Das Tal der Nebelpferde - Fantasy

LadyR

Member
Hier ist wieder der Beginn einer eher kurzen Geschichte von mir.

**********************
Das Tal der Nebelpferde


"Hier, das ist für dich." Zwei Münzen rollten in den Staub vor Rolans Füßen. Der Junge hob sie auf und schluckte.

"Ist etwas?" Meister Gerig musterte ihn. Rolan reichte dem Schmied bis kaum an die Schulter. Er war recht klein für seine dreizehn Jahre, schmal aber sehnig. Den ganzen Tag hatte der den Blasebalg betätigt und Kohlen nachgelegt, ohne sich ein einziges Mal zu beschweren, oder um eine Pause zu bitten. Willig war Rolan, trotzdem... irgendwie mochte Meister Gerig den Jungen nicht. Vielleicht lag es an der Art wie er sprach oder den Kopf hielt. Rolan schien nicht hierher zu gehören. Seine Kleider waren genauso abgerissen und schmutzig, wie die von Tarvis, Gerigs jüngstem Lehrling und wahrscheinlich hatte er seit Tagen keine ordentliche Mahlzeit gegessen. Der Schmied sah auf den braunen Schopf des Jungen hinab, sah, wie die es in ihm arbeitete. Er spürte, dass Rolan ihm die beiden Kupfermünzen am liebsten vor die Füße geworfen hätte und grinste.

Zwei Kupfermünzen! Rolan war den Tränen nahe. Den ganzen Tag hatte er sich geplagt, den Spott der Lehrjungen ertragen und das alles für zwei lumpige Kupfermünzen. Wenn er sich beeilte, würde er noch einen halben Laib altes Brot dafür bekommen, vorausgesetzt der Bäcker war guter Laune und hatte es nicht schon an die Hunde verfüttert.

Rolan sah den Schmied nicht an. Er murmelte einen Dank und ging. Tarvis hätte geheult oder wäre wie ein geprügelter Hund zur Tür hinausgeschlichen. Rolan hingegen verspürte nur kalte Wut. Nein, er würde dem Schmied nicht zeigen, wie mies er sich fühlte. Er straffte die Schultern, ohne zu ahnen, dass es kleine Gesten wie diese waren, die die Kluft zwischen ihm und dem Schmied vertieften.

"Junge! Rolan!"

Er drehte sich um. Agnes, die Frau des Meisters stand am Küchenfenster und winkte ihm zu. Rolan zwang sich zu einem Lächeln, die Meisterin hatte immer ein freundliches Wort für ihn übrig gehabt, und stellte sich vor das Fenster.

"Hier, für dich und deine Schwestern." Sie reichte ihm ein kleines Bündel. "Und jetzt lauf, ehe mein Mann dich sieht."

"Vielen Dank, Meisterin." Er lief um die Ecke, durchquerte zwei kleine Höfe bis er endlich eine stille Ecke fand. Als er das Bündel aufknotete, rollten ihm vier Äpfel entgegen. Zudem lagen noch zwei kleine Brote und ein großes Stück Käse darin.

Rolan lief das Wasser im Mund zusammen. Wie lange hatte er schon keinen Käse mehr gegessen! Meist reichte das Geld nur für etwas altes Brot, Kartoffeln und Kohl, mitunter für ein paar Karotten oder Tomaten. Hastig legte er die Äpfel wieder zwischen die Laibe und band das Bündel zu. Wenigstens würden sie heute Abend nicht hungrig zu Bett gehen.
Er lief die Gasse der Federn hinunter und bog in die Straße der Sensen ein. Am Hintereingang des "Fetten Ebers" wartete Jolanna auf ihn.

"Du bist spät", sagte sie.

"Die Meisterin hat mir etwas zu Essen mitgegeben. Wie steht es bei dir?"
Jolanna arbeitete als Spülmagd. Die Mutter hatte ihr verboten, im Schankraum zu bedienen, obwohl das weit besser bezahlt wurde. Jolanna war ein Jahr jünger war als er und dennoch einen halben Kopf größer. Sie zeigte ihm vier Kupfermünzen.

