darin erstickt.
Damals sagte mir das nichts, aber heute weiß ich, dass die Zauberei der Menschen eine geliehene, um nicht zu sagen eine gestohlene Gabe ist. Sie entspringt nicht dem Geist der Menschen, sondern den magischen Worten ihrer Zauberbücher und Zauberschriften. Sie sind in keiner menschlichen Sprache geschrieben. Manche glauben, sie stammen vom Goldenen Volk, das vor den Menschen dieses Land beherrschte. Als die Menschen immer mehr wurden, zogen sich die Goldenen in die finstersten Wälder zurück, wohin kein Mensch je seinen Fuß setzte. Die meisten Menschen glauben nicht, dass es je ein Goldenes Volk gegeben hat. Für sie existieren die Goldenen nur in den Märchen. Doch die Zauberer wissen es besser, und sie hüten dieses Wissen eifersüchtig. Das Vermächtnis der Goldenen besteht aus Büchern und Schriftrollen, die sie an verschiedensten Orten zurückließen.
Harrikon fand vor vielen hundert Jahren das erste Buch, er enträtselte die Sprache und wurde zum ersten Zauberer. Jeder, der Geduld und eine bewegliche Zunge besitzt, kann die Zauberei erlernen. Je mehr Bücher er besitzt, desto mächtiger ist er. Daher will jeder Zauberer so viele Bücher wie möglich besitzen. Nach seiner Lehrzeit durchstreift er als Geselle das Land auf der Suche nach unentdeckten Büchern und einem greisen Zauberer, den er beerben kann.
Sobald er auf die eine oder andere Weise in den Besitz von mehr Büchern gelangt, als er mit sich herumschleppen kann, braucht er eine feste Anstellung auf einer Burg oder einem Herrschaftsgut, um in der Nähe seiner Bücher bleiben zu können. Es mag seltsam scheinen, dass ein Zauberer sein wertvollstes Gut dermaßen verstauben lässt, aber ein Nachfolger Harrikons, ein besonders fauler Kerl, entdeckte, dass der Staub auf den Büchern sich im Laufe der Zeit magisch auflud. Wer diesen Staub lange einatmet, auf der Haut und in den Haaren spazieren trägt, kann sein Leben bis um das dreifache verlängern. Es gehen sogar Gerüchte um, dass die Spinnen des Goldenen Turmes, des Lehrstuhls für Zauberei, bis zu hundert Jahre alt geworden sind.
Aus Furcht, ihr Altern zu verkürzen, wagt sich kaum ein Zauberer auf eine längere Reise, zumindest nicht ohne einen Beutel voll Bibliotheksstaub und einigen Wälzern im Gepäck.
Morinor war Sebionds Lehrling. Sebiond erfreute sich ausgezeichneter Gesundheit. Seine Bibliothek war nach jeder des Goldenen Turmes am besten bestückt. Er würde noch viele Jahre leben, es sei denn...
Morinor sortierte einige Pergamentrollen, als sein Meister die Bibliothek betrat. Der Hofzauberer hatte schlecht geschlafen und brummte: „Was treibst du denn da, Morinor?“
„Ich bereite das große Experiment vor, Meister. Ich habe Euch doch davon erzählt.“ Morinors Stimme triefte vor jungendlicher Begeisterung und Respekt. „Ich möchte den neuen Spruch ausprobieren, den ich auf der Innenseite des schwarzen Einbands gefunden habe. Ihr erinnert Euch doch gewiss daran.“
„Bist du sicher, dass der Spruch zu etwas taugt?“ fragte Sebiond skeptisch.
„Ein Spruch, um das gesamte Wissen und die Intelligenz eines Lebewesens auf ein anderes zu übertragen darf keinesfalls verachtet werden. Seht Euch doch die Ratte an.“ Er zog den Käfig ins Licht. „Sie ist bestimmt eines der schlauesten Tiere im Schloss.“ Das war natürlich Humbug, aber damals glaubten fast alle Menschen an unsere vermeintliche Schläue. „In der kleinen Schachtel dort drüben sitzt eine Assel. Wenn ich die Schläue und das Wissen der Ratte auf die Assel übertrage, können wir zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Wir zerquetschen die schlaue Assel und die Ratte, die jetzt so dumm wie ein Stein ist, werfen wir den Hunden zum Fraß vor. Funktioniert mein Plan, und der Spruch lässt sich auf das ganze Schloss mit allen Asseln und Ratten ausdehnen, müsst Ihr nie mehr Eure Zauberkraft an die Speisekammer verschwenden. Mehr noch vielleicht könnten wir im Kriegsfall sogar feindliche Soldaten übertölpeln und ihre Intelligenz in Heuschrecken oder Käfer stecken. Überlegt Euch nur, was dem König ein solcher Spruch wert wäre!”
Der Meister musste gar nicht erst lang überlegen. “Geht ans Werk”, forderte er seinen Gesellen auf. Menschen sind seltsam. Eine Ratte weiß, dass sie keiner anderen trauen darf, Menschen hingegen werfen mit Worten wie Ehre und Vertrauen nur so um sich, und einige sind sogar dumm genug, diese Worte für bare Münze zu nehmen.
Sebiond war zweifelsohne einer von diesen Menschen. Vielleicht hatte er einfach vergessen, wie jung und ehrgeizig er selbst als Geselle gewesen war, oder er der Staub hatte seine Gehirnwindungen verklebt.
Ohne Arg setzte er sich auf den Stuhl, den sein eifriger Geselle herbeizog, damit der Meister das Experiment aus nächster Nähe verfolgen konnte. Morinor war mit seinen Vorbereitungen fast am Ende. Er stellte die Schachtel mit der Assel, es war tatsächlich eine drin, ich konnte sie krabbeln hören, auf den Tisch. Er nahm einen Metallstab, an dessen Spitze ein milchiger Kristall befestigt war, und richtete ihn auf die Assel. Laut begann er die erste Hälfte des Zauberspruchs zu intonieren. Der Kristall leuchtete düsterrot auf. Plötzlich, Morinor hatte die letzte Silbe noch nicht gesprochen, drehte er den Stab, so dass der Kristall auf Sebiond wies. Der Meister kam nicht mehr dazu, einen Abwehrzauber zu sprechen. Morinor rasselte die Schlussworte herunter und das rote Licht schoss aus dem Kristall. Es hüllte Sebiond ein, er schrie, wedelte mit den Armen und sprang auf. Morinor grinste. Er richtete den Stab auf mich und intonierte die zweite Hälfte des Zaubers. Das rote Licht, das den Zauberer umklammert hielt, sprang von ihm auf mich über. Ich konnte nicht pfeifen, nicht quietschen, ja mit keinem Barthaar zucken. Innerhalb eines Lidschlages ergoss sich das Wissen und die Intelligenz des Zauberers in mein kleines Rattenhirn. Ich verstand wer ich war, wo ich war und warum.
Das rote Licht erlosch. Sebiond stand wie Salzsäule. Die Arme hingen schlaff herab, sein Blick war leerer als der einer Stubenfliege, Speichel rann aus seinem offenen Mund. Morinor packte den alten Mann und zerrte ihn zum Fenster. Der Riegel knirschte, in der Bibliothek wird so gut wie nie gelüftet aus Angst der magische Staub könnte davon wehen, gab nach und die beiden Flügel schwangen auf.
Morinor schob Sebiond auf das offene Fenster zu. Von der Bürde der Intelligenz befreit erwachten in Sebiond die verschütteten Instinkte zum Leben. Er roch die bösen Absichten Morinors und krallte sich im Fensterrahmen fest. Morinor fluchte und versuchte, mit Gewalt die dürren Finger vom Holz zu lösen.
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Danke fürs Lesen und ich freue mich auf die Kommentare!
 
