[Aeruin RPG] Hauptthread

In den Ruinen – 2. Untergeschoss, Südseite

"Diese Verantwortung soll meine sein, Mensch." Das waren Nathans Worte an ihn gewesen bezogen auf seine vorherige Äußerung, dass er nichts über die anderen wusste außer Oberflächlichkeiten.
Derian sparte sich jede Antwort, er hatte am Tonfall, an der Bestimmtheit mit der Nathan gesprochen hatte, herausgehört, dass keine Aussage seinerseits ihn umstimmen könnte. Er war ein verblendeter Narr, ein Idealist, Träumer oder wie man ihn aufgrund seiner illusorischen Gedankengänge sonst noch bezeichnen wollte. Aber wie konnte er auch anders? So war er doch immerhin ein Vaishara.
Gemeinsam wanden sie sich dem weiteren Weg zu. "Da ich sicher bin, dass unser werter Freund hier", Nate deutete auf ihn, "nicht als Kanonenfutter dienen möchte, gehe ich voraus. Meine Fähigkeit sollte sich als nützlich erweisen. Marcus, du markierst das Ende der Gruppe, da du dich schnell genug auf Veränderungen und Gefahren einstellen kannst. Sharon, bleib bei mir, ich könnte deine Fähigkeiten gebrauchen." Die anderen akzeptierten stumm und so war die Aufstellung klar. Vorne liefen Nate und Sharon, ersterer flüsterte dem Mädchen etwas zu. Wahrscheinlich versuchte er ihr ihre Angst zu nehmen, dachte sich Derian, aber so einfach würde das nicht gehen. Sie hatte Kalinas Zögern gespürt und auch dass der anderen, sie wusste offensichtlich ganz genau welche Verachtung die Welt ihr entgegen brachte und irgendwie erfüllte ihn diese Tatsache mit einem kleinen Funken Genugtuung. Nichtsdestotrotz hatte er bemerkt, dass sie sich etwas gegriffen hatte und auch nicht, wie sie vorhin Steine ihrem Geist unterworfen hatte, er musste definitiv auf der Hut sein. Am gefährlichsten war immer eine in die Enge gedrängte Person, die keinen Ausweg mehr sieht.
Auf ihrem Weg durch den Untergrund lief Kalina nervös umher und spielte mal wieder den Lila-Gute-Laune-Bär. Sie versuchte Sharon aufzuheitern und schmetterte deren Aussage, dass es wohl nichts werden würde mit dem Theater-Club, mit einer ekelerregenden Zuversicht weg. Irgendwie wurde ihr dann plötzlich doch klar, dass sie gerade ziemlichen Stuss von sich gab und sie versuchte sich Zustimmung von Nathan einzuholen. Dieser antwortete, wie könnte es auch anders sein, mit einem überzeugenden „Natürlich“ und trug dabei sein grenzdebiles Lächeln. "Ich habe so viel auf mich genommen, um an diese Schule gehen zu können. Trotz meiner Lernschwäche, meiner chaotischen Natur und der steten Gefahr getötet zu werden, wird mich niemand davon abbringen, mein Ziel zu erreichen!" Seine Hand ballte sich zur Faust, welche er nachdenklich betrachtete. Kalina sah ihn fragend an und legte einen Finger an ihre Lippen, ehe sie sich lächelnd zu Derian umwandte. "Ich weiß nicht, was sein Ziel ist, aber er scheint es genauso ernsthaft erreichen zu wollen wie du. Oder war deine Ansprache in der Klasse leeres Gerede? Ihr habt ein klares Ziel vor Augen, eine Person, die ihr erreichen wollt ..." Etwas geschockt sah Derian Kalina an. Dieses Mädchen war eine wandelnde Wundertüte an Emotionen und konfusen Aussagen, mal absolut belangloses Zeug und dann haute sie wieder so eine Feststellung wie eben raus, die überaus passend und akkurat war. Nur, dass er nicht jemanden erreichen wollte, sondern etwas, und um zu diesem etwas zu gelangen, war es notwendig zu handeln wie es Menschen taten, die er bewunderte. Derian schwieg daher nicht wegen Kalinas niedergeschlagenem Blick, sondern weil ihn ihre Worte überrascht und kurz nachdenklich gemacht hatten.
Aber diese Gedanken wurden weggefegt, als sie eindeutige Schritte aus dem Gang vor ihnen hörten. „Rein da!“, zischte Nathan und sie pressten sich zusammen in eine enge Felsnische.
Bewaffnete Männer und Frauen rannten an ihnen vorbei in den Raum, in den sie gefallen waren. "Irgendwelche Sichtungen?", fragte ein Mann, dessen Stimme Hektik widerspiegelte. "Negativ", erwiderte sein Gegenüber, eine Frau. Derian erkannte, wie Nate einen Blick auf die Waffen der Männer und Frauen warf.
"MG-22a. Laserfeuerwaffen für mittlere Distanz. Nur mit tödlicher Munition bestückbar", lachte er und sprach mehr zu sich selbst als zu den anderen. Derians Augenbraue zuckten für einen Moment nach oben. Oho, scheinbar kannte sich der feine Herr mit Waffen aus und war doch kein so gewaltiger Pazifist, wie man zunächst annahm.
"Zählt bis zehn, rennt dann an den Wachen vorbei. Dort hinten sollte eine Treppe sein, die nach oben führt. Los!" fuhr er sie an und Derian verdrehte die Augen. Einmal mehr die Heldennummer, nun ja, ihm konnte es ja recht sein. Immerhin ließ Nate seinen Worte auch gleich Taten folgten und lief auf die Gruppe zu. Diese eröffneten umgehend das Feuer, aber die Laserstrahlen prallten einfach von ihm ab beziehungsweise es war noch schlimmer als das, er schlug sie wie Tennisbälle zur Seite und sie verschütteten den Weg weiter hinten. Was war das für eine verrückte Fähigkeit? Konnte er seinen Körper manipulieren, fragte sich Derian und schaute gebannt zu. Nate lieferte sich ein kleines Scharmützel mit den Wachen und rief kurz darauf „Jetzt!“ und gab ihnen damit das Zeichen los zu preschen, während er selbst die drei übrigen in Schach hielt. Der Magic Finger kam wieder zum Einsatz, als sie durch den Gang sprinteten. Aufgrund seiner Athletik und dem ständigen Footballspielen war Derian recht weit vorne und hätte mit Leichtigkeit die mögliche Treppe nach oben erreichen können, aber ein Blick über seine Schulter ließ ihn stoppen. Die anderen aus der Gruppe, vornehmlich Sharon und Marcus waren langsamer geworden und hatten schließlich ihre Richtung geändert und eilten jetzt Nathan zu Hilfe, der scheinbar langsam Probleme bekam. Um Präzise zu sein, Marcus war bereits dort und mischte schon mit. Wie hatte er das denn jetzt so schnell hinbekommen? Die Flügelschuhe angezogen oder wie?
„Oh fuck, immer diese Heldensympathien, wo bleibt die gute alte Frauen und Kinder Nach Mir Haltung?“, fluchte er und drehte sich ebenfalls um. Die Rechnung war simpel. Die anderen würden Nate nicht seinem Schicksal überlassen, eher würden sie mit ihm draufgehen. Allerdings glaubte er nicht, dass sie die Situation hier nicht unter Kontrolle kriegen könnten. Es wäre nun leicht für ihn gewesen abzuhauen, aber er hatte keine Ahnung, ob der Gang auch wirklich an die Oberfläche führte und selbst wenn, könnten dort weitere Wachen warten. Noch waren sie nicht draußen und daher war es wichtig möglichst alle aus der Gruppe dabeizuhaben. Mehr Ziele für ihre Gegner und damit stiegen seine eigenen Überlebenschancen. Andererseits mussten sie sich beeilen und das ging nur, wenn das hier so schnell wie möglich vorbei war. Er stieß also noch die ein oder andere Obszönität aus und sprintete dann auf die Wachen zu.
Mit einem sauberen Tackle rammte er einen gegen die Wand und trat danach mehrmals fest zu in dessen Rippen.
 
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Sharon war nicht wenig überrascht, als Kalina sie am Handgelenk packte und ihr fest in die Augen sah. Ihre smaragdgrünen Augen waren voller Angst, doch auch voller Entschlossenheit. "Ich will aber keine anderen Schüler, ich will dich! Du warst die erste, die mit mir geredet hat, die erste, die mich nach dem Theater Club gefragt hat und die erste, die mich ermutigt hat, nicht aufzugeben. Und das tue ich nicht. Aber du darfst auch nicht aufgeben! Mir ist egal, was andere in dir sehen, ich habe mich bereits entschieden!" Kalina schenkte ihr ein Lächeln und Sharon nickte und strahlte sie an. Kalina wandte sich auch an Marcus, während Sharon kurz zu Derian sah, sich dann wieder auf den Weg vor ihnen konzentrierte. Möglicherweise war ja noch nicht alles verloren. Kalina's Unterstützung war ihr wichtig, erinnerte sie jedoch gleichzeitig an ein anderes Mädchen, vor so vielen Jahren...

"Dann legt nun bitte eure Stifte weg, das Diktat ist beendet", erklärte der Lehrer und erhob sich, schritt durch die Klasse und begann, die Blätter der Schüler und Schülerinnen einzusammeln. Plötzlich öffnete sich die Tür des Klassenzimmers und der Schuldirektor stand in der Tür, zusammen mit einem Mann in einer Soldatenuniform. "Herr Heiden, wir sind gekommen um Kathy abzuholen. Kathy, kommst du bitte mit uns?" Der Schuldirektor lächelte, während der Soldat sich nur den Bart rieb und seine Augen wie die eines Monsters funkelten. Als wäre der Soldat direkt aus einem Albtraum geklettert. Sharon sah Kathy erstaunt an, doch das kleine Mädchen mit den hellbraunen Haaren lächelte nur und stand auf, schritt langsam zur Tür. Sie trat zwischen dem Soldaten und dem Direktor auf den Flur und die beiden Männer folgten ihr, schlossen die Tür hinter sich. Und in der nächsten Sekunde hatte ein Knall den Flur und auch das Klassenzimmer erschüttert. Das kleine Fenster in der Tür war zersplittert und der Boden vibrierte, während auf dem Flur Schreie und dann Schüsse zu hören war. Sharon sprang sofort auf und rannte zur Tür. Kathy war ihre beste Freundin, sie waren doch so schnell Freundinnen geworden. Was geschah da nur? Sie öffnete die Tür und konnte noch sehen, wie das zierliche, dreizehnjährige Mädchen von Soldaten umzingelt wurde. Ihr Anführer brüllte etwas, doch Kathy schlug einem Soldaten gegen das Standbein. Ihre Faust zerschmetterte das Knie das Mannes in einem Sprühregen aus Blut und Knochensplittern. Einen anderen Soldaten schlug sie in den Magen und er flog meterweit durch den Flur. "Kathy!", brüllte Sharon. Doch das andere Mädchen sah sie nur kurz an, lächelte. Dann drehte sie sich um und rannte um eine Ecke. Sofort waren die Soldaten ihr auf dem Fersen und weitere Schüsse ertönten. Sharon nahm die entgegen gesetzte Richtung, zu einem anderen Treppenhaus und eilte die Stufen hinab, in der Hoffnung, Kathy nicht aus den Augen zu verlieren. Vielleicht konnte sie irgend etwas tun. Sie musste es einfach versuchen. Endlich hatte sie das Erdgeschoss erreicht, als sie Schreie und Schüsse auf dem Schulhof hörte. Sofort lief sie ins Freie und blieb erschrocken stehen. Kathy hatte eine steinerne Bank ergriffen und wehrte damit zahlreiche Schüsse ab, ehe sie die massive Bank nach einigen Soldaten warf und einen sogar erwischte. "Es kann doch wohl nicht sein, dass ein Kind einen ganzen Zug in Schach hält", brüllte der Mann mit dem Schnurrbart und feuerte seine Pistole immer wieder ab. Kathy hatte den Spielplatz im Zentrum des Schulhofs erreicht und ging hinter einer Drehscheibe in Deckung, ehe sie die Scheibe packte, aus der Verankerung riss und nach ihren Angreifern warf. Sie warfen sich zur Seite, doch einige wurden dennoch getroffen. Doch nun wurde Kathy am rechten Bein erwischt und ging zu Boden. Sharon wollte etwas tun, doch sie war wie gelähmt. Sie konnte sich einfach nicht konzentrieren und es war nichts brachbares in der Nähe. "Terminieren, Leutnant Miller?" Der Leutnant trat an das Mädchen heran, spuckte sie an und setzte seinen Fuß auf die Wunde am Bein. Kathy schrie nicht einmal, sondern griff noch nach seinem Fuß, doch er trat hastig zurück. "Macht die kleine Schlampe kalt. Geht auf Nummer Sicher." Er wandte sich ab und mehrere Soldaten stellten sich um Kathy auf - Nur um sofort in alle Richtungen davon geschleudert zu werden, gemeinsam mit zahlreichen Steinsplittern. Kathy hatte die Hände ineinander verschränkt und kräftig auf den Boden geschlagen, damit regelrecht einen Krater in den Schulhof gehauen und die Soldaten mit einer Druckwelle fortgeschleudert. Doch dann gab es einen weiteren Knall und Kathy sackte mit einem Loch im Kopf zurück auf den Boden. Leutnant Miller steckte seine Pistole weg. "Ich hasse Frischlinge. Bei einem Kind versagen, also sowas..." Er ging davon und bemerkte nicht das Mädchen am anderen Ende des Schulhofs. Das Mädchen, dass bittere Rache schwor und ihn ein Jahr später endlich finden und stellen würde. Und ihn genau so kaltblütig abschlachten würde, wie er es mit Kathy getan hatte.

"Rein da!", zischte Nate, packte Sharon und Kalina und presste sie an sich, während er versuchte, so wenig Platz wie möglich in der Felsnische zu verschwenden. Die anderen taten es ihm gleich. Sharon blinzelte verwirrt, war völlig in Gedanken gewesen. Bewaffnete Männer und Frauen rannten an ihnen vorbei in den Raum, in den sie gefallen waren. "Irgendwelche Sichtungen?", fragte ein Mann, dessen Stimme Hektik widerspiegelte. "Negativ", erwiderte sein Gegenüber, eine Frau. Nates Blick wanderte zu den Waffen und er lachte leise. "MG-22a. Laserfeuerwaffen für mittlere Distanz. Nur mit tödlicher Munition bestückbar." Er lugte um die Ecke und erkannte vier weitere Wachen, die sich im Gang postiert hatten, um Rückendeckung zu leisten. "Zählt bis zehn, rennt dann an den Wachen vorbei. Dort hinten sollte eine Treppe sein, die nach oben führt. Los!" Mit diesen Worten ließ er die Gruppe stehen und lief auf die Männer zu. Zuerst wollte Sharon ihm helfen, doch dann sah sie schon Marcus an seiner Seite, der sich blitzschnell bewegte. Derian drängte sich an ihr vorbei und stürmte fluchend nach vorne. So beschloss Sharon, besser nicht einzugreifen. Sie würde vielleicht einen ihrer Kameraden verletzen. Doch die drei Jungen schlugen sich gut. Derian rammte einen der Männer um, Marcus donnerte einen anderen mit dem Kopf voraus zu Boden. Und sie hatte immerhin gesehen, wie Nate rote Laserstrahlen aus seiner Hand feuerte. "Warten wir auf die drei oder gehen wir vorsichtig voraus?", fragte Sharon Kalina und Zoe. Dann sah sie zu Boden. "Ich kann auf euch aufpassen, sollte uns jemand in die Quere kommen. Ich überlasse es ganz euch."
 
