War in Europe

chaos_man

Super-Gold Member
Vorwort

Wir alle haben erlebt, wie im März 2003 die Diplomatie gescheitert ist, wie dreist sich die einzige Großmacht der Welt über bestehende Regeln und Ideale hinweggesetzt hat und wie sie es versteht Gesetze gerade so hinzubiegen, wie sie es eben braucht.
Krieg ist zu einem legalen Mittel geworden. Doch wozu soll das ganze noch führen und wer soll dem ganzen noch Einhalt gebieten?
Bei dieser Geschichte handelt es sich um eine Anti-Kriegs-Geschichte, die rein hypothetisch ist aber nicht in einem Märchenland oder irgend einem fernen Planeten, sondern auf der Erde. Möglich, nein sogar sicher, dass es so wie ich es geschrieben habe, niemals passieren wird, aber man sollte sich einfach einmal Gedanken machen, was dann passieren würde.
Ich will damit nicht sagen, dass ich gegen Amerika bin, oder dass ich Sympathisant von Saddam Hussein bin. Nein, vielmehr soll sich jeder selbst Gedanken über das Geschehene machen und über das was noch geschehen wird ...

Prolog

St. Jean-de-Luz, Südfrankreich
12. Oktober, 15:30 Uhr Ortszeit

Die Stadt war wie leer. Keine Menschen, die sich auf den Straßen aufhielten, keine Autos, kein Lärm – Totenstille. Die Menschen, wenn sie noch nicht längst geflohen waren, saßen in ihren Kellern und versteckten sich vor den amerikanischen Bombern.
Jean Fonteyre starrte auf die Straßensperre und die Sandsäcke. Er war zwanzig Jahre alt und Gefreiter bei der französischen RIMA-Einheit der Marine, einer der besten militärischen Elite-Einheiten Frankreichs.
Neben Jean kletterten neun weitere Männer und zwei Frauen auf einen Lastwagen, auf dem neben einem MG auch die Ausrüstung der zwölf schwerbewaffneten Elitesoldaten geladen waren.
Jean ließ sich neben Robert Clavell auf die Bank fallen. Robert war der größte Mann in der Einheit, er war etwas über zwei Meter groß und hatte gut und gerne über hundert Kilos auf der Waage.
Der Lastwagen fuhr durch die Sperrzone. Dort herrschte rege Aktivität. Französische Soldaten rannten in den Seitenstraßen zwischen den Häusern hin und her, Autos und Lastwagen mit Soldaten beladen fuhren auf der Straße und Pioniere beluden Tieflader mit allem, was auch nur einen geringsten militärischen Nutzen hatte; Generatoren, Propangastanks, Schaufelbaggern.
In den Erdwällen an den Straßenüberführungen hatte man befestigte Unterstände errichtet und Sendemasten in Richtung Süden angebracht. Überall waren Pioniere damit beschäftigt Sprengfallen und Minen anzubringen.
Der Lastwagen fuhr an einer Flak-Stellung vorbei. Sergeant Henri Paulot, der Kommandant des Teams, sah grimmig in die Runde. Robert Clavell war der einzige, der verschwitzten und müden Männern, der sich entspannt ausruhte, seinen Helm übers Gesicht legte und schlief. Die anderen starrten besorgt die schwarzen Rauchwolken an, die am Horizont aufstiegen. Noch war der Krieg nicht in St. Jean-de-Luz, aber er würde kommen.
Jean hielt angespannt sein Sturmgewehr fest. Einer der Soldaten machte das Kreuzzeichen.
Schließlich hielt der Lastwagen in einem Außenbezirk der Stadt an.
„Raus, raus, raus!“, brüllte der Fahrer den Elitesoldaten zu.
In Eile entluden sie den Lastwagen und dieser fuhr in einem rasanten Tempo wieder zurück in die Sperrzone.
Die zwölf Soldaten waren jetzt auf sich alleine gestellt.
Sergeant Paulot, der Anfang vierzig und damit der älteste der Einheit war, sah sich um.
„Jean, Robert und Claire, ihr bezieht Stellung im ersten Stock des Hauses dort drüben“, er zeigte auf ein verwahrlostes Haus am Ende der Hauptstraße. „Robert und Claire sind die MG-Schützen. Jean hält euch den Rücken frei. Jean, du bist der Teamführer.“
„Jawohl“, antwortete Jean.

