MajinKay
Revelation 6:4
Versucht euch den August des Jahres 2001 vorzustellen. Vielleicht könnt ihr euch ja auch noch gut an ihn erinnern? An den Y2K Bug, der eineinhalb Jahre zuvor die Menschheit verrückt gemacht hat, erinnern maximal noch ein paar populär-wissenschaftliche Bücher, die mit 80% Rabatt aus den Regalen der Läden verschwinden sollen, der Maya Kalender und das prophezeite Weltende ist noch nicht spruchreif, und die Welt hat es irgendwie noch nicht wirklich realisiert, tatsächlich im 21. Jahrhundert angekommen zu sein.
Wir befinden uns etwa zwei Wochen vor einem Ereignis, das die Welt binnen eines einzigen Vormittages verändern sollte und können noch getrost Witze über die Amerikaner reißen, sowie ihren Chaos-Präsidenten George W. Nine-Eleven hat noch keinerlei Bedeutung für uns, und auch der Gedanke, dass Terrorismus wirkliche Auswirkungen auf unser Leben im behüteten Mitteleuropa hat, kommt uns nicht einmal annähernd in den Sinn. Jede gefilmte Aufnahme von NYC zeigt uns das World Trade Centre in all seiner Pracht und irgendwo läuft gerade ein Trailer von einem angekündigten Spider-Man Film, bei dem Spidey einen Helikopter in einem riesigen Spinnennetz zwischen beiden Türmen einfängt.
Die Welt ist in Ordnung. Mehr noch als das. Heute ist der 27. August 2001 und heute um 19 Uhr läuft die erste Episode von Dragonball Z in der deutschen Erstausstrahlung auf RTL II.
Vielleicht könnt ihr euch noch an die Werbekampagne erinnern, die im Vorfeld auf dem Sender lief? Sie zeigte zwei Anfang-Zwanziger, die in dramatischen Szenen – die auch teilweise einen gewissen Martial Arts Flair versprühten – eine klare Message an die Zuseher sendeten. Anime ist nichts für Kinder. Eine klare Botschaft, die wir, die Zielgruppe eindeutig verstanden. Und euphorisch feierten. Denn wie outeten wir uns nicht als begeisterte Seher von Zeichentricksendungen, nur weil es uns in unseren späten Teenagerjahren peinlich war? Und weil wir uns nicht schon wieder auf die Diskussion einlassen wollten, was der Unterschied zwischen Anime und westlichen Zeichentrick war. Die letzten Jahre sahen wir Sendungen wie Sailor Moon, Jeanne die Kamikaze Diebin oder das klassische Dragonball mehr oder minder versteckt im stillen Kämmerlein, um nicht zu sehr aufzufallen oder ein Gespött zu sein. Comics und Zeichentrick war was für Kinder und wir waren ja mittlerweile so erwachsen und reif, dass uns dieser Vergleich unermesslich störte – selbst wenn wir seit Jahren auf unseren Computern diverses Bildmaterial aus Evangelion oder welchen Anime auch immer hatten, das dieses Argument zerschmettern würde.
Heute ist der 27. August und heute beginnt es die ganze Welt um uns herum zu verstehen. Unsere Leidenschaft, unser Hobby ist ein weit größerer Markt, als es sich jemals wer zu träumen gewagt hätte. Wir sind Legion, denn unser sind viele.
Fast Forward 12 Jahre.
Was ist geblieben?
Der Hype um Dragonball ist vorbei, genauso wie der Hype um Anime generell. Gnadenloser Schnitt und die Vermarktung von Serien mit niedriger Qualität, dafür aber einem extrem verkoppelten Merchandise leiteten den Fall des noch so jungen Genres im deutschsprachigen Raum ein. Die Übersättigung mit dem Medium – da ja quasi alle Sendergruppen was von dem Kuchen haben wollten – trug dazu natürlich auch gehörig bei. Heiße Feuer brennen umso schneller und im Fall von Anime verglühte die Nachfrage regelrecht, während langsam der weltweite Hype um amerikanische Comics in den Vordergrund rückte. Anime ist nicht mehr in. Die Welt hat sich geändert. Und wir uns mit ihr.