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Zoe verstand die Welt nicht mehr. Im Moment war sie ... wie nannte man es? Verpeilt?
In ihrem Kopf kreisten die wirrsten Gedanken, doch jedesmal wenn sie im Begriff war sie ein wenig zu Ordnen kamen neue hinzu.
Vaishara ... Fähigkeiten ... Todesstrafe ...
Es fühlte sich an als wollte ihr Kopf gleich explodieren, wenn er nur noch eine Information zuviel bekam.
"Es ist mir nicht egal, was ihr seid, glaubt das nicht, aber leider hat er recht. Unsere Chance hier heil herauszukommen, in einem Stück, ist am Größten, wenn wir gemeinsam gehen. Aber erwartet nicht, dass ich euch helfe, denn ihr wisst ja, darauf steht der Tod", hörte sie am Rande von Derian kommen und seufzte. Engstirniger Kerl, für ihn schien die Welt auch nur Schwarz Weiß zu sein. Irgendwie tat er ihr fast schon leid. Aber eben auch nur fast.
"Ich akzeptiere deine Entscheidung und bin dankbar für jede Hilfe, die wir im Augenblick bekommen können. Die Welt ist voller Schrecken, egal ob Mensch oder Hexe. Aber ..." kam es schließlich von Nate und Zoe blickte auf und hätte es am liebsten gelassen.
Er schwieg einen Moment und machte einen Schritt auf Derian zu, während sein Körper schwach in azurblaues Licht gehüllt war, seine Augen ebenfalls von diesem Licht erfüllt wurden und sein Haar in einem unsichtbaren Wind wehte. "Diese zwei hier sind wie du vielleicht sehen kannst, keine schlechten Menschen. Wenn Marcus und Sharon nur ein Haar gekrümmt wird, kümmere ich mich persönlich um dich!" Es folgte eine kurze Stille, in der Derians Lächeln immer noch unheilvoll bestehen blieb wie das Echo jenes Hasses in seinem Herzen. "Wie kannst du dir sicher sein, dass sie gut sind? Dass sie frei von Blut sind? Du kennst sie seit heute und schützt sie!" Nathan betrachtete Marcus und Sharon abwechselnd und in seinem azurblauen Blick lag etwas wie Schwermut. "Diese Verantwortung soll meine sein, Mensch." Die Aura verschwand und mit ihm die Gefährlichkeit in Nates Auftreten.

Doch für den Moment da sein Körper in dieses Licht eingetaucht war, war es für Zoe als würde sie etwas spüren. Ein Gefühl, eine Emotion, die tiefer ging als alles was sie je zuvor gespürt hatte. Es tat ihr in der Seele weh Nate anzusehen, doch sie vermochte es auch nicht den Blick von ihm zu nehmen.
Erst als er sich abwandte und davon sprach das er voraus gehen würde, weil Derian sicherlich nicht derjenige sein wollte, schaffte sie es Abstand zu ihm zu gewinnen. Oder vielmehr zu seinen Gefühlen Abstand zu gewinnen.
Wieder entglitt ihr ein Seufzen und als sich die Gruppe in Bewegung setzte überkam sie erneut dieses merkwürdige Gefühl. Jetzt würden sie direkt darauf zugehen und das behagte ihr überhaupt nicht.
Ihr Blick glitt zu dem Loch über ihr durch das sie gekommen war. Unmöglich, da rauf würde sie es nie schaffen.
Glück war eine Hure und eindeutig nicht an ihr Interessiert. Sie lies den kleinen Welpen wieder auf den Boden und betrachtete eben jenen für ein paar Minuten, ohne genau zu wissen wieso.
Wie war sie nur in diese Lage geraten?

Als sie wieder aufblickte sah sie das die anderen noch auf sie warteten und schon setzte sie sich in Bewegung. Ganz hinten lief Marcus, ganz so wie es Nate befohlen hatte und vorne lief er mit Sharon.
Kalina lief abwechselnd hinter ihr und vor Marcus und lief damit immer kurzzeitig vor Zoe herum.
Immer wenn sie an ihr vorbei ging um sich wieder weiter hinten einzugliedern sah die Züchterin auf und begegnete dem Blick des Mädchens. Ihr Blick wirkte traurig und das was sie spürte, drückte nichts anderes aus. Zoe hätte sie am liebsten getröstet, ohrfeigte sich aber innerlich selbst für den Gedanken.
Sie war kein sozialer Mensch und solange sie die anderen nicht kannte, waren solcherlei Dinge tabu.
Schweigend folgte sie den anderen und versuchte das Gefühl in ihrem inneren zu verdrängen. So weiter sie gingen umso stärker wurde es, es fühlte sich an als würde jemand mit einem Vorschlaghammer auf sie einschlagen.
Zoe schluckte ein paar Mal hart und besann sich dann wieder zur Ruhe. Was leichter gesagt als getan war, als sie hörte wie sich Schritte näherten.
"Rein da!" hörte sie Nate rufen und wurde dann unfreiwillig von den anderen mit in die Felsnische gepresst.
Bewaffnete Frauen und Männer eilten an ihnen vorbei und kurz darauf wurden ein paar Worte gewechselt. Ihr Herz setzte aus, ihre Atmung stockte. Unbewusst prässte sie sich noch enger an die Wand in ihrem Rücken.
Was zum Teufel war hier nur los?
Ein "Wir kommen in Frieden" wäre ihr beinahe über die Lippen gekommen, doch Nates Aussage über die Waffen lies sie den Spruch gleich wieder herunter schlucken. Mit einem beklemmdenden Gefühl blickte sie zu Ramses, der sich an sie gepresst hatte und die Borsten stellte.
"Nicht..!" flüsterte sie leise und der Welpe blickte fragend zu ihr auf. Ein Kopfschütteln seiner Züchterin veranlaste ihn schließlich dazu sich wieder ruhig zu verhalten.
Das Kämpfen lag ihm im Blut, seine Elltern waren noch von der Generation die für das Militär gedient hatten. Als sie zu alt wurden wurden sie der Züchterin zurück gegeben. Sprich: Was das Militär nicht mehr brauchte wurde postwendend an den Empfänger zurück geschickt.

"Zählt bis zehn, rennt dann an den Wachen vorbei. Dort hinten sollte eine Treppe sein, die nach oben führt. Los!" kam es von Nate und kurz darauf verließ er das Versteck und warf sich den Gegnern an den Hals, wortwörtlich.
Zoe ging es bei der Aktion ähnlich wie Derian, sie stand nicht besonders auf diese Heldennummern. Aber wenn er drauf bestand, bitte.
Als sich die Waffen mit einem lauten Knall, der durch die Wände der Ruinen noch verstärkt wurde, entluden, wagte es Zoe nicht nachzusehen was passierte.
Ein weiteres scheppern folgte und sie bekam im Augenwinkel mit wie die Felsen die vom Laser getroffen wurden einen Durchgang versperrten.
War das jetzt gut oder schlecht?

"Jetzt", rief Nate und warf sich gegen die drei Männer. "Los", sagte Marcus und wies in die Richtung der Treppe. Hier wurde man ja rum kommandiert wie ein Hund!
Doch ein Blick zur Seite aus der Felsnische heraus verriet ihr, dass sie besser tat was man von ihr verlangte. Sie wollte gerade los preschen, als Sharon sie ansprach. Im Augenwinkel bekam sie mit wie Derian in Windeseile los gerast war, doch noch bevor er die Treppe erreichte hielt er an. Er ging zurück zu den anderen und mischte sich nun ebenfalls ins Kampfgeschehen ein.
Marcus war blitzschnell bei Nate und den Wachen gelandet, schaltetete ein paar von ihnen auch schon aus oder versuchte es zumindest. Nate schlug sich ebenso wacker und auch Sharon schien überlegt zu haben dazu zu gehen.
Apropo Sharon.
"Warten wir auf die drei oder gehen wir vorsichtig voraus?", fragte sie an Zoe und Kalina gerichtet und die Züchterin blickte um die Ecke. "Wir sollten gehen, hier ist es zu gefährlich."
"Ich kann auf euch aufpassen, sollte uns jemand in die Quere kommen. Ich überlasse es ganz euch." Zoe blickte das Mädchen an und seufzte. "Ich hab keine Angst vor dir", erwiderte sie knapp darauf, nahm ihre Hand und ungefragt auch die von Kalina. "Los, sie können sie nicht ewig im Schach halten."
Und kaum das sie es gesagt hatte, war sie auch schon los geeilt und an der Meute vorbei. Kurz vor der Treppe hielt sie inne, lies die beiden anderen los. Reumütig sah sie zu Boden, ehe sie sich wieder fing und abwechselnd die Treppe hinauf starrte und wieder zu den Jungs.
Lemminge schoß es ihr mit einem Mal durch den Kopf und sie verdrehte die Augen.
Sie konnte nicht Kämpfen, sie hatte überhaupt keine erfahrung damit! Ihr Blick fiel auf Ramses der die Borsten aufstellte, die Zähne fletschte und sich zum Kampf bereit machte.
"Es geht nicht, Ramses.." jammerte sie schon fast und wandte sich mit traurigem Blick von der Gruppe ab.
Ohne noch weiter darüber nachzudenken eilte sie die Treppe hinauf und hielt im oberen Stockwerk an.
Ausgang? Pfeifendeckel war's. Sie war lediglich ein Stockwerk höher gekommen in der Ruine und blickte geradewegs auf eine Stahltür. Sie wies rost an den Seiten auf, schien aber sonst völlig in Takt zu sein. Und das in einer Ruine?
Als sich Zoe der Tür näherte überkam sie wieder dieses Gefühl. Sie spürte etwas, sie spürte es so deutlich als würde es ihr jemand direkt vor die Nase halten. Aber sie wusste nicht was sie spürte und das machte ihr Angst.
Die Emotion die sie fühlte war ... beunruhigend.
Mit einem Kloß im Hals näherte sie sich noch ein paar Schritte der Tür, ehe sie innehielt und zur Treppe starrte.
Was sollte sie jetzt tun? Sie hoffte inständig das Sharon und Kalina ihr nachkamen, auch wenn sie niemals zugeben würde das sie so etwas hoffte.
 
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"Ich hab keine Angst vor dir", meinte Zoe mit einem Seufzen und nahm Sharons Hand und die von Kalina. "Los, sie können sie nicht ewig im Schach halten." Sharon sah Zoe unergründlich an, dann lächelte sie. "Find ich schön", sagte sie ebenso knapp, ehe sie sich bemühte, mit den beiden anderen Mädchen Schritt zu halten. Kurz vor der Treppe ließ Zoe sie beide los und Sharon sah kurz von Kalina zu Zoe. Der kleine Wolf fletschte die Zähne und schien am Liebsten zurück zu wollen. "Es geht nicht, Ramses.." jammerte Zoe schon fast und wandte sich mit traurigem Blick von der Gruppe ab, eilte dann die Treppe hinauf. Sharon sah Kalina kurz an. "Besser ist's wenn wir niemanden alleine lassen. Und vielleicht können wir uns nützlich machen." Mit diesen Worten nahm sie Kalinas Hand, mit der Absicht, Zoe die Treppe hinauf zu folgen. Würde Kalina sich wehren, würde auch Sharon stehen bleiben. Ansonsten würden sie zu Zoe stoßen und sich vor einer Stahltür wiederfinden. "Ich glaube, das ist ein Fall für ein wenig guten Willen. Und damit meine ich..." Sharon versuchte, an der Stahltür zu rütteln, um sie so zu öffnen. Nichts passierte. Durch die Berührung der Tür konnte sie leider nicht das Schloss oder den Riegel spüren, der die Tür verschlossen hielt. Also würde sie die Tür mit Gewalt öffnen müssen. Sie konzentrierte sich und versuchte, die Tür zuerst ganz langsam und vorsichtig nach innen aufzudrücken oder aus dem Rahmen langsam zu Boden fallen zu lassen, möglichst ohne viel Lärm zu machen. Sollte dies nicht klappen würde sie versuchen, die Tür wie eine Sardinendose innerhalb des Rahmens aufzurollen, wobei sie natürlich aufpasste, was hinter der Tür war. Ihr Kopf dröhnte und etwas Blut lief ihr linkes Nasenloch hinab.
 
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Marcus hatte einen der Wachen mit dem Gesicht voraus zu Boden geschmettert, Nate hatte einer anderen geschickt die Rippen gebrochen. Selbst Derian war nicht untätig geblieben und hatte einen anderen Wachmann mit einem Tackle gegen die Wand gerammt und trat nun auf dessen Rippen ein. Kurz hielt Marcus inne und sah, wie die drei Mädchen davon eilten. Ein Wachmann war noch übrig, Marcus hatte ihn eigentlich gegen Derian's Gegner schleudern wollen, doch es hatte nicht geklappt. Also konzentrierte sich Marcus erneut und schlug der Wache kräftig ins Gesicht und schickte sie damit zu Boden. "Argh", stöhnte Marcus und hielt sich die rechte Hand. Normalerweise nahm er selbst wenig Schaden, egal wie schnell er zuschlug. Er merkte, dass er sich vielleicht etwas überanstrengte, immerhin war er einen so übermäßigen Gebrauch seiner Kraft nicht gewohnt. "Mir geht langsam die Puste aus. Verschwinden wir, ja?" Hastig durchsuchte er die Wachen und hielt sowohl Derian als auch Nate ihre Messer hin. Dann nahm er die Funkgeräte der Wachen und reichte sie ebenfalls den anderen beiden Jungs und behielt eines für sich. Nicht, dass doch noch einer der Wachen wieder zu sich kam und per Funkgerät Verstärkung hielt. "Los, nichts wie zu den Mädels", schlug Marcus vor und eilte auch schon den Gang entlang und die Treppe hinauf. Dort standen Kalina, Zoe und Sharon vor einer Stahltür und offenbar versuchte Sharon, die Tür irgendwie zu öffnen. Bisher hatte sich aber nichts getan. "Meinst du, du schaffst das?", fragte Marcus zweifelnd, lehnte sich an die Wand und atmete tief durch. Eine echt missliche Lage. Natürlich drohte da, die Panik langsam die Überhand zu nehmen, egal wie zuversichtlich Marcus allein seiner Kräfte wegen war. Ihm fiel da ein Lied ein und mehr um sich abzulenken murmelte er es leise vor sich hin, dichtete den Text dabei ein wenig um, denn es passte wirklich genau zu seiner Situation. Gleichzeitig schaute er zu Sharon und hoffte, dass sie die Tür würde öffnen können.

Well I don't know why I came here today,
Had no choice but to come anyway,
I'm so scared, I guess we're in sore distress,
And I'm wondering how we'll get out of this mess,
Humans to the left of me,
Witches to the right, here I am,
Stuck in the middle with you.

Yes I'm stuck in the middle with you,
And I'm wondering what it is I should do,
It's so hard to keep this smile from my face,
Despite all the foes, swarming all over the place,
Humans to the left of me,
Witches to the right, here I am,
Stuck in the middle with you.


Er lächelte Kalina aufmunternd an, kam langsam wieder zu Atem und schaffte es auch erfolgreich, selbst wieder etwas ruhiger zu werden. War er nicht schnell genug, um jedem Ärger einfach entkommen zu können? Einen Moment lang fragte er sich, ob er nicht besser allein klar kommen würde, ohne langsame Klötze an seinen Beinen. War er nicht immer besser dran gewesen, wenn er sich nur auf sich selbst verlassen hatte? Doch gleichzeitig war es auch angenehm, eben nicht alleine zu sein. Leute um sich zu haben, die größtenteils sogar einen netten Eindruck machten. Er war doch kein Arschloch, dass Nate einfach zurück ließ. Oder Kalina - einen langen Moment sah er sie an. Sharon und Zoe waren schwer einzuschätzen, aber unfreundlich waren sie nicht. Und was Derian betraf, da musste man zwar vorsichtig sein, aber immerhin lief er nicht feige davon. Und möglicherweise hatte er ja gute Gründe für sein Denken, für sein Handeln. Hatte er das nicht auch? Er verkniff sich, Sharon erneut zu fragen, ob sie die Tür öffnen konnte und musterte die anderen, während er sich bemühte, weiterhin ruhig zu bleiben und sich bewusst von all den "Was ist wenn..."-Fragen abzulenken. Er musterte das Messer, welches er einem der Wachen abgenommen hatte. Blutspuren waren noch an der Klinge zu sehen. "Ich wüsste echt gerne, was hier vor sich geht. Die Typen sind doch sicher nicht hier, um Schüler zu jagen und kalt zu machen. Wir sind hier in irgendwas Großes rein geraten. Ich biete mich gern als Kundschafter an, falls wir die Tür knacken."
 