Problem war/ist das MB wie so oft ein altes Backup aufgespielt hat, heißt ALLES was vor ein paar (keine Ahnung wie viele) Tagen geschah, ist weg.

Mal kurz zu deiner Geschichte, denn den ersten Teil hatte ich gelesen bevor er verschwunden ist.^

Ist natürlich wie alles von dir toll ge/beschrieben, aber so etwas ist nicht gerade mein Geschmack.
Dafür ist es mir einfach noch zu "menschlich" ... normale Dinge des Alltags aus einer anderen Sichtweise.
 
Hallo. Die Geschichte lässt sich ziemlich interessant an, auch wenn diese magische Intelligenzsteigerung nicht wirklich sehr überraschend kam. Als man die Ratte in den Käfig gesteckt hat, dachte ich mir schon, dass da jemand mit ihr experimentieren will... Was wird jetzt wohl passieren?

@LadyR: Übrigens dürfte "Das Bildnis der Leuchtenden" auch verschwunden sein... Aber die Geschichte war ohnehin schon beendet.
 
Danke für den Hinweis. Ich werde den Teil aus meiner Signatur nehmen.

Okay, hier geht es weiter:

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Währenddessen schüttelte ich mein Selbstmitleid ab. Der Tod Sebionds war nicht der letzte Schritt von Morinors Plänen. Der Geselle würde mir die Intelligenz und das Wissen seines Meisters entreißen, wogegen ich zwar nicht das geringste gehabt hätte, mich danach aber den Hunden zum Fraß vorwerfen, was ich dann doch für weniger erstrebenswert hielt...
Ich musste fort, raus aus dem Käfig. Ich steckte die Vorderpfoten zwischen die Käfigstangen hindurch und schob den Riegel hoch. Morinor hatte Sebionds Finger gelöst, seine Hände auf den Rücken gepresst und hob den alten Mann auf das Fensterbrett. Ich drückte das Türchen auf, sprang auf den Tisch, vom Tisch auf den Boden und während ich auf die Mauerlücke zu huschte, hörte ich Sebionds gurgelnden Schrei. Ein dumpfes Klatschen - Stille. Mir stellten sich die Nackenhaare auf. Morinor drehte sich um, doch da zwängte ich mich schon in die Spalte.
Soweit so geglückt. Aber ich hatte meine Rechnung ohne die Hunde gemacht. Mit stumpfsinniger Hartnäckigkeit hockten sie immer noch im Gang. Ich saß schon wieder in der Falle. Just in diesem Moment riss Morinor wutschnaubend die Tür auf. Die Hunde wandten sich ihm zu und ich sauste los.
Sobald ich den Korridor hinter mir gelassen hatte, suchte ich mir ein sicheres Versteck und überdachte die Lage. Das Wissen Sebionds füllte mein kleines Gehirn bis an die Schädeldecke, dennoch blieb erstaunlicherweise noch genug Platz für sinnvolle Überlegungen. Mein Instinkt riet mir, mich von allem fernzuhalten, das auch nur im entferntesten nach Schwierigkeiten roch. Doch nun steckte ich mittendrin, schlimmer noch, die Schwierigkeiten steckten in mir. Davor konnte ich nicht fliehen. An allem war Morinor schuld. Er hatte mich gefangen, mir Sebionds Wissen und Intelligenz aufgebürdet und Sebiond ermordet. Jetzt war ich keine normale Ratte mehr. Die Stimme des Instinkts war mir vertraut. Jedoch die Stimme der Intelligenz, trocken und spöttisch, machte sich über dir rattische Seite meines Wesens lustig, verwirrte mich und stachelte mich an, Dinge zu tun, die jedem gesunden Instinkt widersprachen.
Der Hunger trieb mich in den Speisesaal. Der König und seine Frau saßen beim Frühstück. Ich ergatterte ein Stück Apfel und ein paar fette Kuchenkrümel. Gerade wollte ich nach einem Stück Speck schnappen, da ging die Türe auf und Morinor trat herein. Sein Geruch trieb mich in den Schatten eines Tischbeines. Halb im Stroh vergraben, eng an das Holz gedrückt lauschte ich seinen Schritten.
„Kommt, setzt Euch zu uns, Morinor“, sagte der König. Zum ersten Mal in meinem Leben verstand ich, was ein Mensch sagte. Bisher hatte ich aus dem Tonfall und den Ausdünstungen in etwa die Stimmung eines Menschen erahnen können, doch nun ergab das Lautgeplätscher plötzlich Sinn. Das Gespräch zwischen Morinor und Sebiond konnte ich mit dem Wissen des Meisters und dem Gang der Ereignisse rekonstruieren, doch die Unterhaltung zwischen Morinor und dem König hörte ich Wort für Wort mit.
