dark-toffel
Mindfucked
Guten abend ^^
Von mir kommt eine etwas verspätete Weihnachts Story, die ich all denen widme, bei denen diese Jahreszeit vielleicht nicht nur Festtagsstimmung hervorruft. mehr will ich dazu auch nich sagen. von den pflichtangaben abgesehn, selbstverständlich
[Edit: Fuck...ich seh jetz grad erst, dass vor nich all zu langer zeit bereits eine story mit diesem titel gepostet wurde...tut mir schrecklich leid, namenloser^^'' ich habs echt nich gesehn ._.]
Autor: ich
Titel: Weiße Weihnacht
Teile: 1
Genre: erm...weihnachten?
Serie (Original oder Fanfiction): original
Disclaimer: meins, aber kost nix ^_^=b
Weiße Weihnacht
Ein klarer, salziger Tropfen fiel auf das weiße Briefpapier und ließ die Tinte innerhalb eines kleinen, dunklen Fleckes leicht verschwimmen. Während sie das kurze Schreiben in ihren zierlichen Händen hielt, machte sie beinahe den Eindruck, als merke sie überhaupt nicht, dass sie weinte. Plötzlich bereute er es, sie ausgerechnet jetzt aufgesucht zu haben. Diesen Abend hätte er ihr noch geben sollen; ausgerechnet diesen.
Doch es war zu spät.
Durch die geöffnete Haustür hindurch vernahm er die geselligen Laute einer fröhlichen Festtagsrunde aus einem der Zimmer, während ihre Augen nun reglos in die klirrende Weihnachtsnacht hinaus starrten und Tränen über ihre Wangen kullerten, klar wie geschmolzener Neuschnee. Ihre Züge blieben dabei unbewegt und sämtliche Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen, so dass es Lukas wie aus Kerzenwachs erschien und er fürchtete, ihre ausdruckslose Miene müsse schmelzen, würde sie wieder in die warme Stube inmitten ihrer Lieben zurückkehren.
"Du Mistkerl."
Ihre Worte waren nur geflüstert, umwehten ihn als ein frostiger Nebel in der kalten Luft und als hätte sie damit nur ihre Stimme zurückholen wollen, schrie sie ihm die selben Worte kurz darauf aus voller Kraft entgegen, eine Glut aus Zorn und Verzweiflung in den Augen tragend. Doch dann erlosch ihre hilflose Wut in den zahllosen Tränen, die ihr nun über die blasse Haut rannen und sie stützte sich kraftlos gegen den Türrahmen.
"Es tut mir leid.", sagte er leise und mit einer Stimme, die schwer war von hilflosem Mitgefühl, "Ich hoffe, du wirst es irgendwann verstehen."
Mit einem scheuen Blick in das Haus hinein, wo der Zusammenbruch der jungen Frau allmählich Aufmerksamkeit und Besorgnis erregte, wandte er sich um und schritt zügig voran. Mit gequältem Gesicht schlug er den Kragen hoch und ging ohne zurück zu blicken auf die Straße zu, die unter dem sanften Weiß einer frisch gefallenen Schneedecke begraben lag. Einen Moment lang hörte er hinter sich noch ihr Schluchzen, dann wurden Stimmen laut und schließlich hörte er nur noch das Klacken des Türschlosses.
"Lukas! Schön, dass du endlich da bist. Komm' doch rein!"
Der junge Mann war so überrascht, dass er fast vergaß, seinen Fuß über die Schwelle zu heben und einzutreten. Wann hatte er das letzte Mal ein so unbeschwertes Lächeln auf Davids Gesicht gesehen? Vielleicht noch niemals; vielleicht war es der Anlass dieses besonderen Abends, der die dunkelbraunen Augen seines Freundes so mit Wärme erfüllte und einem Glanz, der beinahe dem des Glückes gleichkam. Lukas spürte einen leisen Stich von Bitterkeit bei diesem Gedanken.
"Was ist denn los? Du lässt die Kälte rein."
"Entschuldige."