Vor zwölf Jahren waren wir eine Gruppe von euphorischen Individualisten, die sich zusammenrotteten und eine Community bildeten. Noch vor Facebook oder Twitter, noch bevor das Schlagwort Social Media auftrat, fanden wir uns. Hier, auf diesem Forum. Hier, in unserer virtuellen Heimat.
Und Heimat war es. Auf diesem Forum fanden wir nicht nur Leute, mit denen wir uns über die aktuellsten Entwicklungen in der Serie unterhalten konnten, sondern uns generell über Anime und Manga austauschen konnten. So oft fanden wir die gleichen Vorlieben und Interessen, so oft einen geistig Verwandten irgendwo in Deutschland, Österreich oder der Schweiz. Schon bald ging es nicht nur rein um die Serie. In den Bereichen der Fanfictions oder des RPGs fanden wir eine Möglichkeit, Hobbies von uns auszuleben, die zuvor nie wirklich aktuell waren. Das Schreiben, das Erzählen von Geschichten. Erst im Kontext der Serie, später im Kontext mit unserer ganz individuellen Phantasie. Zu einer Zeit, als sich fast 15.000 Leute gleichzeitig in diesen virtuellen Hallen aufhielten, war dies mehr als nur eine X-beliebige Fanseite. Es war der Ort, an dem man seine Freunde traf, die man im realen Leben nicht so einfach treffen konnte. Es war der Ort, an dem man sich selbst sein konnte – ohne Filter, mit nur wenigen Restriktionen und unter einem Namen, den man selbst gewählt hatte. Man war nicht mehr der langweilige Typ, der irgendwelche langweilige Sachen in der langweiligen Alltäglichkeit machte. Man war Autor. Man hatte Fans. Man schuf sich die eigene Realität.
Wir sind erwachsen geworden. Steuern kerzengerade auf die 30 zu, oder haben diese magische Barriere unlängst durchbrochen. Unsere Interessen, unsere Verpflichtungen und unser Leben sind nicht mehr dieselben wie vor 12 Jahren. Wir haben nicht mehr so recht die Möglichkeit, uns die Nächte in virtuellen Diskussionen um die Ohren zu schlagen, oder unsere Freizeit mit dem Schreiben von Geschichten zu verbringen selbst wenn wir das wollten. Unsere Karriere, unsere Lebenspartner und vielleicht sogar unser Nachwuchs haben einen großen Teil unserer Leben eingenommen und es waren keine Veränderungen, die wir bedauern. Unsere Interessen von einst sind vielleicht noch tief in uns verwurzelt, aber die Möglichkeiten, sie auszuleben, sind einfach nicht mehr so präsent wie einst. Und das ist auch vollkommen Okay so. Denn wer will wirklich stagnieren?
Und dennoch zieht es uns immer wieder hier her.
Oh, bei weitem nicht mehr so häufig wie noch vor einigen Jahren, aber dennoch packt uns alle paar Monate (oder Jahre) ein gewisser Magnetismus, der uns zurückkehren lässt. Einfach nur, um zu sehen, ob dieser Account noch aktiv ist. Oder ob gewisse Namen von früher sich noch blicken lassen. Vielleicht aber einfach nur, um in der Nostalgie zu schwelgen, die an diesem Ort haftet. An dieser virtuellen Heimat, in der wir einen so großen Teil unserer Jugend verbracht haben.
Ihr kennt mich unter dem Namen MajinKay. Oder einfach nur Kay.
Einige von euch kennen auch den Menschen in der realen Welt, der immer hinter diesem Nickname zu finden war.
In meiner eigenen Vorstellung kommt es mir vor, als wäre es in einem anderen Leben gewesen, als sich hier ein großer Teil meiner Freizeit abgespielt hat. Vielleicht war es das auch. Ein anderes Leben, ein anderes Ich. So vieles hat sich in den letzten 12 Jahren verändert. Das Leben, welches ich heute führe, hat nichts mehr mit meinem Leben von damals gemein. Vieles ist besser geworden. Nicht unbedingt perfekt, aber wesentlich besser. Gut genug, dass ich mit Leidenschaft und innigster Freude im hier und jetzt lebe. Aber dennoch erwischt mich der Sog meiner Vergangenheit an ein paar Tagen im Jahr und ich kehre hierher zurück. An den Ort, an dem für mich so vieles begonnen hat.
