Antheon
Cometh the Hour
Marcus & Fate: Der Park vor Marcus' Wohnung
Marcus wich dem Apfel aus, trat ihn mit der Schuhspitze ein wenig weg und nahm dann Aiolos auf den Arm und behielt ihn gut im Auge, versuchte selber, auf Geräusche in seiner Umgebung zu achten. "Verzeih, wenn ich keinen Hunger auf Äpfel habe. Ich habe gut gefrühstückt. Außerdem habe ich ein wenig Angst, dass ich nach einem Bissen mit einem Filmriss und Kopfschmerzen aufwache. Das passiert mir momentan öfter." Fate schien nicht darauf zu reagieren, ließ sich vom Ast fallen und hob den weggetretenen Apfel auf. Sie inspizierte ihn nachdenklich. "Halt, nein! Eigentlich ist mir das nur heute passiert. Und ich habe nur eine Erklärung." Sein Blick wurde vorwurfsvoll. "Meine Wohnung hättest du auch einfacher verlassen können. War ich so langweilig?" Marcus grinste kurz, schüttelte dann jedoch den Kopf und sein Blick war ernst geworden. "Ist meine Wohnung jetzt voller Überwachungsgeräte? Warum das alles? Dass du nicht direkt böswillig gegen mich gehandelt hast, ist mir schon klar. Sonst wäre ich wohl nicht mehr aufgewacht. Oder nicht in meiner Wohnung. Was hat es dir dann gebracht?" Er sah sie forschend an. Fate jedoch nickte nur lächelnd und biss dann wieder in den Apfel. "Du solltest Essen nicht einfach so wegwerfen! Nur weil du gut gefrühstückt hast, heißt es nicht, dass niemand diesen Apfel will", tadelte sie ihn mit vollem Mund, ohne ihn dabei anzusehen. Nachdem sie den Bissen runtergeschluckt hatte, betrachtete sie den Apfel in ihren Händen wieder nachdenklich. "Wenn wir beide doch nicht an einem Strang ziehen wollen, dann musst du es nur sagen. Dann verpisst sich der dumme Marcus eben. Und das ist dann kein Davonlaufen. Stürmen in eine andere Richtung nannte ich es gestern, oder?" Er seufzte, leckte sich etwas nervös über die Oberlippe. "Und was ist hier eigentlich passiert? Stundenlang im Unterholz getobt? Ich dachte, aus dem Alter sind wir beide raus. Oder aber... ein Kampf. Gegen wen?" Er schmunzelte, doch seine Augen wirken ernst, verletzt. "Ich weiß, ich bin ein neugieriger Quälgeist. Aber wenn man Antworten haben will, muss man eben fragen. Wenn man keine Antworten bekommt, hat man eben Pech gehabt. Ich will dich ja auch nicht vom Klettern abhalten. Bin gleich wieder weg..." Nun war es seine Kindheitsfreundin, die seufzte. "Genau darum geht es mir. Antworten sind wichtig, doch glaubst du nicht auch, dass du gestern ein wenig überfordert warst? Zu viele Enthüllungen an einem Abend sind nicht gut für das Köpfchen." Sie lächelte ihn an und klopfte gegen ihren Schädel. Sie blickte kurz gen Himmel, ehe sie den Boden zu betrachten schien, während sie weiterhin in der Hocke verblieb. "Ich beschatte dich nicht, ich beschütze dich nur vor dir selbst. Gestern Nacht waren eine Handvoll Assassinen auf dem Weg zu deiner Wohnung." Marcus hielt inne, dann schüttelte er den Kopf. "Was sollten sie denn von m-" Fate unterbrach ihn mit dem Wink ihrer Hand. "Sie waren nicht hinter dir her ..." Mit diesen Worten berührte sie den Boden und schloss die Augen.
"Ich rufe die Leere, Finsternis, Mutter der Nacht: Verschlinge die Schöpfung, zähme die Realität! Die fünf Verse der Einheit, die fünfzehn Räume der Ewigkeit und die Stille des Anbeginns verschließen sich der Wirklichkeit. Höret nur was ungesagt! Sehet nur was ungesehn!
Kantate des Chaos #031: Refugium"
Kaum hatte sie diese seltsamen Worte ausgesprochen, verlor sich die Welt in Dunkelheit. Als Marcus die Augen wieder öffnete, befanden sie sich noch immer im Wald, doch wirkte die Umgebung, als hätte man in einem Bildbearbeitungsprogramm die Farben invertiert. Nur er, Aiolos und Fate blieben normal. "Hier können wir reden." Das Mädchen seufzte erneut un betrachtete ihn mit einem leicht traurigen Blick. "Wie du selbst gesagt hast, weißt du nicht, was in all den Jahren geschehen ist. Ich fand es nicht richtig, dich damit zusätzlich zu belasten. Zumindest nicht gestern ... Aber als ich die Ankunft der Assassinen wahrnahm, musste ich handeln. Und ich glaube kaum, dass du still zu Hause sitzen geblieben wärst, wenn ich dir gesagt hätte, dass ich mich mal eben schnell um ein paar Attentäter kümmere." Sie erhob sich, ließ Marcus jedoch nicht aus den Augen. "Du bist nicht der einzige mit mysteriösen Fähigkeiten. Ich will jetzt nicht ins Detail gehen, aber wenn du eine Hexe bist, bin ich wohl eine Magierin." Sie klatschte einmal in die Hände und die seltsame Barriere fiel in sich zusammen. Marcus wollte noch weitere Fragen stellen, doch Fate lächelte ihn zuckersüß an. "Ich glaube, wir haben jetzt ein Meeting." Kein weiteres Wort fiel mehr auf dem Weg zum Jack of All Trades.
