Ich habe diesen neuen Teil nicht mit in meinen letzten Post gepackt, weil es sonst zu unübersichtlich wird.
Teil 5
Die ersten Sonnestrahlen trafen die Wipfel der großen Tannen, die die Hänge der Berge rund um das gewaltige Schloss in ein sattes Grün tauchten. Langsam schob sich die große wärmende Kugel hinter den massiven Felsformationen hervor und tauchte das von dünnen Nebelschwaden durchzogene Tal in ein gleißendes Licht. Das Leben begann wie jeden Morgen. Und wie jeden Morgen trat König Hiroshi Kitami an das große Fenster des Schlossturmes. Was er sah, überwältigte ihn jeden Tag auf’s neue. Das Sonnenlicht wurde von den dünnen Nebelschwaden gebrochen und tauchte das kleine Tal in ein Meer aus Licht und Farben. Der kleine Fluss, der sich quer durch die Ebene am Fuße des Schlosses schlängelte, reflektiert das grelle Licht. Es schien als würde sich ein Faden aus flüssigem Gold durch das Tal ziehen, das von beiden Seiten durch hohe Felsen begrenzt wurde. Eine leichte, kühle Briese wehte und trug den Gesang der Vögel hinauf zum Fenster des massiven Bauwerkes.
In Gedanken versunken schloss der Mann mit dem grau melierten Haar die Augen. Er war schon lange der Regent dieses Reiches, doch er spürte das Alter in seinen Knochen und fühlte, dass dies der letzte Frühling sein könnte, in dem er als König sein Reich vom Turm aus betrachten würde. Doch ihn beunruhigte nicht seine Gesundheit, sondern eher die Frage nach einem würdigen Nachfolger. Sein Sohn war mit 18 Jahren zwar alt genug,, erschien ihm aber dennoch nicht als geeignet. Ryu hatte sich in zahlreichen Schlachten bewähren können und mehr als einmal die Grenzen des Königreiches Hamalar verteidigt. Aber ihm fehlte die Erfahrung und die Übersicht, um ein besonnener König sein zu können. Ryu hatte das Herz am rechten Fleck. Er war da, wenn ihn seine Mitmenschen brauchten und eines Tages würde er, genau wie seine Vorgänger, den Frieden in Hamalar sichern. Doch dafür war es noch ein paar Jahre zu früh. Zuerst müsste Ryu mehr von der Welt sehen, mehr Erfahrungen sammeln, um dann als gestandener Mann seinen Aufgaben gerecht zu werden. Kitami hatte die Aufgaben, die er als Regent zu verrichten hatte, mehr als einmal verflucht. Er wollte den Thron nicht einfach so an seinen Sohn weitergeben, wie es einst sein eigener Vater getan hatte. Als er 17 Jahre alt war und sein Vater schwer krank im Bett lag, war für Hiroshi die große Zeit gekommen. Sein Vater glaubte nicht, dass er den nächsten Morgen noch erleben würde und so beschloss er das Szepter an seinen Sohn abzugeben. Hiroshi versang völlig in Gedanken und schloss die Augen, um sich die Bilder seiner Jugend besser ins Gedächtnis rufen zu können. Damals war er sehr enthusiastisch, voller Tatendrang und glaubte, dass es nichts gäbe, was er nicht schaffen könnte. Sein Vater hatte ihn nie viel davon spüren lassen, wie anstrengend eine Regentschaft in Wirklichkeit war. Er hatte geglaubt, dass Hiroshi zuerst die Welt bereisen sollte, um dann in die Pflichten eines Königs eingeführt zu werden. Doch durch die schwere Krankheit kam es anders. So wurde Hiroshi Kitami mit 17 Jahren zum jüngsten Herrscher in Hamalar. Hiroshi öffnete die Augen und betrachtete das beeindruckende Farbenspiel, am Fuße des Turmes, erneut.
Die Tür wurde aufgerissen, die schweren Scharniere gaben gequälte Laute von sich und kurz darauf traf die große Eichenholztür auf blanken Stein. „Hiroshi! Bitte ...“ ein metallener Gegenstand fiel zu Boden und Hiroshi schreckte aus seinen Gedanken hoch. Diese Stimme, ist das etwa... Er drehte sich um und sah zu der großen Eingangstür. Ein Mann mit langen schwarzen Haaren in einer weißen Robe, wurde dort von den Soldaten des Schlosses festgehalten. Hiroshi erkannte sofort wer dort die Aufmerksamkeit seiner Wachen auf sich gezogen hatte: „Lasst ihn los“, befahl er ihnen. „Kannst du mir nicht einfach eine Nachricht senden, bevor du meine Wachen so auf die Probe stellst?“ Der Mann in der weißen Robe verzog keine Miene, drehte dann aber den Kopf zur Seite. Auf der breiten Wendeltreppe lag ein Soldat auf den kalten, steinernen Stufen. Ein zweiter mühte sich damit ab, den Pfeil der seinen Kettenpanzer an der Mauer fixierte, aus dem massiven Stein herauszulösen. Der Mann sprach mit gedämpfter Stimme und sah Hiroshi dabei wieder an. „Ich fürchte im Ernstfall wärst du hier nicht sicher ...“ erwiderte er dem König. „Ich hoffe ja auch nicht, von einer Armee der Elben angegriffen zu werden“ gab Hiroshi mit einem Augenzwinkern zurück. „Bist du dir da so sicher?“ gab der schwarzhaarige mit unveränderter Stimme zurück und ging einige Schritte auf sein Gegenüber zu. Hiroshi sah ihn kurz mit besorgter Miene an, doch dann erhellte sich sein Gesicht „Für den Fall habe ich dann immer noch Ryu!“ Der Mann senkte kurz seinen Kopf und schloss die Augen „Wenn das so ist, lassen wir den Angriff lieber ausfallen ...“ Dann sah er wieder auf, ein breites Grinsen kam zum Vorschein und er ging mit schnellen Schritten auf Hiroshi zu und legte die Arme um ihn. „Hiroshi ...“ „Aikinaro .. alter Freund .. wie lange ist es her?“ Aikinaro löste die Umarmung und sah Hiroshi an. „Anscheinend lange genug, dass du es schaffst, außer Form zu geraten“ gab er ihm, mit einem Finger auf Hiroshis Bauch deutend, zurück. „Meine Kampfkünste sind immer noch recht gut für mein Alter“ entgegnete ihm Hiroshi mit gespieltem Ernst. „Ich meinte nicht deine Trainingsform ...“ Aininaro streckte seinen Finger etwas weiter aus und Hiroshi verstand was er meinte „ich mache mir eher Sorgen, dass du hier zu gut bekocht wirst.“ Kurz darauf brachen beide in schallendes Gelächter aus und setzten sich dann an den großen Tisch, der an einer Seite des Turmzimmers stand.