[Militärpraxis]

"Kannst du mir sagen was du hier siehst?" Der Arzt schob eine handliche Tafel mit der Spitze seines Zeigefingers über die Tischoberfläche und beobachtete seine Patientin, die ihre Zigarette herunterschluckte und die Tafel aufhob. Sie drehte und wendete die Abbildung stirnrunzelnd zwischen ihren Händen, kapitulierte jedoch mit einem Kopfschütteln. Der Arzt nickte und betätigte den Aufnahmeknopf seines Diktiergerätes.
"Problem beim Erfassen abstrakter Formen besteht weiterhin." Mit einen freundlichen Lächeln nahm er ihr die Tafel wieder ab und verstaute sie. "Machen wir weiter, hast du das Buch gelesen, das ich dir letzte Woche gegeben habe, Toxin?" Sie nickte, holte es aus ihrem Rucksack und legte es auf den Tisch. "Jawohl, Sir." Er nahm es und blätterte durch die ersten Seiten. "Du verwendest keine Lesezeichen, hast du es in einem Rutsch durchgelesen?" Sie nickte und er klappte das Buch zu. "Was sind deine Gedanken zum Inhalt? Hast du irgendwelche Fragen?" Der Arzt betätigte erneut den Aufnahmeknopf und verschränkte die Hände vor dem Gesicht. "In Kapitel Sechs gab es ein Paradoxon. Kyle befindet sich seiner eigenen Aussage nach in Gefangenschaft. In Kapitel Sieben durchquert er ein Waldgebiet und behauptet er sei frei. Das ist ein Fehler, er kann nicht an zwei Orten gleichzeitig sein", erzählte sie. "Das ist eine Traumsequenz", antwortete der Arzt und schlug die Stelle im Buch nach.
"Es waren keine Ketten mehr die meine Zehnspitzen berührten, sondern die Wurzeln, knorriger alter Bäume. Der Gestank von Erbrochenem und Blut, wurde von einer Brise kalter Herbstluft davongeweht. So auch die Angst vor dem Tod, denn als ich durch die Wälder meiner alten Heimat lief, wusste ich das meine Freunde in der alten Hütte bereits auf mich warten würden." Als er fertig war, sah sie ihn immer noch fragend an. "Hattest du schon mal einen Traum?" Toxin schüttelte mit dem Kopf. "Gut, ich danke dir, dass du das Buch gelesen hast. Wenn du noch Fragen hast, kannst du in den Sprechstunden zu mir kommen. Nur noch eins ..." Der Arzt holte einen ovalen, flachen Gegenstand hervor und legte ihn auf den Tisch. "Bitte sieh dir das noch einmal an und sag mir was du siehst." Die Patientin befolgte die Anweisungen und nahm den Gegenstand in die Hand.

"Ich sehe das Gesicht einer Frau. Sie hat schwarzes Haar und bewegt die Lippen während ich spreche." Er nickte, nahm den Gegenstand dankend wieder entgegen und entlies die Patientin aus der Sprechstunde. Nach der Sitzung, als er alleine war, betätigte er seufzend sein Diktiergerät und betrachtete sein Spiegelbild in einem kleinen Handspiegel.
"Die Patientin hat immer noch Probleme sich selbst wahrzunehmen. Hat es jedoch nach dem siebten Anlauf geschafft das Paradoxon in der Geschichte beim Lesen zu verdrängen um das Buch fertig zu kriegen. Vielleicht versuche ich es beim nächsten mal mit einem Kinderfilm."
 
[??? - ???]

"Endlich ist es soweit! All die Jahre des sorgfältigen Planens tragen nun Früchte!", lachte der Mann irr und seine Untertanen verbeugten sich voller Ehrfurcht. Ihr Meister, in aller Erhabenheit ein wenig schrullig, war ein genialer Stratege, ein Perfektionist, ein Genie. Alles, was er anfasste, verwandelte sich in Gold. Niemand, aber auch niemand, der noch klaren Verstandes war, würde es je wagen, seine Worte in Frage zu stellen. Niemand im Universum mochte so törricht gewesen sein, sein eigenes Leben dahingehend wegzuwerfen. Denn der Meister war viel - tolerant fand sich auf der - zugegeben: ziemlich kurzen - Liste seiner Stärken nicht.

"Du bist doch erst gestern auf die Idee gekommen!", seufzte Leon und hob seinen Kopf etwas, um vom Diwan etwas ausmachen zu können. War es vorher noch nicht still gewesen, so waren alle Anwesenden sofort verstummt. Der Mann, dessen Kapuze tief ins Gesicht hing, drehte seinen Kopf in Leons Richtung und der Junge konnte das Zucken seiner Mundwinkel erkennen.

"Zeit hat keinerlei Bedeutung für ein Wesen meines Alters!", sagte der Mann schließlich und lachte wieder, wobei er die Fäuste in die Hüften stemmte und dabei so lächerlich aussah, wie es nur er vermochte. Diesmal entwich Leon ein Grinsen. "Stimmt, du bist ja älter als die Zeit. Aber reden wir mal von etwas anderem als deiner Cellulite, Bob. Was brauchst du?"

Die Menge hielt bestürzt den Atem an, während der Kapuzenmann auf ihn zuschwebte. Die mit Ringen besetzte goldgebräunte Hand fuhr wuschelnd durch Leons Haar, während goldene Augen durch die Schatten der Kapuze leuchteten. "Ich möchte, dass Du Beobachtungen anstellst, mein lieber Leon. Gray, Lakar, eine Gruppe Kinder. Erstatte mir regelmäßig Bericht. Nimm mit an Geld und Waffen, was Du brauchst. Und versuche bitte ..."

Ein stämmiger Mann riss die Tür auf und füllte die Finsternis mit Licht, die Meute kreischte wie eine Armee verlorener Seelen, als der Mann auf seinen schwabbeligen Bauch fiel und seine Stirn demütig auf den Boden presste. Schweiß benetzte diesen, denn der Mann war völlig außer Atem. "Herr, ich habe wichtige Kunde! Selen ..." Weiter kam er nicht, denn sein Kopf war nicht mehr als eine klebrige Masse geschmolzenen Fleisches. Der Kapuzenmann schnüffelte, drehte seinen Kopf dann zur Leiche und presste erschrocken beide Hände ans Gesicht. "Bei den Göttern, er ist tot!"

"Natürlich ist er das, Herr! Ihr habt ihn ja auch umgebracht!", erwiderte ein Diener fassungslos. Instinktiv traten alle Umstehenden einen Schritt zurück, als auch sein Kopf nicht mehr war als eine teigige Masse Gehirn und Muskelfaser. Der Kapuzenmann packte ihn am Kragen und schüttelte ihn heftig. "Hat dir deine Mama nicht beigebracht, den Mund zu halten, wenn sich zwei Erwachsene unterhalten? Du solltest Manieren lernen! Was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen? Antworte gefälligst!" Er ließ die Leiche los und sprang einen Meter zurück. "Noch ein schrecklicher Tod!" Er ging in die Knie und schluchzte wie ein kleines Kind. "Diese Welt ist voll grausamer Tode. Es ist so schrecklich! Meine armen, armen Kinder ..."

"Ich bin dann mal weg ...", seufzte Leon und erhob sich, auch wenn er am liebsten liegen geblieben wäre. Aber wenn Bob einmal einen 'Anfall' hatte, war es besser, weit weg zu sein. Der Kapuzenmann wandte seinen Kopf zu Leon und legte ihn schief. "Wohin gehst du, mein Junge?" Es herrschte Stille, doch Leon ging nicht darauf ein, kratzte sich am Arsch und verschwand in einem Schatten. Das in Dunkelheit gehüllte Gesicht des Mannes enthüllte ein Grinsen. Dann erhob er sich, deutete auf eine kleine, schmächtige Dienerin, die sofort an ihn herantrat. "Räum hier bitte mal den Müll auf. Oh, und mach die Tür zu. Hier zieht's."


[In den Ruinen - 2. Untergeschoss, Südseite]

"Komm schon, hauen wir ab, Alter."

Marcus' Worte rissen Nate aus seiner Kriegsruhe. Ohne zu antworten, lief er dem Jungen nach und betrachtete kurz seine Brust. Sie war schwer verbrannt, aber er spürte den Schmerz fast gar nicht. Es erinnerte ihn an alte Tage, aber ehe er diese auch nur Revue passieren lassen konnte, stiegen sie bereits die Treppe empor und trafen die Mädchen wieder. Sharon versuchte gerade, eine Stahltür zu öffnen. Blut drang aus ihrer Nase und Nate ging in sich und überprüfte seine Energie. Fast alles, was er den Lasersalven entnommen hatte, war verbraucht. Das wenige an Energie konnte er jedoch mit seiner eigenen koppeln, was ihn aber für den weiteren Verlauf und mögliche Gefahren jedoch beinahe kategorisch ausschloss. Aber wenn sie hier nicht rauskamen, gab es vielleicht gar keinen weiteren Verlauf.


[In den Ruinen - 1. Untergeschoss, Südseite]

Nathan schloss die Bernsteinaugen und ging einen Augenblick lang inne, sammelte seine Energien. Erneut strahlte sein Körper ein schwaches azurblaues Licht aus, doch es verschwand schnell wieder, als er seinen linken Arm ausstreckte und aus seinem Zeigefinger ein winziger Laserstrahl schoss. Der Stahl der Türangeln schmolz in Sekundenschnelle und das Tor flog mit Wucht gegen bereits wartende Wachen. Nate ging wieder voran, wobei er diesmal nicht vorpreschte. Schweiß bedeckte seine Stirn und sein Atem ging flach, während er sich ohne zu Zucken das Messer aus der Schulter holte und achtlos zu Boden warf. Kalina wurde kreidebleich bei diesem Anblick. Die Wunde war tief, der Soldat schien das Messer noch gedreht zu haben, ehe er bewusstlos wurde. Das orangefarbene Shirt war an der Schulter dunkelrot, vorne und hinten war es angesengt, wobei die verbrannte Haut zum Vorschein kam. Doch sie hatte Glück, da sie die schlimmere Frontseite nicht sah. Dort war die Verbrennung schlimmer. Aber an der Stelle am Rücken, wo das Shirt versengt war, war etwas zu sehen. Sie wusste nicht, was es war, aber es sah so aus, als hätte seine Haut dort eine hellere Nuance. Vielleicht nur unterschiedlich gebräunt, verwarf sie den Gedanken wieder.

"Zentrale an 655! 655, bitte kommen!", tönte es aus Derians Funkgerät. Sie alle sahen in seine Richtung, als auch die anderen Funkgeräte angingen: "Zentrale, bitte kommen! Funkkontakt zu Einheit vier und fünf verloren!", "Hier 581, wurden soeben von Unbekannten attackiert! Die Subjekte trugen Schuluniformen. Vermute Guerilla-Taktik des Militärs." Und als Antwort darauf: "Verstanden, 581. Leiten Sprengung des Areals ein. Planmäßige Detonation um Punkt fünfzehnhundert. Informiere Lakar ..."

Nate erstarrte. Sprengung?! Es waren nur noch fünfzehn Minuten bis 15:00 Uhr. Er schnappte sich Derians Funkgerät und aktivierte es: "Zentrale, hier 655. Wurden Zivilisten bereits evakuiert?"

"Negativ, 655! Eliminierung des Feindkörpers hat oberste Priorität! Wiederhole: Eliminierung des Feindkörpers ha ...", sprach die Stimme, doch Nate hatte das Gerät bereits wieder Derian gegeben und nicht mehr hingehört. Sein Blick folgte der Decke als könnte er von hier aus auf die Touristenebene sehen. "Wir teilen uns auf", wisperte er.

"Ich muss sie aufhalten. Oder uns zumindest Zeit verschaffen. Kalina, Zoe, Derian! Ich möchte, dass ihr euch einen Moment lang versteckt und dann nach oben flieht, wenn ich die Wachen erneut ablenke. Bitte, evakuiert die Leute! Als Beweis habt ihr ja das Funkgerät! Außerdem bin ich sicher, dass Derian schon ein Argument finden wird. Sharon, Marcus ... ich kann nicht von euch erwarten, mit mir in den Tod zu gehen. Da ihr aber enttarnt wurdet, könnt ihr fliehen, so es euer Wunsch ist." Er zog eine Show ab, das wusste er. Er merkte den Blutverlust und die Schmerzen auf der Brust wurden schlimmer. Wahrscheinlich würde er bald das Bewusstsein verlieren. Aber vielleicht konnte er etwas bewirken.

Kalina schüttelte energisch den Kopf. "I-ich muss mitgehen! Ich weiß ... ich hab k-keine Kräfte wie du, aber ich MUSS einfach mitgehen!" Sie zerrte an seinem Shirt und ihr Blick war Panik pur. Was bloß hatte sie so in Aufruhr gebracht? "Ich kann die Detonation vielleicht verhindern", meinte sie schließlich und ließ aufhorchen. Nate nickte, denn er wusste, dass sie nicht mehr Details preisgeben würde. "Ich kann aber nicht versprechen, dich beschützen zu können. Ich bin ehrlich: Ich bin ziemlich fertig. Selbst, wenn es uns gelingen sollte, die Sprengung zu stoppen, könnte das hier ein Einwegticket sein. Willst du es dennoch versuchen?" Sie nickte entschlossen und Nate seufzte. "Mann, das ist alles so viel Arbeit. Ich wusste, ich hätte nicht kommen sollen!" Doch er lächelte aus irgendeinem Grund. Ja, wenn er nicht hierher gekommen wäre, könnte er nichts tun. Vielleicht mochte er die Heldennummer abziehen, aber ihm war es lieber, sie alle zu retten, als der einzige Überlebende zu sein. Sein Blick galt Sharon und Marcus, denn er wollte wissen, was sie nun vorhatten. So und anders war es wohl das letzte Mal, dass er sie sehen würde. Eigentlich schade.


[In den Ruinen - Archeologentrakt]

Toxin atmete hastig und versuchte aufzustehen. Ihre linke Gesichtshälfe war kolrabenschwarz und dampfte. Es fiel ihr schwer sich aufzurichten und mit einem Blick wurde ihr klar warum. Ein dunkler Fleck breitete sich an ihrem Unterleib aus und lief langsam an ihrem Bein hinab. Mit Mühe raffte sie sich auf und zielte mit ihrer Waffe auf Lakar, dessen Bewegung noch schneller wirkten als zuvor.

"Wach auf!", brüllte Gray, doch er bewegte nicht einmal die Lippen noch sah er in ihre Richtung. Wie war das möglich? Erneut vernahm sie seinen Ruf, doch dieses Mal war sie sich ganz sicher, dass er es nicht sein konnte, da er Lakar spöttisch angrinste. Was war hier nur los? Plötzlich traf sie ein Schlag an der verbrannten Gesichtshälfte und sie begann zu schweben. Wie - beim Demiurgen! - war dies nur möglich? Kaum hatte sie etwas Abstand zu Lakar, begann sich die Welt zu verändern. Nein, nicht die Welt, sie selbst! Sie fand sich im Arm des Generals wieder, der mit ihr blindlinks davonrannte. "Du warst in seiner Illusion gefangen, Mädel. Und bist es immer noch.", erklärte Gray und setzte sie ab, während er zwei Schritte zurückging und mit seinem Messer durch die Luft wirbelte. Funken sprühten, obwohl er nichts traf.

"Nicht schlecht ...", kommentierte Lakar, der für Toxins Augen unsichtbar erschien. Auch Gray konnte ihn nicht sehen, aber irgendwie schaffte es der alte Mann, die Position seines Gegners immer zu kennen und darauf zu reagieren. "Du kannst meine Sinne verwirren, Hexe, aber ich spüre deine Mordlust. Mehr brauche ich nicht, um dich zu finden.", wisperte der General und holte ein weiteres Messer hervor, das er durch die Luft warf. Die Luft färbte sich rot, als Lakar erschien und es sich aus der Schulter zog. Sein Gesicht war immer noch eine hochnäsige Maske. Unberührt. Steinern. "Wenn Ihr mich entschuldigt ...", entgegnete er und sprintete auf Toxin zu. Kurz vor ihr schlug er einen Salto, drehte sich im Flug und versuchte, nach ihr zu treten, ehe er die Drehung wiederholte und das Messer nach Gray warf. Dann eilte er davon. Gray, dessen Hemd aussah wie die Strumpfhose eines billigen Flittchens, betrachtete Toxin. "Alles in Ordnung? Kannst du gehen?", fragte er und hielt ihr seine Hand hin, statt den Flüchtigen zu verfolgen. Bei genauerer Betrachtung würde ihr auffallen, dass eine tiefe Stichwunde im Bauchbereich des Generals nicht verschwand und weiter blutete. Die stahlgrauen Augen blickten sie freundlich fordernd an. Nicht wie die Augen jenes Mannes aus den Gerüchten.
 