Marcus & Fate: Das Jack of All Trades
Das gewaltige Hochhaus hatte sich nicht verändert, was ja auch seltsam gewesen wäre - immerhin war er erst gestern dort gewesen. Noch immer war in dem Gebäude keine einzige Menschenseele zu finden, nur Lakar schien dort zu sein. Der Aviati stand wie schon Stunden zuvor am Fenster und betrachtete die wunderschöne Landschaft. "Marcus. Fate. Ich habe Euch erwartet", sagte er unnötigerweise und als Marcus einmal blinzelte, befanden sie sich in einem gewaltigen Tempelkomplex. Zumindest wirkte die Halle, in der sie sich nun befanden, so. Seltsame Glyphen zierten die Wände und Sandsack-artige Steine mit Dornen befanden sich hier und dort. "Zuerst", begann der Aviati und betrachtete Marcus, "sollten wir uns um Deine Wunden kümmern." Er schritt auf ihn zu, doch Fate rieb sich bereits die Hände. "Ich mach das." Lakar blieb stehen und schenkte dem Jungen ein süffisantes Lächeln. Wie es scheint, hat die junge Dame bereits mit Dir gesprochen. Marcus zuckte kurz zusammen, als er die Stimme direkt in seinem Kopf vernahm, während Lakars Lippen die ganze Zeit über geschlossen blieben. Der Aviati legte seinen rechten Zeigefinger an die Lippen und deutete dann auf den Ring, den er dem Jungen in der Nacht zuvor gegeben hatte. Manchmal ist es besser, wenn Männer unter sich sein können. Oh, das könnte jetzt etwas schmerzen ... Aus den Augenwinkeln sah Marcus seine Kindheitsfreundin, deren Handflächen in blaues Feuer getaucht waren. Mit dem Wink seiner linken Hand verschwand Marcus' Hemd und dann legte Fate auch schon ihre Hände an seinem Rücken. Ein sengender Schmerz fuhr ihm durch Mark und Bein, es fühlte sich an, als führte sie flüssiges Metall in seine Wirbelsäule ein. Als schmolz er regelrecht. Fate murmelte etwas in einer Sprache, die Marcus noch nie vernommen hatte, und doch fühlte es sich bekannt an. "Du hast eine besondere Gabe, mein Junge", sprach Lakar und setzte sich vor Marcus auf einen steinern Thron, der vorher noch nicht da gewesen war, "Nur wenige verfügen über die Fähigkeit, das Kronosfeld anzuzapfen. Doch die Zeit ist ein gefährliches Spielzeug." Er nahm Marcus' rechte Hand und drückte sie. Obwohl er kaum etwas spürte, gab sie mit einem knackenden Geräusch nach. "Es ist nicht einfach nur ein Feld, eine Blase, die Dich umgibt. Es durchdringt Dich und alle Materie. Glaubst Du etwa, das ganze Universum würde sich langsamer bewegen, wenn Du die Zeit krümmst? Du veränderst nur den Fluss in Deiner direkten Umgebung. Wenn Du Dich also schnell bewegst, beschleunigst Du nur den Fluss der Zeit innerhalb Deines eigenen Körpers. Und dieser hat Grenzen. Deine Muskeln, Sehnen, Knochen und Nerven haben allesamt eine Grenze und reißen, brechen und zerbersten an dem Druck, der auf ihnen lastet. So gesehen grenzt es an ein Wunder, dass es Dir selbst noch nicht aufgefallen ist. Du verdankst es nur Deinen hochregenerativen Zellen, dass Dein Körper intakt ist. Sie heilen Dich bislang schneller als Du Dich verletzt. Genau dies machen wir uns jetzt zunutze." Der Schmerz nahm langsam ab und wurde von einem Kribbeln abgelöst, das nun durch seinen Körper fuhr. Dann brach Fate hinter ihm zusammen. Ihr Gesicht war schweißgebadet und ihr Atem ging schwach. Marcus konnte sich jedoch noch nicht bewegen, sah lediglich über die Augenwinkel in ihr blasses Gesicht.
Keine Sorge, sie wird schon wieder. Sie hat lediglich einen Teil ihrer Macht auf Dich übertragen. Lakar hielt plötzlich einen Spiegel in der Hand, der Marcus aber seine Rückseite zeigte. Ein seltsam spiralförmiges Tattoo war auf seinem linken Schulterblatt zu erkennen. Ehrlich gesagt, ist Deine Gabe auch ein Fluch. Du wirst nicht so lange leben, wie die anderen Hexen und je öfter Du Deine Fähigkeit anwendest, desto kürzer wird Deine Lebensspanne. Ich habe Kinder gesehen, die bei ihrer Geburt zu Asche zerfielen, da sie die Macht des Kronosfeldes nicht beherrschen konnten. Deine Regenerationsfähigkeiten sind jedoch außergewöhnlich. Ich kenne nicht viele Leute in den Chroniken der Götter, die über ein solches Potential verfügten. Sicher, dass Dein Vater Dich nicht 'verbessert' hat? Wie auch immer, Deine Kräfte sind noch nicht ausgereift und somit auch Deine Selbstheilung nicht. Fates Siegel ermöglicht es Dir jedoch, vollen Zugriff darauf zu haben, damit wir trainieren können. Denn trainieren werden wir müssen und viel Zeit bleibt uns nicht ... Lakars Miene verdüsterte sich und er erhob sich aus seinem Thron. Marcus konnte sich langsam wieder bewegen und merkte, dass die gebrochene Hand wieder verheilt war. Der Aviati reichte ihm die Hand und half ihm auf. Als der Junge aus eigener Kraft stehen konnte, wandte sich sein Gastgeber wieder dem Fenster zu. "Was würdest Du tun, wenn ich Dir sage, dass eine Frau auf dem Weg hierher ist und alles Leben, das sie auf ihrer Reise kreuzt, zerstört? Selen ist eine furchterregende Frau. Sie hat Ylesia bereits erreicht und wird in etwa einem Monat hier sein. Und wenn sie erst einmal hier ist, wird alles, was Du liebst und teuer hältst, vernichtet werden. Hexen, Menschen ... das alles kümmert Selen nicht. Sie ist wahnsinnig. Und mächtig. Mächtig genug, um mich zu töten, sollte ich mich ihr in den Weg stellen. Und das muss ich." Er lächelte schwach und drehte sich wieder zu Marcus um. Fate stöhnte leise als hätte sie einen Kater. "Wir dürfen nicht ...", murmelte sie, "... der Pfeiler der Schöpfung ..."