„Das schreckliche Unglück hat uns alle getroffen. Doch nun ist der Hof ohne Zauberer. Sebiond hat Euch stets lobend erwähnt. Glaubt Ihr, Ihr könnt seinen Platz ausfüllen?“
„Meine Lehrzeit ist beendet, Sire. Sebiond hat mich fast alles gelehrt, was er wusste. Und wenn mir seine Schriften zur Verfügung stehen, werde ich Euch mindestens genau so gut zu Diensten sein, wie er.“
„Große Worte“, sprach der König. „Aber Ihr seid noch so jung.“ Der König spießte mit dem Tafelmesser ein fettes Stück Fleisch auf und stecke es in den Mund. Er kaute eine Weile nachdenklich darauf herum. Ich muß Morinor zugute halten, er beherrschte sich meisterhaft. Nur das Zucken seiner rechten Braue verriet seine Ungeduld und seinen unterdrückten Ärger.
Endlich sprach der König weiter: „Ich werde morgen zu einer Reise nach Kaynar aufbrechen. Der Weg dorthin führt nicht weit am Goldenen Turm vorbei. Großmeister Jacond wird mir sicher raten können, ob ich recht daran tue, Euch zu Sebionds Nachfolger zu machen.“
Ich vermute, Morinor wurde blass um seine Nase. Leider sehen Ratten nicht sehr gut. In Morinors Stimme schwang eine Prise Unwillen. Ich roch die Furcht in seinem Schweiß, als er sagte: „Ich warte demütig auf Eure Entscheidung Sire.“
Dann setzte er sich auf den freien Stuhl neben die Königin. Sie war fünfzehn Jahre jünger als ihr Gemahl. Die trockene Stimme hinter meiner Stirn nannte sie eine dumme Gans.
„Darf ich mit Euch reisen, Sire?“ zwitscherte sie.
„Nein, meine Liebe. Das ist eine rein geschäftliche Reise, öde und nur mit geringem Komfort. Ich weiß, wie Ihr es hasst, in Zelten zu schlafen. Der Kanzler übernimmt die Alltagsgeschäfte. Euch gebe ich meinen Ersatzsiegelring. Damit seid Ihr während meiner Abwesenheit die Regentin, Ihr könnt Urteile und Gesetze siegeln. Wie gefällt Euch das?“
Sie zog ihren Schmollmund zu einem Honiglächeln auseinander. „Das wird mir großen Spaß machen, Sire.“
„Sehr schön. Dann hätten wir alles geregelt. Und nun tragt den nächsten Gang auf.“
Ich machte mich davon. Wäre ich noch eine dumme, vernunftlose Ratte gewesen, hätte ich auf meinen Instinkt gehört und mich irgendwo verkrochen. Doch die trockene Stimme in meinem gequälten Hirn ließ mir keine Ruhe. Würde Morinor wirklich Hofzauberer werden? Der Gedanke verursachte mir Kopfschmerzen. Ein sicherer Ort, um weder Hunden noch dem Chefkoch zu begegnen, war das Schlafgemach der Königin. Allerdings gab es dort auch nichts zu fressen, und so war ich die einzige Ratte, die unter dem mit Kissen beladenen Bett durch den Staub pflügte.
Einige Tage später, ich hatte es mir mit ein paar Haarschleifen, Rüschen und Puderquasten gemütlich gemacht, betrat Morinor das Gemach der Königin. Die anderen Burgbewohner schliefen längst, aber die Königin war noch wach. Alle Kerzen brannten und tauchten den Raum in schummriges Licht. Die Königin trug ein offenherziges Nachtgewand, sie hatte ihre Zöpfe gelöst und ausgekämmt. Ich vergrub meine Nase in einer vergilbten Rüsche, um die Rosenwasser- und Lavendeldünste zu filtern, die sie wie eine Wolke umschwebten. Ich verkroch mich tiefer in mein Behelfsnest und wartete, bis es die beiden sich ausgetobt hatten. Als ich mich wieder herauswagte, schlüpfte Morinor gähnend in seine Kleider und tätschelte der Königin die nackte Schulter. „Ist alles klar?“ fragte er.
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Danke fürs Lesen und ich freue mich auf eure Kommentare!
 
Super cool beschrieben, besonders wie du das aus der Sicht der Ratte beschreibst! Man, ich bin jedesmal über dein Talent erstaunt! Mach bitte schnell mit diese super genialen Geschichte weiter, der Einfall selbst ist schon eine Meisterleistung! ^^
 
Danke, es freut mich, dass ich noch einen Leser gefunden habe, dem die Story gefällt.

Hier ist der nächste Teil:

