Sicht (KG)

einsame wölfin

Träumerin in den Zeiten
Sodelle ich hab mal wieder was fabriziert. Ist zwar nichts besonderes, aber ich hatte das Bedürfnis einfach mal wieder ne kleine KG zu schreiben.


Sicht

Rennen…
Er musste weiter rennen…
Der Gedanke war das Einzige, was im Moment von Bedeutung war.
Rennen…
Mit einer gehetzten Bewegung wandte Trey den Kopf, keuchte entsetzt auf, als er sah, wie nah ihm seine Verfolger bereits gekommen waren und versuchte verzweifelt sein Tempo noch einmal zu steigern. Sein Atem brannte in seiner Brust, seine Seiten hatten seit zehn Minuten nicht mehr aufgehört glühenden Schmerz in seinen Körper zu pumpen und dennoch war es der pure Überlebenswille, der ihn dazu zwang nicht aufzugeben.
Nicht aufgeben…
Vor ihm tat sich plötzlich ein riesiger Schilfring auf. Das war seine Chance! Vielleicht konnte er es ja schaffen in dem Schilf zu entkommen! Ohne weiter darüber nachzudenken spurtete Trey auf seine vermeintliche Rettung zu, schob sich rücksichtslos durch die hohen Pflanzen und ignorierte den plötzlichen Schmerz an Armen und Beinen.
Weiter…
Hinter sich hörte er eine harte Männerstimme Befehle erteilen, aber seine Gedanken waren viel zu aufgewühlt, als das er den Sinn verstehen konnte. Das Adrenalin raste durch seinen Körper und ließ ihn unbarmherzig weiter laufen.
Das gnadenlose Brechen des Schilfes hinter sich vernehmend, schlug die Panik erneut über ihm zusammen. Ein Wimmern brach aus seiner Kehle hervor und die Angst schien übermächtig zu werden.
Sterben…
Vielleicht würde er heute sterben, sie würden ihn einfach so umbringen, so wie sie alle umbrachten, die sich in ihre Angelegenheiten einmischten. Er war doch nur ein kleiner Wurm, den es zu zertreten galt.
Er stolperte, geriet aus dem Gleichgewicht und konnte sich gerade noch so fangen. Aber er war aus dem Takt! Plötzlich begann sich seine Aufmerksamkeit nicht mehr auf das davonlaufen zu konzentrieren, sondern auf das Geräusch der herannahenden Männer, auf deren Stimmen.
Was hatte er denn getan? Verdammt, was hatte er getan?
Das klickende Geräusch einer entsicherten Pistole, ließ ihn wild herum wirbeln und losstürmen. Nein! Er wollte nicht sterben!
Er hatte diesen schrecklichen Krieg bis zu dem heutigen Tag überlebt, er hatte seine Freunde sterben sehen, er hatte mit ansehen müssen, wie Menschen die ihm nahe standen hingerichtet wurden. Niemand hatte sie aufhalten können, jeder der sich ihnen entgegengestellt hatte, war gnadenlos niedergewalzt worden.
Sie hatten den Tod gebracht, den Tod und die Angst.
Und dann hatte er Patrick wieder getroffen. Einfach so mitten in der Stadt, als es für wenige Stunden friedlich gewesen war. Wobei sich seine Definition von friedlich im Laufe der Zeit ziemlich verschoben hatte.
„Trey! Bleib stehen! Du hast doch keine Chance!“ Die schneidende Männerstimme zog durch das Schilf und ließ den jungen Mann erzittern. Sich die Hände auf die Ohren pressend rannte er weiter, ignorierte die scharfen Schilfblätter, die seine Arme und sein Gesicht zerschnitten.
Sein Bruder, von dessen Tod er überzeugt gewesen war, hatte einfach so vor ihm gestanden.
EINFACH SO
Und Trey hatte zum ersten Mal seit Jahren wieder vor Freude geweint! Ja, an diesem Tag, so hatte er geglaubt, hatte sich sein Leben wieder zum positiven verwandelt. Er hatte einen Menschen wieder gefunden, der ihm sehr nahe stand. Und so hatte er Patrick auch voller naivem Vertrauen in ihre Verstecke eingeweiht, hatte ihm Ideen ihrer Überlebensstrategie erklärt und ihn einfach in allem miteinbezogen.
„TREY!“
Nie, niemals wäre er auch nur auf den absurden Gedanken gekommen, dass ausgerechnet Patrick ein Spion war. Wie denn auch? Er war doch sein Bruder?
Noch immer wusste Trey nicht, was seinen Bruder dazu veranlasst hatte auf die andere Seite zu wechseln. Aber wie konnte er seinen eigenen Bruder als seinen Feind sehen?
Patrick tat es!
Sie hatten ihre Verstecke zerstört, sie hatten die Menschen die ihm vertraut hatten getötet und jetzt war er der einzige, der noch übrig war.
Er rannte durch ein schier endloses Schilf, das seinen Körper zerschnitt und hinter ihm war eine Meute von Männern, die nichts lieber tun würden, als ihm endgültig den Gar auszumachen.
Und an erster Stelle… rannte sein Bruder…