Kalina & Nathan: Auf dem Weg nach Hause
Sharon streckte ihm die Zunge heraus, entgegnete frech: "Du und ich zerschunden, du am Boden und ich bereit, dich noch mehr zu verprügeln. Erinnert dich das an was?" Nathan lachte schallend und legte einen Arm um ihre Schulter, die aufgeregten Blicke und Tuscheleien nicht einmal registrierend. "Du und ich unter der Dusche. Du mit einem Hauch von Nichts und ich mit ... weniger. Wie ist es damit?", murmelte er mit einem kecken Grinsen. "War Marcus in der Schule?" Auf Nathans Kopfschütteln hin seufzte Sharon. "Wie schätzt du ihn ein? Fängt er sich wieder? Oder sehen wir ihn nie wieder?" Nathan brummte nachdenklich, während er sich am imaginären Bart kratzte. Nach einer Weile schüttelte er einfach den Kopf. "Schwer zu sagen. Er ist jemand, der selbst noch auf der Suche nach dem eigenen Ich zu sein scheint. Er könnte schon morgen wieder in der Schule sein oder Varath verlassen haben. Aber ich will ihn nicht abschreiben. Ich glaube, dass er einfach nur ein wenig Zeit für sich braucht. Zeit, damit klarzukommen und sich seiner Kräfte - und der damit verbundenen Verantwortung bewusst wird. Ich werde ihn aber demnächst einmal besuchen gehen. Vielleicht redet er ja mit mir über seine Probleme." Nathan blickte kurz zu Sharon, dann lächelte er schwach, während er die Augen wieder nach vorne richtete. "Du scheinst heute sehr gute Laune zu haben. Sag bloß, das Mädchen macht mir Konkurrenz! Bist ihr ja sogar in die Schule nachgelaufen." Er legte absichtlich einen gekränkt klingenden Tonfall ein, aber es war zu offensichtlich, dass er sie einfach ein wenig aufzog. Wenn sie eine Freundin gefunden hatte, war das großartig. Und falls es mehr war, dann hatte er kein Recht, sich einzumischen. Sharon riss ihn aus seinem Gedankengang: "Du sag mal ... Was ist, wenn Marcus gerade bei Kalina ist. Möglich wäre es ja. Nicht, das wir da reinplatzen. Die beiden wären ja schon ein süßes Paar. Da möchte ich nicht zwischen funken..." Sie machte eine Pause. "Das ist ziemlich kompliziert, oder? Freundschaften... trotz Unterschiede."
Nathan legte den Kopf in den Nacken, dann nickte er kurz. "Das könnte natürlich sein. Dann gibt es jetzt eine Planänderung! Komm!" Mit diesen Worten packte er sie an der Hand und lief los. Sharon wusste nicht, wohin er sie hinbringen wollte, doch nach und nach kamen ihr die schicken Gebäude bekannt vor und ehe sie sich versah, standen sie wieder vor dem Luxushotel, dessen Penthouse in die Luft flog. Sie gingen zur Rezeption und fanden dort Nina, die sie mit einem Nicken begrüßte. Nathan lehnte sich an das Pult und lächelte schwach. "Gibst du mir bitte den Schlüssel, Nina?" Diese schüttelte jedoch den Kopf: "Du weißt genau, dass dort oben noch Bauarbeiten fällig sind. Ich hatte Mühe, den Laden nicht schließen zu müssen." Nun schüttelte auch Nate den Kopf und hielt ihr seine Handfläche hin. "Den anderen Schlüssel, Nina." Die Aviati schenkte ihm einen leicht überraschten Blick, dann nahm sie einen Schlüssel und reichte ihn dem Jungen. Dieser lächelte nur schwach und zog Sharon leicht hinter sich her. Sie stiegen in den Aufzug, doch diesmal ging es abwärts. Im dritten Untergeschoss blieb der Lift stehen und brachte einen schwach beleuchteten Gang zum Vorschein. Es gab nur eine Tür am Ende des Ganges, eine alte Holztüre, die morsch wirkte. Nate öffnete die Türe mit dem Schlüssel und trat in die Dunkelheit, Sharon immer noch im Schlepptau. Er ließ sie los und schloss die Türe hinter sich. Es war nun stockfinster. Ehe Sharon jedoch etwas sagen konnte, legte Nathan einen Schalter um und die Beleuchtung sprang an. Sie befanden sich in einem weiten Flur mit Holzfußboden und Holzmöbeln. Es wirkte alles ein wenig rustikal wie aus jener Zeit lange vor dem Nebel. Auf einer Stufe lagen Hausschuhe in verschiedenen Größen bereit. Nate legte seinen Rucksack neben eine Kommode, dann schnappte er sich ein paar Hausschuhe und betrat das Innere. Hinter der nächsten Türe befand sich ein riesiges Wohnzimmer, das offen in alle anderen Räume zu führen schien. Auch hier beherrschte das Holz die Räumlichkeiten und es stellte sich die Frage, wie teuer das alles bloß sein musste. Zu Sharons Verblüffung schien die Wohnung sogar über einen Kamin zu verfügen. Überall befanden sich kleine Pokale oder Medaillen und auch Fotos waren zu sehen. Sharon betrachtete eines genauer und erkannte das Mädchen aus dem Foto wieder, das Nathan huckepack trug. Sie lachten beide. Als sie ins Wohnzimmer traten, fand Sharon sogar einen alten Flügel und ein paar weitere Instrumente in einer Ecke stehen. Nathan setzte sich auf die große Couch und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. "Das war einmal unser Apartment. Ist schon lange her, seit hier ein Mädchen war", murmelte er und lächelte schwach, "Dabei hatten wir doch ausgemacht, dass wir das nächste Mal zu dir gehen. Aber ich dachte mir, vielleicht möchtest du ein paar Kleider ausprobieren. Diese Reika wird es sicher gut finden", neckte er sie.