Zügig trat er in die kleine Wohnung und stellte seine dünne Stofftüte neben sich ab, um sich die Schuhe auszuziehen.
"Du bist spät. Ich hatte schon Angst, du hättest dir unterwegs die Beine gebrochen.", rief David ihm aus der engen Küche zu, in die er wieder verschwunden war, um ein Blech voller Kekse aus dem Ofen zu holen.
Beinahe entgeistert sah Lukas ihn an und etwas an seinem Gesichtsausdruck brachte den Älteren zum Kichern.
"Du hast..."
"Ja, die hab' ich selbst gebacken. Ich hab' sie im Ofen gelassen, damit sie noch warm sind, wenn du kommst. Setz' dich doch schonmal."
Sein schulterlanges, schwarzes Haar schaukelte leicht mit, als er Richtung Wohnzimmer nickte, noch immer das duftende Ofenblech in den behandschuhten Händen. Die Lichterketten und der tadellos geschmückte Weihnachtsbaum, die das kleine, sonst so dunkle und eintönige Wohnzimmer beherrschten, überraschten ihn nun fast schon gar nicht mehr. Leise kamen die Klänge alter Weihnachtslieder aus dem CD-Spieler und alles zusammen erzeugte eine Atmosphäre, die Lukas ins Herz schnitt.
"Ich hab' auch Glühwein gemacht. Willst du eine Tasse?", kam es aus der Küche.
"Äh...Ja, bitte.", rief er halblaut zurück und versuchte, sich den normalen, vertrauten Zustand dieser Wohnung und seines Freundes vor Augen zu rufen. Auf einmal hatte all dies etwas Surreales an sich, das ihn schwindelig machte. Schwerfällig ließ er sich auf einem der beiden Sessel nieder, die um einen kleinen, runden Holztisch angeordnet waren. Auf dem Möbelstück stand eine bescheidene Weihnachtspyramide, in der die heiligen drei Könige beständig um die Krippe mit dem Christkind darin herumwanderten, während die trägen Holzflügelchen große, rotierende Schatten an die Decke warfen.
Schließlich trat David ein und balancierte zwei Tassen Glühwein und einen Teller mit Keksen zum Tisch.
"Man erkennt es nicht wieder.", sagte Lukas mit belegter Stimme und sah seinen Freund forschend an.
Die Freude in den braunen Augen schien echt zu sein. Schon immer hatte in diesen Augen etwas gelegen, das ihn berührt hatte. Obwohl David erst sechsundzwanzig war, und damit nur ein Jahr älter als Lukas, hatte immer etwas in seinem Blick gelegen, dass den jüngeren an die Blicke eines alten Mannes erinnerte.
"ja, nicht wahr. Ich weiß gar nicht mehr, wann ich zuletzt richtig Weihnachten gefeiert habe. Aber dieses Jahr ist es wirklich wundervoll."
Lukas stieß schweigend mit ihm an.
"Ich...habe etwas für dich.", sagte er, nachdem er seine Tasse halb ausgetrunken hatte und merkte im selben Augenblick, wie dumm diese Worte waren. Tatsächlich schlich sich etwas wie Belustigung auf Davids Gesicht. Als er jedoch in seine Tüte griff und das kleine, schön verpackte Päckchen herausholte, wurden die Augen des Älteren feierlich.
"Ich danke dir.", sagte er ernst, als er das Geschenk entgegennahm.
"Pack' es doch aus."
Für einen Moment erkannte Lukas wieder das vertraute, dumpfe Funkeln im Blick seines Gegenübers, bevor dieser sich daran machte, das Päckchen so sorgfältig vom Papier zu befreien, als wäre diese Handlung ein Sakrament. Beinahe liebevoll fuhr David über die kleine Schachtel und öffnete sie.
"Das ist perfekt.", sagte er leise, "Hast du sie sauber gemacht?"
"Ja"
"Danke."