[In den Ruinen - 1. Untergeschoss, Südseite]

Sie hatte es echt versucht, doch die Stahltür war einfach zu dick, zu massiv. Zwar konnte sie die Tür spüren, doch beeinflussen konnte sie die Tür nicht. Sie ließ sich einfach nicht bewegen, geschweige denn verformen. Vage bekam Sharon mit, dass Nate, Marcus und Derian nun auch hinzu kamen. Marcus' Fragen, sein Gemurmel und sein Mutmaßen half da wenig, ihre Konzentration zu verbessern. Ihr Nasenbluten wurde stärker, ebenso ihre Kopfschmerzen. Sie wollte gerade aufgeben, als Nate seinen linken Arm ausstreckte und aus seinem Zeigefinger einen winzigen Laserstrahl auf die Türangeln schoss. Strahl schmolz und als der Widerstand so plötzlich nachließ, bewegte sich die Tür endlich und flog mit Wucht gegen die Wachen, die dahinter warteten. Nate ging voran und nun sah auch Sharon seine Verletzungen und den Schweiß auf seiner Stirn. Ihr Blick fiel auf das Messer, welches er zu Boden warf. Sharon griff nach seinem Handgelenk und wollte ihn auf all seine Wunden ansprechen und dass er mal besser die Nachhut bilden sollte. Doch die Funkgeräte unterbrachen sie. Nate schnappte sich ein Funkgerät und fragte, wie es mit den Zivilisten aussah: Nicht so gut, denn die Eliminierung eines gewissen Feindkörpers hatte Priorität. Panisch sah sie auf ihre Uhr. "In Fünfzehn Minuten fliegt uns die Ruine um die Ohren..." Nate jedoch blieb völlig ruhig. "Wir teilen uns auf", wisperte er. Er sprach davon, die Sprengung zu verhindern oder wenigstens Zeit zu schinden. Kalina, Zoe und Derian sollten sich verstecken und dann fliehen. "Sharon, Marcus", sagte er dann, "Ich kann nicht von euch erwarten, mit mir in den Tod zu gehen. Da ihr aber enttarnt wurdet, könnt ihr fliehen, so es euer Wunsch ist." Kalina war die erste, die sprach. Sie wollte mitgehen. Würde sie die Detonation wirklich verhindern können? Sharon wischte sich das Blut von der Oberlippe. "Ich komme auch mit, ich lasse euch nicht einfach so gehen", sagte sie entschlossen. Dann lächelte sie. "Möglicherweise schaffen wir es doch noch lebend hier heraus und wer meint, mit uns unbedingt Krieg spielen zu müssen, der wird mich mal richtig kennen lernen. Und wir dürfen nicht vergessen, dass wir es hier mit dem Militär zu tun haben und einer anderen Fraktion, die ebenfalls gut ausgerüstet und ausgebildet ist. Das wird gefährlich, Nate. Und du siehst nicht so aus, als würdest du noch weitere Lasersalven von dir geben können." Sie trat zu Nate und Kalina und sah dann zu Marcus, dann kurz zu Derian und Zoe.
 
[In den Ruinen - 1. Untergeschoss, Südseite]

Marcus kratzte sich leicht ungeduldig am Kopf. Sah nicht so aus, als würde Sharon die Tür öffnen können. Nathan war es schließlich, der plötzlich ein schwaches, azurblaues Licht ausstrahlte und einen winzigen Laserstrahl aus dem Zeigefinger abfeuerte und damit die Türangeln schmolz. Als Nate gleich wieder voraus ging, bemerkte Marcus wie kaputt sein Kumpel eigentlich aussah. Nate zog ein Messer aus seiner Schulter und Marcus bückte sich und hob es auf, steckte seine beiden Messer nun hinter seinen Gürtel und schlug seinen Pullover drüber. Dann fiel sein Blick wieder auf die Wunden von Nate. "Du siehst echt nicht gut aus, Mann." Als die Funkgeräte unheilverkündende Worte ausspuckten, erschrak Marcus. "In Fünfzehn Minuten fliegt uns die Ruine um die Ohren", fasste es Sharon sehr treffend zusammen und Nate schlug vor, sich aufzuteilen. Er wollte doch tatsächlich versuchen, die Sprengung zu verhindern oder allen anderen wenigstens Zeit zur Flucht zu verschaffen. Als Nate sich an Sharon und ihn wandte, schwieg Marcus lange. "Enttarnt sind wir nur, wenn jemand auspackt. Vielleicht sind Derian und Zoe ja so nett und vergessen einfach, was sie hier gesehen haben." Er sah Zoe und besonders Derian an. Dann widmete er sich der Entscheidung, ob er denn nun besser abhauen oder Nate, Kalina und Sharon beistehen sollte. Sein Verstand schrie danach, einfach nur zu laufen. Er würde in Sicherheit sein, würde schon zurecht kommen. Und beim nächsten Mal würde er aufpassen, würde besser keine Freundschaften schließen, denn das machte einen doch nur verwundbar, oder? Und doch regte sich da auch sein Gewissen. Das alles erinnerte ihn an ein Gespräch, vor viel zu langer Zeit...

[Sechs Jahre zuvor - Das Apartement der Famile O'Connor]

"Ich weiß wirklich nicht, was du dir dabei gedacht hast, Marcus", donnerte Joseph O'Connor zum wiederholten Male und schritt im Wohnzimmer auf und ab, hatte die Hände in die Hüfte gestemmt, fuhr sich aber immer wieder durch die kurzen, schwarzen Haare. Sein Mund bildete eine schmale Linie und seine Augen funkelten so zornig, wie Marcus ihn nie zuvor erlebt hatte. "Joe, beruhige dich. Er hat es doch nur gut gemeint." Marcus' Mutter Cyan gab ihr Bestes, ihren Mann zu beruhigen. Doch diesmal fruchtete es nicht. Marcus hatte seinen Dad immer so ruhig und gelassen in Erinnerung, aber diesmal war er wirklich aufgebracht. Joseph blieb direkt vor der Couch stehen und sah auf Marcus hinab. "Du hättest tot sein können, Junge. Gute Absichten schützen dich nicht, wenn ein tonnenschwerer Truck dich trifft." Marcus saß nur still da, machte sich möglichst klein und sah sehr elendig aus mit dem Verband um seinem Kopf. Auf dem Nachhauseweg von der Schule war ein Mitschüler mitten auf dem Zebrastreifen gestolpert. Ein Truck hätte ihn plattgewalzt, denn entweder sah der Fahrer den Jungen von der hohen Fahrerkabine aus nicht oder er war irgendwie abgelenkt gewesen. Marcus war es gewesen, der wieder zurück auf die Straße geeilt war und den anderen Jungen in Sicherheit gezogen hatte. Dabei waren beide gestürzt und Marcus hatte sich eine Wunde am Kopf und eine Gehirnerschütterung zugezogen. Aber er fand, dass das eine gute Tat gewesen war. Er würde es wohl wieder so machen, wenn er im Nachhinein die Wahl haben würde. "Aber Dad, ich wusste, dass ich ihn retten konnte", begann er kläglich. Joseph schüttelte den Kopf. "Mut und Dummheit liegen nahe beieinander, Marcus. Hast du denn das Risiko nicht bedacht? Du musst auf dich aufpassen." Marcus erhob sich trotzig. "Wenn Ma oder ich auf der Straße gelegen hätten, wärst du auch zurück gerannt!" Nun brüllte Joseph erst richtig los: "Ja, weil ich euch liebe! Aber einen fremden Jungen zu retten und sich dabei selbst in solch eine Gefahr zu begeben ist... dumm. Manchmal muss man sich selbst der Nächste sein und Entscheidungen treffen, um seine eigene Sicherheit zu gewährleisten. Überlege immer gut, was du tust. Sei vernünftig! Manchmal kann man einfach nicht einschreiten. Das ist traurig, ja. Aber besser, als selber das Leben zu verlieren." Joseph holte Luft, wollte gerade weiter reden, als sein Handy klingelte. Er nahm das Gespräch an und seine Stimme klang plötzlich wieder ruhiger, wenn auch immer noch ernst: "Tatsächlich? In Ordnung, ich mache mich auf den Weg. Eine gute Gelegenheit, ja. Bis gleich." Er beendete das Gespräch und eilte in den Flur, zog seinen Mantel an. "Ich muss los. Arbeiten. Eine gute Gelegenheit, den Nebel zu erforschen. Das könnte uns viele neue Daten und vielleicht sogar eine Lösung liefern." Er eilte zu seiner Frau und gab Cyan einen Kuss. "Ich liebe dich Schatz. Ich rufe dich an, sobald ich weiß, wann ich wieder zuhause bin. Und was dich betrifft", meinte er an Marcus gewandt, "Du hast Hausarrest. Denk über das nach, was ich dir gesagt habe. Entscheidungen, Risiken und Konsequenzen! Egal wie flink du bist, Junge: Dem Tod kannst du nicht davon laufen. Und generell bringen falsche Entscheidungen auch Ärger mit sich. Überlege immer gut, was du tust. Was das beste für dich selbst ist." Mit diesen Worten wuschelte er Marcus durchs Haar, ehe er zur Wohnungstür hinaus eilte. Marcus würde ihn nie wieder sehen. "Aber Dad geht doch auch Risiken ein, wenn er den Nebel erforscht", hatte Marcus seine Mutter noch am selben Tag gefragt. "Warum bekomme ich so viel Ärger? Er macht es doch genau so." Und seine Mom hatte ihn gedrückt. "Dein Vater trifft aber viele Sicherheitsmaßnahmen. Und er arbeitet für das Wohl der Allgemeinheit." Marcus wollte noch fragen, was für ein Unterschied denn ein fremder Junge zur Allgemeinheit machte, doch der Blick seiner Mutter ließ ihn schweigen. Sie machte sich Sorgen um ihren Mann. Wie so oft. Ja, er würde wohl besser aufpassen müssen, nachdenken müssen. Er wollte seiner Mom nämlich keine Sorgen bereiten.

[In den Ruinen - 1. Untergeschoss, Südseite]

Kalina schüttelte energisch den Kopf. "I-ich muss mitgehen! Ich weiß ... ich hab k-keine Kräfte wie du, aber ich MUSS einfach mitgehen!" Sie zerrte an Nate's Shirt und ihr Blick war Panik pur. "Ich kann die Detonation vielleicht verhindern", meinte sie und riss Marcus aus seinen Gedanken. Nate gab die Risiken zu bedenken, aber Kalina nickte nur entschlossen. Kurz sah Marcus von Kalina und Nate und merkte, wie die Eifersucht in ihm loderte. War Nate vielleicht... "Mann, das ist alles so viel Arbeit", meinte Nate müde, "Ich wusste, ich hätte nicht kommen sollen!" Marcus schmunzelte, seine Augen jedoch blieben ernst. "Nächstes Mal schwänzen wir besser", antwortete er und rieb sich die Stelle, an der er sich vor sechs Jahren den Kopf aufgeschlagen hatte. Sharon wollte Nate und Kalina begleiten. Erwartungsvoll ruhten nun Blicke auf ihm. Natürlich wäre es besser, einfach abzuhauen. Es war die sicherste Entscheidung. Doch anders als der Fremde Junge damals waren ihm Nate und Kalina eben nicht fremd. Er mochte sie. Und er wusste, dass ihr Tod ihn verfolgen würde, sollte er nun einfach abhauen. "Alles klar", begann er und lächelte zuerst Kalina, dann Nate und Sharon an. "Ultimate Alliance, wie in den Comics. Ich hab zwar keine coole Rüstung wie Metal Man, kann auch keine Monde verschieben wie General Galaxy... Aber ich werd sehen, dass ich mich nützlich mache. Ein bin recht flink, müsst ihr wissen. Vielleicht hilft das ein wenig..." Er versuchte, gelassen zu klingen, vermied aber, die anderen anzusehen. Was seine Eltern wohl sagen würden, wenn sie wüssten, was er nun gerade tat? Wären sie enttäuscht? entsetzt? Stolz? Marcus hoffte, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Aber die Alternative mit ihren Gewissensbissen wäre wohl auch nicht besser gewesen.
 
[In den Ruinen - 1. Untergeschoss, Südseite]

Unruhig verlagerte das Mädchen das Gewicht von einem Fuß auf den anderen. Diese ganze Situation hier war einfach alles andere als ... Ihre Großeltern hätten wohl am ehesten gesagt, die Situation war ausweglos.
Sie konnte den Tod förmlich fühlen, wie er durch alle Ritzen kroch und sich wie eine Schlange seiner Beute näherte. Was indem Fall Sie und die anderen waren. Ein Seufzen entfuhr ihrer Kehle, ehe sie bemerkte das sich Kalina und Sharon neben ihr eingefunden hatten.
"Ich glaube, das ist ein Fall für ein wenig guten Willen. Und damit meine ich...", kam es schließlich von Sharon, die kurz darauf versuchte mit einem rütteln die Tür zu öffnen. Aber nichts passierte.
Wäre ja auch zu einfach gewesen.
Fast wäre Zoe ein Lachen entwichen, doch sie verkniff es sich, wohlwissend das es in dieser Situation mehr als unangebracht wäre. Also tat sie, was sie immer tat. Sie schwieg und betrachtete die Szenerie.
Das Mädchen - welches von Derian als Hexe identifiziert wurde - schloss die Augen und schien in ihrer Konzentration versunken zu sein. Zoe wusste nicht was sie dort gerade tat oder was sie vor hatte, aber mit etwas Geduld würde sie es vielleicht heraus finden.
Als kurz darauf ein wenig Blut aus der Nase des Mädchens lief, verengte sie für einen Moment die Augen und überlegte ob sie ihr nicht vielleicht helfen oder sie besser von ihrem Tun abhalten sollte.
Doch noch bevor sie im Begriff war einen Schritt nach vorne zu gehen, kamen die Jungs die Treppe herauf.

Marcus war der erste den sie erkennen konnte, kurz darauf folgten Nathan und Derian. Alle drei schienen nicht in der besten Verfassung zu sein, doch am schlimmsten schien es Nate getroffen zu haben. Sie schluckte hart als sie seine Verletzungen sah, vermied es aber den Blick zu suchen.
Man konnte ja vieles über sie sagen, aber Masochistisch veranlagt war sie nicht.
"Meinst du, du schaffst das?", fragte Marcus an Sharon gerichtet und man konnte deutlich den Zweifel in seiner Stimme vernehmen ehe er sich an die Wand lehnte und tief durchatmete.
Zoe blickte zu ihm hinüber, betrachtete ihn einen Moment lang. Er sah gar nicht aus wie jemand der ...
Sie schüttelte den Kopf, wandte sich von den anderen ab. Keiner von ihnen sah aus als wäre er eine Hexe, aber man konnte ja auch kaum erwarten das sie mit einem Schild auf der Brust herum liefen wo es drauf stand.
Sharon war noch immer in ihre Konzentration versunken, doch nachdem Nate gesehen zu haben schien das ihr Versuch nicht von Erfolg gekrönt sein würde, entschied er sich wohl es selbst zu versuchen.
Wieder umgab ihn dieser blaue Schein, doch diesesmal deutlich schwächer als beim letzten Mal. Zoe versuchte ihn nicht all zu penetrant anzustarren und lehnte sich stattdessen selbst an die Wand, um einen Moment die Augen zu schließen.
Und kaum, dass sie das getan hatte, konnte sie es wieder fühlen. Dieses seltsame Gefühl ... Diese Energie ...
Sie riss die Augen wieder auf und spürte, dass ihr Herzschlag sich beschleunigt hatte. Unsicher legte sie sich eine Hand auf die Brust, während sie mit der anderen ihre Schläfe massierte.
Indess hatte Nate mit einem Laserstrahl aus seinem Finger das Eisentor aus seinen Angeln und direkt auf ein paar dahinter postierte Wachen geworfen.
Er ging voran und zog sich ohne mit der Wimper zu Zucken das Messer aus der Schulter. Das orangefarbene Shirt war an der Schulter dunkelrot, vorne und hinten war es angesengt, wobei die verbrannte Haut zum Vorschein kam. Zoe wollte weg schauen, doch blieb ihr Blick wie gebannt auf den Wunden haften. Es war ein Wunder das er überhaupt noch gehen konnte, geschweigeden Reden.