Mit vierzehn hatte Jean im Internet Informationen über den Irak-Krieg gesucht, der immer als Auslöser für die Spannungen zwischen Frankreich und den USA genannt worden war. Er fand heraus, dass die USA öffentlich gefälschte Beweise für den irakischen Besitz von Massenvernichtungswaffen vorgelegt und somit die öffentliche Meinung manipuliert hatten um einen Krieg zu führen. Der Krieg gegen den Irak war ohne Zustimmung des UN-Sicherheitsrates, ja sogar gegen den Willen von diesem geführt worden und war deshalb als bewaffneter Angriffskrieg, der völkerrechtlich verboten war, anzusehen.
Frankreich, Deutschland und einige andere Staaten hatten daraufhin heftig Kritik an den USA geübt, da diese mehr und mehr eine aggressive Expansionspolitik betrieben.
Als Jean fünfzehn Jahre alt war, hatte es Krieg in Syrien gegeben. Damals hatte er viele Fragen.
„Warum greifen Israel und die USA denn Syrien an?“, fragte er seinen Vater.
„Weil sie vermuten, dass Syrien Massenvernichtungswaffen besitzt.“
„Aber woher wollen sie das wissen?“
„Sie vermuten es ja nur“, gab der Vater als Antwort.
„Aber rechtfertigt das einen Krieg?“, wollte Jean weiter wissen.
„Eigentlich nicht.“, gab der Vater zu.
„Warum unternimmt dann niemand etwas dagegen?“
Bald hatte sein Vater keine Lust mehr auf seine ständige Fragerei gehabt.
Jean hatte damals Bilder im Fernsehen gesehen, von kämpfenden Soldaten, brennenden Panzern, zerstörten Häusern und verstümmelten Zivilisten.

Jean musste wieder daran zurückdenken, wie er zum ersten mal einen Krieg im Fernsehen miterlebt hatte. Damals hatte er die Schrecken des Krieges nicht richtig wahrgenommen, jetzt wurden sie seltsam real.
Mit seinem Marschgepäck auf dem Rücken rannte er über die staubige Straße hinter Claire und Robert her. Robert und Claire hatte das einzige MG der Truppe und Jean sollte das MG beschützen.
Jean sah über seine Schulter zurück. Drei seiner Kameraden bezogen Stellung in einer Seitenstraße.
Es war eine seltsam zusammengewürfelte Truppe. Zehn Männer und zwei Frauen, die aus ganz Frankreich kamen. Jean kam aus einem Vorort von Paris, Robert von der Mittelmeerküste und Claire aus Bordeaux. Jules Belcour und Richard Augier waren sogar erst in St. Jean-de-Luz zu der Gruppe gestoßen und demnach zwei Außenseiter in der Gruppe. Sie wurden dem Team als Pionier und Scharfschütze zugeteilt.
Jules war nun damit beschäftigt, Sprengladungen an einzelnen Gebäuden der Hauptstraße anzubringen.