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„Wie meint Ihr das?“ schnurrte sie träge.
„Das haben wir doch schon hundertmal durchgesprochen“, erwiderte er ungeduldig. „Der König wälzt sich lieber mit Euren Hofdamen als mit Euch in den Kissen. Seine Pflichtübungen in Eurem Gemach haben noch keinen Erben gezeugt. Zwar seid Ihr die Regentin, aber sollte dem König etwas zustoßen, wird niemand auf das hören, was Ihr befehlt. Die Soldaten, die Minister, der ganze Hof würde Euch verlachen. Sie hören nur auf den vertrockneten Mummelgreis von einem Kanzler. Wollt ihr in das Witwenschloss abgeschoben werden, während Euer Neffe Leonik den Thron besteigt?“
„Natürlich nicht. Das Witwenschloss liegt fünf Tagesreisen von der nächsten Stadt entfernt. Es ist alt und zugig, der Ballsaal ist eine Katastrophe, und der Koch einfach furchtbar. Dort werde ich im Nu alt und hässlich.“
„Seht Ihr? Wenn unser Plan klappt, werdet Ihr Königin und ich Euer Prinzgemahl.“
„Halt!“ Die Königin richtete sich auf. „Davon war bisher nie die Rede. Weshalb soll ich Euch heiraten, wenn ich jeden schmucken Prinzen haben kann. Leonik zum Beispiel.“
„Ha! An dem würdet Ihr Euch die Zähne ausbeißen. Er studiert im Goldenen Turm, und was mir so zugetragen wurde, ist er widerlich ehrlich. Niemals wäre er bereit, die Witwe seines Onkels zu heiraten. Ihm käme es wie Verrat vor. Mich werdet Ihr heiraten und keinen anderen.“
„Ihr seid Euch sehr sicher. Ich könnte Euren Plan meinem Gatten mitteilen. Wie würde es Euch im Kerker gefallen?“
„Bestimmt besser als Euch. Habt Ihr tatsächlich geglaubt, ich würde Euch einweihen, ohne mir Eurer Loyalität ganz sicher zu sein? Ihr seid schwanger, meine Königin. Ihr tragt mein Kind.“
„Nein!“ Sie sprang aus dem Bett und presste die Hände auf ihren flachen Bauch. „Ich habe das Mittel genommen, das Ihr mir gegeben habt. Ihr sagtet, sein Zauber wirke drei Wochen.“
„Ich habe Euch getäuscht“, sagte er und grinste. „Es verlor schon nach drei Tagen seine Wirkung. Wann habt Ihr zum letzten Mal geblutet.“
Ihre Augen wurden groß, sie rechnete halblaut nach. „Und ich glaubte, das wären die Nebenwirkungen, von denen Ihr gesprochen habt.“
„Wenn Ihr mir nicht glaubt, könnt Ihr ja warten, bis jeder es sieht. Und ihr kennt den König. Er hat seine Abenteuer, aber Euch würde er einen Ehebruch niemals verzeihen. Vielleicht erspart er Euch den Richtblock, aber ganz sicher nicht den Kerker.“
„Ihr!“ sie ballte die Hände zu Fäusten. „Wie konntet Ihr nur! Ihr habt mich ruiniert!“ Sie barg das Gesicht in den Händen und schluchzte.
„Gemach, königliche Hoheit, gemach“, sagte Morinor. Er strich ihr über das schweißfeuchte Haar. „Es wird alles gut werden. Wir schaffen den Kanzler aus dem Weg, Ihr behauptet, das Kind sei von Eurem Gemahl, und wer wird es wagen, Euch der Lüge zu bezichtigen?“
Sie hob den Kopf und blickte ihn mit ihren rot verschwollenen Augen hoffnungsvoll an.
„Ihr werdet meinen Sohn Jarus nennen, nach Eurem so tragisch dahingeschiedenen Gatten. Nach drei Jahren Trauerzeit werdet Ihr mich heiraten. Ich übernehme die Regentschaft und erziehe unseren Prinzen zu einem würdigen Thronfolger.“
„Das also ist Euer Plan“, sagte die Königin.
„Genau. Die Wegelagerer stehen bereit. Sie wissen, worauf es ankommt. Sobald der König und sein Tross den Flüsternden Wald verlassen, steht ihnen eine dreifache Übermacht gegenüber. Alles wird glatt gehen. Verlasst Euch darauf.“
„Aber wie wollt Ihr den Kanzler loswerden?“
„Ich? Den werdet Ihr uns vom Hals schaffen. Seid Ihr nicht die Regentin und unterstehen die Wachen nicht Euch? Ihr habt den zweiten Siegelring des Königs. Erlaßt einen Haftbefehl wegen Unterschlagung von Staatseigentum. Sitzt der alte Mann erst einmal im Kerker, werde ich dafür sorgen, dass er nicht lange überlebt. Sein Stellvertreter wird uns keinen Stein in den Weg legen. Sir Tobald ist so harmlos wie ein zahnloses Kaninchen.“
Ich hatte genug gehört. Morinor als Prinzregent - furchtbar! Irgendwie hatte die Intelligenz des alten Zauberers mir eine Art Gewissen aufgezwungen. Der Überlebenswille einer Ratte lässt dergleichen Luxus nicht zu, richtig ist, was das Fell trocken hält und den Bauch füllt. Nun auf einmal machte ich mir Sorgen um andere, um den König, um den Kanzler, ja um das ganze Reich. Ich musste Morinor aufhalten, nur wie?

Ende des 1. Teils
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Danke fürs Lesen und ich freue mich über jeden Kommentar!
 
Wow, da laufen ja haufenweise Intrigen ab... Und der einzige, der diese bösartigen Pläne vereiteln kann, ist eine Ratte mit zuviel Intelligenz. Das Königreich ist verloren^^.

Im Ernst, die Teile haben mir sehr gut gefallen. Allerdings ist ein Gedanke von dir geradezu ketzerisch: Nämlich, dass die Intelligenz der Träger des Gewissens ist... Normalerweise betrachten die meisten Leute das umgekehrt; die Intelligenz ist der Feind des Gewissens, weil man mit ihr alle Taten rechtfertigen kann... Ok, Ethikstunde beendet. ;) Ich freue mich schon auf den nächsten Teil.
 
Und schon wieder eine unkonventionelle Szene... dass die Ratte durch die menschliche Intelligenz besser kämpft, meine ich. Aber für miese Tricks braucht man eben Verstand, um zu wissen, wo die verwundbaren Stellen des Gegners liegen.

Ich bin schon ziemlich neugierig, wie die Ratte jetzt weiter vorgehen wird... Immerhin sind ihre Handlungsmöglichkeiten ja ziemlich beschränkt!
 
Erst einmal spitzt die Situation sich zu ...

