So, das wird wahrscheinlich der letzte Teil vor Weihnachten und vielleicht sogar auch der Letzte für dieses Jahr... mal sehen.
Wünsche euch frohe Weihnachten und nen guten Rutsch ins neue Jahr! Bleibt mir bitte auch nächstes Jahr so treue Leser.
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Kapitel 9: Grave
Ich wurde unsanft aus dem Laderaum des Lastwagens befördert und schlug dabei hart auf dem Boden auf. Mühsam rappelte ich mich auf und sah mich um. Der Lastwagen stand, umringt von Bäumen, am Fuße eines großen Hügels. Die Sonne musste wohl gerade erst untergegangen sein, denn am Horizont war noch ein leichter Lichtschimmer zu erkennen.
Kaum hatte ich mich erhoben, wurde ich schon von hinten mit dem Gewehr zum Weitergehen gedrängt. Wir liefen ein paar Minuten den Hügel hinauf. Das Einzige was zu hören war, war das unentwegte Knacken der Zweige unter den Füßen der Slayer. Schließlich erreichten wir ein in den Hügel eingelassenes Steintor. Es war circa drei Meter hoch, doppelt so breit und eine kleine Gruppe von Soldaten wartete bereits davor. Einer von ihnen kam sofort auf Kommandant Stronghold zu und salutierte.
„Kommandant, es tut mir leid das berichten zu müssen... aber wir haben immer noch keinen Weg gefunden die Tür zu öffnen.“
Stronghold sah die Tür einen Moment nachdenklich an.
„Nun, wenn sie sich nicht auf herkömmliche Weise öffnen lässt, dann müssen wir sie wohl anders aus dem Weg räumen.“
„Sie meinen?“, fragte der junge Soldat nach.
„Ist das so schwer? Sprengt sie weg!“
„Aber Kommandant, es könnte einen Erdrutsch geben und...“
„Dieses Risiko gehe ich ein. Machen sie schon! Die Zeit drängt!“
Der Soldat nickte eifrig und stürmte dann zu seinen wartenden Kameraden zurück.
Gebannt sah ich zu, wie sie den Sprengstoff befestigten und wenige Minuten später den Zünder betätigten.
Es war eine gewaltige Explosion. Felsbrocken und Steinsplitter flogen durch die Luft und hätten fast einen der Slayer erschlagen, wenn dieser sich nicht im letzten Moment zur Seite gerollt hätte.
Die durch die Explosion entstandene Staubwolke verzog sich wenig später und gab einen Blick auf das Innere frei: Ein langer Gang, der in die Dunkelheit führte.
Die ersten Slayer schalteten die Lampen an ihren Gewehren ein und leuchteten in die Öffnung.
Unsanft wurde ich in die Seite gestoßen.
„Geh schon Vampir!“
Unsicher folgte ich den Slayern in den Gang, den ich mit gemischten Gefühlen betrachtete. Mir wiederstrebte es dort hinein zu gehen, doch etwas in meinen Inneren wurde magisch von diesem Ort angezogen.
Ein unheimlicher, kalter Wind wehte in den Durchgang und die Luft roch muffig und abgestanden.
Wie lange war die Tür wohl nicht mehr geöffnet worden?
Ich betrachtete die Wände des Ganges. Sie waren wohl noch per Hand in den Fels gehauen worden, denn an manchen Stellen wirkte die Wand recht unförmig.
Wir gingen tiefer hinein und die Wände wurden nun von altertümlichen Schriftzeichen geschmückt, die ich nicht entziffern konnte. Außerdem bemerkte ich, dass der Gang nicht gerade in den Hügel führte, sondern leicht abschüssig in die Erde hineinging.
Ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren, aber wir mussten wohl schon eine halbe Stunde gelaufen sein, als wir einen Torbogen erreichten. Die Slayer, es waren wohl dreißig oder mehr (einige waren am Eingang geblieben), sammelten sich davor. Ich wusste nicht woher das Gefühl kam, aber es sagte mir, dass etwas mit diesem Torbogen nicht stimmte.
Und mein Gefühl bestätigte sich, als der erste Slayer versuchte ihn zu durchqueren.
Wie als wäre er gegen eine unsichtbare Mauer gelaufen, wurde er zurückgeschleuderte und das so kräftig, dass er einige Meter durch die Luft flog. Sofort stürze ein Sanitärer zu ihm und fühlte seinen Puls.