Als Jean seine Wehrpflicht in der französischen Armee absolviert hatte, bahnte sich schon ein neuer Konflikt an. Frankreich, Deutschland, Belgien und Luxemburg hatten nach der diplomatischen Niederlage im Irak-Krieg ihr Militär aufgerüstet und zum Teil unter eine gemeinsame Führung gestellt, um ihrer Diplomatie künftig Nachdruck zu verleihen. Nach dem Krieg in Syrien war die militärische Überlegenheit der USA deutlich geworden und Frankreich hatte damit begonnen, sein Militär zu modernisieren.
Belgien, Deutschland, Frankreich und Luxemburg hatten ihre gemeinsame Truppe sogar noch weiter ausgebaut und hatten aus ihr eine 8 000 Mann starke Division mit der modernsten Bewaffnung und Ausrüstung gemacht, die im Ernstfall auf 16 000 Mann vergrößert werden konnte. Die „Division Europa“ umfasste 3 000 französische, 2 000 deutsche, 2 000 belgische und 1 000 luxemburgische Elitesoldaten.
Die USA hatten von Frankreich den Abbruch der Aufrüstung gefordert, aber Frankreich war hart geblieben. Erst als die Amerikaner erfuhren hatten, dass die Franzosen den zivilen Satelliten „Europa 1“ zur Steuerung für eigene Marschflugkörper benutzt hatten und damit das amerikanische GPS-Satellitensystem kopierten, schlugen sich auch Großbritannien und einige andere Länder auf die amerikanische Seite. Außer Frankreich waren Großbritannien und die USA die einzigen Länder, die über satellitengesteuerte Marschflugkörper verfügten.

Jean, Claire und Robert saßen in dem stuckverzierten Haus am Ende der Straße und warteten. Keiner sagte ein Wort, Claire trank einen Schluck aus ihrer Feldflasche und Robert rauchte eine Zigarette.
Der Raum, in dem sie sich befanden, sah seltsam leer aus. Alles war noch so, wie es die Bewohner zurückgelassen hatten. Außer zwei leeren Regalen, einem kaputten Stuhl und einem leeren Schrank war nichts im Raum übrig.
Robert wuchtete den Schrank zu Boden und stellte das MG dahinter auf.
Es war schwül und stickig in dem Raum. Jeans grüner Tarnanzug triefte vor Schweiß.

Die USA hatte die Abrüstung Frankreichs und insbesondere die Vernichtung von Marschflugkörpern und das Verbot einer militärischen Nutzung von europäischen Satelliten verboten.
Russland und China hatten Frankreich unterstützt, da sie die aggressive expansionistische Politik der USA strikt ablehnten.
Die USA und Großbritannien hatten ihr Anliegen im UN-Sicherheitsrat vorgetragen, hatten aber dadurch nur wenig erreicht. Frankreich und Deutschland hatten daraufhin ihren Austritt aus der NATO bekannt gegeben und die Ausweisung aller NATO-Soldaten aus ihren Ländern verlangt.
Die USA und Großbritannien hatten daraufhin ihre Truppen aus Belgien, Luxemburg, Deutschland und Frankreich abgezogen, aber trotzdem weiterhin versucht Luxemburg und Belgien auf ihre Seite zu ziehen.
Zu dieser Zeit hatte Jean gerade die Ausbildung zum Marinesoldaten angefangen.

Jean schaute in das sonnenverbrannte und schweißnasse Gesicht von Claire. Sie war eine von zwei Frauen im Team. Die Männer waren eigentlich gegen die Ausbildung von Frauen gewesen, aber als der Krieg ausbrach war man um jeden Mann und jede Frau froh, die eine militärische Ausbildung genossen hatten.
Es herrschte angespanntes Schweigen. Jean sah auf sein Gewehr. Eine M-16 mit Granatwerfer – ausgerechnet ein amerikanisches Gewehr.

Mit Entrüstung hatte Jean nach seiner Ausbildung wie gelähmt beobachten müssen, wie die Diplomatie von den Amerikanern als „gescheitert“ erklärt wurde.
Die USA hatten den Franzosen ein letztes Ultimatum gestellt und ihrer Forderung den nötigen Nachdruck verliehen, indem sie 120 000 amerikanische und 50 000 britische Soldaten in Spanien stationiert hatten.
Dieses aggressive Vorgehen rief Stürme der Entrüstung in der Welt hervor, aber niemand traute sich etwas gegen die Weltmacht USA zu unternehmen.
Die französische Armee hatte daraufhin Stellung in den Pyrenäen bezogen, aber auch die Amerikaner, Briten, Spanier und Neuseeländer hatten ihre Truppen immer weiter weiter verstärkt. Auf etwa 300 000 hatten Experten die Zahl an Soldaten der Koalition geschätzt.
Neben der „Division Europa“ hatten die Franzosen etwa Truppeneinheiten mit einer Gesamtstärke von 500 000 Mann bereit stehen.