Trey wusste gar nicht wie ihm geschah, als plötzlich jemand direkt hinter ihm auftauchte und ihn einfach zu Boden riss. Brutal lag der andere mit seinem ganzen Gewicht auf seinem Körper und presste die Luft aus Treys Lungen. Ein verzweifelter Laut kam ihm über die Lippen.
Hilflos…
Dann wurde er auf die Knie gezerrt, der Lauf einer Pistole drückte sich in sein Genick und sein Atem begann sich entsetzt zu verdoppeln.
„Gar nicht mal so schlecht…“ Patrick umrundete ihn spöttisch und kniete sich dann vor ihn.
„Hast lange durchgehalten, Bruderherz…“
„Warum?“ Treys Stimme war nicht mehr als ein Flüstern, aber Patrick schien ihn dennoch verstanden zu haben. Hart wurde sein Kinn ergriffen und er zu einem Augenkontakt gezwungen.
„Macht!“ Fast schon zärtlich strich ihm der Bruder, ein paar verschwitze Haarsträhnen aus dem Gesicht, sein Kinn immer noch fest in seinem Griff habend.
„Macht? Wegen ein bisschen Macht verrätst du die Leute, die dich geliebt haben?“ Etwas in Patricks Augen veränderte sich.
„Geliebt?“ Der Griff begann zu schmerzen, Trey keuchte leise auf.
„Geliebt, Trey? Dir ist doch immer alles in den Schoß gefallen! Du hast alles bekommen, was du wolltest. Du wurdest geliebt! Mit mir hatten sie nur mitleid!“ Ungläubig weiteten sich Treys Augen.
„Das, das ist nicht wahr!“
„Nein?“ Patrick legte den Kopf schief und sah ihn kalt an.
„Du hast mich doch genauso bemitleidet. Hast dich immer als der hilfsbereite Samariter aufgespielt. Ich war von dir abhängig, denn ich glaubte, dass ich ohne deine Hilfe nichts schaffen würde!“
„Aber… ich wollte dir doch nur helfen…“ Völlig in seiner Hilflosigkeit gefangen sah Trey seinen Bruder an.
„Nur helfen…“ Meinte er das wirklich ernst? Hatte er sich tatsächlich so gefühlt? Aber wieso hatte er denn nie etwas gesagt?
„Patrick…“
„Nein!“ Hastig löste sich Patrick von ihm und wich etwas zurück.
„Es ist zu spät!“ Das konnte doch nicht wahr sein! Das konnte doch nicht sein! So durfte es nicht enden! Nicht so!
„Jetzt bin ich es, der die Zügel in den Händen hält! Wie fühlt es sich an Trey? Wenn man so hilflos ist, dem anderen ausgeliefert? Sag es mir! Wie fühlt es sich an?“ Die Aggressivität in der schneidenden Stimme stieg. Es war als würde sich Patrick immer weiter in diese Gedanken steigern und Trey hatte Angst.
Todesangst
„Jetzt… bin ich der stärkere…“
Er würde ihn umbringen… Er begriff es, als er in die von Hass verzerrten Augen sah. Patrick machte eine wedelnde Bewegung mit seiner eigenen Waffe und der Typ, der ihm immer noch den Lauf seiner Pistole in die Haut drückte, zog sich zurück.
„Es ist vorbei, Trey. Ich werde es beenden.“ Patrick trat wieder näher an ihn heran, richtete die Waffe auf ihn.
„Großer Gott Patrick, wieso hast du nie etwas gesagt?“ Ein hartes Lachen, von Bitterkeit durchzogen erklang.
„Hättest du es verstanden? Hätte es dich interessiert? Du hast dich doch so toll in deiner Rolle gefühlt, Trey. Du hättest es nie begriffen!“
„Aber wir hätten reden können! Ich, ich habe dich nicht bemitleidet, es gab doch so viele Dinge, wo du besser warst als ich!“ Patrick schnaubte gereizt auf.
„Und? Was haben mir diese Dinge gebracht? Was haben sie gezählt, im Vergleich zu deinen Talenten? Nichts! Sieh es ein großer Bruder, jetzt bekommst du die Quittung für die letzten paar Jahre. Du bist der letzte, dann werde ich endlich Ruhe haben!“
Mit einer Bewegung, die Trey nicht einmal wirklich kommen sah, wurde er am Genick gepackt und auf den dreckigen Boden gepresst.
Gewalt
Es war dieses pure Ausleben von körperlicher Gewalt, die Trey wieder in seine Panik zurückfinden ließ. Der verzweifelte Versuch sich zu wehren endete damit, dass der Griff noch schmerzhafter wurde. Tränen traten ihm in die Augen, sein Körper begann wieder zu zittern.
„Angst?“
Dann verschwand die brutale Hand und machte der Pistole platz.
Sein Herz schlug schmerzvoll in seiner Brust. Angst, ließ sein innerstes zu einem einzigen verspannten Klumpen werden, der ihm das Atmen versagen wollte.
„Es tut mir leid, Patrick…“ Unwissend waren die Worte ausgesprochen, bezogen auf die ehrlichen Gefühle, die er diesem Menschen immer noch entgegenbrachte. Nichts ahnend, das er mit diesen Worten seinen Bruder von der Erlösung ausschloss.
Es tut mir Leid… Patrick schrie gepeinigt auf.
Der Schuss peitschte durch das Schilf, ließ ein paar Enten erschrocken in die Luft aufsteigen.
Dann wurde es ruhig.
Nur das Rauschen des Schilfes in einem angenehmen Sommerwind.
Es tut mir Leid…
Patrick ließ die Pistole sinken.
„Bastard!“