Für einen Augenblick schoss der unbändige Wunsch, zu fliehen, so heftig durch Lukas Körper, dass er nach seinem Glühwein griff und die inzwischen lauwarme Flüssigkeit in einem Zuge hinunterstürzte, nur um nicht auf der Stelle aufzuspringen.
"Ich bitte dich, Lukas, bleib' noch etwas. Wir haben doch Zeit."
Unglücklich nickte der Jüngere.
"Ja...wir haben Zeit."
Als die Kerzen der Weihnachtspyramide heruntergebrannte waren, und der stetige Marsch der Weisen aus dem Morgenland immer schleppender wurde, verabschiedeten sie sich.
"Ich danke dir für diesen Abend. Danke für alles, Lukas."
"Ich bin es, der für den Abend zu danken hat."
Lukas atmete tief durch. Auf einmal wollte er nur noch fort und er hasste sich dafür.
"Ich habe auch etwas für dich.", sagte David lächelnd und reichte ihm ein kleines Päckchen, kaum größer als seine Faust.
"Aber...es ist doch erst der Dreiundzwanzigste.", erwiderte der Jüngere und wurde sich abermals der Dummheit seiner Worte bewusst.
"Darum sollst du es ja auch erst morgen aufmachen. Und ich bitte dich um noch einen kleinen Gefallen. Gibst du den bitte Nicole? Ich weiß, ich kann damit nichts mehr gutmachen, aber ich schulde ihr mindestens ein paar Worte."
Lukas nickte und nahm das kleine Paket und den Brief an sich, verstaute sie sicher in seiner Manteltasche.
Bereits für die winterliche Kälte gerüstet, trieb die Wärme der kleinen Wohnung ihm den Schweiß aus den Poren, doch ewige Herzschläge des Schweigens zogen zwischen ihnen vorüber und keiner wusste nun mehr ein Wort zu sagen – es gab keine Worte mehr für sie.
Lukas trat heran und umarmte David, machte sich mit einem Ruck los und ging polternden Schrittes das Treppenhaus hinunter.
David hatte die weihnachtlichen Klänge ein wenig lauter gestellt, als er zurück in das Wohnzimmer trat und die dunkle, polierte Holztür des großen Wandschrankes öffnete. Mit festem Griff nahm er das alte Jagdgewehr heraus, das sein Vater ihm vererbt hatte und das seit ungezählten Jahren ein reines Zierstück war, auch wenn es in seiner Wohnung nie einen Platz an der Wand bekommen hatte. Die hellen Stimmen des Knabenchors stimmten nun 'Oh, Du Fröhliche' an, als er mit der Waffe in der Hand an den glänzenden Lichtern des Weihnachtsbaumes vorrüberschritt und sich in seinem Sessel niederließ. Der junge Mann hatte die Funktionstüchtigkeit des alten Gewehrs bereits dutzende Male überprüft. Nur nach der Munition hatte er stets vergeblich Ausschau gehalten. Tränen des Glücks, die im Schein der Baumkerzen wie kleine Rubine funkelten, perlten über seine Wangen, als er die Patronen aus der kleinen Schachtel nahm, die sein Freund ihm geschenkt hatte, und das Geweht lud. Während das dissonante Klacken sich auf morbide Art mit den traditionellen Klängen des heiligen Festes schnitt, waren Davids Gedanken bei dem letzten Freund, den er in seinem Leben haben würde. Lukas hatte ihn verstanden. Auch er wusste um die dunklen Wolken, die sich einem Menschen in die Seele schleichen konnten um ihn von jedem Lichte einer glücklichen Empfindung abzuschneiden. Im Gegensatz zu ihm hatten Lukas all die Therapien jedoch geholfen und in diesem Augenblick empfand David eine unendliche Dankbarkeit dafür. Ihm selbst war das Glück verwehrt geblieben und das Leben war ihm zu einer Last geworden, unter der er mehr und mehr zerbrochen war. Lukas hatte immer mit ihm gefühlt und als David seinen Wunsch geäußert hatte, war er bei ihm auf tiefes Verständnis gestoßen.