"Die Wirtin war heute sehr nett zu mir", erzählte sie. "Sie sagte, ich würde sehr hübsch sein, wenn ich erwachsen bin. Was denkst du?"

Rolan hatte weit hübschere Mädchen gesehen, Mädchen mit goldenen Haaren und rosigen Gesichtern. Keine blassen Gespenster mit großen, dunklen Augen und faden braunen Haaren, aber das konnte er Jolanna schlecht sagen. Vater hatte sie immer seine Prinzessin genannt und mit kleinen Geschenken verwöhnt. Nie klagte sie über ihre abgetragenen Kleider, doch Rolan wusste, wie sehr sie sich neue Schuhe und ein besticktes Schultertuch wünschte. Doch für beides musste man in Silber bezahlen.

Sie gingen über die Brücke, die Wollstraße entlang bis sie an ein schmales Haus kamen, das schon viele Jahre auf einen neuen Anstrich wartete. Ihr Zimmer befand sich im oberen Stock. Rolan und Jolanna schlichen auf Zehenspitzen die Holztreppe hinauf. Pal, der Besitzer der Bruchbude, schlief seinen Nachmittagsrausch aus, um für den Abend gerüstet zu sein, wenn der die Wirtshäuser der Umgebung abklappern würde.

Als sie ihr Zimmer betraten, saß die Mutter vor der offenen Dachluke, ein altes Hemd von Rolans Vater auf dem Schoß. Sie blickte von ihrer Nährarbeit auf und lächelte. Es gab Rolan jedes Mal einen Stich, wenn er sie so sah. Sie war nur noch ein Schatten der fröhlichen, lebenslustigen Frau, die mit Vater gestritten und gelacht hatte. Damals, als sie noch in dem Haus im Rosenviertel gewohnt hatten, schöne Kleider tragen und sich jeden Tag satt
essen durften.

Rolan zwang sich, ein freundliches Gesicht zu machen. Er und Jolanne erzählten abwechselnd von ihrem Tag. Sanina, Rolans dreijährige Schwester, hockte in ihrem Winkel und spielte mit ihrer Lumpenpuppe. In stillschweigender Übereinkunft kleideten Rolan und Jolanna ihre Erlebnisse in heitere Anekdoten, kein Wort von Meister Gerigs Abneigung, den derben Späßen seiner Lehrlinge.
***************************

Danke fürs Lesen!
 
Bisher finde ich es sehr interessant. Es lässt sich zwar noch kein handlungsbogen erkennen, aber es wäre wohl auch etwas früh, um schon in die Geschichte richtig einzusteigen.

Also, mir hat's gefallen, Kritik habe ich auch nicht, also poste bald mal den nächsten Teil.

Bye Sahlene
 
Klingt alles etwas nach der Industrialisierung... Für den Anfang war der Teil auch recht gut, wenn ich noch nicht sehe, wo der Zusammenhang zum Titel bestehen könnte.
Bewertung: 2-
 
Ich war ja schon sehr gespannt, wann du die Geschichte, die du ja im Preview-Thread angekündigt hattest, endlich posten würdest... Der Anfang klingt schon mal interessant, auch wenn man noch nicht sagen kann, in welche Richtung das Ganze laufen wird. *neugierig ist* Wieso hat Rolans Familie wohl so eine sozialen Abstieg durchmachen müssen? Aber das wird sich schon noch herausstellen...
 
doch, der anfang hört sich schon einmal sehr gut an. dein schreibstil ist gut zu lesen und die wortwahl auch passend^^ tja, mehr kann man dazu beinahe nicht sagen ... schreib einfach erstmal weiter ;)
danke, canola :)
 
Erst einmal vielen Dank für die Rückmeldungen. Hier ist der nächste Teil.

*******************



"Ich musste nichts zu essen einkaufen, Mutter." Rolan legte das Bündel auf den Tisch. "Die Frau des Schmieds hat mir das mitgegeben. Hier ist mein Lohn für heute." Er gab ihr die beiden Kupfermünzen.