„Er ist tot.“, hörte ich ihn rufen.
Strongholds Gesicht verfinsterte sich.
„Verdammt!“
Er nahm sein Gewehr und schoss eine Salve auf das Tor ab. Die Kugeln glitten ohne Widerstand durch die Barriere, diese schimmerte lediglich kurz rot auf.
Als das Hallen der Schüsse verklungen war, trat eine kurze Stille ein. Dann, ganz plötzlich, hörte ich ein Geräusch. Es kam von der Seite hinter der Barriere und wurde immer lauter. Es klang wie das Klacken eines Gehstockes auf Steinboden.
Auch einige der Slayer mussten es jetzt bemerkt haben, denn sie erhoben die Gewehre.
Es kam näher und für einen Moment hielt ich den Atem an.
Aus der Dunkelheit trat ein alter Mann in einer Mönchskutte. Mühsam schleifte er sich den Gang entlang und stützte sich dabei auf seinen knüppelartigen Gehstock.
Kommandant Stronghold gab seinen Männern ein Zeichen, dass sie nicht Schiessen sollten. Der alte Mann gelangte ohne Probleme durch die Barriere und streifte sich seine Kapuze vom Kopf. Er hatte eine Glatze und ein faltiges Gesicht, sowie einen verdreckten Verband um den Kopf gebunden der seine Augen völlig verdeckte.
War der Mann vielleicht blind?
„Verschwindet!“, krächzte die zittrige Stimme des Alten. „Ihr habt hier nichts verloren! Sterbliches Menschenpack, wie könnt ihr es wagen diesen heiligen Ort zu entweihen?!“
Stronghold lachte laut auf. „Heilig? Das ich nicht lache!“
Der Alte grummelte vor sich hin und erwähnte etwas wie: „Mögen die Würmer eure Gedärme zerreißen.“
„An deiner Stelle würde ich vom Torbogen zurücktreten. Wir wollen da jetzt durch.“, sagte Stronghold gereizt.
„Das könnt ihr nicht! Das lasse ich nicht zu! Dreht um solange ihr noch könnt, unwissende Würmer!“, keifte der Alte.
Daraufhin hörte ich Strongholds Fingerschnippen und das Dröhnen von Schüssen.
„Was?! Wo ist er hin?“, hörte ich einen der Soldaten entsetzt rufen.
Der alte Mann in der Mönchskutte war verschwunden und hatte nur seinen Stock zurückgelassen.
Zumindest dachten das die Slayer, aber ich konnte seine Anwesenheit noch deutlich spüren.
Plötzlich streifte etwas meine Schulter und fiel auf den Boden. Ich bückte mich um es aufzuheben und erkannte, dass es der Verband des Alten Mannes war, den er um den Kopf gewickelt hatte. Ich sah nach oben und erstarrte, als ich den Alten wie eine Spinne an der Decke kleben sah.
Da der Verband entfernt worden war, konnte ich in seine Augen blicken... oder zumindest in das was seine Augen sein sollten. An der Stelle an der eigentlich seine Augäpfel sitzen sollten, glühten zwei Rubine.
„Ich habe sie gewarnt.“, flüsterte er zu mir herab und seine Stimme klang dabei ganz anders als zuvor. Sie war nicht mehr die zittrige Stimme eines alten Mannes, sondern die eines Jägers, der sich seine Beute bereits auserkoren hatte.
Dann stieß er neben mir herab und riss einen der Slayer zu Boden. Warmes Blut spritzte mir entgegen. Die Slayer drehten sich schlagartig um und eröffneten das Feuer. Das Wesen (war er überhaupt ein Vampir?) wich den Schüssen aus indem er ein Stück an der Wand entlang rannte und sich sogleich auf das nächste Opfer stürzte. Einen Augenblick später war er wieder über mir an der Decke. Die Rubine in seinen leeren Augenhöhlen funkelten.
Ich glaubte seinen Blick auf mir zu spüren und zu sehen wie ein kurzes Lächeln über seine Lippen huschte. Dann traf ihn ein Schuss eines weitaus größeren Kalibers direkt in den Kopf. Ein Schauer Asche verteilte sich über mich. Auch die Kutte verweilte nicht mehr lange an der Decke und landete neben mir.