lg wölifn
 
Genial!
schade, dass es nur eine kurzgeschichte is, aber die is einfach genial
die ganzen details und hintergründe machen sie richtig beklemmend
auf jeden fall eine echte bereicherung für die seite ;)
 
Hier bin ich auch mal wieder um einen Kommentar zu einer deiner Kurzgeschichten zu schreiben. Ich habe deine letzten geposteten auch gelesen und genossen, war aber *schäm* etwas faul und hab keinen Kommi hinterlassen.

Ich hatte richtig den Atem angehalten, als ich diese Geschichte gelesen habe. Du hast die Flucht unglaublich gut erzählt, man konnte richtig mitfühlen, wie sich jemand dabei fühlen muss. Die Gefühle zwischen den beiden Brüdern und wie verschieden die beiden ihre Beziehung zueinander sehen und in der Vergangenheit erlebt und empfunden haben, hast du auch wunderbar beschrieben. Wie tragisch, dass keiner den anderen wirklich verstehen kann und es so Enden muss. Den Schluß der Kurzgeschichte fand ich übrigens besonders gelungen.

P.S.: Weil ich es noch nicht getan habe, bedanke ich mich auch noch mal für das Zuschicken der letzten Kapitel von „Hand in Hand“. Es ist jetzt schon wieder eine weile her, aber das Lesen dieser Geschichte hatte mir viel Spaß gemacht. Die letzten Kapitel haben mir gut gefallen, obwohl ich den ersten Teil der Geschichte fast noch besser fand.
 
