danke für eure komentare
es geht weida
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Teil 8
Wir schauten uns ungefähr das dreihundertsechsundzwanzigste Dia an, da gongte es zum Mittagessen.
„Eintopf“, verkündete Kiko und verdrehte die Augen, „stellt euch vor, es gibt Eintopf. Hab ich vorhin am schwarzen Brett gelesen.“ Herr Dannitzki sah sie strafend an. „Was ist denn an Eintopf so schlimm? Einen guten Eintopf zu machen ist eine echte Kunst. Meine Frau sagt immer, in einen Eintopf gehören...“ Mir war klar, dass ich beim Mittagessen unbedingt einen Platz weit entfernt von unserem Mathelehrer suchen musste.
Und weit entfernt von Miyako, die schon am Tisch saß und mir zulächelte. „Schmeckt ganz lecker“, behauptete sie und tauchte ihren Löffel in eine matschige Masse.
Ich ignorierte sie und quetschte mich neben Angela, die unwillig aufblickte. „Siehst du nicht, dass hier nichts mehr frei ist?“
Blöde Kuh, dachte ich und strahlte sie an. „Ne, seh ich nicht.“ Besitzergreifend legte ich meine Unterarme auf den Tisch. Meiji, die mir gegenübersaß, grinste. Sie kann Angela genauso wenig leiden wie ich.
„Die Klügere gibt nach“, sagte Angela, packte den Löffel und die Papierserviette sorgfältig in den Suppenteller und stand auf.
Ich wollte gerade noch eine spöttische Bemerkung über sie machen – so in dem Stil: Jetzt sucht sie bestimmt wieder Trost bei Goethe-, da steuerte Herr Dannitzki direckt auf unseren Tisch zu.
„Wir haben einen Platz für Sie freigehalten“, schleimte Kiko. Das hatte sie bei ihren Matheleistungen auch bitter nötig.
„Na, wie gefällt es euch in Hirakata?“ fragte Herr Dannitzki gut gelaunt. „Hab ich euch zu viel versprochen?“
Es sei ganz toll hier, behaupteten einige, so von der Landschaft her und die Jugendherberge und überhaupt. Unser Matherlehrer nickte zufrieden. „Heute Mittag um halb drei geht´s los. Wir erkunden die Umgebung. Hab ich euch schon erzählt, dass ich eigentlich Geogrphie studieren wollte? Nein? Na ja, so ein bisschen von der alten Begeisteung dafür ist noch übrig geblieben und ich hoffe, dass ich euch nachher einiges erzählen kann.“
Das konnte ja heiter werden. Wahrscheinlich würde er jeden Stein umdrehen und uns erklären, aus welchem Jahrtausend er stammte. Ich kenne das von Papa. Wenn er nur von weitem ein Museum sieht, rattert er schon seine ganze Bildung runter. Wenn ich mal Kinder haben sollte, werde ich es garantiert anders machen.
„Also, meine Damen, pünktlich um halb drei am Eingang. Mit festem Schuhwerk, Regenjacke und vielleicht einem Beutelchen für Gesteinproben.“
„Willst du wirklich mit den Sandalen gehen?“, fragte ich Ba ungläubig. „Immerhin will Danni mindestens bis halb sieben wandern. Hat er jedenfalls vorhin am Tisch gesagt.“
„Genau deshalb ziehe ich meine Sandalen an“, lachte Bra. „Du glaubst doch nicht, dass ich so lange durch die Pampa marschieren werde. Außerdem hab ich wirklich keine anderen Schuhe dabei.“
Herr Dannitzki entdeckte natürlich sofort Bras falsches Schuhwerk und schimpfte erst mal rum. Dann forderte er sie auf feste Schuhe anzuziehen, aber bitte ein bisschen dalli, es sei bereits fünf nach halb drei und schließlich habe er ein reichhaltiges Programm vorbereitet und ob sie meine, dass für sie ständig Extrawürste gebraten würden.
„Aber ich hab doch gerade gesagt, dass ich keine Wanderschuhe und auch keine anderen festen Schuhe dabeihabe“, erklärte Bra und einen Moment lang sah es so aus, als würde unser Mathelehrer gleich vom Herzschlag getroffen.