"Ich hab vier bekommen." Jolanna legte sie der Mutter auf den Schoß. "Wie war dein Tag?"
"Auch gut." Mutter zog den kleinen Lederbeutel unter der Schürze hervor und schüttelte ihn. Es klimperte. "Heute morgen kam die Frau von Ungar, dem reichen Pfefferhändler zu mir, um ihren Schal abzuholen. Die Vögel haben ihr besonders gefallen, sie gab mir zwei ganze Silberstücke dafür. Doch das beste ist, ich soll den Brautschleier für ihre Tochter besticken. Drisella heiratet in einer Woche den dritten Sohn des Hofschneiders, und die alte Stickerin hat mit dem Kleid alle Hände voll zu tun." Sie stopfte die Münzen der beiden Kinder in den Beutel. "Jetzt haben wir drei Silberstücke und eure sechs Kupfermünzen. Damit kaufe ich genug Wollstoff, damit keiner von uns im nächsten Winter frieren muss."

Sie setzten sich um den Tisch. Die Mutter öffnete das Bündel und teilte das Essen in drei größere und eine kleine Portion für Sanina. Gerade, als sie in das Brot beißen wollten, polterten schwere Stiefel die Treppen herauf.

"Pal?" fragte Jolanne. Sie konnte den trunksüchtigen Vermieter nicht leiden. Wenn er betrunken war, grölte er unanständige Lieder, und war er nüchtern, dann war niemand vor seiner schlechten Laune sicher.

Mutter lauschte kurz und schüttelte den Kopf. "Der Mann ist kleiner als Herr Pal, nicht so schwer, und seine Schritte sind sicher."

Im gleichen Moment klopfte es. Mutter erhob sich und öffnete die Türe. Rolan lehnte sich zur Seite, um einen Blick auf den unerwarteten Gast zu erhaschen. Es war ein junger Mann, keine fünf Jahre älter als er selbst, in einfachen, aber sauberen Kleidern. In der Hand hielt er einen Weidenkorb.

"Gott möge Euren Tag segnen", grüßte er höflich. "Seid Ihr die Witwe des Schreibers Karan?"
"Euer Tag möge ebenso gesegnet sein", erwiderte die Mutter. "Ja, ich bin Ella, die Witwe Karans. Wie ist Euer Name?"

"Ich heiße Yol. Darf ich eintreten?"

"Kommt nur herein", die Mutter trat zur Seite. "Das sind meine drei Kinder. Rolan, Jolanna und Sanina. Wollt Ihr mit uns essen?"

"Gern, wenn ihr den Korb mit mir teilt." Er reichte ihr den Weidenkorb. Die Mutter sah hinein, wurde rot und sagte: "Das ist zuviel. Ihr seid doch ein Fremder."
"Ich bin nur der Bote", sagte Yol und nickte den drei Kindern zu. "Der Korb ist ein Geschenk von einem nahen Verwandten Eures Mannes."

Die Mutter runzelte die Stirn, sagte aber nichts. Sie rückte einen Stuhl für Yol zurecht und packte den Weidenkorb aus. Ein Laib Brot, zwei kleine Käseleibe, eine Schnur Würste und drei dicke Scheiben Räucherschinken, daneben ein Säckchen Nüsse und süße Brötchen. Rolan fühlte einen Stich. Er war so stolz auf seine Gaben gewesen, aber neben den teuren Köstlichkeiten erschienen sie ihm armselig.

Als sie alle satt waren, schickte die Mutter Jolanna in den Hof, um Wasser aus dem Brunnen zu schöpfen und das Geschirr zu waschen. Sanina trippelte zurück zu ihrer Puppe und plapperte zufrieden vor sich hin. Rolan blieb mit der Mutter und Yol am Tisch sitzen.

"Mein Mann hat nie über seine Verwandten gesprochen", sagte die Mutter.

"Soweit ich weiß, lebt von der Familie Eures Mannes nur noch mein Meister, er ist der jüngere Bruder. Euer Mann und mein Meister standen sich nicht sehr nah, sie hatten oft Streit."

"Dennoch hätte er zur Beerdigung kommen können", platzte Rolan heraus. Er erinnerte sich an das einsame Begräbnis, bei dem nur sie vier und der Priester um den Sarg gestanden waren.

"Mein Meister war damals nicht in der Stadt. Er hat erst vor kurzem vom Tod seines Bruders erfahren."