Ruhig zog er nun seinen rechten Strumpf aus, spannte den Hahn und setzte sich den Gewehlauf zwischen die Zähne. Ein widerlicher Metallgeschmack breitete sich in seinem Mund aus und für einen kurzen Moment bedauerte er es, dass dies seine letzte Empfindung sein sollte. Vorsichtig legte er nun den nackten Zeh an den Abzug und sog noch einmal alles, das Licht des Baumes, den von würzigem Glühwein durchsetzten Duft der Kekse und die ruhigen Klänge des besinnlichen Weihnachtsliedes in sich auf.
"Frohe Weihnachten, Lukas!", dachte er, "Lebe dein Leben für mich mit."
Dann schloss er die Augen.
Ziellos stapfte der junge Mann durch den Schnee. Die schwere, weiße Decke schien jeden Laut und jede Regung unter sich zu ersticken, als wäre mit David seine ganze Welt gestorben. Noch immer schien es ihm, als drang das klagende Schluchzen Nicoles an seine Ohren; und das friedvolle Lächeln, mit dem David ihn verabschiedet hatte, schien sich in seine Gedanken einbrennen zu wollen. Was hatte er ihm noch alles sagen wollen! Wieso war er nur geflüchtet?
All dies war ihm wie ein Traum vorgekommen und erst der herzzerreißende Aufschrei dieses Mädchens und ihre heißen Tränen hatten den Schleier zu Boden fallen lassen, der die Ereignisse des letzten Abends so gnädig verhüllt hatte. David war tot – für immer weg.
Mit einem Mal schien ihm die Luft wegzubleiben, als jene Erkenntnis sich so klar und schrecklich in seinem Bewusstsein ausgebreitet hatte, wie der kalte Panzer aus Schnee und Eis, auf dem er umherirrte.
Doch dann trat etwas wie Erinnerung in seine Augen und mit so hastigen Bewegungen durchsuchte er die Taschen seines Mantels, dass der Saum wild über die Schneedecke hüpfte.
Endlich zog er das kleine, liebevoll verpackte Geschenk hervor, das David ihm zuletzt noch gemacht hatte.
Umständlich entledigte er es mit steifen Fingern vom Geschenkpapier und hielt eine kleine, hölzerne Schatulle in der Hand. Darin war ein Zettel und unter diesem eine dünne, silberne Kette.
Lukas hielt den Atem an und musste dem plötzlichen Drang widerstehen, all dies einfach wieder in seine Tasche zu stopfen und nie wieder anzusehen. Er konnte sich die heftige Angst nicht erklären, die der Gedanke auslöste, die letzten Worte seines Freundes zu lesen. Vielleicht war es der wirklich endgültige Abschied, vor dem er sich zu verstecken suchte. Als wäre Davids Tod nicht möglich, solange er seine letzte Nachricht nicht las. Zitternd ließ er seinen Atem in dampfigen Wölkchen ausströmen und faltete das kleine Stück Papier so sorgfältig auseinander, als gäbe es kein wertvolleres Ding auf der Welt; und begann zu lesen.
'Lukas, niemand außer Dir und mir wird je verstehen können, was Du für mich getan hast. Das Leben war mir zu einer Qual und einem Gefängnis geworden und Du hast mir das größte Geschenk gemacht, das solch ein Mensch sich vorstellen kann: Frieden und Freiheit. Ich hoffe, Du wirst nie unter diesem Gefallen leiden, oder ihn bereuen. Ich will Dir dies geben, als Dank und Andenken.
In ewiger Freundschaft und Dankbarkeit,
Dein David'
Zitternd hob er die Kette empor und sah eine kleine, silberne Taube daran hängen, die in freiem Fluge einen Olivenzweig im Schnabel trug. Ein Beben ging durch Lukas Körper und als es erneut zu schneien begann und die heilige Stille der Weihnacht die Nacht durchdrang wie eine wundervolle Melodie, drückte er seine Lippen auf den kleinen Silbervogel und weinte.
