Danke für den Kommentar. Hier ist der nächste Teil:
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„Ja.“ Sie wischte sich eine nicht vorhandene Träne aus dem Augenwinkel. Ihre Stimme bebte leicht, als sie fortfuhr: „Mein geliebter Gatte hat mich verlassen, aber in seinem Sohn wird er weiterleben, und das gibt meinem Leben einen neuen Sinn.“
„Somit bin ich nur noch der zweite Erbe, nicht wahr?“
Sie nickte.
„Gut. Aber auch als zweiter in der Thronfolge kann ich eine Sitzung des Königlichen Rates einberufen.“ Er drehte sich zu den Dienstboten um. „Holt sie alle aus ihren Häusern. Die Sache ist äußerst dringend. Die Sitzung beginnt, sobald der Rat vollständig versammelt ist. Die Regentin und ihre beiden Berater werden ebenfalls teilnehmen. Damit darf ich doch rechnen, oder?“ fragte er Morinor.
„Selbstverständlich, Euer Hoheit.“ Ich konnte förmlich hören, wie die Räder in seinem Kopf sich drehten. Der erste Hauch von Furcht schlich sich in seine Ausdünstungen.
Leonik verlor keine Zeit. Er lehnte es ab, sich erst frisch zu machen, oder eine Kleinigkeit zu essen. Ohne eine Minute zu vergeuden, übergab er sein Pferd dem Stallmeister, und schritt den langen Korridor hinab zur Ratskammer. Dabei nestelte er am Verschluss seines Umhanges. Wenige Schritte vor der Tür ließ er ihn wie nebenbei auf den Boden gleiten. Es gelang mir, mich durch die Falten zu wühlen, ohne unter die Sohlen der Ratsmitglieder zu geraten. Ich schlüpfte ungesehen zwischen ihren Füßen hindurch in die Ratskammer.
Die gepolsterten Stühle hinter den drei langen, in U-form aufgestellten Tischen waren schneller besetzt, als ich erwartet hatte. Während die Regentin gegenüber der Türe Platz nahm, setzten Morinor und der Kanzler sich an die seitlichen Tische, so dass sie Leonik von drei Seiten in die Zange nehmen konnten. Der Prinz kümmerte sich nicht darum. Er ignorierte die Einladung der Regentin, sich neben sie zu setzen. Breitbeinig stand er am offenen Ende des Us und wartete, bis sich das aufgeregte Gemurmel gelegt hatte.
Als es endlich ruhig war, begann er zu sprechen: „Ich habe diese Sitzung einberufen, um zwei Dinge zu klären. Erstens, die wahre Thronfolge und zweitens den Mord an meinem Onkel, dem König.“
„Was gibt es da zu klären?“ fragte der Sir Tobald. Er war ein kleiner, fetter Mann mit rosiger Haut und sorgfältig manikürten Fingern. Gar manche Hofdame beneidete ihn um seine dunklen Löckchen und die großen, hellblauen Augen. An seinem Gürtel hing stets ein kleiner, goldener Spiegel. Wenn er bei schönem Wetter aus dem Schloss ging, was äußerst selten vorkam, mussten drei Diener ihn mit Fächer, Lavendelwasser und Sonnenschirm auf Schritt und Tritt begleiten. „Ihr seid nur noch die Nummer zwei, Prinz. Und die Mörder Eures Onkels waren irgendwelche Banditen. Von denen gibt es Dutzende.“
„Wenn es Banditen waren, warum haben sie die Leichen nicht geplündert? Ich hörte, man fand alle Juwelen und Geldbeutel unberührt. Ist das nicht seltsam?“
„Was wollt Ihr damit sagen, Prinz Leonik?“ fragte Graf Telgan, ein graubärtiger Hüne. Ich entnahm aus Sebionds Wissen, daß seine Familie für ihre Königstreue berühmt war. Er galt als einer der mächtigsten Männer des Reiches. Sein Wort wog schwer.
„Mein Onkel wurde von gedungenen Mördern überfallen. Jemand hat sie für den Mord an unserem geliebten König bezahlt, gut bezahlt, damit sie irgendwo untertauchen können, bis wir die Suche nach ihnen aufgeben.“
„Wenn das stimmt, kann sie nur der verfluchte Sir Paulig gedungen haben!“ rief Sir Tobald. „Wozu hätte er sonst das Geld aus der Schatzkammer gebraucht?“
„Falsch“, konterte Leonik. „Sir Paulig kann es nicht gewesen sein. Was hatte er durch den Tod des Königs zu gewinnen? Er war Kanzler, gibt es einen höheren Rang für einen einfachen Baron? Der König schätzte und vertraute ihm. Nur ein Verrückter schlägt die Hand ab, die ihn füttert. Sind die mysteriösen Dokumente nicht erst aufgetaucht, als der König sich auf die Reise begeben hatte, auf seine letzte Reise? Wer hätte mehr Interesse an seiner sicheren Wiederkehr gehabt, als Sir Paulig, der im Kerker um sein Leben bangte? Mein Onkel hätte ihn befreit, egal was in diesen Dokumenten stand.“
Einige Ratsmitglieder blickten skeptisch, doch die meisten nickten. Tobald und Morinor wechselten einen langen Blick. Der feiste Kanzler begann zu schwitzen.
„Lassen wir das beiseite - vorerst. Ich möchte meinen Platz in der Erbfolge geklärt haben. Ist es gewiß, daß die Regentin einem Jungen das Leben schenken wird?“
„Dafür verbürge ich mich“, sagte Morinor.
„Wie könnt Ihr das?“
„Es gibt einen Spruch, mit dem man das Geschlecht eines Ungeborenen feststellen kann.“
„Ah.. ja... ich erinnere mich. Habt Ihr etwas dagegen, wenn ich das nachprüfe?“ Leonik griff in den Beutel, der an seinem Gürtel hing und zog einen kristallenen Zauberstab heraus. „Wisst Ihr, Hofzauberer“, sagte er leichthin, „es gibt noch einen zweiten Spruch für Ungeborene. Er wird eingesetzt, um die Vaterschaft zu klären.“
Morinor sprang auf. „Wollt Ihr die Regentin der Untreue beschuldigen. Das ist Hochverrat!“
„Das Blag meiner edlen Tante ist ein Bastard! Das müsst Ihr doch am besten wissen, schließlich seid Ihr der Vater.“
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Danke fürs Lesen!