"Ist er auch Schreiber?" fragte Rolan neugierig.

Yol lachte. "Nein. Meister Melor ist einer der größten Zauberer des Reiches. Er dient derzeit dem Prinzen."

"Aber der Prinz ist doch verschwunden", warf Mutter ein. "Nicht einmal der König, sein Onkel, weiß wo er steckt."

"Ich weiß es", sagte Yol, ohne zu prahlen. "Er und mein Meister haben sich in ein verstecktes Tal zurückgezogen. Warum, das darf ich nicht verraten. Ich bin hier, um Euch eine Nachricht meines Meisters zu überbringen."

"Was für eine Nachricht?"

"Mein Meister möchte seinen Neffen Rolan als Lehrling aufnehmen. Er soll ein Zauberer werden wie sein Onkel. Mein Meister bietet Euch fünf Silberstücke in der Woche als Lehrgeld. Rolan würde mit mir in das Tal kommen, für Essen und Kleidung sorgt mein Meister auch."
Fünf Silberstücke die Woche! Das war beinah soviel wie sein Vater als Schreiber verdient hatte. "Bitte Mutter, ich möchte Zauberlehring werden", bettelte Rolan. Mit fünf Silberstücken könnten sie wieder in ein kleines Haus im bessern Teil der Stadt ziehen, gute Kleider tragen und sich satt essen. Der Gedanke, von seiner Familie getrennt zu werden, gefiel Rolan zwar nicht, aber es würde ja nicht für immer sein.

"Einmal im Monat kaufen wir in der Stadt neue Vorräte", sagte Yol. "Wenn der Meister es Rolan erlaubt, kann er mitkommen und Euch besuchen."

Mutters Blick wanderte zu Sanina, die dringend ein warmes Kleidchen und neue Schuhe brauchte, sie sah auch zu Jolanna hinüber. Rolan wusste, wie sehr die Mutter wünschte, dass Jolannas nicht im Wirtshaus Gefahr lief, von betrunkenen Gästen entdeckt und geplagt zu werden. Ein Küchenmädchen namens Susa, sie war nur zwei Jahre älter als Jolanna, hatte man vor vier Wochen am Morgen halbtot in einem Hinterhof nahe dem Wirtshaus entdeckt. Drei Flussschiffer hatten sich mit ihr einen Spaß erlauben wollen, blind vor Wut über Suas Gegenwehr, hatten sie das Mädchen grün und blau geprügelt.

Die Mutter seufzte. "Wenn Rolan wirklich möchte, bin ich einverstanden."
Rolan atmete auf. "Es wird mir großen Spaß machen", sagte er.
"Dann sind wir uns einig", sagte Yol. "Rolan, ich erwarte dich bei Sonnenaufgang am nördlichen Stadttor. Nimm nur soviel mit, wie du bequem tragen kannst. Für neue Kleider und Proviant sorge ich."
****************************

Danke fürs Lesen und ich freue mich auf eure Meinung!
 
Du hättest etwas mehr drauf eingehen können, ob Rolan denn jetzt wirklich Zauberlehrling werden möchte oder ob er das nur des Geldes wegen tut - und ob er sich nicht wundert, dass er plötzlich Zauberlehrling werden soll. Mich zumindest wundert das :D
Bewertung: 3+
 
ja, mich wundert das auch ein bisschen. da segnen die zur begrüßung gott und haben gleichzeitig noch so was wie zauberlehrlinge. ist das dort ein alltäglicher ... beruf? so wie ein schreiber zum beispiel?
ansonsten fand ich den teil aber sehr schön geschrieben. er wirkte richtig, wie aus dem leben dieser familie herausgeschnitten mit den vielen randbemerkungen^^
danke, canola :)
 
Ich finde auch, das ging etwas schnell. Kommt rein, isst was und erklärt Rolan, er soll Zauberer werden...
Braucht man da nicht zumindest etwas Begabung? Und wenn der Mann Zauberer ist, lebt er so abgeschieden, dass er gar nichts mitkriegt, nicht mal den Tod eines nahen Verwandten?

Sonst fand ich's aber prima. Freue mich schon auf den nächsten Teil.