Ende.
Von mir kommt eine etwas verspätete Weihnachts Story, die ich all denen widme, bei denen diese Jahreszeit vielleicht nicht nur Festtagsstimmung hervorruft. mehr will ich dazu auch nich sagen. von den pflichtangaben abgesehn, selbstverständlich
[Edit: Fuck...ich seh jetz grad erst, dass vor nich all zu langer zeit bereits eine story mit diesem titel gepostet wurde...tut mir schrecklich leid, namenloser^^'' ich habs echt nich gesehn ._.]
Autor: ich
Titel: Weiße Weihnacht
Teile: 1
Genre: erm...weihnachten?
Serie (Original oder Fanfiction): original
Disclaimer: meins, aber kost nix ^_^=b
Weiße Weihnacht
Ein klarer, salziger Tropfen fiel auf das weiße Briefpapier und ließ die Tinte innerhalb eines kleinen, dunklen Fleckes leicht verschwimmen. Während sie das kurze Schreiben in ihren zierlichen Händen hielt, machte sie beinahe den Eindruck, als merke sie überhaupt nicht, dass sie weinte. Plötzlich bereute er es, sie ausgerechnet jetzt aufgesucht zu haben. Diesen Abend hätte er ihr noch geben sollen; ausgerechnet diesen.
Doch es war zu spät.
Durch die geöffnete Haustür hindurch vernahm er die geselligen Laute einer fröhlichen Festtagsrunde aus einem der Zimmer, während ihre Augen nun reglos in die klirrende Weihnachtsnacht hinaus starrten und Tränen über ihre Wangen kullerten, klar wie geschmolzener Neuschnee. Ihre Züge blieben dabei unbewegt und sämtliche Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen, so dass es Lukas wie aus Kerzenwachs erschien und er fürchtete, ihre ausdruckslose Miene müsse schmelzen, würde sie wieder in die warme Stube inmitten ihrer Lieben zurückkehren.
"Du Mistkerl."
Ihre Worte waren nur geflüstert, umwehten ihn als ein frostiger Nebel in der kalten Luft und als hätte sie damit nur ihre Stimme zurückholen wollen, schrie sie ihm die selben Worte kurz darauf aus voller Kraft entgegen, eine Glut aus Zorn und Verzweiflung in den Augen tragend. Doch dann erlosch ihre hilflose Wut in den zahllosen Tränen, die ihr nun über die blasse Haut rannen und sie stützte sich kraftlos gegen den Türrahmen.
"Es tut mir leid.", sagte er leise und mit einer Stimme, die schwer war von hilflosem Mitgefühl, "Ich hoffe, du wirst es irgendwann verstehen."
Mit einem scheuen Blick in das Haus hinein, wo der Zusammenbruch der jungen Frau allmählich Aufmerksamkeit und Besorgnis erregte, wandte er sich um und schritt zügig voran. Mit gequältem Gesicht schlug er den Kragen hoch und ging ohne zurück zu blicken auf die Straße zu, die unter dem sanften Weiß einer frisch gefallenen Schneedecke begraben lag. Einen Moment lang hörte er hinter sich noch ihr Schluchzen, dann wurden Stimmen laut und schließlich hörte er nur noch das Klacken des Türschlosses.
"Lukas! Schön, dass du endlich da bist. Komm' doch rein!"
Der junge Mann war so überrascht, dass er fast vergaß, seinen Fuß über die Schwelle zu heben und einzutreten. Wann hatte er das letzte Mal ein so unbeschwertes Lächeln auf Davids Gesicht gesehen? Vielleicht noch niemals; vielleicht war es der Anlass dieses besonderen Abends, der die dunkelbraunen Augen seines Freundes so mit Wärme erfüllte und einem Glanz, der beinahe dem des Glückes gleichkam. Lukas spürte einen leisen Stich von Bitterkeit bei diesem Gedanken.
"Was ist denn los? Du lässt die Kälte rein."
"Entschuldige."