Kalina & Kevin: Kalinas Wohnung
"Wie kommst du auf einen 'Er', der nicht will, dass ich unglücklich bin", fragte Kevin und wusch sich nun die Haare. "Ja, ein paar Probleme habe ich", gestand er, "Ich mache mir über Tomo Sorgen, will es meinen Pflegeeltern Recht machen und außerdem sind da noch die Kleinigkeiten des Älterwerdens. Aber das ist vergleichsweise uninteressant." Kevin griff nach einer Bürste und schrubbte sich den Rücken, hatte die Augen geschlossen. "Ich wollte nicht starren", murmelte er leise. "Aber diese Narben lassen auch irgendwie auf Probleme schließen. Wo lernt man, so zu kämpfen? Leon war auch nicht schlecht, aber du... Deine Verletzungen lassen auf eine außergewöhnliche Vergangenheit schließen. Aber auch mir steht es nicht zu, nachzuhaken. Doch ich schätze, vielleicht hast du auch eine Last zu tragen. In der Ruine, als du von deinem Bruder sprachst, hattest du Tränen in den Augen. Die Sache mit dem Kosmos und den unendlich vielen Schichten unterschiedlicher Frequenz hat mir auch Tomo erzählt. Dieses Hologramm war sehr faszinierend. Ich frage mich, ob uns da etwas entgangen ist. Leider ist das nicht gerade die Gegend, wo man mal eben vorbei schauen kann..." Kalina lächelte die ganze Zeit über, während sie ihm lauschte. Sie legte den Kopf in den Nacken und damit auf den Rand der Wanne. Ihr schulterlanges, brünettes Haar versank im Wasser der Badewanne und ihre grünen Augen starrten zur Decke. "Wenn ich dich ansehe, dann ist mir, als sehe ich eine ganze Gruppe an unterschiedlichen Leuten. Kleine Mädchen ... große Jungs ... und ein Mann mit breiten Schultern. Ein Mann, der viel zu tragen hat, und in dessen Schatten du stehst." Auf seine Bemerkung bezüglich der Narben, schloss sie die Lider. "Hm ... das war vor langer Zeit. Wusstest du, dass ich von Adel bin? Doch leider war ich schon in jungen Jahren sehr bettlägerig und schwach. Mein Vater duldete keine Ausreden und zwang mich in meine Rolle. Es gab Tage, da spürte ich rein gar nichts mehr ... und Tage, da fühlte ich alle Schmerzen der Einsamkeit. Es war ein fürchterliches Leben, doch ich konnte ihm nicht entkommen." Nun lächelte sie schwach, während die Erinnerungen in ihrem Kopf wieder lebendig wurden. "Es war mein Bruder, der mir die Freiheit schenkte. Seinetwegen wurden wir ausgestoßen, doch ich bereute nichts. Wir hatten einander und das war mehr als ich mir je erträumt hatte. Mein Bruder tat alles für mich, er war da, wenn ich ihn brauchte. Er lehrte mich, gegen meine Krankheit anzukämpfen und mich zu verteidigen." Kalina sah Kevin in die Augen und lächelte. "Die Narben erinnern mich daran, dass nichts unmöglich ist und man alles erreichen kann, wenn man es nur versucht und man jemanden zur Seite hat, der einen versteht und akzeptiert." Bei der Erwähnung Tomos wurde ihr Blick nachdenklich, gedankenverloren. "Sie ist ein seltsames Mädchen. Sie wirkt so hilflos und verzweifelt. Ihre Augen schreien förmlich nach Hilfe, auch wenn ihr Gebahren das Gegenteil zu zeigen scheint. Aber ich glaube, sie fürchtet sich vor uns. Du aber scheinst dich mit ihr angefreundet zu haben. Vielleicht gelingt es dir ja, sie wiederzufinden, wenn du noch einmal dorthingehst. Vielleicht wartet sie dort auf dich." Sie lächelte und wuschelte ihm erneut durchs Haar, ehe sie sich erhob. "Du wirst sie sicher wiederfinden. Du musst nur daran glauben." Mit diesen Worten wandte sie sich ab und wollte aus dem Badebereich gehen, als sie an einem Schwamm ausrutschte und nach gewaltigem Krach auf dem Boden liegen blieb.
"Autsch, hihi."
Reika & William: Arcana High, Klasse 2D
Reika hatte gesagt, dass er sie nach dem Unterricht aufsuchen sollte. Klasse 2D. Vor dieser befand sich William nun und trat ein. Das Mädchen saß auf der Fensterbank und betrachtete den Vorhof der Schule nachdenklich. Auf sein Auftreten schien sie nicht zu reagieren, daher räusperte er sich. Noch immer regte sie sich nicht, doch zumindest schien sie nun zum Reden zumute. "Ah, der Kendo-Anwärter. Diesmal keine Lust in mich hineinzurennen?", fragte sie angriffslustig, ehe sie sich mit Schwung vom Fensterbrett löste. "Schon einmal ein solches Training absolviert? Was ist deine Motivation?" Sie nahm ihr Holzschwert von einem der Tische und schulterte es. Sie blutete noch immer am Unterschenkel und die Wunde sah aus, als würde sie sich bald entzünden, wenn sie sich nicht darum kümmerte. Doch sie schien es nicht einmal zu bemerken oder sie ignorierte es einfach. Es war nicht leicht, das aus ihrem Gesicht rauszulesen. Es war generell schwer, aus diesem Mädchen schlau zu werden, denn bis auf die Tatsache, dass sie leichte Aggressionsbewältigungsprobleme besaß, war es echt schwer, etwas aus ihren Augen oder ihrer Mimik abzulesen. Das konnte ja noch heiter werden!
Karya & Selen: Arhath, Ylesia
Arhath war einst eine imposante Festung gewesen. Allen widrigen Gesetzen zum Trotz ragte die Stadt wie ein Mahnmal gen Himmel, das daran erinnerte, dass Hexen nicht allmächtig waren. Arhath war ein Bollwerk der Menschen, eine der letzten Zufluchten für Hexenhasser. Eine Stadt, die nun in Flammen stand. Menschen hingen an Pfählen aufgespießt, lagen verbrannt in Fenstern oder waren nur noch in Einzelteilen zu finden. Der Junge hatte Glück, man hatte ihn noch nicht gefunden. Doch wohin? Auf einem Haufen aus Leichen saß eine junge Frau. Sie schien nicht älter als dreißig zu sein, doch der Blick aus ihren roten Augen durchstreifte die Jahrtausende. Selens Kleid war wie die Stadt selbst in Rot und Schwarz gehalten, ihr alabasterfarbenes Haar wehte sacht in der Brise, als sie die rote Flüssigkeit genüsslich aus dem Weinglas trank. Dem Jungen wurde übel, doch er musste leise sein. Er biss sich in den Finger, etwas Blut benetzte seine Lippen. "Wie sieht es aus, Karya?", fragte Selen mit melodiöser Stimme und die Angesprochene trat einen Schritt vor. "Bei gleichbleibendem Tempo erreichen wir den Pfeiler in knapp vier Wochen Standardzeit. Bisher gab es kaum Widerstand, von den Verrätern keine Spur." Sie trat wieder einen Schritt zurück, während Selen ein Auge aus dem Glas fischte und es sich in den Mund schob. "Ausgezeichnet. Wenn wir den Pfeiler erst einmal zerstört haben, ist die Neue Welt nicht mehr fern." Sie ergriff den wuchtigen Zweihänder neben ihr, der sie locker überragte und schleifte ihn über den Boden. Blaue Funken sprühten auf und verschlangen was von der Stadt übrig geblieben war. "Karya, ich will, dass du nach Varath aufbrichst und die Lage erkundest. Stifte ruhig etwas Unruhe, aber lass die Verräter nicht wissen, dass du in meinem Namen handelst." Diese nickte kurz, dann war sie verschwunden. Selen grinste, dann fuhr sie herum und spießte den Jungen mit der Klinge auf. Er war sofort tot. Blut tropfte auf sie herab und sie leckte sich erwartungsvoll die Oberlippe, dann hob sie den Zweihänder in die Höhe und betrachtete ihre Mannen. "Denkt daran: Keine Schwäche! Keine Furcht! Keine Gnade!"
Mit diesen Worten entstand ein Feuersturm, der die gesamte Stadt einhüllte. Kaum war er verschwunden, war von Selen, ihren Kriegern oder der Leiche nichts mehr zu sehen.