Bye
 
Nur kurz zur Erklärung. Zauberei hat in dieser Welt wenig mit Magie aber einiges mit Alchemie zu tun. Um ein Zauberer zu sein, muss man vor allem Formeln kennen...
Und was das Talent betrifft, so heißt es ja nicht, dass Rolan gleich mal ein Heer an Drachen beschwören können muss.
Man fängt auch hier ganz unten an und wie weit es dann nach oben geht, das stellt sich erst später heraus.

Hier ist der nächste Teil:

******************************


"Ich werde dort sein." Rolans Gesicht leuchtete vor Eifer. Nie wieder würde er Meister Gerigs Unwillen oder Tarvis Spott ertragen müssen. Er nahm sich fest vor, sein Bestes zu geben. Sein Onkel sollte mit ihm zufrieden sein. Eines Tages, wenn er selbst ein berühmter Zauberer war, würde er Meister Gerig einen großen Auftrag wie eine fette Wurst vor die Nase halten und sich im letzten Moment für einen anderen Schmied entscheiden. Dann würde es Gerig sehr leid tun, so unfreundlich zu ihm gewesen zu sein.

Yol verabschiedete sich bald darauf. Die Mutter packte zusammen, was für Rolan von Nutzen sein konnte. Seine besten Strümpfe, eine Weste seines Vaters, die im passte, wenn er die Ärmel aufrollte und einen Gürtel umband, weiters Feder und Tintenfass, einen Wetzstein und zwei Rollen Pergament. All das hatte einst seinem Vater gehört, sein bestes Arbeitsset, von dem sich die Mutter nicht hatte trennen wollen, egal wie schlecht es ihnen ging.

Der geflickte Reisesack war kaum zur Hälfte voll und Rolan schwang ihn mit Leichtigkeit auf den Rücken. Es dauerte lange, bis er an diesem Abend zusammengekuschelt auf seinem Strohsack einschlief.

Am nächsten Morgen war er sogar vor seiner Mutter wach. Er schlich sich hinunter in den Hof und wusch sich gründlich. Er tauchte sogar den Kopf in das eiskalte Wasser und kämmte mit den Fingern das Haar zurück. Wenn er das nächste Mal in die Stadt käme, würde er sich die Haare schneiden lassen. Ein zukünftiger Zauberer hatte ordentlich auszusehen.

Als er zurückkam, waren die anderen schon aufgestanden. Die Reste des üppigen Abendessens gaben ein gutes Frühstück. Rolan gab Sanina einen Kuss auf die Wange, ertrug die Umarmungen von Jolanna und seiner Mutter wie ein Mann, schließlich war er ja kein kleines Kind mehr, und war zur Tür hinaus, ehe jemand seine feuchten Augen sehen konnte.

Betont fröhlich marschierte er durch die Gassen. Den Kloß in seinem Hals beachtete er nicht. Er erreichte das nördliche Stadttor gerade als die Sonne aufging. Yol erwartete ihn, und er war nicht allein. Drei kräftige Männer standen neben ihm. Yol stellte sie als Beorg, Calin und Klad vor. Sie gehörten zur Leibwache des Prinzen, aber sie trugen keine Uniform, um nicht aufzufallen.

"Das Tal muss auf jeden Fall geheim bleiben", erklärte Yol. "Nicht einmal der König darf davon wissen. Der Prinz verlässt sich auf unsere Verschwiegenheit."

"Ich werde niemandem erzählen wo es liegt", sagte Rolan und legte die rechte Hand auf die Brust. "Das schwöre ich."

"Gut. Ich denke, man kann dir vertrauen. Kannst Du reiten?" Yol wies mit dem Kopf zu den Pferden, die vor dem Stadttor angebunden waren. Rolan zählte fünf zähe, kleinwüchsige Gebirgspferde und sechs massige Packpferde, die mit Ballen und Säcken beladen waren.
"Ich bin früher geritten", sagte er und dachte kurz an das Pony, das ihm sein Vater zum achten Geburtstag geschenkt hatte. In welchem Stall es heute wohl stand?

"Sowas verlernt man nicht. Such dir ein Pferd aus und steig auf."