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Wie auch immer, ich hatte mein Versteck kaum in Besitz genommen, da polterte der Wärter auch schon gegen die Türe. Der Kanzler schreckte hoch und sprang auf. Sein Gesicht war voll Hoffnung. Als jedoch die Türe aufschwang und der Hilfswärter die Kanne Wasser, die zwei Scheiben Brot und die Schüssel Getreidebrei herein stellte, sanken seine Mundwinkel herab.
„Ist der König noch nicht zurück?“ fragte der Kanzler.
„Nein, er wird erst morgen Abend erwartet.“
„Muss ich wirklich solange hier ausharren?“
„Froh solltet Ihr sein“, sagte der Hilfswärter und sah sich rasch um. „Ich habe gehört, dass es der Königin lieb wäre, Euch in der Eisernen Jungfrau zappeln zu sehen. Wir halten sie hin, solange wir können. Eigentlich dürfte ich Euch nicht einmal einen Schluck Wasser bringen. Trinkt und esst rasch, ehe die Königin jemanden schickt, um Euren Hunger zu prüfen.“
Das Kerkermenü war dem Kanzler sehr zuwider. Dennoch zwang er sich, einen Holzlöffel voll Brei zu nehmen. Er kaute eine halbe Ewigkeit darauf herum, ohne dass sich der sandig-schleimige Geschmack sonderlich verbesserte. Der Hilfswärter sah ihm dabei gespannt zu.
„Wie mundet er Euch? Selbog, der erste Wärter hat extra für Euch sein Geheimrezept ausprobiert. Hafer und Gerstenschleim zusammen mit Roggen, Käse und Gewürzen gekocht. Ihr müsst auch das Brot kosten. Hat meine Frau gebacken.“
Mit viel Mühe würgte der Kanzler den Brei hinunter, griff nach dem Wasserkrug und trank hastig ein paar Züge. Er setzte den Krug ab, lächelte den Wärter freundlich an und hob eine Brotscheibe an seine Lippen. „Richtet dem Wärter Selbog aus, er habe eine besondere Hand für Kerkermahlzeiten.“
Als er in das Brot biss konnte man die Rinde bestimmt noch drei Zellen weiter krachen hören., sofern man eine Ratte wahr. Mir tat das Geräusch im Magen weh. Sicher würde es die Ratten des halben Kerkers hierher locken. Den Kanzler schmerzte es ganz woanders. Ganz Edelmann schluckte er den Bissen Brot, bedankte sich überschwänglich bei dem Hilfswärter und erst als dieser die Kerkertüre schloss, spuckte er den Backenzahn ins Stroh. Das restliche Brot und die Schüssel Spezialbrei a la Selbog schob er in die hinterste Ecke, einen Rattensprung vor mein Versteck. Ich flitzte aus der Ritze, schnappte mir die angebissene Brotscheibe und zerrte sie in die Ritze. Der Kanzler erschrak nicht, vielmehr warf er mir einen mitleidigen Blick zu, den ich erst verstand, als ich an der Kruste zu nagen begann. Steine sind nicht viel härter. Eine Ratte ohne Zähne taugt nur zum Verhungern, also ließ ich Kruste sein und machte mich über das bröselige Innere her. Genau so gut hätte ich ein Maul voll Staub kauen können. Ich hustete die Krümel zwischen meinen Vorderzähnen hinaus und beschloss, lieber den Brei zu versuchen. Ich wandte mich der Schüssel zu und nahm eine Kostprobe. Ich erkannte das Aroma leicht schimmeligen Hafers und vergammelten Käses wieder, trotzdem, die Kombination aus beidem drehte mir fast den Magen um, und das will bei einer Ratte etwas heißen. Aber vielleicht hatten mich die Brocken von der Königlichen Tafel für einfachere Genüsse verdorben, jedenfalls nahm ich mir vor, mit keiner Kerkerratte um Brei oder Brot zu streiten. Mehr noch, ich würde den Kerker nicht mehr länger mit meiner Gegenwart beehren.
Der Entschluss war leichter gefasst als ausgeführt. Wie sollte ich hinaus kommen? Zwar war es mir ein leichtes, die Zelle zu verlassen, doch ein Gang roch so wie der andere. Da ich nicht auf meinen eigenen Füßen hierher gelangt war, gab es keine Duftspur, die ich zurückverfolgen konnte. Zudem hatte die Königin angeordnet, die Jagdhunde durch die Gänge tollen zu lassen.
So huschte ich eilends wieder in die Zelle zurück und haderte mit meinem Wissen, das ganz allein an meiner üblen Lage schuld trug. Ein Tag verstrich, noch ein zweiter. Ich und der Kanzler lebten mehr von der Hoffnung als von Schimmelbrei und Staubbrot. Das teilten sich die übrigen Ratten, die unsere Zelle pünktlich nach jeder Essensausgabe aufsuchten. Irgendwie taten sie mir leid, so wie sie sich über das Essen hermachten, schienen sie niemals etwas Besseres gefressen zu haben.
Am dritten Tag, der Kanzler hockte auf einem Strohhaufen und ich in meinem Mauerloch, tat sich die Türe auf, und der Kerkermeister stand davor. Er war hager, mit einem bleichen, stoppelbärtigem Gesicht und spärlichem blondem Haar. Er roch nach Moder, Schweiß und schimmligem Käse. Der Kanzler rappelte sich auf und blickte ihn hoffnungsvoll an. „Ist der König zurück? Bin ich wieder frei?“
Der Kerkermeister schüttelte den Kopf. Seine Spinnenfinger spielten mit dem Schlüsseln. „Tut mir leid, Sir Paulig, der König ist tot. Wegelagerer überfielen seinen Tross. Alle Soldaten der Leibgarde, der Kämmerer und fast alle Diener sind ebenfalls umgekommen.“
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Danke fürs Lesen! Ich freue mich über jeden Kommentar!
 
Ich bin's Ponygirl! ^^
Oh, das hört sich ja sehr beunruhigend an, der arme Kanzler! Hoffentlich muss er nicht sterben! :(
War wirklich super geschrieben, du hast viel Ahnung von Ratten, hast du etwas über sie gelesen oder hast selbst welche? ^^
Ich habe welche und das mit dem Fellsträuben war wirklich sehr gut beschrieben! ^^ Bitte weiter machen! ^^
 
Nein, ich habe niemals Ratten gehalten, allerdings eine gute Dokumentation im Fernsehen dazu gesehen, ist allerdings schon wieder eine Weile her.
 
Ui, der König ist tot, es lebe die Königin... Was wird jetzt wohl geschehen? Die Beschreibung der "Rattensicht" gefällt mir wirklich hervorragend und der Kerkerfraß *schüttel*. Armer Kanzler... sieht nicht gut aus für ihn.
 
Morinor ist gemein...>.<...
Klasse FF hast viel Talent und diese Wiedersprüchlichkeiten im Insinkt und Intelligenz...sehr gut gestaltet ^^
 
Danke für eure Kommentare!