Marcus wich dem Apfel aus, trat ihn mit der Schuhspitze ein wenig weg und nahm dann Aiolos auf den Arm und behielt ihn gut im Auge, versuchte selber, auf Geräusche in seiner Umgebung zu achten. "Verzeih, wenn ich keinen Hunger auf Äpfel habe. Ich habe gut gefrühstückt. Außerdem habe ich ein wenig Angst, dass ich nach einem Bissen mit einem Filmriss und Kopfschmerzen aufwache. Das passiert mir momentan öfter." Fate schien nicht darauf zu reagieren, ließ sich vom Ast fallen und hob den weggetretenen Apfel auf. Sie inspizierte ihn nachdenklich. "Halt, nein! Eigentlich ist mir das nur heute passiert. Und ich habe nur eine Erklärung." Sein Blick wurde vorwurfsvoll. "Meine Wohnung hättest du auch einfacher verlassen können. War ich so langweilig?" Marcus grinste kurz, schüttelte dann jedoch den Kopf und sein Blick war ernst geworden. "Ist meine Wohnung jetzt voller Überwachungsgeräte? Warum das alles? Dass du nicht direkt böswillig gegen mich gehandelt hast, ist mir schon klar. Sonst wäre ich wohl nicht mehr aufgewacht. Oder nicht in meiner Wohnung. Was hat es dir dann gebracht?" Er sah sie forschend an. Fate jedoch nickte nur lächelnd und biss dann wieder in den Apfel. "Du solltest Essen nicht einfach so wegwerfen! Nur weil du gut gefrühstückt hast, heißt es nicht, dass niemand diesen Apfel will", tadelte sie ihn mit vollem Mund, ohne ihn dabei anzusehen. Nachdem sie den Bissen runtergeschluckt hatte, betrachtete sie den Apfel in ihren Händen wieder nachdenklich. "Wenn wir beide doch nicht an einem Strang ziehen wollen, dann musst du es nur sagen. Dann verpisst sich der dumme Marcus eben. Und das ist dann kein Davonlaufen. Stürmen in eine andere Richtung nannte ich es gestern, oder?" Er seufzte, leckte sich etwas nervös über die Oberlippe. "Und was ist hier eigentlich passiert? Stundenlang im Unterholz getobt? Ich dachte, aus dem Alter sind wir beide raus. Oder aber... ein Kampf. Gegen wen?" Er schmunzelte, doch seine Augen wirken ernst, verletzt. "Ich weiß, ich bin ein neugieriger Quälgeist. Aber wenn man Antworten haben will, muss man eben fragen. Wenn man keine Antworten bekommt, hat man eben Pech gehabt. Ich will dich ja auch nicht vom Klettern abhalten. Bin gleich wieder weg..." Nun war es seine Kindheitsfreundin, die seufzte. "Genau darum geht es mir. Antworten sind wichtig, doch glaubst du nicht auch, dass du gestern ein wenig überfordert warst? Zu viele Enthüllungen an einem Abend sind nicht gut für das Köpfchen." Sie lächelte ihn an und klopfte gegen ihren Schädel. Sie blickte kurz gen Himmel, ehe sie den Boden zu betrachten schien, während sie weiterhin in der Hocke verblieb. "Ich beschatte dich nicht, ich beschütze dich nur vor dir selbst. Gestern Nacht waren eine Handvoll Assassinen auf dem Weg zu deiner Wohnung." Marcus hielt inne, dann schüttelte er den Kopf. "Was sollten sie denn von m-" Fate unterbrach ihn mit dem Wink ihrer Hand. "Sie waren nicht hinter dir her ..." Mit diesen Worten berührte sie den Boden und schloss die Augen.
"Ich rufe die Leere, Finsternis, Mutter der Nacht: Verschlinge die Schöpfung, zähme die Realität! Die fünf Verse der Einheit, die fünfzehn Räume der Ewigkeit und die Stille des Anbeginns verschließen sich der Wirklichkeit. Höret nur was ungesagt! Sehet nur was ungesehn!
Kantate des Chaos #031: Refugium"
Kaum hatte sie diese seltsamen Worte ausgesprochen, verlor sich die Welt in Dunkelheit. Als Marcus die Augen wieder öffnete, befanden sie sich noch immer im Wald, doch wirkte die Umgebung, als hätte man in einem Bildbearbeitungsprogramm die Farben invertiert. Nur er, Aiolos und Fate blieben normal. "Hier können wir reden." Das Mädchen seufzte erneut un betrachtete ihn mit einem leicht traurigen Blick. "Wie du selbst gesagt hast, weißt du nicht, was in all den Jahren geschehen ist. Ich fand es nicht richtig, dich damit zusätzlich zu belasten. Zumindest nicht gestern ... Aber als ich die Ankunft der Assassinen wahrnahm, musste ich handeln. Und ich glaube kaum, dass du still zu Hause sitzen geblieben wärst, wenn ich dir gesagt hätte, dass ich mich mal eben schnell um ein paar Attentäter kümmere." Sie erhob sich, ließ Marcus jedoch nicht aus den Augen. "Du bist nicht der einzige mit mysteriösen Fähigkeiten. Ich will jetzt nicht ins Detail gehen, aber wenn du eine Hexe bist, bin ich wohl eine Magierin." Sie klatschte einmal in die Hände und die seltsame Barriere fiel in sich zusammen. Marcus wollte noch weitere Fragen stellen, doch Fate lächelte ihn zuckersüß an. "Ich glaube, wir haben jetzt ein Meeting." Kein weiteres Wort fiel mehr auf dem Weg zum Jack of All Trades.