Vorsichtshalber entschied Rolan sich für das kleinste, eine braune Stute mit großen dunklen Augen, die ihr weiches Maul in seine Westentasche steckte. Der Apfel war eigentlich als Reiseproviant gedacht gewesen, aber Rolan holte ihn lachend heraus und gab ihn ihr auf der flachen Hand.

"Hat sie einen Namen?" fragte er Yol.

"Ich weiß es nicht. Wir haben die vier erst gestern gegen drei hochbeinige Braune getauscht. Du kannst sie nennen wie du willst, und jetzt ab mit dir in den Sattel."

Rolan band die Stute los und stieg auf. Er tätschelte ihr den Hals. "Ich werde dich Jona nennen. Einverstanden?" Die Stute spielte mit den Ohren. Rolan lachte und dirigierte sie an sie Seite von Yols schwarzweißem Hengst. Beorg, Calin und Klad saßen längst im Sattel. Ein jeder der drei führte zwei Packpferde am Zügel.

Die Sonne stand voll am Himmel, die Stadtwachen zogen die Gitter hoch und die kleine Karawane setzte sich langsam in Bewegung.
Rolan blickte nicht zurück.

Aus Rücksicht auf die schwerbeladenen Packpferde reisten sie in kurzen Etappen. Rolan tat sein bestes, um nützlich zu sein. Er half beim Auf- und Abladen, schleppte Hafersäcke und Wasserschläuche, striegelte die Pferde jeden Abend und kratzte ihnen die Hufe aus.

Beorg, Palin und Klad sprachen nicht viel, wenn Rolan und Yol mit ihnen am Feuer zusammensaßen. Dennoch lernte Rolan sie schätzen. Calin zauberte aus Bohnen, etwas Speck und Zwiebeln ein leckeres Mahl. Klad, der ganz am Ende ritt erkannte als erster, wenn ein Packpferd falsch beladen war oder aus Erschöpfung den Kopf hängen ließ. Beorg war der schweigsamste der drei. Jeden Abend, wenn Rolan sich in seine Decke wickelte, sah er Beorg den höchsten Punkt in der Nähe des Lagers besteigen, ob das nun ein Baum war, ein Grashügel oder ein Felsen. Dort hielt er die halbe Nacht Wache, ehe er sich von Yol oder Clad ablösen ließ. Unter Tags hatte er stets ein wachsames Auge auf die Umgebung und wenn er entschied, ein Dorf in weitem Bogen zu umreiten, widersprach ihm niemand.
****************************

Danke fürs Lesen!
 
Zuletzt bearbeitet:
Joah, nett. Allerdings finde ich, wurden die drei Charaktere etwas zu plötzlich vorgestellt. Es sind immerhin drei Männer. Das ist eine ganze Menge und sie wurden in einem einzigen Satz näher erklärt... das ging ewtas zu schnell für meinen Geschmack. Sonst prima.

Bye
:wavey: Sahlene :wavey:
 
doch, mir hat er auch wieder gut gefallen. allerdings ... wenn sie sechs packpferde und vier gebirgsponys haben, dann müsste bei fünf leuten entweder einer laufen oder auf einem packpony sitzen. war das so gedacht?
und dann ist mir im letzten abschnitt noch aufgefallen, dass der schweigsame Beorg nachts immer in die bäume klettert, um dann von Beorg abgelöst zu werden :D ich glaube, da hast du dich verschrieben^^ der arme mann müsste sonst ja die ganze nacht da oben hocken ...
danke, canola :)
 
Das mit Beorg ist mir auch aufgefallen ;)... Ansonsten kam das mit dem Zauberer schon etwas überraschend... Das, was in Rolan vorgeht, als er den Vorschlag hört, kam auch ein wenig zu kurz, sicher, es ist klar, dass er wohl nichts dagegen hat, aus der Situation rauszukommen, aber das Angebot ist doch etwas ungewöhnlich...
 
Danke für den Hinweis mit dem Pferde und das mit der Wache auf dem Baum. Die beiden Fehler habe ich ausgebessert.

Es freut mich, dass euch so viele Schwachstellen auffallen, es ist sonderbar, aber ich muss wirklich mit der Nase drauf gestoßen werden, ehe ich so etwas erkenne.