Doch noch ehe sie überhaupt hatte darauf reagieren können, ertönte eine Meldung aus dem Funkgerät.
"Zentrale an 655! 655, bitte kommen!", tönte es aus Derians Funkgerät. Sie alle sahen in seine Richtung, als auch die anderen Funkgeräte angingen: "Zentrale, bitte kommen! Funkkontakt zu Einheit vier und fünf verloren!", "Hier 581, wurden soeben von Unbekannten attackiert! Die Subjekte trugen Schuluniformen. Vermute Guerilla-Taktik des Militärs." Und als Antwort darauf: "Verstanden, 581. Leiten Sprengung des Areals ein. Planmäßige Detonation um Punkt fünfzehnhundert. Informiere Lakar ..."
Zoe erstarrte in ihrer Bewegung, die Augen weit aufgerissen. Ihr Herzschlag hatte für einen Sekundenbruchteil ausgesetzt, nur um im nächsten Moment wieder mit voller Wucht wieder einzusetzen.
Sprengung ... Fünfzehnhundert ... Lakar ...
Sie wusste zwar mit letzterem wenig anzufangen oder im Grunde genommen gar nichts, aber alles andere klang nicht gut.
Nate ergriff ohne zu Fragen das Funkgerät von Derian und fragte nach, ob die Zivilisten schon evakuiert wurden. Doch zur Antwort bekam er nur, dass die Eliminierung der Feinde oberste Priorität hatte.
"Wir teilen uns auf", wisperte er. "Ich muss sie aufhalten. Oder uns zumindest Zeit verschaffen. Kalina, Zoe, Derian! Ich möchte, dass ihr euch einen Moment lang versteckt und dann nach oben flieht, wenn ich die Wachen erneut ablenke. Bitte, evakuiert die Leute! Als Beweis habt ihr ja das Funkgerät! Außerdem bin ich sicher, dass Derian schon ein Argument finden wird. Sharon, Marcus ... ich kann nicht von euch erwarten, mit mir in den Tod zu gehen. Da ihr aber enttarnt wurdet, könnt ihr fliehen, so es euer Wunsch ist."

Zoe hatte sich zurück gezogen, kaum das Nate zuende gesprochen hatte. So bekam sie nicht mit, was die anderen sagten und wenn sie ehrlich war, wollte sie es auch gar nicht. Sie kannte diese Menschen nicht, fühlte sich aber unweigerlich mit für sie Verantwortlich und wollte sie nicht einfach so ihrem Tod überlassen. Aber eine große Hilfe war sie auch nicht, sie konnte ja nicht einmal kämpfen.
Schweigend glitt ihr Blick über die Anwesenden, einen jeden betrachtete sie nicht länger als nötig und nicht lange genug um irgendetwas auffangen zu können.
Dieses unheilvolle Gefühl war immer noch da und schwebte wie ein Damoklesschwert über ihr. Sie wusste nicht was sie nun tun sollte. Würde sie gehen, würde sie womöglich unfreiwillig auf dieses ... etwas zusteuern.
Würde sie die anderen begleiten, wäre sie nur ein Klotz am Bein und würde vielleicht noch dazu beitragen das sie alle den Tod fanden.
So oder so waren ihre Aussichten sehr bescheiden, wenn man es so ausdrücken wollte.

Als sie aufblickte sah sie, dass sich Marcus, Kalina und Sharon bei Nate eingefunden hatten. Sie schienen sich also dafür entschieden zu haben bei dem Kamikaze Akt dabei zu sein. Blieben nur noch sie, Derian und ...
"Ramses?" wisperte sie, als ihr bewusst wurde das sich der Welpe nicht mehr an ihrer Seite befand.
Die Züchterin blickte sich um, doch von dem Tier war keine Spur.
"Ramses!" sprach sie nun schon etwas lauter, ohne darauf zu achten wie die anderen auf sie reagierten. Zoe entfernte sich ein wenig von ihnen um nach dem Wolf zu suchen und kaum das sie in die Nähe der Treppe gekommen war, sprang der Kleine aus einer Seitenkerbe heraus und rempelte direkt gegen sie. Er wurde von dem Zusammenstoß ein wenig unsanft auf sein Hinterteil verfrachtet, nur um kurz darauf mit lautem gebell wieder aufzustehen.
"pssst!" fuhr ihn seine Züchterin an, hob den kleinen fix auf die Arme und hielt ihm das Maul zu. Mit gesenktem Kopf lief sie zu den anderen zurück, ohne auch nur einen von ihnen anzusehen.
" 'Tschuldigung ... ", wisperte sie lediglich und lies Ramses wieder zurück auf seine Pfoten.
Hoffentlich hatte das Gebell niemand gehört.

"Ich werde mein bestes Versuchen und ... " entgegnete sie schließlich, brach dann jedoch ab um sich zu räuspern. "Seit Vorsichtig ... ", fügte sie sehr leise hinzu, in der Hoffnung das ihre Worte nicht gehört wurden. Sie kannte die Truppe gar nicht, aber sie fühlte sich auf eine seltsame Art mit ihnen Verbunden.
Ihr Blick fiel wieder auf Ramses, der Hastig zwischen den Anwesenden hin und her sprang und die Borsten aufstellte. Zoe runzelte die Stirn, ehe sie seufzte und dann zu Nate blickte.
"Er ist ein Wurf aus der Reihe der Millitärwölfen. Seine Sinne sind schärfer als die von normalen Wölfen. Er könnte euch womöglich von Nutzen sein, was es angeht, die Bombe zu finden, oder eventuelle Gegner vorher zu bemerken" sagte sie, ohne ihm dabei direkt in die Augen zu blicken. Wenn sie ihn mit sich nehmen wollten, konnten sie das tun. Ansonsten musste sich die Züchterin überlegen wie sie ihren Raufbold dazu bekam das er bei ihr blieb. Er wollte Kämpfen, dass lag ihm einfach im Blut.
 
[In den Ruinen - 1. Untergeschoss, Südseite]

Nathan blickte alle der Reihe nach an, ehe er kommentarlos nickte. Nun war nicht die Zeit für Tratsch, denn in dreizehn Minuten würde ihnen alles um die Ohren fliegen. Sein Blick wanderte zu Kalina, die ebenso entschlossen zurücksah. Es war also entschieden. Mit einem Nicken an Zoe, ein stilles Versprechen auf den Welpen aufzupassen, lief Nate los. Sein Gang war nicht perfekt und auch sein Atem kam in Stößen. Der Rand seines Blickfelds hatte sich bereits verdunkelt und in seinen Ohren dröhnte das Pochen seines eigenen Pulses. Er würde sich schon bald nicht mehr auf den Beinen halten können. Ramses hatte mittlerweile die Führung übernommen und rannte wie ferngesteuert im Zickzack durch die Gänge, sodass er sich mehr als einmal fragte, ob das Wolfsjunge wirklich wusste, wo es langging. Durch den Zeitdruck war ihre Deckung so gut wie gar nicht vorhanden, immerhin mussten sie Gas geben, wenn sie das Desaster noch rechtzeitig verhindern wollten. So verwunderte es auch nicht weiter, dass sie bei einer Rechtskurve direkt in einen dreiköpfigen Stoßtrupp hineinliefen. Als dieser das Feuer eröffnete, reagierte Nate gerade noch rechtzeitig und zerrte Kalina aus der Schussbahn in Marcus' Richtung, ehe er sich dem vordersten Mann näherte, antäuschte und ihm mit der Handwurzel einen Schlag gegen das Kinn versetzen konnte. Noch in der selben Bewegung drehte er sich auf seinem linken Fußballen, schnappte sich die Waffenhand des Soldaten mit der linken und feuerte unter seiner rechten Achsel auf den Nächststehenden, ehe er die Kreisbewegung vollendete und mit der rechten Hand das Kampfmesser aus dem Armholster fischte und dieses in der Schulter des Dritten versenkte. Mit einem raschen Wink bedeutete er den anderen, wieder loszulaufen.

"Kalina, bilde bitte das Schlusslicht! Ich möchte dich nicht in der Schussbahn haben", forderte er die Schülerin auf und setzte seinen Weg erst fort, nachdem sie seiner Bitte nachgegangen war. Nach einigen Verzweigungen hatte selbst Nate den Überblick verloren und sah sich suchend um. Ramses knurrte plötzlich und sein Fell stellte sich auf. Angespannt blickte Nathan in den dunklen Korridor, als auch schon eine in einen weißen Mantel gekleidete Gestalt mit längerem brünetten Haar auftauchte, gefolgt von einer Handvoll Wachen. Sein Blick zeigte nicht annähernd die Überraschung seiner Begleiter, er erschien eher erheitert über ihre Begegnung zu sein.

"Interessant. Doch leider habe ich im Augenblick keine Zeit für Spielereien", wisperte Lakar mit seiner exotischen Stimme und schnippte kurz. Sofort gingen die Wachen auf die Gruppe zu. Auf Nathans Anraten hin bildeten sie eine Pfeilformation mit ihm als Speerspitze, Sharon und Marcus als Flügelmänner und Kalina hinter ihnen. Die Wachen, neun an der Zahl, wollten den kleinen Trupp umkreisen, und im Gegensatz zu ihren Kollegen schienen sie ausgebildete Nahkämpfer zu sein, denn sie besaßen keinerlei Schusswaffen.

"Wir haben keine Zeit dafür", knurrte Nate, blieb aber breitbeinig stehen und hob die Unterarme an, sodass es aussah, als wollte er auf einem Klavier spielen.
"CQC? Noch ein Schoßhund des Militärs?", fragte Lakar mit hochgezogener Braue, tat sonst aber nichts und blieb an Ort und Stelle stehen.
Die Soldaten indes griffen die Schüler in Dreiergruppen an, sprangen mit markerschütterndem Geschrei auf sie zu.
 
[In den Ruinen - 1. Untergeschoss, Südseite]

Kaum hatten sie sich in Bewegung gesetzt fiel Marcus auf, wie angeschlagen Nate noch immer war. Würde er mithalten können? Wie lange würde er noch durchhalten bis die Erschöpfung zuviel wurde? Das Dumme war, dass Marcus ihn wohl kaum bitten konnte, einen Gang runter zu schalten. Denn leider lief ihnen allen die Zeit davon und nur er selbst war schnell genug, die Hetzerei wie einen normalen Spaziergang verstreichen zu lassen. Aber auch seine Kraft und Konzentration war nicht unendlich. "Alter, pass auf dich auf, ja? Mach ja keinen Unsinn", zischte er Nate leise ins Ohr und sah ihn mahnend an, während Ramses sie durch die Ruine führte. "In Gefahr schweben wir sowieso aber... überschätz dich nicht, okay?" Ehe Nathan ihm eine Antwort geben konnte rannten sie nach einer Rechtskurve in einen dreiköpfigen Stoßtrupp. Nate reagierte und zerrte Kalina aus der Schusslinie und sofort war Marcus bei ihr und stellte sich schützend vor sie, während er sich konzentrierte und die Zeit langsam wie dickflüssiger Sirup verlief. So konnte Marcus noch am Besten sehen wie Nate mit den drei Männern aufräumte. Das war kein stupides, selbstmörderisches Draufkloppen. Nathan kämpfte als sei er ausgebildet worden. Ein Jammer, dass sie alle in Lebensgefahr schwebten. So viele offene Fragen. Doch selbst unter normalen Umständen würde wohl keiner der anwesenden Vaishara offen von sich plaudern. Sie eilten weiter und Nate bat Kalina, das Schlusslicht zu bilden. Immer wieder sah Marcus zu ihr, ob sie auch Schritt halten konnte und ihr nichts fehlte. Dann plötzlich knurrte Ramses und im dunklen Korridor erschien ein Mann in einem weißen Mantel, gefolgt von zahlreichen Wachen. Wer war dieser Kerl? Ein Schnippen genügte und seine Handlanger kamen ihnen entgegen. Sofort bildeten sie eine Pfeilformation, als die neun Männer sie umzingeln wollten. "Wir haben keine Zeit dafür", knurrte Nate und Marcus, der rechts versetzt neben ihm stand knackte mit den Fingerknöcheln. "Wundert mich, dass die noch hier sind, wo sie doch den Laden gleich in die Luft fliegen lassen." Marcus musterte den Mann im weißen Mantel. "CQC? Hä? Sehen wir so aus als wären wir Soldaten? Wir sind Schüler, Mann!" Doch dann gingen auch schon die Wachen auf sie los. Marcus konzentrierte sich und hatte genug Zeit, über die Situation nachzudenken. Was für ein Trilemma, in dem sie da steckten. Zum einen mussten sie die Bombe finden und irgendwie unschädlich machen und zum anderen waren da Soldaten und diese merkwürdigen, anderen Kerle. Und zum anderen stellte sich Marcus die Frage, ob er nun seine besonderen Kräfte nutzen sollte - um eventuell den Boss dieser Typen schnell in seine Gewalt zu bringen - oder es bleiben lassen sollte. Wie in Zeitlupe kamen ihm drei Männer entgegen und Marcus wusste, dass er nicht ewig einen auf Bullet Time machen konnte. Was sollte er nun machen? Wie würden Nate und Sharon vorgehen? Gab es vielleicht sogar eine Möglichkeit, die Situation zu entschärfen? Doch dann musste er wieder an die Bombe denken. Vielleicht hatten sie nur noch wenige Minuten. Lange Reden und lange Kämpfe könnten so vielen Schülern und anderen Unschuldigen das Leben kosten. Kurz sah Marcus zu Kalina, dann setzte er sich in Bewegung. Er zog seine beiden Messer, die er von den Soldaten aufgesammelt hatte und rannte blitzschnell zwischen zweien seiner Angreifer hindurch, wobei er sich im Sprint leicht mit dem Oberkörper nach vorne beugte, die Arme ausstreckte und mit den Messern die ihm zugewandten Waden der beiden Männer aufschlitzte und sie damit höchstwahrscheinlich zu Fall bringen und kampfunfähig machen würde. Dann schlug er einen Haken, ließ eines seiner Messer fallen und packte mit der nun freien Hand den Hinterkopf des dritten Angreifers, nutzte den Schwung dessen Vorwärtsbewegung und riss ihn zur Seite und rammte dessen Kopf hart gegen die nahegelegene Wand des Korridors. Noch ehe sein Messer den Boden berührte hatte er es aufgefangen und eilte auf den Mann im weißen Mantel zu. Er musste es versuchen und vielleicht würde er so heraus finden wo die Bombe war und wie man sie entschärfen konnte. Wenn nichts dazwischen kommen würde, würde Marcus sich hinter ihn begeben und ihm ein Messer an die Kehle halten, würde aufhören mit seiner besonderen Gabe und folgende Worte äußern: "Pfeif sofort deine Jungs zurück und sag uns, wo die Bombe ist oder ich zeig dir ein hübsches Messerspielchen, Soldier-Boy."
 