Marcus & Fate: Das Jack of All Trades
Das gewaltige Hochhaus hatte sich nicht verändert, was ja auch seltsam gewesen wäre - immerhin war er erst gestern dort gewesen. Noch immer war in dem Gebäude keine einzige Menschenseele zu finden, nur Lakar schien dort zu sein. Der Aviati stand wie schon Stunden zuvor am Fenster und betrachtete die wunderschöne Landschaft. "Marcus. Fate. Ich habe Euch erwartet", sagte er unnötigerweise und als Marcus einmal blinzelte, befanden sie sich in einem gewaltigen Tempelkomplex. Zumindest wirkte die Halle, in der sie sich nun befanden, so. Seltsame Glyphen zierten die Wände und Sandsack-artige Steine mit Dornen befanden sich hier und dort. "Zuerst", begann der Aviati und betrachtete Marcus, "sollten wir uns um Deine Wunden kümmern." Er schritt auf ihn zu, doch Fate rieb sich bereits die Hände. "Ich mach das." Lakar blieb stehen und schenkte dem Jungen ein süffisantes Lächeln. Wie es scheint, hat die junge Dame bereits mit Dir gesprochen. Marcus zuckte kurz zusammen, als er die Stimme direkt in seinem Kopf vernahm, während Lakars Lippen die ganze Zeit über geschlossen blieben. Der Aviati legte seinen rechten Zeigefinger an die Lippen und deutete dann auf den Ring, den er dem Jungen in der Nacht zuvor gegeben hatte. Manchmal ist es besser, wenn Männer unter sich sein können. Oh, das könnte jetzt etwas schmerzen ... Aus den Augenwinkeln sah Marcus seine Kindheitsfreundin, deren Handflächen in blaues Feuer getaucht waren. Mit dem Wink seiner linken Hand verschwand Marcus' Hemd und dann legte Fate auch schon ihre Hände an seinem Rücken. Ein sengender Schmerz fuhr ihm durch Mark und Bein, es fühlte sich an, als führte sie flüssiges Metall in seine Wirbelsäule ein. Als schmolz er regelrecht. Fate murmelte etwas in einer Sprache, die Marcus noch nie vernommen hatte, und doch fühlte es sich bekannt an. "Du hast eine besondere Gabe, mein Junge", sprach Lakar und setzte sich vor Marcus auf einen steinern Thron, der vorher noch nicht da gewesen war, "Nur wenige verfügen über die Fähigkeit, das Kronosfeld anzuzapfen. Doch die Zeit ist ein gefährliches Spielzeug." Er nahm Marcus' rechte Hand und drückte sie. Obwohl er kaum etwas spürte, gab sie mit einem knackenden Geräusch nach. "Es ist nicht einfach nur ein Feld, eine Blase, die Dich umgibt. Es durchdringt Dich und alle Materie. Glaubst Du etwa, das ganze Universum würde sich langsamer bewegen, wenn Du die Zeit krümmst? Du veränderst nur den Fluss in Deiner direkten Umgebung. Wenn Du Dich also schnell bewegst, beschleunigst Du nur den Fluss der Zeit innerhalb Deines eigenen Körpers. Und dieser hat Grenzen. Deine Muskeln, Sehnen, Knochen und Nerven haben allesamt eine Grenze und reißen, brechen und zerbersten an dem Druck, der auf ihnen lastet. So gesehen grenzt es an ein Wunder, dass es Dir selbst noch nicht aufgefallen ist. Du verdankst es nur Deinen hochregenerativen Zellen, dass Dein Körper intakt ist. Sie heilen Dich bislang schneller als Du Dich verletzt. Genau dies machen wir uns jetzt zunutze." Der Schmerz nahm langsam ab und wurde von einem Kribbeln abgelöst, das nun durch seinen Körper fuhr. Dann brach Fate hinter ihm zusammen. Ihr Gesicht war schweißgebadet und ihr Atem ging schwach. Marcus konnte sich jedoch noch nicht bewegen, sah lediglich über die Augenwinkel in ihr blasses Gesicht.
Keine Sorge, sie wird schon wieder. Sie hat lediglich einen Teil ihrer Macht auf Dich übertragen. Lakar hielt plötzlich einen Spiegel in der Hand, der Marcus aber seine Rückseite zeigte. Ein seltsam spiralförmiges Tattoo war auf seinem linken Schulterblatt zu erkennen. Ehrlich gesagt, ist Deine Gabe auch ein Fluch. Du wirst nicht so lange leben, wie die anderen Hexen und je öfter Du Deine Fähigkeit anwendest, desto kürzer wird Deine Lebensspanne. Ich habe Kinder gesehen, die bei ihrer Geburt zu Asche zerfielen, da sie die Macht des Kronosfeldes nicht beherrschen konnten. Deine Regenerationsfähigkeiten sind jedoch außergewöhnlich. Ich kenne nicht viele Leute in den Chroniken der Götter, die über ein solches Potential verfügten. Sicher, dass Dein Vater Dich nicht 'verbessert' hat? Wie auch immer, Deine Kräfte sind noch nicht ausgereift und somit auch Deine Selbstheilung nicht. Fates Siegel ermöglicht es Dir jedoch, vollen Zugriff darauf zu haben, damit wir trainieren können. Denn trainieren werden wir müssen und viel Zeit bleibt uns nicht ... Lakars Miene verdüsterte sich und er erhob sich aus seinem Thron. Marcus konnte sich langsam wieder bewegen und merkte, dass die gebrochene Hand wieder verheilt war. Der Aviati reichte ihm die Hand und half ihm auf. Als der Junge aus eigener Kraft stehen konnte, wandte sich sein Gastgeber wieder dem Fenster zu. "Was würdest Du tun, wenn ich Dir sage, dass eine Frau auf dem Weg hierher ist und alles Leben, das sie auf ihrer Reise kreuzt, zerstört? Selen ist eine furchterregende Frau. Sie hat Ylesia bereits erreicht und wird in etwa einem Monat hier sein. Und wenn sie erst einmal hier ist, wird alles, was Du liebst und teuer hältst, vernichtet werden. Hexen, Menschen ... das alles kümmert Selen nicht. Sie ist wahnsinnig. Und mächtig. Mächtig genug, um mich zu töten, sollte ich mich ihr in den Weg stellen. Und das muss ich." Er lächelte schwach und drehte sich wieder zu Marcus um. Fate stöhnte leise als hätte sie einen Kater. "Wir dürfen nicht ...", murmelte sie, "... der Pfeiler der Schöpfung ..."