Hier ist das nächste Stück:

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„Nein!“ Der Kanzler rang die Hände. „Seid Ihr sicher?“
Der Kerkermeister nickte. „Sie haben ihn in der Halle aufgebahrt. Gleich morgen soll sein Begräbnis sein.“
„Hat man schon Boten in den Goldenen Turm gesandt, um Leonik zu benachrichtigen?“
„Fürst Leonik ist nicht der Thronerbe“, sagte der Kerkermeister.
„Aber er ist der nächste Verwandte von König Jarus.“
„Nicht mehr. Die Königin trägt einen Erben.“
„Seit wann?“
„Keine Ahnung. Ich weiß es nur von der Freundin meiner Schwester. Sie ist zweite Kammerfrau, und ihr hat es die Königin höchst persönlich erzählt. Sie wollte König Jarus bei seiner Heimkehr damit überraschen.“
„Es kann genauso ein Mädchen werden.“
„Der neuen Hofzauberer hat einen prophetischen Zauber gewirkt und vorausgesehen, dass es ein Junge wird.“
„Der neue Hofzauberer?“ würgte Sir Paulig. „Welcher neue Hofzauberer?“
„Morinor. Sagt nur, Ihr wüsstet es nicht. Die Königin ernannte ihn zum neuen Königlichen Hofzauberer auf Lebenszeit und Zauberer leben lange.“
„Das kann sie nicht!“ Sir Paulig raufte sich sein spärliches Haar. „Sie ist nur die Witwe eines Königs. Nur der König selbst kann ein so wichtiges Amt vergeben.“
„Oder eine Regentin.“
„Regentin?“
„Als die edlen Herren des Königlichen Rates erfuhren, dass die Königin einen Sohn erwartet, ernannten diese sie zur Regentin. Als besondere Ratgeber werden ihr der Kanzler und der Schlossmagier zur Seite stehen.“
„Warum sitze ich denn noch hier?“
„Ihr... äh... Ihr seid nicht mehr der Kanzler, Sir Paulig. Der Königliche Rat hat Sir Tobald zu Eurem Nachfolger berufen.“
„Sir Tobald? Aber er ist dieser Aufgabe doch nicht gewachsen! Er wurde nur Kanzlerstellvertreter, weil er über fünf Ecken mit der Königin verwandt ist, ein Cousin dritten Grades oder so. Die Königin, Morinor und Sir Tobald - die drei werden das Reich zugrunde richten!“
Dasselbe Gefühl hatte ich auch. Bisher war meine Suche nach einem Ausweg aus dem Kerker mehr halbherzig gewesen. Die ansässige Rattensippe duldete, dass ich meinen Anteil an dem Staubkrümelbrot fraß und ihnen dafür den ganzen nahrhaften Getreidebrei überließ. Natürlich war das keine Regelung für immer, irgendwann brauchte ich etwas Gesundes zu fressen. Meine Hoffnung, der König könnte dem Attentat durch ein Wunder entgangen sein, war vergeblich gewesen. Wenn ich nicht bis zu meinem baldigen Lebensende auf steinharten Krusten herumkauen wollte, musste mir etwas einfallen und zwar rasch.
Ratten sind gute Kletterer. Dennoch waren die Wände der Zelle zu glatt, als dass ich meine Krallen in genügend Ritzen hätte zwängen können. Die Hunde bewachten die einzige Türe, die von den Gängen nach draußen führte, blieb nur der schmale Schlitz hoch in der Wand, durch den für zehn Minuten am Tag Sonnenschein in die Zelle fiel. Wenn ich ihn nur erreichen könnte...
Die Gelegenheit kam schneller, als ich erwartet hatte. Der Kerkermeister ließ den gebrochenen Exkanzler allein und schloss die Türe hinter sich. Sir Paulig schlurfte mit gebeugten Schultern zum Fensterschlitz, streckte eine Hand aus, als könne er die Freiheit draußen fühlen, die Freiheit, die er für immer verloren hatte. Auch ohne Hinrichtung und Folter war er so gut wie tot. Er wusste es, der Kerkermeister wusste es und ich wusste es auch. Ich unterdrückte einen ganz und gar unrattischen Mitleidimpuls, nahm Anlauf und kletterte an Sir Pauligs Beinkleidern hoch, das Wams hinauf, ein Stück den Ärmel entlang, ein Sprung und draußen war ich. Der Lüftungsschlitz lag nur einen halben Meter über dem Boden, und nicht nur Katzen beherrschen das Kunststück stets auf den Füßen zu landen. Ich kam heil unten an und orientierte mich. Der Kerker lag in der Nähe der Abfallgruben. Mein Hunger war stärker als das Wissen um die Hunde. Zu meinem Glück waren gerade keine dort, ich erschnupperte die neueste Grube, kletterte hinein und tat mich an Getreideresten, Käserinden und Kartoffelschalen gütlich. Als ich dann noch ein paar angefaulte Äpfel fand, war mein Glück vollkommen. Ich fraß, bis ich mich kaum noch rühren konnte. Prall und schwer kletterte ich schnaufend aus der Grube.
Allein gegen die Königin und Morinor? Dazu hing ich zu sehr an meinem bisschen Leben. Ich brauchte Hilfe, Hilfe von jemandem, der den ganzen faulen Zauber auffliegen lassen würde, von jemandem dessen Recht und Pflicht es war, sich gegen die dumme Entscheidung des Königlichen Rates zu wehren. Es gab nur einen solchen jemand - Leonik. Der Goldene Turm lag im Norden, jenseits des Flüsternden Waldes. In meinem ganzen Rattenleben war ich noch nie außerhalb der Schlossmauern gewesen, und jetzt galt es das halbe Reich zu durchqueren. Am liebsten hätte ich mich in ein Erdloch verkrochen. Doch der Wunsch, Morinor an Stelle von Sir Paulig in einer Zelle vermodern zu lassen mit nichts als Staubkrümelbrot und Schimmelgetreidebrei als Nahrung, war stärker als meine instinktive Furcht vor dem Unbekannten. Dazu kam gesellte sich ein zweiter, noch brennenderer Wunsch. Seit mir Morinor das Wissen des alten Magiers aufgezwungen hatte, trennte es mich von meiner Sippschaft. Wenn irgendwo die Möglichkeit bestand, mich wieder in eine normale Ratte zu verwandeln, dann im Goldenen Turm. Dessen Bibliothek war nahezu zwanzigmal so umfangreich wie jene des Königsschlosses. Ich sog prüfend die Luft ein, wandte mich nach Norden und trippelte los.
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Danke fürs Lesen!
 