Die Story hat mittlerweile so um die acht Jahre auf dem Buckel, ich hoffe wirklich, dass ich in der Zwischenzeit etwas besser geworden bin.
 
Ja, das meiste wurde ja schon angesprochen. Ich fand vor allem auch die plötzliche Charakterisierung im Zeitraffer etwas störend, das hätte man vielleicht etwas mehr breittreten können.
Bewertung: 3+
 
Danke auch für deinen Kommentar. Bei der Charakterisierung habe ich echt geschlampt.

Hier ist der nächste Teil:
*******************************


Das Tal der Nebelpferde:

Erkenntnis

Am späten Nachmittag des zehnten Tages erreichten sie die ersten Ausläufer der Rabenberge. Hier bewiesen die zähen, kleinen Pferde ihren Wert. Egal wie schmal der Weg auch wurde, ihre sicheren Schritte flößten den Packpferden Vertrauen ein. Keines scheute. Sie ließen die letzten Siedlungen hinter sich.

"Wir müssen durch die Schlucht da vorne und dann hoch zum Pass, der zwischen den beiden Felsnadeln hindurchführt. Dahinter liegt das Tal", sagte Yol zwei Tage später. Rolan seufzte erleichtert auf. Er war es nicht gewohnt, den ganzen Tag im Sattel zu verbringen. Seine Sitzfläche war voll blauer Flecken, und er hatte einen furchtbaren Muskelkater, sodass er kaum aufrecht stehen oder gar laufen konnte.

Beim Aufstieg führte ihr Weg zunächst über saftige Grashänge. Sie entdeckten eine Herde wohlgenährter Schafe, die im Schatten der Felsnadeln Kräuter zupften. Der Schafhirte, ein hagerer Mann mit verfilzten Haaren und einem langen, grauen Bart schreckte aus seinem Schläfchen hoch. Als er Rolan und seine Begleiter erblickte, stand er auf und winkte mit seinem Stab.

"Ihr Unglücklichen! Wollt ihr ein Kind mit ins Verderben reißen! Junge, kehr um, halte dich fern vom Tal der Nebelpferde, wenn dir dein Leben lieb ist."

Rolan sah Yol erschrocken an, aber der Zaubergeselle tippte nur mit Zeigefinger an die Stirn.
"Der Alte ist harmlos", sagte er. "Seit wir das Tal entdeckt haben, versucht er uns mit seinen Drohungen zu vertreiben. Nebelpferde, Pah! Hirngespinste, glaub mir."

Rolan warf einen letzten Blick auf den Schäfer der wie wild mit seinem Stab in der Luft herumwedelte. Er zuckte die Achseln und folgte Yol, ohne das Geschrei des Schafhirten weiter zu beachten.

Gegen Mittag erreichten die den Durchgang zwischen den Felsnadeln. Er war so schmal, dass sich die Packpferde zunächst sträubten. Sie mussten alles abladen und ihnen die Augen verbinden. Jedes Pferd wurde langsam hindurch geführt. Der Weg wurde breiter und während Yol und Rolan die Pferde an den Zügeln hielten, liefen die drei anderen zurück, um das Gepäck Stückweise herbei zu schleppen. Nach gut zwei Stunden konnten sie die Pferde neu beladen und ihnen die Tücher abnehmen. Wieder in Reih und Glied ritten sie voran, da traten die Felswände zurück und gaben den Blick auf das verborgene Tal frei.

Rolan zügelte Jona und holte tief Luft. Das Tal war wunderschön. Es begann gleich unterhalb der Felsnadeln, schmal wie eine Schlucht, weitete sich aber bald zu einem kleinen Kessel, in dessen Mitte umgeben von dichtem Wald ein runder See lag. Obwohl es bereits Mittag war, hingen Nebelschleier spinnwebgleich über dem Wasser und den Bäumen.

"Der Prinz nannte es das Tal des Nebelsees", sagte Yol. "Egal zu welcher Jahreszeit, ein bisschen Nebel hat es um den See immer. Du solltest ihn erst im Herbst sehen. Dann ist er so dick wie Erbsensuppe."