„Nun gut“, meinte er schließlich, „dann leihst du dir von einer deiner Mitschülerinnen ein Paar Schuhe aus.“
Bra grinste. „Gerne. Hat jemand Schuhgröße 42?“
Natürlich meldete sich niemand. Bra hatte geschwindelt, denn vor kurzem noch hatte ich im Sportunterricht ihre Turnschuhe ausgeliehen, und die hatten mir gepasst. Unmöglich konnten ihre Füße innerhalb von drei Wochen um zwei Nummern gewachsen sein.Herr Dannitzki blickte kurz auf seine eigenene Schuhe – wahrscheinlich hatte er Größe 42 – aber dann schüttelte er den Kopf. „Dann musst du eben so mitgehen. Aber es wird kein Vergnügen sein, das kann ich dir jetzt schon verraten. Wir wandern nämlich über Stock und Stein.“
Und wir wanderten tatsächlich über Stock und Stein. Für unseren Mathelehrer schienen Straßen völlig überflüßig zu sein. „Wir machen doch keinen Sonntagsspaziergang“, meinete er, als Kiko sich weigern wollte unter einem Stacheldraht durchzukriechen. „Also stellt euch bitte nicht so an.“
Gegen halb vier ging ein mittlerer Wolkenbruch nieder und verwandelte die Wiesen in ein Sumpfgebiet. „Ich glaube, wir müssen dich nach Hause schicken“, meinte Miyako mit einem Blick auf Bras Sandalen. „Es ist zwar schade für dich, weil Herr Dannitzki uns jetzt gleich noch etwas ganz besonderes zeigen will, aber...“ Sie machte eine unbestimmte Handbewegung und kam sich ganz besonders pädagogisch vor.
Darauf hatte Bra natürlich nur gewartet. Ja, sie bedaure schon, dass sie nicht mehr mitdürfe, sagte sie, und sie werde schauen, ob sie nicht in der Jugendherberge Schuhe ihrer Größe auftreibe.
„Können wir dich allein zurück gehen lassen?“ überlegte Herr Dannitzki laut. „Wenn du dich verläufst, komme ich in Teufels Küche. Nein, das geht nicht. Es tut mir Leid, liebe Bra, aber ich befürchte, du musst trotz des Wetters und deiner Schuhprobleme weiterwandern.“ Dabei grinste er ziemlich gemein.
Aber Bra hatte Glück. Als wir fünf Minuten später die Landstraße überquerten, stieß Miyako einen Schrei aus. Sie winkte einem knallgelben Sportwagen, der langsam näher kam und schließlich hielt. „Ich frage, ob Bra mit nach Hirakata fahren kann“, erklärte sie dem verdutzten Danni. „Das ist doch die Herbergsmutter. Erkennen Sie den Wagen nicht mehr?“
Danni entschuldigte sich für sein phänomenal schlechtes Fahrzeuggedächtnis, behauptete, er sei froh, wenn er ein Dreired von einem Mercedes unterscheiden könne und rief Bra zu, sie solle sich ja in der Jugendherberge nützlich machen.
„Mensch“, flüsterte ich Bra zu. „Hast du ein Glück mit deinen Sandalen.“
Bra zuckte mit den Schultern. „Na ja, den Nachmittag in der Jugendherberge zu verbringen ist auch nicht gerade toll. Ich werde ein bisschen schlafen und rausfinden, ob wenigstens ein Videogerät vorhanden ist.“
Sie winkte uns zu, Danni klatschte in die Hände und wir mussten weitermaschieren, den nächsten Hügel hoch, dann wieder hinunter, immer angetrieben von dem Versprechen unseres Lehrers, uns etwas ganz besonderes zu zeigen.
„Und, was meint ihr, was soll das sein?“, fragte Meiji und hengte sich bei Junko, die neben mir ging, ein.
Ich schüttelte den Kopf. „Keine Ahnung. Ich weiß nur, wenn Lehrer einem etwas zeigen wollen, dann ist es meistens Lernstoff. Vielleicht will er uns eine Sumpfdotterblume zeigen.“
Meiji lachte. „Wahrscheinlich hast du Recht. Wie findet ihr übrigens das Auto von der Herbergsmutter? Traut man der Frau doch eigentlich garnicht zu, dass sie einen italienischen Sportwagen fährt.“
Irgentwann stellten wir fest, dass wir ziemlich im Kreis gelaufen waren und Herr Dannitzki das, was er seit Stunden suchte, nicht fand.
„Um halb sieben gibt es Abendessen, wir sollten zurückgehen“, bemerkte Miyako leise.
Das war das erste Mal dass sie etwas Vernünftiges sagte.
Herr Dannitzki nickte. „Aber so leicht geben wir nicht auf“, meinte er. „Morgen machen wir uns wieder auf die Suche. Schließlich habe ich es letztes Jahr auch gefunden.“
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