Auch wenn du keine Ratten gehalten hast, du kennst wirklich gut! ^^ Sehr gut, bin jetzt mal gespannt was dem Rätterich als nächstes auflauert und ob er das Königreich retten kann, wäre echt witzig wenn die Leute den Erhalt ihres Reiches einer Ratten verdanken zu hätten! ^^ Ich finde schon an sich klasse, wie du auf die Idee zu dieser Geschichte gekommen bist! ^^ Sehr orginell, bitte schnell weiter posten! :D
 
Eigentlich ist die Situation der kleinen Ratte ja ganz schön aussichtslos... aber andererseits ist die Vorstellung, dass eine Ratte das Königreich retten will, einfach total witzig. Hoffentlich kommt sie nicht auch für den armen Kanzler zu spät, wenn es schon für den König keine Hilfe gab...
 
Danke euch beiden für den Kommentar. Begleiten wir also die Ratte durch die Tücken von Mutter Natur....


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3
Ich gehöre zur Spezies der Hausratten, und die Welt außerhalb der Schlosswände war für mich etwas völlig Neues. Da war die Straße, der ich nach Norden folgte, ein mit grobbehauenen Steinen gepflastertes Band. Da war das Gras, das links und rechts wucherte, mal zart, mal schneidend unter meinen Pfoten. Und da war vor allem der Himmel. Wenn ich den Kopf in den Nacken legte, konnte ich die unglaublich hohe, blaue Decke sehen. Sie war mit weißen und grauen Tupfen gesprenkelt. Es roch nach zerstampftem Klee, Lindenblüte, warmer Erde und eingetrockneten Pferdeäpfeln und hundert weiteren Dingen, für die selbst mein neues Wissen keine Namen hatte. Wohl deshalb, weil der alte Magier niemals etwas anderes gerochen hatte als verstaubtes Pergament.
Als der Abend kam, war ich ein gutes Stück vom Schloss entfernt. Ein überhängender Stein bot mir Unterschlupf, und ich streckte meine wundgelaufenen Pfoten dankbar von mir. Nach einer viel zu kurzen Nacht und einem mageren Frühstück aus Bucheckern und Löwenzahnsamen, den roten und schwarzen Beeren traute ich nicht so recht, wanderte ich weiter.
Am Mittag des vierten Tages endlich erreichte ich den Flüsternden Wald. Er war groß, viel größer als mein Wissen ihn in Erinnerung hatte, aber es hatte ihn ja aus der Perspektive eines Menschen gesehen.
Für mich als Ratte bestand der Wald nicht aus Bäumen und deren Wurzeln, über die man stolperte. Viel mehr bestand er aus bauchhohem, filzigem Moos und Wurzeln, über die es zu klettern galt. Und da waren die Pfade, ein ganzes Netz von Pfaden. Bei einem derartigen Durcheinander von Bäumen und Sträuchern war es kein Wunder, dass jedes Tier seinen Pfad brauchte, um vom Schlafplatz zum Frühstück zu finden. Der Pfad einer Haselmaus führte mich zu einem Gestrüpp mit reifen Brombeeren. Ich wunderte mich, weshalb ich auf keinen einzigen Rattenpfad stieß.
Als ich dann am späten Nachmittag über eine Fuchsfährte stolperte, wunderte ich mich nicht mehr. Es roch nicht nach Hund, nicht so richtig, aber ähnlich genug, dass sich mein Nackenfell sträubte. Dennoch folgte ich der Fährte eine Weile bis ich auf einen eingetrockneten Blutfleck stieß. Der Pfad, der hier jenen des Fuchses kreuzte, hatte zu einer Waldmaus gehört. Die trockene Stimme in meinem Kopf klärte mich über die Verwandtschaft zwischen Mäusen und Ratten auf. Wem eine Maus schmeckt, der dürfte auch Appetit auf eine Ratte haben, erwähnte sie so nebenbei. Ich beeilte mich, so viele Bäume wie möglich zwischen mich und die Fuchsfährte zu bringen.
Als die Dämmerung hereinbrach fand ich in einem bemoosten Baumstumpf ein Loch. Dort verschlief ich den Großteil der Nacht und des folgenden Tages. Erst am Nachmittag trieb mich der Hunger wieder aus dem Loch. Die roten Pilze mit den weißen Flecken, an denen die Wegschnecke so begeistert raspelte, sahen recht verlockend aus, aber der Geruch erinnerte mich an die Fliegenfallen in der Schlossküche.
Ein Bruder von mir, er war gerade alt genug geworden, um von der Sippe das Amt des Vorkosters verliehen zu bekommen, naschte eine Zungenspitze voll dieser grünlichen Milch, in der die toten Fliegen schwammen. Drei ganze Tage spuckte er Gift und Galle, dann erwischte ihn einer der Hunde. Mein Bruder war zu geschwächt gewesen, um davonzulaufen. Allerdings bekam er dem Hund nicht sonderlich. Ich konnte den Mörder meines Bruders einen ganzen Tag lang japsen und würgen hören, ehe er sich von seiner Beute erholte. Von da an mied er uns Ratten und verschwand bald darauf aus dem Schloss.
Ich machte einen Bogen um die gefleckten Pilze, ebenfalls um einige andere. Sie sahen aus verfaulte Kartoffeln mit Runzeln, rochen nach madigem Fleisch und ein Schwarm Fliegen delektierte sich an der schwärzlichen Paste in den Rillen.Die Haselnüsse, die ich ausgrub, waren leer und hatten winzige Löcher in der Schale. Ich begnügte mich mit ein paar halbreifen Brombeeren, für die ich mir eine zerkratzte Nase einhandelte.
Der Hunger hielt mich über die Dämmerung hinaus wach. Auch als das phosphoreszierende Licht der Baumschwämme zu sehen war, pflügte ich durch das Moos nach Norden. Ein fetter, schwarzer Käfer schaffte den Abflug nicht mehr rechtzeitig. Ich schnappte ihn und machte mich daran, seinen Chitinpanzer zu knacken.
Plötzlich stieg mir ein beißender und zugleich staubiger Geruch in die Nase. Ich ließ den Käfer fallen, sah zum Himmel und da stürzten zwei runde, gelbe Lichter auf mich nieder. Ich war wahrscheinlich der fetteste Brocken, den die Schleiereule in letzter Zeit zwischen den Klauen gehabt hatte. Mehr als ein erschrockenes Quieksen brachte ich nicht heraus. Die langen, gebogenen Krallen schlossen sich um meine Mitte, bohrten sich durch mein Fell, meine Haut, in meine Eingeweide.
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Danke fürs Lesen und ich hoffe, der Teil hat euch gefallen.
 