[In den Ruinen - 1. Untergeschoss, Südseite]

Es war schon schlimm, wenn sich so etwas Schönes wie eine alte Ruine, ein Teil der Geschichte selbst, plötzlich in ein Labyrinth voller potentieller Killer verwandelte. Schlimmer noch war der Zeitdruck, wenn irgendwo in den verzweigten Gängen auch noch eine Bombe tickte und in weniger als eine Viertelstunde zu detonieren drohte. Zoe's Welpe Ramses schien sie alle scheinbar dringend begleiten zu wollen und Sharon lächelte den Welpen an. Sie würden wohl auf den Geruchssinn des kleinen Wolfs vertrauen müssen. Und so eilten sie los, nur um kurze Zeit und wenige Abzweigungen später in einen Drei-Mann-Trupp zu laufen. Sharon hatte bereits einige der aufgesammelten Trümmerstücke zur Hand, doch ehe sie diese wie tödliche Geschosse nach vorne schleudern konnte hatte Nate die drei Männer bereits erreicht. Und wieder war sie überrascht und fasziniert von Nathan. Er hatte Laserstrahlen abgefeuert und nun bewegte er sich so elegant und schnell, dass Sharon sich schon fragte ob er gar die selben Kräfte wie Marcus hatte, so flink wie er die drei Soldaten niederstreckte. Sie eilten sofort weiter, doch nicht lange darauf kündigte Ramses' Knurren weiteren Ärger an. Ein Mann mit weißem Mantel und einige Wachen kamen ihnen aus einem dunklen Korridor entgegen und der Anführer hetzte mit einem Schnippen seine Wachen auf die kleine Gruppe. Nate bat sie, eine Pfeilformation zu bilden und Sharon stellte sich links von Nate auf und ließ ihren offenen Rucksack zu Boden gleiten um bei Bedarf schnell weitere kleine Steine griffbereit zu haben. "Ich glaub, reden bringt hier wenig. Wenn die schon die Bombe anschalten und hier bleiben um den Knall live mitzuerleben dann gibt es nicht mehr viel zu diskuttieren, glaube ich. Und wir haben nicht mehr viel Zeit..." Brüllend griffen die Wachen an, wobei sich drei Männer Sharon näherten. Diese zweifelte nicht daran, dass die drei Herren ihr echt weh tun würden und so konzentrierte sie sich und zuerst flog der Stein in ihrer linken Hand nach vorne, traf einen der drei Männer am Kopf und warf ihn nach hinten. Sofort schoss auch der Stein in ihrer rechten Hand wie ein Geschoss nach vorne, prallte gegen die Brust des zweiten Angreifers. Doch noch ehe Sharon sich bücken konnte um einen weiteren Stein aus ihrem Rucksack zu fischen hatte der dritte Angreifer sie erreicht und setzte einen Handkantenschlag gegen ihren Hals an. Nun rächte sich ihre Schwäche, unbedingt Körperkontakt mit ihrem Ziel haben zu müssen. Doch gleichzeitig reagierte sie auch fast instinktiv und nun geschahen zwei Dinge: Der Handkantenschlag traf sie seitlich am Hals und kaum bestand Körperkontakt wurde der Angreifer wie von einer Druckwelle zurück geschleudert und krachte gegen die Wand. Doch auch Sharon ging zu Boden denn der Handkantenschlag hatte sie dennoch gut genug getroffen um nervus vagus und sinus caroticus derart zu traumatisieren, dass ihr Körper den Notschalter umlegte und sie in die Bewusstlosigkeit schickte. Leblos sackte sie neben ihrem Rucksack zu Boden. Ein wenig Blut lief aus ihrer Nase und ihr langes, schwarzes Haar wirkte auf dem Boden fast wie eine unheilverkündende, dunkle Lache.
 
[In den Ruinen - 1. Untergeschoss, Südseite]

Nathan verdankte es seinem Adrenalin, dass er seiner Müdigkeit zum Trotz weiterhin auf diesem Niveau kämpfen konnte. Er umtänzelte die Gegner als hätten sie diese Bewegungen bis aufs kleinste Detail geplant. Er drehte sich und duckte sich dabei unter den Arm eines Angreifers, vollendete die Drehung und setzte zu einem Fußfeger an, den sein Gegner jedoch mit einem gezielten Sprung auszuweichen vermochte. Doch noch in der Drehung packte er dessen Fußgelenk und warf ihn auf den Mann im weißen Mantel zu. Dieser schien nicht einmal in seine Richtung zu blicken, sondern sah selbstgefällig grinsend geradeaus. Doch anstatt vom Körper der Wache getroffen zu werden, flog diese einfach durch ihn hindurch und traf Marcus mit voller Wucht. Ehe er auch nur etwas sagen konnte, musste er bereits dem Hieb eines anderen Gegners ausweichen. Kalina hatte sich in der Zwischenzeit zu Sharon hingekniet und bettete ihren Kopf auf dem Schoße. Sie strich beinahe zärtlich durch das schwarze Haar des Mädchens, während Tränen von ihren Wangen perlten. Sie wusste, dass ihr das nicht gefallen würde, aber sie musste es tun. Daher hob sie Sharons Oberkörper etwas an - und ohrfeigte sie. Mit einem Schnall war das Mädchen wieder wach und zu ihrer Verwunderung stellte sie fest, dass ihr nichts fehlte. Kalina versuchte sie aufmunternd anzulächeln, doch ihre Lippen waren ein schmaler Strich. Ihr Blick wanderte zu Nathan, der dem letzten verbliebenen Wachmann einen Schlag mit dem Ellbogen gegen seine Kehle versetzte. Er und Marcus liefen auf den Mann im Mantel zu, als dieser das Stück Stoff etwas zur Seite zog und eine Art Katana entblößte. Kaum hatte er den Griff der Waffe berührt, färbten sich seine Augen blau leuchtend und mit einem Mal gingen sie alle in die Knie. Es war als wögen sie alle das Zehnfache ihres Gewichtes. Lakar blickte mit süffisantem Lächeln zu Nathan und Marcus herab, entfernte jedoch die Hand vom Griff und mit einem Mal war auch der Druck auf sie alle verschwunden, wenngleich sie sich immer noch nicht bewegen konnten.

"Zeit zu gehen", wisperte er leise und wandte sich um. Er blieb kurz stehen und sah die anderen an, betrachtete Kalina, deren Blick eine wilde, stetig wechselnde Mischung aus Angst und Entschlossenheit war. "Die Bombe ...", begann sie, doch der Blick des Mannes ließ sie sofort verstummen. Seine Augen hatten etwas Erhabenes, etwas Uraltes, Mystisches ... Mächtiges. "Welche Bombe?", erwiderte er auf die selbe Weise lächelnd und schritt weiter. Kalina schluckte nur und senkte ihren Blick. Erst als er aus dem Sichtfeld der anderen verschwunden war, löste sich die unsichtbare Fessel und Nathan sprang sofort auf die Beine, nur um wieder zu Boden zu gehen. Sein Körper war am Ende, ausgelaugt. Dunkelheit bemächtigte sich seines Sichtfelds und er versuchte, das Bewusstsein nicht zu verlieren.

"Wir sollten gehen", murmelte Kalina leise, und kaum hatte sie das gesagt, veränderte sich die Umgebung. Als zerfiele das Mauerwerk um sie herum in gleißendem Licht, zeigte sich dahinter eine vollkommen andere Welt. Sie befanden sich im Museum. Im Erdgeschoss inmitten unzähliger anderer Touristen, die sich munter miteinander unterhielten. Etwas abseits standen Zoe and Derian, die sich ebenso verwirrt umsahen wie sie selbst. Ramses lief sofort zu seiner Herrin und wedelte mit der Rute, während Nathan sein unbeschädigtes T-Shirt betrachtete. Was ging hier nur vor sich?


[Die Ruinen - Das Museum]

"La Illusion de sens", wisperte Kalina und betrachtete das Gemälde vor ihr wie in Trance. Darauf war ein entstalteter Greis zu sehen, der selbstverliebt in einen großen Rundspiegel blickte, welcher ihm sein jüngeres Ich widerspiegelte. In ebendiesem Spiegel befand sich eine attraktive junge Frau auf dem aufwendig verzierten Diwan, doch in der Realität war ein altes Skelett alles, was seiner harrte. "Was der Mensch sieht oder zu sehen glaubt, ist nichts weiter als ein Konstrukt der eigenen Fantasie", las sie den Text am Rahmen des Gemäldes vor, ehe sie verstummte.

"Ein nettes Gemälde, findet ihr nicht auch Kinder?", fragte Frau Kaso, die mit Zoe und Derian plötzlich bei ihnen stand. Ehrfürchtig betrachtete sie das Bild vor ihnen. "Man sagt, der Maler dieses Gemäldes tauschte das Leben seiner Liebsten und die Freuden der Emotionen gegen die Ewigkeit. Der Spiegel, der nichts anderes konnte, als ein verzerrtes Bild der Wirklichkeit darzustellen, soll ihm diesen Wunsch erfüllt haben, indem er Original und Spiegelbild vertauschte. Gebunden an eine verzerrte Vorstellung der Wirklichkeit und dem Drang, die Realität so abzubilden, wie sie wirklich ist, begann der Maler seine Arbeit an diesem Werk."

"Was ist dann passiert?", fragte Nate flüsternd, den Blick nicht von dem Gemälde gewandt.

"Er starb kurz nachdem er das Bild vollendet hatte", antwortete sie und ihr Blick hatte etwas sehr Nachdenkliches, "Wer führte letztlich das einsamere, unerfülltere Leben: Der Maler oder der Spiegel?" Mit diesen Worten ging sie davon, richtete ihnen jedoch noch aus, dass sie die Ruinen bald wieder verlassen würden und sie sich in zehn Minuten wieder alle am Bus treffen würden.


[Ruinen - Waldstück]

"Er ist uns entkommen", kommentierte Gray mit indifferenter Miene und zündete sich eine Zigarette an, ehe er das Zippo zu Toxin schnippte. "Ein Grund, warum ich Hexen hasse. Sie spielen nie fair." Toxin nahm einen Zug vom Glimmstengel und hauchte ihm so alles Leben aus, ehe sie den Filter verspeiste. "War also alles eine Illusion? Haben wir uns alles nur eingebildet?" Der General grinste und entblößte dabei weiße, scharfe Zähne. "Nicht alles ...", gab er zur Antwort und ging mit der Soldatin zum Jeep. Hinter ihnen, in einem vom Blattwerk versteckten Bereich, türmten sich die Leichen unzähliger Wachen, allesamt Vaishara.
 
[In den Ruinen - 1. Untergeschoss, Südseite]

Ihr Bewusstsein kehrte so plötzlich zurück, wie man es ihr durch einen Handkantenschlag genommen hatte. Sharon sah sich irritiert um und stellte fest, dass Kalina sie offenbar etwas angehoben hatte und - anhand des Prickelns ihrer Wange - geohrfeigt hatte. Kalina sah aus, als hätte sie geweint und Sharon lächelte sie an, ehe sie sich der misslichen Lage wieder bewusst wurde. Kalina versuchte sie aufmunternd anzulächeln, doch ihre Lippen waren ein schmaler Strich. Sharon brachte kein besseres Lächeln zustande, erhob sich jedoch und fischte mit einer Hand einen Stein aus ihrem Rucksack. Ihr Blick folgte dem von Kalina und so sah sie, wie Nathan und Marcus auf den Mann im Mantel zu liefen, ehe dieser ihnen sein Katana zeigte. Seine Augen färbten sich blau und plötzlich gingen sie alle in die Knie. Sofort ahnte, was dieser Mann war, wunderte sich jedoch, wie unglaublich mächtig er war. Sie versuchte, sich zu wehren. Vielleicht den Stein in seine Richtung schleudern oder wenigstens aufzustehen. Doch es funktionierte nicht. Der Vaishara im weißen Mantel grinste selbstzufrieden und als er seine Hand vom Griff seines Schwerts entfernte verschwand der Druck, der auf Sharon lastete. Bewegen konnte sie sich jedoch immer noch nicht. "Zeit zu gehen", wisperte der Mann leise und wandte sich um. "Die Bombe ...", begann Kalina, doch der Blick des Mannes ließ sie sofort verstummen. "Welche Bombe?", erwiderte er auf die selbe Weise lächelnd und schritt weiter. Erst als er aus dem Sichtfeld der anderen verschwunden war, löste sich die unsichtbare Fessel und Sharon erhob sich und rannte dem Mann nach. Doch kaum hatte sie die Ecke des Korridors erreicht bemerkte sie, dass er fort war, als wäre er niemals da gewesen. Sharon starrte einen Moment fassungslos in den leeren Korridor, dann bemerkte sie dass Nathan ziemlich angeschlagen aussah. Sofort ging sie zu ihm und wollte ihm aufhelfen. "Ich fürchte, wir haben nicht mehr viel Zeit", begann sie und Kalina schien ihr zuzustimmen. "Wir sollten gehen", sagte sie leise. Doch plötzlich veränderte sich die Umgebung. Der Korridor zersplitterte in helles Licht und im nächsten Moment befanden sie sich im Museum, inmitten zahlreicher anderer Besucher.

[Die Ruinen - Das Museum]

Völlig perplex sah sich Sharon um, bemerkte Zoe und Derian, die genau so verwirrt aussahen. Neben ihr betrachtete Nate sein T-Shirt und Sharon nahm ihren Rucksack ab und sah ins Innere. Alle Steine waren verschwunden. Nachdenklich starrte sie ins Innere ihres Rucksacks. Was war das bloß für ein Typ gewesen? So mühelos hatte er sie alle gestoppt. War er es, der sie nun hierher geschickt hatte als sei nichts passiert? Hatte er sie gerettet oder war es nur seiner Gnade zu verdanken, dass die Ruinen nicht explodiert waren? Oder hatte sich das alles nur in ihren Köpfen abgespielt? Doch Sharon bemerkte, dass Ramses bei ihnen gewesen war und nun zu Zoe lief. Gerne hätte Sharon Fragen gestellt, mit den anderen gesprochen. Doch es waren zu viele Leute in der Nähe und sie wusste nicht einmal, wo sie mit all ihren Fragen anfangen sollte. "La Illusion de sens", flüsterte Kalina und Sharon betrachtete das Gemälde, noch immer aufgewühlt. Als Kalina auch den Text am Rahmen las, schluckte Sharon. "Und was ist dann die Realität?", fragte sie leise. Sie zuckte zusammen, als Frau Kaso plötzlich bei ihnen stand und ihnen vom Gemälde erzählte. "Wer führte letztlich das einsamere, unerfülltere Leben: Der Maler oder der Spiegel?" Mit diesen Worten ging sie davon, richtete ihnen jedoch noch aus, dass sie die Ruinen bald wieder verlassen würden und sie sich in zehn Minuten wieder alle am Bus treffen würden. Sharon wurde mit einem Mal eisig kalt und beklemmend zumute. Was, wenn die Hatz durch die Ruinen und die Konfrontation mit dem Mann im Mantel keine Illusion gewesen war, sondern sie sich nun in einer befanden? Dann wären sie ihm hilflos ausgeliefert, mit dem Verstand in einer Scheinwelt gefangen. Sie kniff sich in den Unterarm, wusste jedoch sofort, wie sinnlos das war: Allein Nate hatte wohl am meisten Abbekommen. Wenn Schmerz einen aus der Illusion reissen konnte, dann wäre es ihm längst gelungen. Und so einfach wie bei einem Albtraum war es wohl nicht. Was, wenn gar Nathan, Kalina, Marcus, Zoe und Derian selbst jetzt gar nicht echt waren? Nur eine Täuschung. Doch andererseits hätte der Mann im Mantel sie wohl mühelos töten können. Vielleicht sponn sie nur herum. Dennoch fühlte sich Sharon auf einmal unglaublich alleine, verletztlich und ausgeliefert. "I-Ich gehe besser sofort zum Bus", stammelte sie an die anderen gewandt und wirkte noch eine Nuance blasser als sonst. "Bis gleich..." Dann eilte sie auch schon los, drückte ihren Rucksack an sich und hielt erst an, als sie vor dem Bus stand. Der Busfahrer hatte die Tür offen und saß mit einer Zigarette im Mund am Steuer und lauschte der Musik im Radio. Als Sharon in den Bus stieg wunderte er sich. "Und, hat dir der Ausflug gefallen?", fragte er freundlich. "J-Ja... Es war klasse", log Sharon und setzte sich auf eine der Bänke, rutschte ans Fenster und schloss die Augen. Sie hoffte, dieses mulmige Gefühl schnell abschütteln zu können.
 