Hi wölfin^^,

Also mit dieser Geschichte hast du selbst mich, wo ich doch so gar keine Kurzgeschichten mag, überzeugt.
Diese ganze geballte Ladung an Emotionen und Gedanken, die du in dieser Kg von der Flucht bis zum Aufeinandertreffen der zwei Brüder beschrieben hast, war einfach erstklassig umgesetzt und hat mich als Leser sehr zu fesseln gewusst. Ich war völlig hin und weg.
Das Ende war zwar traurig, aber ein anderes hätte auch gar nicht gepasst.
Ich würde mich freuen, wenn ich auch mal wieder etwas längeres von dir lesen dürfte^^. Schreibst du denn gerade an etwas?

Uh, und wo Yuuki es schon angesprochen hat *tropf*, auch ich hatte es ganz vernachlässigt, dir noch für den zugesandten Teil von Hand in Hand zu danken *schäm*, dabei habe ich es schon längst gelesen -.-
Nun ja, da ich sehr an Seth gehangen hatte, hatte mich das Ende leider auch nicht so zufriedengestellt. Auch wenn du versucht hattest ein positives Ende zu finden, und das war es wohl auch für Frederik, hätte ich mir doch ein anderes offenes Ende gewünscht, irgendeine Aussicht, dass die beiden sich später vielleicht noch einmal wiedersehen könnten... :)

lg
Hilda
 
Vielen Dank euch dreien für eure Kommis!

@dark-toffel
oh man vielen vielen Dank für dein Lob! Es hat mich wirklich sehr gefreut, dass dir die Geschichte so gut gefallen hat.

@Yuuki
*g* ich bin zur Zeit auch sehr kommifaul, vondaher kann ich das sehr gut nachvollziehen ;) umso schöner, dass du trotzdem einen geschrieben hast.
Puh ich bin ja echt froh, dass ich das so rüberbringen konnte, wie ich es wollte, ich war mir beim Schreiben gar nicht mehr so sicher, weil ich relativ undurchdacht geschrieben hab und sich erst zum Schluß der Konflikt weshalb er von patrick gejagt wird herauskristallisiert hat. Umso erleichterter bin ich, wenn dich die Geschichte fesseln konnte.

Und danke für deine Rückmeldung zu Hand in Hand. Gegen Ende hat sich bei mir meine Motivation etwas verloren und ich war wirklich froh, als ich fertig war. Aber es bleibt mein "Baby" *g*


@Hilda
oh man wie schön, dass du es gelesen hast! Freut mich riesig und wenn es dir auch noch gefallen hat, umso besser *g*
Ich schreib im Moment an was langem und mach mir gerade Sorgen über die Ausmaße die es annimmt. Binn auf über 100 Seiten, aber da ich vorhab es zumindest versuchsweise an den Papiertiger Verlag Zweck Buches zu schicken (die ersten 30 Seiten werden in den Shonen Ai Dream veröffentlicht) möchte ich es nicht im Forum posten. Und leider hab ich nicht den Kopf für was anderes nebenher, deshalb kann ich nur mit ein paar spontanen KGs dienen.

*g* in diesem Fall wollte ich aber genau dieses Ende *g* Und es ist auch irgendwo offen, wer sagt das sie sich nicht wieder treffen ;)
Ich hab da noch so ne kleine KG bei mir rumfliegen, bei der es sich um ein Treffen der beiden nach der Sache handelt. Wenn Interesse besteht, kann ich sie ja mal posten.
Aber vielen Dank für deine Rückmeldung!


Sodelle
ich muss jetzt noch mal ans Lernen gehen, irgendwelche Lerntheorien und Psychologische Theorien und die Zusammenhänge und *ah*
also
lg verena
 
Hi wölfin^^,

also ich würde sehr gern die eine Kurzgeschichte über dasTreffen zwischen Frederik und... hieß der andere überhaupt Seth? Oder wars Sash?... lesen:)

Zu deinem Buch wünsche ich dir noch viel Erfolg und viele schöne Ideen *zwinker*
100 Seiten sind ja schon einmal nicht schlecht, für einen richtigen Roman brauchst du aber noch ungefähr das doppelte an Seitenumfang *g*

liebe Grüße
Hilda
 
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