Und manchmal – sehr selten – wünsche ich mir innerlich, noch einmal einen Abend wie damals verbringen zu können. Die Zeit ein paar Jahre zurückdrehen zu können und für ein paar Stunden in der Welt zu verschwinden, die wir uns damals aufgebaut hatten.
Nostalgie hat für mich keinen Namen.
Sie hat für mich eine URL.
Wir befinden uns etwa zwei Wochen vor einem Ereignis, das die Welt binnen eines einzigen Vormittages verändern sollte und können noch getrost Witze über die Amerikaner reißen, sowie ihren Chaos-Präsidenten George W. Nine-Eleven hat noch keinerlei Bedeutung für uns, und auch der Gedanke, dass Terrorismus wirkliche Auswirkungen auf unser Leben im behüteten Mitteleuropa hat, kommt uns nicht einmal annähernd in den Sinn. Jede gefilmte Aufnahme von NYC zeigt uns das World Trade Centre in all seiner Pracht und irgendwo läuft gerade ein Trailer von einem angekündigten Spider-Man Film, bei dem Spidey einen Helikopter in einem riesigen Spinnennetz zwischen beiden Türmen einfängt.
Die Welt ist in Ordnung. Mehr noch als das. Heute ist der 27. August 2001 und heute um 19 Uhr läuft die erste Episode von Dragonball Z in der deutschen Erstausstrahlung auf RTL II.
Vielleicht könnt ihr euch noch an die Werbekampagne erinnern, die im Vorfeld auf dem Sender lief? Sie zeigte zwei Anfang-Zwanziger, die in dramatischen Szenen – die auch teilweise einen gewissen Martial Arts Flair versprühten – eine klare Message an die Zuseher sendeten. Anime ist nichts für Kinder. Eine klare Botschaft, die wir, die Zielgruppe eindeutig verstanden. Und euphorisch feierten. Denn wie outeten wir uns nicht als begeisterte Seher von Zeichentricksendungen, nur weil es uns in unseren späten Teenagerjahren peinlich war? Und weil wir uns nicht schon wieder auf die Diskussion einlassen wollten, was der Unterschied zwischen Anime und westlichen Zeichentrick war. Die letzten Jahre sahen wir Sendungen wie Sailor Moon, Jeanne die Kamikaze Diebin oder das klassische Dragonball mehr oder minder versteckt im stillen Kämmerlein, um nicht zu sehr aufzufallen oder ein Gespött zu sein. Comics und Zeichentrick war was für Kinder und wir waren ja mittlerweile so erwachsen und reif, dass uns dieser Vergleich unermesslich störte – selbst wenn wir seit Jahren auf unseren Computern diverses Bildmaterial aus Evangelion oder welchen Anime auch immer hatten, das dieses Argument zerschmettern würde.
Heute ist der 27. August und heute beginnt es die ganze Welt um uns herum zu verstehen. Unsere Leidenschaft, unser Hobby ist ein weit größerer Markt, als es sich jemals wer zu träumen gewagt hätte. Wir sind Legion, denn unser sind viele.
Fast Forward 12 Jahre.
Was ist geblieben?
Der Hype um Dragonball ist vorbei, genauso wie der Hype um Anime generell. Gnadenloser Schnitt und die Vermarktung von Serien mit niedriger Qualität, dafür aber einem extrem verkoppelten Merchandise leiteten den Fall des noch so jungen Genres im deutschsprachigen Raum ein. Die Übersättigung mit dem Medium – da ja quasi alle Sendergruppen was von dem Kuchen haben wollten – trug dazu natürlich auch gehörig bei. Heiße Feuer brennen umso schneller und im Fall von Anime verglühte die Nachfrage regelrecht, während langsam der weltweite Hype um amerikanische Comics in den Vordergrund rückte. Anime ist nicht mehr in. Die Welt hat sich geändert. Und wir uns mit ihr.
Vor zwölf Jahren waren wir eine Gruppe von euphorischen Individualisten, die sich zusammenrotteten und eine Community bildeten. Noch vor Facebook oder Twitter, noch bevor das Schlagwort Social Media auftrat, fanden wir uns. Hier, auf diesem Forum. Hier, in unserer virtuellen Heimat.