[In den Ruinen - 1. Untergeschoss, Südseite]

Egal wie schnell Marcus O'Connor denken und auch handeln konnte, wenn er sich nur darauf konzentrierte - manchmal brachte einem so etwas wenig, wenn man unvorhersehbare Komplikationen nicht bedachte. Wie zum Beispiel die Tatsache, dass sein Kumpel Nathan einen seiner Angreifer eher unabsichtlich genau in seine Richtung schleuderte. Oder die noch viel merkwürdigere Tatsache, dass besagter Angreifer nicht gegen den Mann im weißen Mantel prallte... sondern durch diesen hindurch flog und nur Marcus selbst mit voller Wucht traf. Dabei war auch das Messer, welches Marcus an die Kehle des Mannes mit dem Mantel gehalten hatte einfach durch ihn hindurch geglitten. Marcus landete hart auf dem Rücken und Nate's Flugpost landete wie ein nasser Sack auf ihm. Doch schnell hatte der Angreifer sich wieder gefasst und packte Marcus' Hals mit beiden Händen. Marcus konzentrierte sich, doch es half ihm wenig - das Messer in seiner Hand könnte er blitzschnell und mühelos in seinem Angreifer versenken. Oder die Klinge schneller als das menschliche Auge durch beide Handgelenke schwingen und dabei dank der Geschwindigkeit Fleisch und Knochen wie Butter durchschneiden. Es half wenig, denn trotz der Situation hatte Marcus Zeit zum Nachdenken und das Töten oder Verstümmeln eines Menschen war etwas, was zu Tun er nicht einmal geträumt hatte. In dieser einen, ewig langen Sekunde wurde Marcus klar, dass seine Kräfte eben Entscheidungen mit sich brachten. Leichte Auswege... und eben schwierige Auswege. Dieser Mann, mit den Händen an seiner Kehle, war ihm so ausgeliefert wie ein Kind. Wie eine Ameise unter seiner Fußsohle. Was könnte er nicht alles anrichten, wenn er es nur wollte und wenn er einfach alle Bedenken einfach beiseite schob. Das Messer in seiner Hand zitterte, dann rammte er den Griff kräftig gegen die Schläfe des Mannes und schickte ihn ins Land der Träume. Kurz sah Marcus sich um und sah, wie Kalina Sharon mit einer Ohrfeige aufweckte. Dann fiel sein Blick auf Nate, der gerade den letzten seiner Gegner den Ellenbogen gegen die Kehle rammte. Dann rannte Nate auch schon auf den Mann im Mantel zu und Marcus konzentrierte sich und tat es ihm gleich. Und erneut brachten seine Kräfte ihm rein gar nichts, denn plötzlich ging er in die Knie und fühlte sich Tonnen schwer. Der Mann im Mantel lächelte höhnisch. Erst als er die Hand von seinem Schwert nahm verschwand der Druck auf Marcus' Körper. Doch bewegen konnte er sich immer noch nicht. Dann ging er, jedoch nicht ohne vorher noch von Kalina angesprochen zu werden. "Welche Bombe?", entgegnete der Mann und schritt den Korridor entlang und verschwand schließlich um eine Ecke. Und endlich konnten sie sich wieder bewegen. Sharon rannte dem Mann nach und auch Marcus hätte ihm folgen können. Doch er wusste, es würde sowieso nichts bringen. Sie alle zusammen hatten keine Chance gegen diesen Mann, egal wie spektakulär sie auch ihre Kräfte benutzen konnten. "Wer zum Henker war dieser Kerl?", fragte Marcus und sah die anderen fragend an. "Wir sollten gehen", sagte Kalina leise und kaum hatte sie den Satz beendet verändert sich die Umgebung, zerfiel und enthüllte etwas anderes. Ganz plötzlich befanden sie sich im Museum. Zwischen so vielen anderen Menschen. Die Messer in Marcus' Händen waren verschwunden, ebenso die Schmerzen am Hals und im Rücken.

[Die Ruinen - Das Museum]

"La Illusion de sens", wisperte Kalina und betrachtete das Gemälde vor sich wie in Trance. "Was der Mensch sieht oder zu sehen glaubt, ist nichts weiter als ein Konstrukt der eigenen Fantasie", las sie den Text am Rahmen des Gemäldes vor, ehe sie verstummte. Marcus betrachtete das Gemälde. Sharon stellte die Frage, was denn dann die Realität sei. Marcus sah zu Frau Kaso, die Zoe und Derian bei sich hatte. Frau Kaso erzählte ihnen etwas über das Bild und Marcus fragte sich, was das Bild mit den Ruinen von Amago zu tun hatte. Er beschloss, die Frage laut auszusprechen und wartete auf eine Antwort. Als Frau Kaso davon ging. Bald war der Ausflug vorbei und sie würden sich bei den Bussen treffen. Sharon schien es eilig zu haben, endlich weg zu kommen und ging bereits vor in Richtung Bus. "Hmm", sagte Marcus und sah ihr nach, ehe ihm etwas ganz anderes einfiel. "Ich wette, wir müssen Aufsätze oder einen Bericht schreiben, Nate. Ich werde mir daher noch ein paar der Geschichtstexte und Bilder angucken und mir ein paar Notizen machen. Ich habe ja noch Zeit bis wir zum Bus müssen." Er lächelte und tippte sich kurz mit Zeige -und Mittelfinger an die Stirn, ehe er das Museum abschritt und sich dabei immer wieder konzentrierte und die vielen Bilder und Texte betrachtete. Für eventuelle Betrachter sah er sich alles nur kurz an, doch er selbst versuchte, sich die Bilder einzuprägen und die Texte zu merken, las einige sogar mehrere Male - er wollte nicht mit leeren Händen da stehen, sollte Mr. Torstan wirklich einen Bericht haben wollen. "Du bist ja richtig vertieft", hörte er eine Stimme neben sich - in Zeitlupe und daher dauerte es einen Moment, bis Marcus reagierte und sich nicht länger konzentrierte. Neben ihm stand Mr. Torstan. "Wenn Nathan nur dein Interesse teilen würde", bemerkte er mit einem Schmunzeln und einem Nicken in Richtung Nate. "Ich dachte immer, dass F in 1F stünde für fleissig", antwortete Marcus sarkastisch, ehe er sich wieder richtig der Umgebung und auch seinem Gesprächspartner bewusst wurde. "Ehm, Mr. Torstan... Ich würde gerne dem Theater-Club beitreten, weiß aber nicht, wie sich das mit meinem Basketballtraining und dem Stundenplan beisst. Und Interesse an sowas wie Schwertkampf - Kendō - hätte ich auch. Können Sie mir vielleicht weiter helfen, was das Angebot an bestehenden Clubs betrifft?" Und Mr. Torstan nickte, freute sich über Marcus' Interesse und sah dann auf die Uhr. "Gleich geht es zurück", sagte er und suchte Frau Kaso. Marcus blieb zurück und sah sich um und fand schließlich Kalina. Sofort ging er zu ihr, sichtlich bemüht, sich dabei nicht zu sehr zu beeilen. "Hey du", begann er etwas unsicher. Es war ja doch etwas komisch, ein Gespräch über Alltäglichkeiten zu beginnen, wenn man kurz vorher scheinbar in Todesgefahr geschwebt hatte. "Geht es dir gut? Ich hab meinen Lehrer mal wegen der Zeiteinteilung für Clubs und Ähnliches gefragt. Er meinte, er würde mir helfen, dass ich trotz mehrerer Clubs und Basketballtraining alles mit dem Stundenplan vereinbaren kann. Ich freu mich drauf." Sie gingen in Richtung Bus und Marcus' Blick fiel auf Derian. Petzen würde er nun wohl nicht. Doch er wusste Bescheid. Marcus beschloss, wachsam zu sein. Dann fiel sein Blick auf Zoe und ihren Wolf und er nickte ihr zu. "Ramses hat es echt voll drauf. Toller kleiner Kerl. Vergiss, was ich im Bus gesagt hab. Wenn ich so einen Welpen hätte, würde ich den auch immer in meiner Nähe haben wollen." Er meinte es ernst. Der Welpe hatte sie so gut durch die Ruinen geführt. Sicher hätte er auch die Bombe gefunden, wenn sich das alles nicht als Illusion entpuppt hätte. Was Marcus zu der Frage führte, was das alles eigentlich sollte. Und er musste wieder an den Mann im Mantel denken, mit seinen Kräften. Irgendwann würde er da mithalten können, schwor er sich. Deshalb auch seine Absicht, sich möglichst viele Clubs anzusehen und nach nützlichen Dingen zum Lernen zu suchen. Nie wieder wollte er hilflos in die Knie gehen. Marcus lächelte Kalina an. "Kann es kaum erwarten, dass es los geht, mit dem Theater-Club, meine ich. Ich werde mir Mühe geben." Ja, das würde er. Und er beschloss, sich bei Gelegenheit auch mehr mit seinen Kräften zu befassen. Bisher hatte er sie immer benutzt, wenn er sie gebraucht hatte. Doch er wusste, dass er es im Grunde genommen nicht einmal verstand. Aber wenn er etwas hatte, dann Zeit. Wenn nicht gerade Bomben tickten und sein Leben jederzeit zu enden drohte.
 
(kleine Rückblende für Tatjana und Yama)

[In den Ruinen - 1. Untergeschoss, Erdgeschoss]

Zoe und Derian hatten es eilig, schließlich ging es darum, die Anwesenden so schnell wie möglich zu evakuieren. Die Ruinen schienen indes wie ausgestorben, keine Menschenseele ließ sich blicken. Wahrscheinlich haben sich die Terroristen alle in Sicherheit gebracht. Als die beiden den Ausgang erreichten, begegneten sie einem Mann in einem weißen Mantel. Eine brünette Strähne hing ihm im Gesicht und seine goldenen Augen betrachteten die zwei mit süffisantem Glanz. Während er langsam die Treppe zu ihnen herabstieg, zog er ein Katana aus seinem Mantel hervor und hielt es auf sie gerichtet. Seine Augen begannen blau zu leuchten, als er das Schwert anhob und die letzten Stufen auf sie zusprang. Noch ehe sie reagieren konnten, schoss ein Schatten zwischen ihnen vorbei und blockte die Klinge mit einer eigenen.

"Nicht weglaufen, Lakar", brummte der General und stemmte das Katana mit dem Jagdmesser weg, ehe er zu einem rechten Haken ansetzte - und durch den Mann hindurchgleitete. Dieser grinste nur arrogant und hob sein Schwert erneut, als eine Frau hinter ihm erschien und ihr Messer in seinen Rücken rammen wollte. Doch erneut verschwand er und sie stolperte auf Gray zu, der ihr Handgelenk packte und sie um sich herumschleuderte, wobei Toxin mit dem Fuß nach Lakar trat, dieser wich jedoch nach hinten aus. Just in diesem Augenblick warf der General sein Messer nach Zoe. Ehe es zwischen ihren Augen jedoch einschlagen konnte, hatte Lakar das Messer in seiner freien Hand. In seinen Augen funkelte etwas, das beinahe wie Unsicherheit wirkte.

"Ich wurde entdeckt? Interessant ..."

Der General bleckte die Zähne und sah in die Richtung der Illusion. "Es ist eine einfache optische Täuschung, mit der du deinen Standort verschleierst. Dabei benutzt du die Gedanken deiner Opfer, um den sichersten Ort auszuwählen. Die beiden Kinder dort sind nur zufällig hier und ich würde ihnen nichts tun, daher hast du dich bei ihnen versteckt."

"Ich verstehe ... Woher wusstest Du, dass ich mich vor dem Mädchen befand? Es hätte genauso gut der Junge sein können", wandte Lakar ein und warf ihm das Messer zu, welches er fing.

"Wusste ich nicht. Aber die Chancen standen 50:50"

Die beiden Männer maßen sich mit Blicken, ehe beide zu lachen begannen und wieder aufeinander zustürmten. Toxin schenkte Derian und Zoe einen kurzen Blick, ehe sie sich ins Getümmel stürzte. Mit Schrecken fiel Zoe auf, dass ihnen nur noch fünf Minuten blieben. Die beiden versuchten sich an den Kämpfenden vorbeizuschleichen und rannten so schnell es nur ging - als sie sich plötzlich im Museum wiederfanden. Am anderen Ende entdeckten sie Nate und die anderen, die ebenfalls perplex zu sein schienen. Eine Hand legte sich um die Schultern der beiden Schüler und Frau Kaso ging mit ihnen zu Sharon und dem Rest der Truppe.

"Ich hatte erwartet, ich hätte mich klar ausgedrückt, Mister Shore. Keine Alleingänge, immer schön bei der Gruppe bleiben ...", sagte sie mit einem zuckersüßen Lächeln auf den Lippen, das unendliche Qualen versprach, sollte man sich ihrem Willen nicht beugen.


[Die Ruinen - Das Museum]

Eine alte Dame streifte Sharon beim Vorbeigehen, als die Schülerin zum Bus eilte und ihre Tasche fiel zu Boden. Mühselig ging sie in die Hocke und begann ihre Habseligkeiten wieder zu verstauen, als die Schülerin ihr auch schon zu helfen begann. Kalina betrachtete die Szene ohne einzugreifen. Sie blinzelte und wollte etwas sagen, als Marcus auf sie zukam und mit ihr sprach. Er würde dem Theater-Club beitreten. Irgendwie war sie dafür gerade gar nicht zu haben. Sie schienen den Ernst der Lage nicht zu begreifen. Sie hatten wahnsinniges Glück, dass dieser Mann sie einfach gehen ließ. Bei seiner Macht wäre eine direkte Konfrontation tödlich gewesen. Und doch schienen die anderen sofort in den Alltag zurückzukehren. Hatten sie denn alle keine Angst? Waren sie solche Dinge gewohnt? Die Finger ihrer rechten Hand krallten sich in Marcus' Handgelenk, während sie ihn gedankenverloren ansah. Die alte Dame erhob sich wieder, bedankte sich bei Sharon und ging, indes Marcus wieder einen seltsamen Druck zu verspüren schien. Doch sofort war er wieder weg. Die alte Dame humpelte zum Ausgang und grinste der Sonne entgegen.

"Du hattest schon bessere Outfits", kommentierte eine melodiöse tiefe Stimme neben ihr und die Dame drehte sich in einem Ruck um. Neben ihr stand ein 1,80m großer Mann an der Museumsmauer gelehnt, ein grauer Trenchcoat wehte leicht im Wind, der einen Hauch von Meer mit sich trug. Das schwarze Cap verdeckte sein Gesicht, doch die Dame musste es nicht sehen, um zu wissen, mit wem sie es zu tun hatte. "Was führt Dich hierher, Schatten?", erklang aus ihrem Mund eine vollkommen maskuline Stimme. Die nun goldenen Augen funkelten bedrohlich, doch der Mann winkte grinsend ab. "Ich wollte wissen, wie es lief. Hast du mein Mittelchen denn nicht benutzt?" Ein ebenfalls goldenes Auge starrte ihm entgegen und für eine Minute maßen sie sich mit Blicken. Lakar schloss die Augen. "Es wird schon noch zum Einsatz kommen. Im Augenblick habe ich andere Pläne."

"Apeiron", nickte der Mann und erntete ein Lächeln.

"Du bist gut informiert, das muss man Dir lassen", kommentierte Lakar und starrte der Nachmittagssonne entgegen. Der rote Schein der Dämmerung spiegelte sich in den goldenen Augen wider und für einen Augenblick wirkten diese Augen verloren. "Zweitausend Jahre - und noch immer habe ich mich daran nicht sattgesehen ..." Und an den Mann gerichtet, zuckte er mit den Schultern. "Ich habe sie heute nicht finden können. Sie scheint gewusst zu haben, dass ich sie erwarte. Dafür habe ich einige interessante Leute getroffen. Sehr interessant. Jung und unerfahren, aber mit Potential gesegnet. Und auch der General ist so gut, wie die Gerüchte sagen."

"Besser", grinste der Mann und berührte die Dame an der Schläfe. Seine Finger wiesen Blut auf.


[Die Ruinen - Das Museum]

Nathan starrte das Gemälde lange Zeit an und es dauerte nicht lange, bis er der einzige war, der noch am selben Ort verweilte. Marcus und Kalina waren beisammen und turtelten ein wenig, Derian und Zoe schienen die Anwesenheit der anderen ein wenig zu meiden. Und Sharon war bereits vorausgeeilt. Mit einem Seufzen steckte er die Hände in die Hosentaschen und folgte dem Mädchen. Dabei ging ihm die Konfrontation nicht aus dem Kopf. Was sollte das alles? Warum eine Bombendrohung, wenn alles nur eine Illusion war? Warum ließ der Mann sie glauben, sie wären eingestürzt? Warum hatte er sich zu erkennen gegeben, wenn ihm nichts an ihnen lag? Gedankenverloren stieg er in den Bus ein und setzte sich wieder neben Sharon. Genau in dem Augenblick stolperte er und landete auf Sharon. Mit dem Gesicht in ihrem Dekolleté. Hinter ihm tauchte der Kopf der Mittelschülerin auf und musterte ihn argwöhnisch.