Ein Bach plätscherte den Hang hinab, durchfloss das Tal in seiner ganzen Länge und mündete in den See. Auf halber Strecke zwischen dem Anfang des Tales und dem See säumte eine Ansammlung von großen Zelten das Ufer. Ein Stückchen näher dem See stand ein imposantes Holzhaus.

"Dort wohnt der Prinz", erklärte Yol. "Die Zelte gehören den Zauberern."

"Den Zauberern?" fragte Rolan verblüfft. "Ich dachte, nur mein Onkel..."

"Aber nein", lachte Yol. "Der Prinz hat so viele Zauberer versammelt, wie er konnte, aber Meister Melor ist der mächtigste von ihnen. Sein Zelt ist auch das größte und steht dem Haus des Prinzen am nächsten."

Sie trabten vorsichtig den Berg hinab, dem Bach entlang auf das Zeltdorf zu. Kurz bevor sie es erreichten, kam ein junger Mann in Yols Alter aus einem der kleineren Zelte. Er schleppte einen Kessel zum Bach, aus dem grüne Wölkchen aufstiegen, kippte den Inhalt ins Wasser und begann ihn gründlich auszuschrubben.

"Na, wieder kein Glück, Solgan?" rief Yol ihm zu.

Solgan hob den Kopf und zeigte ein hochmütiges Gesicht. "Wir sind viele Schritte weiter gekommen, seit du fort warst, Yol", sagte er. "Meister Innegul wird die Formel bald finden."
"Das sagst du seit Wochen", lachte Yol.

In einem anderen Zelt gab es einen großen Knall. Drei Männer taumelten hustend ins Freie. Eine gelbe Rauchwolke folgte ihnen. Rolan hielt sich die Nase zu.

"Zuviel Schwefel", sagte Yol und nickte weise. "Mein Meister hat es hundertmal gesagt, nicht soviel Schwefel verwenden. Er wird ihnen die Formel unter die Nasen halten, wenn sie immer noch am Kessel schrubben sind."

"Welche Formel", fragte Rolan neugierig.

"Das soll der Meister dir selbst sagen", erwiderte Yol. Bei dem größten Zelt angekommen verabschiedeten sie sich von Calin, Beorg und Kald. Die drei ritten mit den Packpferden weiter zum Haus des Prinzen.

Yol und Rolan hielten vor dem größten Zelt, stiegen von ihren Pferden und banden deren Zügel an einem Strauch fest.

"Der Meister mag keine Überraschungen", sagte Yol und deutete auf ein grünes Tuch, das mit einer Nadel an den Zelteingang geheftet war. "Ein rotes Tuch würde bedeuten, dass Meister Melor nicht gestört werden darf. Ein schwarzes hängt der Meister hinaus, wenn er das Zelt für längere Zeit verlässt."
**************************

Danke fürs Lesen!
 
Zuletzt bearbeitet:
Ganz nett, waren wieder recht viele Zeitsprünge drin, die Reise wurde uns also fast völlig unterschlagen. Das macht eigentlich nicht viel, hebt aber dann diesen Hirten doch stark hervor - der wird also wohl Recht haben mit seiner Warnung.
Bewertung: 3+
 
Mich hat das Überspringen der Reise nicht wirklich gestört... Nur eines wundert mich: Da geben sie das Gepäck von den Packpferden herunter, führen diese mit verbundenen Augen durch die Schlucht und dann beladen sie sie wieder... Wie ist das Gepäck denn da hin gekommen?^^ Die Andeutung des Hirten war natürlich schön ominös... Und die Beschreibung des Lagers hat mir gut gefallen.
 
Joah, nett. Aber irgendwie finde ich es dumm, dass Yol die ganze Zeit über eine Formwel redet, dann aber unterschlägt, worum es wirklich geht. Wichtigtuerei seinerseits. Aber das gehört wahrscheinlich zu seinem Charakter.

Zu den Packpferden sagte Shan ja bereits alles, und was den Hirten angeht... man wird ja sehen, welche Rolle seine Warnung spielt.

ciao
:wavey: Sahlene :wavey:
 
Zurück
Oben Unten