Und Heimat war es. Auf diesem Forum fanden wir nicht nur Leute, mit denen wir uns über die aktuellsten Entwicklungen in der Serie unterhalten konnten, sondern uns generell über Anime und Manga austauschen konnten. So oft fanden wir die gleichen Vorlieben und Interessen, so oft einen geistig Verwandten irgendwo in Deutschland, Österreich oder der Schweiz. Schon bald ging es nicht nur rein um die Serie. In den Bereichen der Fanfictions oder des RPGs fanden wir eine Möglichkeit, Hobbies von uns auszuleben, die zuvor nie wirklich aktuell waren. Das Schreiben, das Erzählen von Geschichten. Erst im Kontext der Serie, später im Kontext mit unserer ganz individuellen Phantasie. Zu einer Zeit, als sich fast 15.000 Leute gleichzeitig in diesen virtuellen Hallen aufhielten, war dies mehr als nur eine X-beliebige Fanseite. Es war der Ort, an dem man seine Freunde traf, die man im realen Leben nicht so einfach treffen konnte. Es war der Ort, an dem man sich selbst sein konnte – ohne Filter, mit nur wenigen Restriktionen und unter einem Namen, den man selbst gewählt hatte. Man war nicht mehr der langweilige Typ, der irgendwelche langweilige Sachen in der langweiligen Alltäglichkeit machte. Man war Autor. Man hatte Fans. Man schuf sich die eigene Realität.
Wir sind erwachsen geworden. Steuern kerzengerade auf die 30 zu, oder haben diese magische Barriere unlängst durchbrochen. Unsere Interessen, unsere Verpflichtungen und unser Leben sind nicht mehr dieselben wie vor 12 Jahren. Wir haben nicht mehr so recht die Möglichkeit, uns die Nächte in virtuellen Diskussionen um die Ohren zu schlagen, oder unsere Freizeit mit dem Schreiben von Geschichten zu verbringen selbst wenn wir das wollten. Unsere Karriere, unsere Lebenspartner und vielleicht sogar unser Nachwuchs haben einen großen Teil unserer Leben eingenommen und es waren keine Veränderungen, die wir bedauern. Unsere Interessen von einst sind vielleicht noch tief in uns verwurzelt, aber die Möglichkeiten, sie auszuleben, sind einfach nicht mehr so präsent wie einst. Und das ist auch vollkommen Okay so. Denn wer will wirklich stagnieren?
Und dennoch zieht es uns immer wieder hier her.
Oh, bei weitem nicht mehr so häufig wie noch vor einigen Jahren, aber dennoch packt uns alle paar Monate (oder Jahre) ein gewisser Magnetismus, der uns zurückkehren lässt. Einfach nur, um zu sehen, ob dieser Account noch aktiv ist. Oder ob gewisse Namen von früher sich noch blicken lassen. Vielleicht aber einfach nur, um in der Nostalgie zu schwelgen, die an diesem Ort haftet. An dieser virtuellen Heimat, in der wir einen so großen Teil unserer Jugend verbracht haben.
Ihr kennt mich unter dem Namen MajinKay. Oder einfach nur Kay.
Einige von euch kennen auch den Menschen in der realen Welt, der immer hinter diesem Nickname zu finden war.
In meiner eigenen Vorstellung kommt es mir vor, als wäre es in einem anderen Leben gewesen, als sich hier ein großer Teil meiner Freizeit abgespielt hat. Vielleicht war es das auch. Ein anderes Leben, ein anderes Ich. So vieles hat sich in den letzten 12 Jahren verändert. Das Leben, welches ich heute führe, hat nichts mehr mit meinem Leben von damals gemein. Vieles ist besser geworden. Nicht unbedingt perfekt, aber wesentlich besser. Gut genug, dass ich mit Leidenschaft und innigster Freude im hier und jetzt lebe. Aber dennoch erwischt mich der Sog meiner Vergangenheit an ein paar Tagen im Jahr und ich kehre hierher zurück. An den Ort, an dem für mich so vieles begonnen hat.
Und manchmal – sehr selten – wünsche ich mir innerlich, noch einmal einen Abend wie damals verbringen zu können. Die Zeit ein paar Jahre zurückdrehen zu können und für ein paar Stunden in der Welt zu verschwinden, die wir uns damals aufgebaut hatten.
Nostalgie hat für mich keinen Namen.
Sie hat für mich eine URL.