"Du mieser Perversling! Tomo sollte dich bestrafen."

Gesagt, getan - packte sie ihn an den Ohrläppchen und zog daran, während sie mit ihrem Knie gegen sein Kreuz drückte.

"AH! VERDAMMT!", schrie Nathan und hob den Kopf, um seine Ohren etwas zu entlasten - und befand sich nur einen Atemzug von Sharons Gesicht entfernt. Die beiden sahen sich eine gefühlte Ewigkeit einfach nur in die Augen, ehe Tomo ihn in den Schwitzkasten nahm und zudrückte. Nathan zappelte und versuchte sich zu befreien, doch die Kleine klammerte sich mit Armen und Beinen an ihn. Mr. Torstan trat in diesem Augenblick ein - zusammen mit dem Rest der Schüler. Bei Nathans Anblick - besiegt von einer Zwölfjährigen - begannen sie alle schallend zu lachen. Nur Mr. Torstan betrachtete perplex dieses dynamische Duo.
 
[Die Ruinen - Das Museum]

Die Finger Kalinas rechten Hand krallten sich in Marcus' Handgelenk, während sie ihn gedankenverloren ansah. Dieser stockte und sah sie besorgt an, sah auf ihre Hand und schüttelte sie ab, jedoch nur um ihre Hand sofort in seine zu nehmen. "Mach dir keine Sorgen", wisperte er und grinste schief, versuchte sie aufzumuntert wo es ihm jedoch nicht gelang, weil er selber immer noch perplex war. Gern würde er nun sagen, dass er sie beschützen würde... Doch er hatte keine Chance gegen den Mann im Mantel. "Ich würde jetzt sagen, dass ich auf dich aufpassen aber naja..." Er wurde verlegen und als Mr. Torstan nahe an ihnen vorbei ging wechselte er das Thema, doch die Doppeldeutigkeit würde Kalina sicher nicht entgehen: "...jedenfalls hat der Typ mich voll gefoult und es war echt eine Qual, bis ich mich wieder bewegen konnte. So etwas habe ich noch nicht erlebt. Ein Bär von einem Spieler war das..." Und dann plötzlich spürte Marcus wieder diesen Druck auf sich und nun bekam er selbst es mit der Angst. Seine Augen weiteten sich vor Schock und er sah sich rasch um. Doch dann war das Gefühl wieder fort. Hatte er sich das nur eingebildet? "Hast du das auch gespürt?", fragte Marcus Kalina leise. "Ich glaube, er ist noch immer hier." Der letzte Satz war kaum lauter als ein Atemzug, weshalb Marcus einen Schritt an Kalina heran getreten war. Konnte der Mann im Mantel Illusionen um sich herum weben und seine Gestalt verändern? Oder hatte er gar aus der Ferne nach ihm getastet? Doch andererseits war es nur ein Moment, vielleicht nur die Erinnerung an diese seltsame Begegnung. Es musste Einbildung gewesen sein, oder? Marcus sah Kalina an und nun war ihm selber nicht mehr nach Theater-Club zumute. "...Wird noch eine ganze Weile dauern, bis ich dieses schreckliche Spiel verarbeitet habe."
 
[In den Ruinen - 1. Untergeschoss, Erdgeschoss]

Das Nicken des Jungen bekam sie nur Unterbewusst mit. Ihr Augenmerk lag einzig und allein auf Ramses, der noch immer zwischen den Anwesenden hin und her sprang. Der kleine Wolf konnte ja sowas von Stur sein, letztendlich bekam er immer was er wollte.
„Du hast gewonnen, Kleiner“, gab seine Herrin mit einem seltsamen Unterton von sich und hielt den Blick des Welpen stand, der sich mittlerweile hingesetzt und den Kopf schief gelegt hatte. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis er begriffen zu haben schien, was sie gesagt hatte. Dann sprang er auf, wedelte kräftig mit der Rute und eilte mit den anderen davon.
Mit einem gequälten Seufzen sah sie der Gruppe und ihrem Wolf hinterher, bis diese außer Sicht waren. Wenn ihm etwas zustieß …!
Nein, daran durfte sie jetzt gar nicht denken. Er würde auf sich aufpassen, er konnte auf sich aufpassen.
Zoe sog die Luft scharf ein und versuchte den Kopf wieder frei zu kriegen, als ihr bewusst wurde das es im Moment um mehr ging als nur um das Leben ihres Welpen.
„Die Bombe!“ entkam es ihr fast schreiend, als es ihr mit einem Mal wieder klar wurde. Verdammt! Sie hatten nicht mehr viel Zeit!

Plötzlich hatte sie es furchtbar eilig und sie bemerkte wie auch Derian sich ihr anschloss und hinter ihr her eilte. Doch die Ruinen waren leer, niemand außer ihnen schien noch hier zu sein. Womöglich waren sie inzwischen alle wieder bei den Bussen und man hatte vergessen sie zu informieren.
Als Zoe schließlich in die Nähe des Ausganges kam, bemerkte sie wie eine Gestalt im langen weißen Mantel die Treppe herab schritt. Seine goldenen Augen fixierten die beiden, was das Mädchen dazu veranlasste in ihrer Bewegung inne zu halten.
Als er unter seinem Mantel ein Katana entblößte, weiteten sich ihre Augen für einen winzigen Moment, ehe sie das einzige sagte, dass ihr gerade durch den Kopf ging.
„Scheiße …“
Sie sah, dass seine Augen sich ins Blaue wandelten und war vor Angst gerade zu gelähmt. Als er einen Satz auf sie zu machte - mit dem Katana immer noch auf sie gerichtet - kniff sie die Augen fest zusammen.
So schnell kann es vorbei sein, wollte sie gerade denken, da bemerkte sie einen Luftzug der direkt neben ihr vorbei huschte und hörte wie Metall aufeinander traf

"Nicht weglaufen, Lakar", brummte eine männliche Stimme und Zoe runzelte unweigerlich die Stirn, ehe sie die Augen öffnete. Ein kräftiger Mann lieferte sich einen Kampf mit dem, den er wohl als Lakar bezeichnet hatte.
Kurz darauf erschien noch eine junge Frau auf dem Kampffeld, die die Züchterin genauso wenig hatte kommen sehen wie den General. Was ging hier vor sich? Wer waren diese beiden und wer war der Mann im weißen Mantel?
„Wa-….“ Noch ehe sie dazu kam ihre Frage überhaupt auszusprechen, sah sie wie ein Jagdmesser direkt auf sie zugeflogen kam. Ihre Augen weiteten sich, ihr Magen zog sich in wenigen Sekunden so krampfhaft zusammen das sie das Gefühl hatte sie müsse gleich ihr Essen wiederkäuen. Hatte sie noch für einen winzigen Moment geglaubt, der wuchtige Mann der mit der Frau aufgetaucht war, wäre ihnen zur Hilfe gekommen, wusste sie nun, dass dem wohl kaum so sein konnte.
Das dieser Lakar direkt vor ihr aufgetaucht war und das Messer - so glaubte sie anfangs - aus der Luft gefischt hatte, ohne das sie überhaupt bemerkt hatte das er sich vor sie gestellt hatte, war zu viel. Ein innerer Impuls befahl ihr zu schreien, doch ihre Lippen verließ kein Laut.
Mit einem Mal wurde sie sich diesem Gefühl wieder bewusst, dass sie die ganze Zeit so kläglich versucht hatte zu verdrängen. Dieses Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Was auch immer es war, es ging von diesem Mann in dem weißen Mantel aus und es trieb Zoe an den Rand des Wahnsinns.
Nie zuvor hatte sie je so etwas gefühlt, wenn sie jemanden betrachtete. Sie musste nicht einmal in seine Augen sehen, um diese Emotion zu spüren … Und es machte sie Krank.

Die Unterhaltung zwischen den Männern bekam die Züchterin nicht mehr mit. Ihre Gedanken waren längst abgedriftet, dass Gefühl in ihrem inneren hatte längst die Oberhand gewonnen. Doch noch war genug restverstand für sie übrig, damit sie mit Schrecken feststellen konnte, dass ihnen nur noch fünf Minuten blieben, um nicht von der Bombe zerfetzt zu werden.
Vorsichtig schlich sie mit Derian an den drei Kämpfenden vorbei, ehe sie so schnell rannten wie es ihnen möglich war. Und kaum das sie die Treppe hinauf gestiegen waren, veränderte sich ihre Umgebung. Die Ruine schien in sich zusammen zu fallen, nur um einem neuen Ort Platz zu machen.
„Was zum ….“


[Die Ruinen - Das Museum]

„…Teufel?“ platzte es aus ihr heraus, ehe sie sich bewusst wurde das sie nicht mehr in der Ruine, sondern im Museum waren.
Perplex blickte sie sich um, erblickte dann in etwas Entfernung Nate und die anderen und auch ihren Welpen. Was wurde hier gespielt? Was war hier los? Wie zum Teufel kamen sie hier her und wo war dieser Lakar und diese beiden anderen Kämpfer? War sie gestolpert und hatte sich den Kopf gestoßen?
Unsicher griff sie mit einer Hand an ihren Kopf, doch der fühlte sich ganz normal an.
„Ok Zoe … Du wirst langsam verrückt … Genau das muss es sein, du hast schon Tagträume. Verdammt unheimliche Tagträume. Tagträume mit Menschen die du gar nicht kennst, Tagträume mit Personen die du eben erst kennen gelernt hast …“ dachte sie bei sich, ehe sie bemerkte das Ramses auf sie zu gerannt kam.
Mit einem Lächeln auf den Lippen nahm sie den Welpen in empfang und drückte ihn sanft an sich, ehe sie der Lehrerin folgte und zu den anderen ging. Sie alle standen vor einem Gemälde und die Frau begann zu erklären, was sie dort sahen.
"Man sagt, der Maler dieses Gemäldes tauschte das Leben seiner Liebsten und die Freuden der Emotionen gegen die Ewigkeit. Der Spiegel, der nichts anderes konnte, als ein verzerrtes Bild der Wirklichkeit darzustellen, soll ihm diesen Wunsch erfüllt haben, indem er Original und Spiegelbild vertauschte. Gebunden an eine verzerrte Vorstellung der Wirklichkeit und dem Drang, die Realität so abzubilden, wie sie wirklich ist, begann der Maler seine Arbeit an diesem Werk."
„Verzerrtes Bild der Wirklichkeit…“, ging es ihr durch den Kopf, als sie schweigend das Bild betrachtete vor dem sie nun stand.
Eine Illusion? Wollte sie das damit sagen? Was wenn sie sich in einer Illusion befunden hatte? Wie sonst sollte man erklären, wieso der Welpe bei Nate und den anderen und nicht bei ihr war? Ob sie die anderen fragen sollte? Ihr Blick glitt abwechselnd über die Anwesenden, ehe sie den Kopf schüttelte. Lieber nicht, am Ende wurde sie noch für verrückt erklärt.

Marcus entfernte sich von der Gruppe, doch Zoe bekam nicht mit weswegen. Sie selbst ging auch ein wenig auf Abstand, um ihren eigenen Gedanken nachzuhängen. Wenn das, was sie erlebt hatte, nur eine Illusion war, was war dann echt? Wie sollte sie Realität von Illusion unterscheiden können? Es musste doch etwas geben das…
Und plötzlich fiel es ihr wieder ein, doch noch ehe sie den Gedanken beim Namen nennen konnte, wandte Marcus das Wort an sie.
„Ramses hat es echt voll drauf. Toller kleiner Kerl. Vergiss, was ich im Bus gesagt hab. Wenn ich so einen Welpen hätte, würde ich den auch immer in meiner Nähe haben wollen.“ Zoe runzelte die Stirn und betrachtete ihn genauer, um festzustellen ob er da gerade über sie spottete. Doch er schien ernst zu meinen was er sagte. Aber woher konnte er beurteilen …? Hatte sie es sich doch nicht nur eingebildet?
„Danke“, entgegnete sie lediglich, ohne eine der Fragen anzusprechen die ihr auf der Zunge brannten. Später, beschloss sie.

Als sich die meisten in Richtung Terminal aufgemacht hatten, beschloss auch Zoe es ihnen gleichzutun. Einen Moment blickte sie noch zu Nate, der noch immer gebannt auf das Bild vor sich starrte, ehe sie davon schritt. Ramses hatte sie auf ihre Schulter gesetzt, sie wollte den kleinen nur ungern wieder aus der Hand geben.
„Wenn ich nur mit ihm reden könnte…“, dachte sie und lachte leise über diese aberwitzige Idee. Sie bedurfte keiner Worte, es gab andere Möglichkeiten. Sie würde es später ausprobieren, wenn sie etwas ungestörter war.
Ruhig folgte sie der Masse zum Bus und setzte sich schließlich auf einen freien Platz am Fenster, wo sie hinaus starrte und sich ihre Gedanken machte. Der kleine Welpe hatte sich auf ihrem Schoß zusammen gerollt und war eingeschlafen. War ein aufregender Tag für ihn gewesen.
 
[Die Ruinen - Das Museum]

Sie war so in Eile, noch so gebannt von den Geschehnissen gewesen, dass sie die alte Dame nicht bemerkt hatte. Die Tasche der alten Frau fiel zu Boden und sofort hielt Sharon inne und half ihr, die verstreuten Habseligkeiten wieder zu verstauen. "Das tut mir leid, ich war ganz in Gedanken", begann Sharon etwas stammelnd. "Ist etwas kaputt gegangen?" Dem war jedoch nicht so und die alte Dame erhob sich wieder, bedankte sich und ging zum Ausgang. Da Sharon die selbe Richtung angesteuert hatte, wechselte sie noch einige Worte mit der alten Frau, die jedoch nicht sehr gesprächig war. "Wirklich schon, die Ruinen. So viele Eindrücke... Hat es Ihnen auch gefallen?" Und die alte Dame lächelte, als sie ins Freie traten. Sharon verabschiedete sich und eilte weiter zum Bus. Noch immer fühlte sie sich schlecht, obwohl ihr körperlich nichts fehlte. Da sie die Augen geschlossen hatte und noch über die Ereignisse in den Ruinen nachdachte verlor sie jedes Zeitgefühl, ehe sie Schritte hörte und die Augen öffnete. Nate hatte den Bus betreten und schlenderte nachdenklich den Gang zwischen den Bankreihen entlang. Gerne würde sie mit ihm reden, seine Gedanken hinsichtlich ihres merkwürdigen Ausflugs hören. Doch es waren bereits andere Schüler dabei, in den Bus zu steigen und sie würden wohl dafür keine Gelegenheit mehr haben. Nicht jetzt. Nathan wollte sich neben sie setzen doch er stolperte. Hätte er sie bloß angerempelt wäre ja alles noch in Ordnung gewesen. Allerdings landete er mit dem Gesicht in Sharons Dekolleté und ließ sie erschrocken aufkeuchen. "Du mieser Perversling! Tomo sollte dich bestrafen." Das kleine Mädchen war wieder aufgetaucht, zerrte an Nate's Ohrläppchen und einen langen Moment war sein Gesicht so nahe an ihrem. Der Schock über sein Missgeschickt wich schnell einem anderen Gedanken: Wenn er nun noch einmal stolpern würde oder Tomo Nate's Ohr los lassen würde... Doch statt dessen landete Nate im Schwitzkasten des Mädchens. Mr. Torstan und zahlreiche andere Schüler kamen nun ebenfalls in den Bus und viele begannen zu lachen. Und endlich war dieses komische Gefühl fort: Dies konnte einfach keine Illusion sein! Sharon lächelte merkwürdig sanft und sprach freundlich auf Tomo ein. "Ich kann es nicht mit Sicherheit sagen, aber ich glaube nicht, dass Nate pervers ist. Er hat nur die Neigung zu stolpern. Lass ihn bitte wieder los, ich glaube du tust ihm wirklich weh...Aber es ist sehr schön und vorbildlich wie du dich für andere Frauen einsetzt, Tomo. Ich bin wirklich begeistert." Ihr Blick, ihr Lächeln und ihre Stimme waren voller Wärme, die man ihr anhand ihrer schwarzen Kleidung wohl nicht zugetraut hätte. "Und in Zukunft bin ich einfach schlauer und trage in der Schule keine Röcke oder Blusen mehr."
 
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