Ui, das sieht ja mehr als übel aus! Die arme Ratte! *bibber* Hoffentlich endet sie nicht im Magen einer Eule... Die Beschreibung des Waldes aus Rattensicht war übrigens großartig! Wie anders doch alles aus der Höhe von 2cm über dem Boden wirkt... Wirklich sehr gut dargestellt!
 
Danke für den Kommentar.

Hier das nächste Stück:

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Dem Zauberer entronnen, den Hunden entronnen, dem Kerker entronnen, nur um als Abendimbiss einer Eule zu enden - ich hätte schreien mögen. Statt dessen drehte ich den Kopf und versuchte ihr ins Bein zu beißen, bekam aber nur ein paar Federn ins Maul. Es wäre sowieso sinnlos, klärte mich die spöttische Stimme in meinem Kopf auf. Wenn mich die zerfetzte Leber nicht umbrächte, würde der Blutverlust den Rest besorgen. Die Eule betrachtete meine Zuckungen mit Interesse und packte sicherheitshalber noch fester zu. Ich wand mich vor Schmerzen und wartete darauf, um aller Götter willen, endlich das Bewusstsein zu verlieren, da erstrahlte direkt hinter der Eule ein helles Licht.
„Schu-uh?“
Die Krallen lösten sich aus mir, ein paar Schläge der lautlosen Flügel und fort war sie. Nicht, dass mich das sonderlich interessiert hätte, ich war viel zu sehr damit beschäftigt zu verbluten. Das Licht näherte sich, senkte sich auf mich herab und mir war, als streifte mich ein kalter Luftzug. Die Wunden schlossen sich, und ich fühlte mich auf einmal besser, als ich mich je zuvor gefühlt hatte.
Ich sprang auf die Pfoten und starrte in das Licht. Es zog sich vor mir zurück und wurde schwächer. Jetzt konnte ich erkennen, daß es von einer sehr großen Ratte ausging, die im Gras vor mir stand. Ihre Schnurrhaare sprühten Funken und auf ihrem Fell lag ein goldener Schimmer, wie ich ihn noch bei keiner Ratte gesehen hatte. Zudem roch sie nach Honig und sonnenwarmen Kleeblüten.
„Soll ich eine andere Gestalt annehmen?“ fragte sie mit heller Stimme. Mit Menschenstimme, wohlgemerkt. Ich konnte nicht antworten, da weder der Warnpfiff „Hund im Anmarsch“, noch ein Fauchen wie, „Zähne weg, das ist mein Happen“, angemessen schienen.
„Du kannst nicht sprechen?“ Die goldene Ratte klang erstaunt. „Verwandle dich doch einfach zurück.“
Jetzt verstand ich. Die Ratte, die in Wirklichkeit einer aus dem Volk der Goldenen war, hielt mich für einen Menschen, für einen Zauberer.
Ich richtete mich auf die Hinterpfoten und verrenkte mir fast die Schulter, um ein menschliches Achselzucken zu imitieren.
„Das verstehe ich nicht. Hast du Angst vor mir?“ Der Goldene lachte. „Ich habe dir doch geholfen. Hast du dummer Mensch den Umkehrspruch vergessen?“
Das Licht um die Ratte strahlte hell auf und ein menschenähnliches Wesen mit übergroßen Augen und langer, spitzer Nase stand vor mir. Die Haut schimmerte golden, wie zuvor das Rattenfell. Der Goldene beugte sich zu mir herab.
„Ich werde dich in das verwandeln, was du wirklich bist. Danach können wir uns unterhalten, darüber, was du abseits der Wege in unserem Teil des Waldes zu suchen hast.“
Der Goldene murmelte einen Zauber und ich spitzte die Ohren. Ein Mensch hätte nur ein undeutliches Raunen gehört, aber ich verstand jedes Wort. Ah... ein wirklich guter Zauber, das fand die Stimme in meinem Kopf auch. Gleichzeitig spürte ich, wie eine unsichtbare Macht versuchte, mir mein Fell abzuziehen. Ich quiekte empört und stemmte mich mit aller Kraft dagegen. Wäre ich wirklich ein verwandelter Mensch gewesen, hätte es mir nichts genützt. Doch da ich eine echte Ratte war, vermochte der Zauber nicht, meinen instinktiven Widerstand zu brechen.
Die Augen des Goldenen weiteten sich. „Du bist eine Ratte!“ hauchte er.
Was für eine Erkenntnis! Ich starrte ihn herausfordernd an. Was nun?
Der Goldene rieb sich die Nasenspitze und lächelte. „Warte.“ Er wob einen neuen Zauber. Irgend etwas geschah mit meiner Kehle, mit meiner Zunge, meinem Gaumen. Ich keuchte und hustete, würgte und wäre fast erstickt. Endlich schwand das Zerren und Reißen. Ich öffnete die Schnauze. „Verdammt, was sollte das?“ Vor Schreck machte ich einen Luftsprung. Das gab es doch nicht! Diese volle Baritonstimme konnte unmöglich die meine sein.
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Ich bin gespannt auf eure Meinung. Danke fürs Lesen!
 
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