"Interessante Geschichte", sagte Maharet und blickte durch das Glasfenster in die Nacht. Dann schloss sie die Augen und massierte die Lider. Das bedeutete, dass ihr die Sache überhaupt nicht gefiel. "Wer könnte das getan haben?", fragte ich und fürchtete bereits, die Antwort zu kennen. Sie öffnete ihre Augen wieder und sah mich an. "Kayman", flüsterte sie kaum hörbar. Ich nickte. "Soso", flüsterte ich. Mehr brachte ich nicht raus. Was nun? Ich konnte mich doch nicht einfach aufmachen, um den ältesten der Vampire zu töten. Das war Wahnsinn. Es schien, als könne Maharet meine Gedanken hören. "Zuerst müssen wir ihn ausfindig machen", sagte sie und schaute mich an. "Dann rede ich mit ihm. Und du kümmerst dich um seine Kinder!"
Ich nickte. Wahrlich, das war endlich mal wieder etwas Interessantes. Ich konzentrierte mich und nahm noch einmal die Qual auf mich, meine Wahrnehmung auszudehnen um Kayman aufzuspüren. Ich ignorierte die Millionen Stimmen in meinem Kopf und spürte Kayman und seine Kinder in Los Angeles auf. Ich lächelte. Es gab so viele Dinge, die ich jetzt tun konnte...
Doch Maharet sah mich ernst an. "Wo sind sie?", fragte sie mich und fixierte mich mit ihren uralten Augen.
"Los Angeles", sagte ich und erhob mich aus meinem Sessel.
"Ich kann nicht fliegen", flüsterte Maharet und zog ihr Handy aus der Tasche. "Ich buche mir einen Flug nach LA. Flieg du voraus!" Ich nickte und ging zum Balkon. "Wahrscheinlich sehe ich ihn früher als du", sagte ich entschlossen.
"Vielleicht kommt es zum Äußersten." Ich grinste, ehe ich zu schweben anfing. Diese Worte konnten alles bedeuten, wenn sie aus meinem wohlgeformten Mund kamen. Vielleicht folgte ich den Regeln, machte ausnahmsweise mal etwas richtig. Aber vielleicht hatte ich ja Lust, noch etwas Holz ins Feuer zu legen. So eine Aufregung gab es schließlich lange nicht mehr. Wozu das alles sofort beenden, wenn man mit irgendwelchen neuen Vampiren später noch einen Heidenspaß haben
konnte? Die gute Maharet wusste, was ich dachte. Es war ja eigentlich offensichtlich. Doch ehe sie etwas sagen konnte,
war ich schon weg, hatte mich auf den Sattel des Windes geschwungen und ritt der Stadt der Engel entgegen.
Maharet rief mir noch hinterher, wie wichtig meine Mission war und das mein Scheitern den Untergang von uns bedeuten könnte. Ich lächelte, als mir der eisige Wind um die Ohren pfiff. Ich würde nicht Scheitern. Ich würde einfach alles auf mich zukommen lassen und dann schauen, auf welche Weise ich mich am besten amüsieren konnte. Und ich denke, meine verehrten Leser, ein einfaches Hinrichten dieser schwächlichen Neugeborenen wäre nicht gerade sehr amüsant. Weder für Sie noch für mich.