Kalina & Nathan: Auf dem Weg nach Hause
Sharon streckte ihm die Zunge heraus, entgegnete frech: "Du und ich zerschunden, du am Boden und ich bereit, dich noch mehr zu verprügeln. Erinnert dich das an was?" Nathan lachte schallend und legte einen Arm um ihre Schulter, die aufgeregten Blicke und Tuscheleien nicht einmal registrierend. "Du und ich unter der Dusche. Du mit einem Hauch von Nichts und ich mit ... weniger. Wie ist es damit?", murmelte er mit einem kecken Grinsen. "War Marcus in der Schule?" Auf Nathans Kopfschütteln hin seufzte Sharon. "Wie schätzt du ihn ein? Fängt er sich wieder? Oder sehen wir ihn nie wieder?" Nathan brummte nachdenklich, während er sich am imaginären Bart kratzte. Nach einer Weile schüttelte er einfach den Kopf. "Schwer zu sagen. Er ist jemand, der selbst noch auf der Suche nach dem eigenen Ich zu sein scheint. Er könnte schon morgen wieder in der Schule sein oder Varath verlassen haben. Aber ich will ihn nicht abschreiben. Ich glaube, dass er einfach nur ein wenig Zeit für sich braucht. Zeit, damit klarzukommen und sich seiner Kräfte - und der damit verbundenen Verantwortung bewusst wird. Ich werde ihn aber demnächst einmal besuchen gehen. Vielleicht redet er ja mit mir über seine Probleme." Nathan blickte kurz zu Sharon, dann lächelte er schwach, während er die Augen wieder nach vorne richtete. "Du scheinst heute sehr gute Laune zu haben. Sag bloß, das Mädchen macht mir Konkurrenz! Bist ihr ja sogar in die Schule nachgelaufen." Er legte absichtlich einen gekränkt klingenden Tonfall ein, aber es war zu offensichtlich, dass er sie einfach ein wenig aufzog. Wenn sie eine Freundin gefunden hatte, war das großartig. Und falls es mehr war, dann hatte er kein Recht, sich einzumischen. Sharon riss ihn aus seinem Gedankengang: "Du sag mal ... Was ist, wenn Marcus gerade bei Kalina ist. Möglich wäre es ja. Nicht, das wir da reinplatzen. Die beiden wären ja schon ein süßes Paar. Da möchte ich nicht zwischen funken..." Sie machte eine Pause. "Das ist ziemlich kompliziert, oder? Freundschaften... trotz Unterschiede."
Nathan legte den Kopf in den Nacken, dann nickte er kurz. "Das könnte natürlich sein. Dann gibt es jetzt eine Planänderung! Komm!" Mit diesen Worten packte er sie an der Hand und lief los. Sharon wusste nicht, wohin er sie hinbringen wollte, doch nach und nach kamen ihr die schicken Gebäude bekannt vor und ehe sie sich versah, standen sie wieder vor dem Luxushotel, dessen Penthouse in die Luft flog. Sie gingen zur Rezeption und fanden dort Nina, die sie mit einem Nicken begrüßte. Nathan lehnte sich an das Pult und lächelte schwach. "Gibst du mir bitte den Schlüssel, Nina?" Diese schüttelte jedoch den Kopf: "Du weißt genau, dass dort oben noch Bauarbeiten fällig sind. Ich hatte Mühe, den Laden nicht schließen zu müssen." Nun schüttelte auch Nate den Kopf und hielt ihr seine Handfläche hin. "Den anderen Schlüssel, Nina." Die Aviati schenkte ihm einen leicht überraschten Blick, dann nahm sie einen Schlüssel und reichte ihn dem Jungen. Dieser lächelte nur schwach und zog Sharon leicht hinter sich her. Sie stiegen in den Aufzug, doch diesmal ging es abwärts. Im dritten Untergeschoss blieb der Lift stehen und brachte einen schwach beleuchteten Gang zum Vorschein. Es gab nur eine Tür am Ende des Ganges, eine alte Holztüre, die morsch wirkte. Nate öffnete die Türe mit dem Schlüssel und trat in die Dunkelheit, Sharon immer noch im Schlepptau. Er ließ sie los und schloss die Türe hinter sich. Es war nun stockfinster. Ehe Sharon jedoch etwas sagen konnte, legte Nathan einen Schalter um und die Beleuchtung sprang an. Sie befanden sich in einem weiten Flur mit Holzfußboden und Holzmöbeln. Es wirkte alles ein wenig rustikal wie aus jener Zeit lange vor dem Nebel. Auf einer Stufe lagen Hausschuhe in verschiedenen Größen bereit. Nate legte seinen Rucksack neben eine Kommode, dann schnappte er sich ein paar Hausschuhe und betrat das Innere. Hinter der nächsten Türe befand sich ein riesiges Wohnzimmer, das offen in alle anderen Räume zu führen schien. Auch hier beherrschte das Holz die Räumlichkeiten und es stellte sich die Frage, wie teuer das alles bloß sein musste. Zu Sharons Verblüffung schien die Wohnung sogar über einen Kamin zu verfügen. Überall befanden sich kleine Pokale oder Medaillen und auch Fotos waren zu sehen. Sharon betrachtete eines genauer und erkannte das Mädchen aus dem Foto wieder, das Nathan huckepack trug. Sie lachten beide. Als sie ins Wohnzimmer traten, fand Sharon sogar einen alten Flügel und ein paar weitere Instrumente in einer Ecke stehen. Nathan setzte sich auf die große Couch und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. "Das war einmal unser Apartment. Ist schon lange her, seit hier ein Mädchen war", murmelte er und lächelte schwach, "Dabei hatten wir doch ausgemacht, dass wir das nächste Mal zu dir gehen. Aber ich dachte mir, vielleicht möchtest du ein paar Kleider ausprobieren. Diese Reika wird es sicher gut finden", neckte er sie.