Zügig trat er in die kleine Wohnung und stellte seine dünne Stofftüte neben sich ab, um sich die Schuhe auszuziehen.
"Du bist spät. Ich hatte schon Angst, du hättest dir unterwegs die Beine gebrochen.", rief David ihm aus der engen Küche zu, in die er wieder verschwunden war, um ein Blech voller Kekse aus dem Ofen zu holen.
Beinahe entgeistert sah Lukas ihn an und etwas an seinem Gesichtsausdruck brachte den Älteren zum Kichern.
"Du hast..."
"Ja, die hab' ich selbst gebacken. Ich hab' sie im Ofen gelassen, damit sie noch warm sind, wenn du kommst. Setz' dich doch schonmal."
Sein schulterlanges, schwarzes Haar schaukelte leicht mit, als er Richtung Wohnzimmer nickte, noch immer das duftende Ofenblech in den behandschuhten Händen. Die Lichterketten und der tadellos geschmückte Weihnachtsbaum, die das kleine, sonst so dunkle und eintönige Wohnzimmer beherrschten, überraschten ihn nun fast schon gar nicht mehr. Leise kamen die Klänge alter Weihnachtslieder aus dem CD-Spieler und alles zusammen erzeugte eine Atmosphäre, die Lukas ins Herz schnitt.
"Ich hab' auch Glühwein gemacht. Willst du eine Tasse?", kam es aus der Küche.
"Äh...Ja, bitte.", rief er halblaut zurück und versuchte, sich den normalen, vertrauten Zustand dieser Wohnung und seines Freundes vor Augen zu rufen. Auf einmal hatte all dies etwas Surreales an sich, das ihn schwindelig machte. Schwerfällig ließ er sich auf einem der beiden Sessel nieder, die um einen kleinen, runden Holztisch angeordnet waren. Auf dem Möbelstück stand eine bescheidene Weihnachtspyramide, in der die heiligen drei Könige beständig um die Krippe mit dem Christkind darin herumwanderten, während die trägen Holzflügelchen große, rotierende Schatten an die Decke warfen.
Schließlich trat David ein und balancierte zwei Tassen Glühwein und einen Teller mit Keksen zum Tisch.
"Man erkennt es nicht wieder.", sagte Lukas mit belegter Stimme und sah seinen Freund forschend an.
Die Freude in den braunen Augen schien echt zu sein. Schon immer hatte in diesen Augen etwas gelegen, das ihn berührt hatte. Obwohl David erst sechsundzwanzig war, und damit nur ein Jahr älter als Lukas, hatte immer etwas in seinem Blick gelegen, dass den jüngeren an die Blicke eines alten Mannes erinnerte.
"ja, nicht wahr. Ich weiß gar nicht mehr, wann ich zuletzt richtig Weihnachten gefeiert habe. Aber dieses Jahr ist es wirklich wundervoll."
Lukas stieß schweigend mit ihm an.
"Ich...habe etwas für dich.", sagte er, nachdem er seine Tasse halb ausgetrunken hatte und merkte im selben Augenblick, wie dumm diese Worte waren. Tatsächlich schlich sich etwas wie Belustigung auf Davids Gesicht. Als er jedoch in seine Tüte griff und das kleine, schön verpackte Päckchen herausholte, wurden die Augen des Älteren feierlich.
"Ich danke dir.", sagte er ernst, als er das Geschenk entgegennahm.
"Pack' es doch aus."
Für einen Moment erkannte Lukas wieder das vertraute, dumpfe Funkeln im Blick seines Gegenübers, bevor dieser sich daran machte, das Päckchen so sorgfältig vom Papier zu befreien, als wäre diese Handlung ein Sakrament. Beinahe liebevoll fuhr David über die kleine Schachtel und öffnete sie.
"Das ist perfekt.", sagte er leise, "Hast du sie sauber gemacht?"
"Ja"
"Danke."