„So ein Problem weniger.“, hörte ich Stronghold sagen.
Ich blickte an mir herab und fand in der Asche zu meinen Füßen einen glänzenden Rubin. Auch ein kurzer Blick in seine Kutte verriet mir, dass er nichts weiter mit sich getragen hatte als eine tote Ratte. Ich hatte Mitleid mit dem Vampir. Wer weiß wie lange er schon hier unten verbracht hatte- ohne Gesellschaft, sich nur von Ratten ernährend- oder irrte ich mich da vielleicht? War er vielleicht gar nicht so allein gewesen? Ich sah durch den Torbogen. Der Drang der mich trieb weiterzugehen wurde immer stärker.
War es das Schwert, dass nach mir rief? Wie sollte ich durch den Bogen gelangen? Würde mich er mich auch umbringen wie den unvorsichtigen Slayer? Ich wollte das Risiko nicht eingehen. Aber ich musste dadurch!
Ich weiß wie du durch den Bogen kommst.
Ich sah mich erschrocken um. Woher war diese Stimme gekommen? Die Slayer hatten sie wohl nicht gehört, sonst hätten sie wohl darauf reagiert.
Zerstöre den Rubin.
Ich versuchte zu erkennen woher die Stimme kam, doch es schien als würde sie direkt in meinem Kopf ertönen. Ich war mir nicht ganz sicher, aber ich glaube die Stimme wäre weiblich. Ich blickte auf meine Hand und sah den kleinen, glimmenden Rubin für einen Moment prüfend an.
Tu es! Tu es!
Die Stimme klang ungeduldig. Wie in Trance griff ich zu einem großen Stein, der aus der Wand heraus gebrochen war und hob ihn in die Luft. Ich zögerte kurz, dann ließ ich ihn herabfallen und zerschmetterte den Rubin.
Ich war überrascht, dass es so einfach war einen Edelstein zu zerbrechen.
Als ich den Stein wieder hob waren nur noch kleine Splitter von ihm übrig und ein schwacher rötlicher Rauch stieg von ihm auf.
Die Barriere zwischen den Torbogen blitzte kurz auf und verschwand dann mit einem lauten Zischen.
„Die Barriere ist weg.“, hörte ich einen Slayer erfreut rufen.
Und schon setzten wir uns wieder in Bewegung. Es brauchte nicht mehr viel Überredung mich zum Gehen zu bewegen, schließlich wusste ich ja längst, dass Widerspruch keinen Sinn hätte, da ich ja immer noch dieses blöde Halsband trug. Wie konnte ich es nur loswerden? Ich hoffte schnell einen Weg zu finden, wer weiß was noch auf uns wartete. Mir wäre durchaus wohler gewesen, wenn ich meine, wenn auch etwas schwächlichen, vampirischen Kräfte zur Verteidigung hätte, falls die nächste drohende Gefahr keinen Unterschied zwischen Vampir und Mensch machte.
Wir waren nun an einer Treppe angekommen die, wie mir vorkam, noch mal hunderte Meter in die Erde führte. Diesmal waren auch die Lampen der Slayer unnötig, denn mit jeder Stufe flammte eine der Fackeln an beiden Seiten der Treppe wie durch Geisterhand auf und spendete ausreichend Licht. Als wir am Ende der Treppe angelangt waren weiteten sich meine Augen vor Erstaunen. Vor uns lag eine gewaltige Halle, die durch mächtige Säulen gestützt war und etwas was man wohl als Labyrinth erahnen konnte beinhaltete. Zu allem Überfluss gab es auch noch drei Eingänge und man konnte nur erraten welcher zum Ausgang führte. Stronghold sorgte dafür, dass sie die Slayer in drei Gruppen aufteilten.
„Wir werden ständig in Kontakt bleiben. Jedoch...“, er sah etwas mitleidig in die Runde. „Falls einer der Gruppen etwas zustößt, darf sie nicht auf Rettung hoffen. Wir gehen weiter, egal was für ein Grauen darin auf uns wartet und egal was passiert, jeder ist auf sich allein gestellt. Wer den Ausgang findet meldet das den anderen.“
Die Soldaten sahen sich gegenseitig ängstlich an, machten sich jedoch dann folgsam auf den Weg.
Stronghold schickte seine Gruppe der Soldaten durch den mittleren Gang. Wir folgten ihnen dann im geringen Abstand.