Kalina & Kevin: Kalinas Wohnung
"Wie kommst du auf einen 'Er', der nicht will, dass ich unglücklich bin", fragte Kevin und wusch sich nun die Haare. "Ja, ein paar Probleme habe ich", gestand er, "Ich mache mir über Tomo Sorgen, will es meinen Pflegeeltern Recht machen und außerdem sind da noch die Kleinigkeiten des Älterwerdens. Aber das ist vergleichsweise uninteressant." Kevin griff nach einer Bürste und schrubbte sich den Rücken, hatte die Augen geschlossen. "Ich wollte nicht starren", murmelte er leise. "Aber diese Narben lassen auch irgendwie auf Probleme schließen. Wo lernt man, so zu kämpfen? Leon war auch nicht schlecht, aber du... Deine Verletzungen lassen auf eine außergewöhnliche Vergangenheit schließen. Aber auch mir steht es nicht zu, nachzuhaken. Doch ich schätze, vielleicht hast du auch eine Last zu tragen. In der Ruine, als du von deinem Bruder sprachst, hattest du Tränen in den Augen. Die Sache mit dem Kosmos und den unendlich vielen Schichten unterschiedlicher Frequenz hat mir auch Tomo erzählt. Dieses Hologramm war sehr faszinierend. Ich frage mich, ob uns da etwas entgangen ist. Leider ist das nicht gerade die Gegend, wo man mal eben vorbei schauen kann..." Kalina lächelte die ganze Zeit über, während sie ihm lauschte. Sie legte den Kopf in den Nacken und damit auf den Rand der Wanne. Ihr schulterlanges, brünettes Haar versank im Wasser der Badewanne und ihre grünen Augen starrten zur Decke. "Wenn ich dich ansehe, dann ist mir, als sehe ich eine ganze Gruppe an unterschiedlichen Leuten. Kleine Mädchen ... große Jungs ... und ein Mann mit breiten Schultern. Ein Mann, der viel zu tragen hat, und in dessen Schatten du stehst." Auf seine Bemerkung bezüglich der Narben, schloss sie die Lider. "Hm ... das war vor langer Zeit. Wusstest du, dass ich von Adel bin? Doch leider war ich schon in jungen Jahren sehr bettlägerig und schwach. Mein Vater duldete keine Ausreden und zwang mich in meine Rolle. Es gab Tage, da spürte ich rein gar nichts mehr ... und Tage, da fühlte ich alle Schmerzen der Einsamkeit. Es war ein fürchterliches Leben, doch ich konnte ihm nicht entkommen." Nun lächelte sie schwach, während die Erinnerungen in ihrem Kopf wieder lebendig wurden. "Es war mein Bruder, der mir die Freiheit schenkte. Seinetwegen wurden wir ausgestoßen, doch ich bereute nichts. Wir hatten einander und das war mehr als ich mir je erträumt hatte. Mein Bruder tat alles für mich, er war da, wenn ich ihn brauchte. Er lehrte mich, gegen meine Krankheit anzukämpfen und mich zu verteidigen." Kalina sah Kevin in die Augen und lächelte. "Die Narben erinnern mich daran, dass nichts unmöglich ist und man alles erreichen kann, wenn man es nur versucht und man jemanden zur Seite hat, der einen versteht und akzeptiert." Bei der Erwähnung Tomos wurde ihr Blick nachdenklich, gedankenverloren. "Sie ist ein seltsames Mädchen. Sie wirkt so hilflos und verzweifelt. Ihre Augen schreien förmlich nach Hilfe, auch wenn ihr Gebahren das Gegenteil zu zeigen scheint. Aber ich glaube, sie fürchtet sich vor uns. Du aber scheinst dich mit ihr angefreundet zu haben. Vielleicht gelingt es dir ja, sie wiederzufinden, wenn du noch einmal dorthingehst. Vielleicht wartet sie dort auf dich." Sie lächelte und wuschelte ihm erneut durchs Haar, ehe sie sich erhob. "Du wirst sie sicher wiederfinden. Du musst nur daran glauben." Mit diesen Worten wandte sie sich ab und wollte aus dem Badebereich gehen, als sie an einem Schwamm ausrutschte und nach gewaltigem Krach auf dem Boden liegen blieb.
"Autsch, hihi."
Reika & William: Arcana High, Klasse 2D
Reika hatte gesagt, dass er sie nach dem Unterricht aufsuchen sollte. Klasse 2D. Vor dieser befand sich William nun und trat ein. Das Mädchen saß auf der Fensterbank und betrachtete den Vorhof der Schule nachdenklich. Auf sein Auftreten schien sie nicht zu reagieren, daher räusperte er sich. Noch immer regte sie sich nicht, doch zumindest schien sie nun zum Reden zumute. "Ah, der Kendo-Anwärter. Diesmal keine Lust in mich hineinzurennen?", fragte sie angriffslustig, ehe sie sich mit Schwung vom Fensterbrett löste. "Schon einmal ein solches Training absolviert? Was ist deine Motivation?" Sie nahm ihr Holzschwert von einem der Tische und schulterte es. Sie blutete noch immer am Unterschenkel und die Wunde sah aus, als würde sie sich bald entzünden, wenn sie sich nicht darum kümmerte. Doch sie schien es nicht einmal zu bemerken oder sie ignorierte es einfach. Es war nicht leicht, das aus ihrem Gesicht rauszulesen. Es war generell schwer, aus diesem Mädchen schlau zu werden, denn bis auf die Tatsache, dass sie leichte Aggressionsbewältigungsprobleme besaß, war es echt schwer, etwas aus ihren Augen oder ihrer Mimik abzulesen. Das konnte ja noch heiter werden!
Karya & Selen: Arhath, Ylesia
Arhath war einst eine imposante Festung gewesen. Allen widrigen Gesetzen zum Trotz ragte die Stadt wie ein Mahnmal gen Himmel, das daran erinnerte, dass Hexen nicht allmächtig waren. Arhath war ein Bollwerk der Menschen, eine der letzten Zufluchten für Hexenhasser. Eine Stadt, die nun in Flammen stand. Menschen hingen an Pfählen aufgespießt, lagen verbrannt in Fenstern oder waren nur noch in Einzelteilen zu finden. Der Junge hatte Glück, man hatte ihn noch nicht gefunden. Doch wohin? Auf einem Haufen aus Leichen saß eine junge Frau. Sie schien nicht älter als dreißig zu sein, doch der Blick aus ihren roten Augen durchstreifte die Jahrtausende. Selens Kleid war wie die Stadt selbst in Rot und Schwarz gehalten, ihr alabasterfarbenes Haar wehte sacht in der Brise, als sie die rote Flüssigkeit genüsslich aus dem Weinglas trank. Dem Jungen wurde übel, doch er musste leise sein. Er biss sich in den Finger, etwas Blut benetzte seine Lippen. "Wie sieht es aus, Karya?", fragte Selen mit melodiöser Stimme und die Angesprochene trat einen Schritt vor. "Bei gleichbleibendem Tempo erreichen wir den Pfeiler in knapp vier Wochen Standardzeit. Bisher gab es kaum Widerstand, von den Verrätern keine Spur." Sie trat wieder einen Schritt zurück, während Selen ein Auge aus dem Glas fischte und es sich in den Mund schob. "Ausgezeichnet. Wenn wir den Pfeiler erst einmal zerstört haben, ist die Neue Welt nicht mehr fern." Sie ergriff den wuchtigen Zweihänder neben ihr, der sie locker überragte und schleifte ihn über den Boden. Blaue Funken sprühten auf und verschlangen was von der Stadt übrig geblieben war. "Karya, ich will, dass du nach Varath aufbrichst und die Lage erkundest. Stifte ruhig etwas Unruhe, aber lass die Verräter nicht wissen, dass du in meinem Namen handelst." Diese nickte kurz, dann war sie verschwunden. Selen grinste, dann fuhr sie herum und spießte den Jungen mit der Klinge auf. Er war sofort tot. Blut tropfte auf sie herab und sie leckte sich erwartungsvoll die Oberlippe, dann hob sie den Zweihänder in die Höhe und betrachtete ihre Mannen. "Denkt daran: Keine Schwäche! Keine Furcht! Keine Gnade!"
Mit diesen Worten entstand ein Feuersturm, der die gesamte Stadt einhüllte. Kaum war er verschwunden, war von Selen, ihren Kriegern oder der Leiche nichts mehr zu sehen.