Für einen Augenblick schoss der unbändige Wunsch, zu fliehen, so heftig durch Lukas Körper, dass er nach seinem Glühwein griff und die inzwischen lauwarme Flüssigkeit in einem Zuge hinunterstürzte, nur um nicht auf der Stelle aufzuspringen.
"Ich bitte dich, Lukas, bleib' noch etwas. Wir haben doch Zeit."
Unglücklich nickte der Jüngere.
"Ja...wir haben Zeit."
Als die Kerzen der Weihnachtspyramide heruntergebrannte waren, und der stetige Marsch der Weisen aus dem Morgenland immer schleppender wurde, verabschiedeten sie sich.
"Ich danke dir für diesen Abend. Danke für alles, Lukas."
"Ich bin es, der für den Abend zu danken hat."
Lukas atmete tief durch. Auf einmal wollte er nur noch fort und er hasste sich dafür.
"Ich habe auch etwas für dich.", sagte David lächelnd und reichte ihm ein kleines Päckchen, kaum größer als seine Faust.
"Aber...es ist doch erst der Dreiundzwanzigste.", erwiderte der Jüngere und wurde sich abermals der Dummheit seiner Worte bewusst.
"Darum sollst du es ja auch erst morgen aufmachen. Und ich bitte dich um noch einen kleinen Gefallen. Gibst du den bitte Nicole? Ich weiß, ich kann damit nichts mehr gutmachen, aber ich schulde ihr mindestens ein paar Worte."
Lukas nickte und nahm das kleine Paket und den Brief an sich, verstaute sie sicher in seiner Manteltasche.
Bereits für die winterliche Kälte gerüstet, trieb die Wärme der kleinen Wohnung ihm den Schweiß aus den Poren, doch ewige Herzschläge des Schweigens zogen zwischen ihnen vorüber und keiner wusste nun mehr ein Wort zu sagen – es gab keine Worte mehr für sie.
Lukas trat heran und umarmte David, machte sich mit einem Ruck los und ging polternden Schrittes das Treppenhaus hinunter.
David hatte die weihnachtlichen Klänge ein wenig lauter gestellt, als er zurück in das Wohnzimmer trat und die dunkle, polierte Holztür des großen Wandschrankes öffnete. Mit festem Griff nahm er das alte Jagdgewehr heraus, das sein Vater ihm vererbt hatte und das seit ungezählten Jahren ein reines Zierstück war, auch wenn es in seiner Wohnung nie einen Platz an der Wand bekommen hatte. Die hellen Stimmen des Knabenchors stimmten nun 'Oh, Du Fröhliche' an, als er mit der Waffe in der Hand an den glänzenden Lichtern des Weihnachtsbaumes vorrüberschritt und sich in seinem Sessel niederließ. Der junge Mann hatte die Funktionstüchtigkeit des alten Gewehrs bereits dutzende Male überprüft. Nur nach der Munition hatte er stets vergeblich Ausschau gehalten. Tränen des Glücks, die im Schein der Baumkerzen wie kleine Rubine funkelten, perlten über seine Wangen, als er die Patronen aus der kleinen Schachtel nahm, die sein Freund ihm geschenkt hatte, und das Geweht lud. Während das dissonante Klacken sich auf morbide Art mit den traditionellen Klängen des heiligen Festes schnitt, waren Davids Gedanken bei dem letzten Freund, den er in seinem Leben haben würde. Lukas hatte ihn verstanden. Auch er wusste um die dunklen Wolken, die sich einem Menschen in die Seele schleichen konnten um ihn von jedem Lichte einer glücklichen Empfindung abzuschneiden. Im Gegensatz zu ihm hatten Lukas all die Therapien jedoch geholfen und in diesem Augenblick empfand David eine unendliche Dankbarkeit dafür. Ihm selbst war das Glück verwehrt geblieben und das Leben war ihm zu einer Last geworden, unter der er mehr und mehr zerbrochen war. Lukas hatte immer mit ihm gefühlt und als David seinen Wunsch geäußert hatte, war er bei ihm auf tiefes Verständnis gestoßen.
Ruhig zog er nun seinen rechten Strumpf aus, spannte den Hahn und setzte sich den Gewehlauf zwischen die Zähne. Ein widerlicher Metallgeschmack breitete sich in seinem Mund aus und für einen kurzen Moment bedauerte er es, dass dies seine letzte Empfindung sein sollte. Vorsichtig legte er nun den nackten Zeh an den Abzug und sog noch einmal alles, das Licht des Baumes, den von würzigem Glühwein durchsetzten Duft der Kekse und die ruhigen Klänge des besinnlichen Weihnachtsliedes in sich auf.
"Frohe Weihnachten, Lukas!", dachte er, "Lebe dein Leben für mich mit."
Dann schloss er die Augen.
Ziellos stapfte der junge Mann durch den Schnee. Die schwere, weiße Decke schien jeden Laut und jede Regung unter sich zu ersticken, als wäre mit David seine ganze Welt gestorben. Noch immer schien es ihm, als drang das klagende Schluchzen Nicoles an seine Ohren; und das friedvolle Lächeln, mit dem David ihn verabschiedet hatte, schien sich in seine Gedanken einbrennen zu wollen. Was hatte er ihm noch alles sagen wollen! Wieso war er nur geflüchtet?
All dies war ihm wie ein Traum vorgekommen und erst der herzzerreißende Aufschrei dieses Mädchens und ihre heißen Tränen hatten den Schleier zu Boden fallen lassen, der die Ereignisse des letzten Abends so gnädig verhüllt hatte. David war tot – für immer weg.
Mit einem Mal schien ihm die Luft wegzubleiben, als jene Erkenntnis sich so klar und schrecklich in seinem Bewusstsein ausgebreitet hatte, wie der kalte Panzer aus Schnee und Eis, auf dem er umherirrte.
Doch dann trat etwas wie Erinnerung in seine Augen und mit so hastigen Bewegungen durchsuchte er die Taschen seines Mantels, dass der Saum wild über die Schneedecke hüpfte.
Endlich zog er das kleine, liebevoll verpackte Geschenk hervor, das David ihm zuletzt noch gemacht hatte.
Umständlich entledigte er es mit steifen Fingern vom Geschenkpapier und hielt eine kleine, hölzerne Schatulle in der Hand. Darin war ein Zettel und unter diesem eine dünne, silberne Kette.
Lukas hielt den Atem an und musste dem plötzlichen Drang widerstehen, all dies einfach wieder in seine Tasche zu stopfen und nie wieder anzusehen. Er konnte sich die heftige Angst nicht erklären, die der Gedanke auslöste, die letzten Worte seines Freundes zu lesen. Vielleicht war es der wirklich endgültige Abschied, vor dem er sich zu verstecken suchte. Als wäre Davids Tod nicht möglich, solange er seine letzte Nachricht nicht las. Zitternd ließ er seinen Atem in dampfigen Wölkchen ausströmen und faltete das kleine Stück Papier so sorgfältig auseinander, als gäbe es kein wertvolleres Ding auf der Welt; und begann zu lesen.
'Lukas, niemand außer Dir und mir wird je verstehen können, was Du für mich getan hast. Das Leben war mir zu einer Qual und einem Gefängnis geworden und Du hast mir das größte Geschenk gemacht, das solch ein Mensch sich vorstellen kann: Frieden und Freiheit. Ich hoffe, Du wirst nie unter diesem Gefallen leiden, oder ihn bereuen. Ich will Dir dies geben, als Dank und Andenken.
In ewiger Freundschaft und Dankbarkeit,
Dein David'
Zitternd hob er die Kette empor und sah eine kleine, silberne Taube daran hängen, die in freiem Fluge einen Olivenzweig im Schnabel trug. Ein Beben ging durch Lukas Körper und als es erneut zu schneien begann und die heilige Stille der Weihnacht die Nacht durchdrang wie eine wundervolle Melodie, drückte er seine Lippen auf den kleinen Silbervogel und weinte.
Ende.