Schöne Scheiße, dachte Jean. Vor zwei Wochen hatte er seine Eltern besucht und mit ihnen über den Skandal gesprochen, den die USA begingen. Jetzt saß er in einem Haus in St. Jean-de-Luz und wartete darauf, dass die Amerikaner kommen würden.
„Schaut euch das an.“, sagte Robert und zeigte aus dem Fenster auf den Horizont. Dunkle Rauchwolken stiegen dort auf.
„Ich weiß nicht wie es euch geht, aber ich habe das Gefühl, als ob die Scheiße immer näher kommt.“, meinte Claire.
„Geht mir genau so“, gab Jean zu.
„Ich weiß nicht wie du darüber denkst“, meinte Robert plötzlich zu Jean, „aber ich traue Fotzen nicht.“
Claire ignorierte die Bemerkung.
„Ich meine, wenn es mal richtig drauf ankommt, hast du sowieso Schiss. Mir gefällt nicht, dass ausgerechnet du der zweite Schütze bist“, stänkerte er offen gegen Claire. Er war einer von den Rekruten, die sehr ungehalten über die Ausbildung von Frauen gewesen waren.
Über das Head-Set meldete sich Sergeant Paulot. Gerade im richtigen Augenblick, denn die drei Elitesoldaten waren allesamt sehr angespannt und gereizt von der langen Reise und den Strapazen der letzten Tage.
„Wir haben Richard in dem Hotel auf der anderen Seite postiert. Macht ihm die Straße sauber, wenn er in Bedrängnis gerät. Falls ihr fliehen müsst, dann haltet euch von der Hauptstraße fern, die ist vermint.“
„Verstanden“, gab Jean zurück.

Als das Ultimatum abgelaufen war geschah zunächst gar nichts. Erst um 4:20 Uhr nachts schlugen die Amerikaner los. Dann aber gleich richtig. Etwa ein Dutzend Marschflugkörper waren von Spanien aus nach Frankreich gestartet. Auch wenn das französische Raketenabwehrsystem mehrere Raketen abgefangen hatte, wurden drei Fabriken in Frankreich zerstört, in denen angeblich Marschflugkörper hergestellt wurden. Dabei wurden die ersten einundzwanzig zivilen Opfer des Krieges beklagt.
Die Franzosen hatten im Laufe des Tages den Beschuss mit Marschflugkörpern auf die Koalitionstruppen erwidert, aber die Amerikaner hatten alle französischen Raketen abgefangen.
Daraufhin hatte die amerikanische Offensive mit Marschflugkörpern auf die französischen Stellungen in den Pyrenäen begonnen. Die Franzosen hatten behauptet, alle Raketen abgefangen zu haben. Es folgten die ersten Luftangriffe auf die Stellungen der französischen Armee, bei denen die Amerikaner einen alten F-18 Hornet verloren.
Die schweren Luftangriffe hatten auch die ersten sieben toten Briten und Amerikaner gefordert. Nachdem ein F-19 Kampfjet abgeschossen wurde, wurde der Sea-King Rettungshubschrauber, der den abgeschossenen Pilot hätte bergen sollte, ebenfalls erfasst und vernichtet. Dabei waren die fünf Besatzungsmitglieder des Hubschraubers gestorben und der Pilot des Kampfjets wurde gefangen genommen. In der Nacht wurden zwei weitere Kampfjets durch die französische Flugabwehr abgeschossen.
Der Paukenschlag der Amerikaner hatte dann in der gleichen Nacht begonnen, als neben mehreren Marschflugkörpern auf die Pyrenäen auch sechs Marschflugkörper auf die beiden französischen Flugzeugträger im Mittelmeer abgeschossen wurden. Zwar waren die Schiffe nicht gesunken, aber neben der Zerstörung von einhundertfünfundvierzig Kampfflugzeugen hatten auch über siebzig Matrosen und Piloten ihr Leben lassen. Die Franzosen hatten beide Flugzeugträger selbst versenken müssen.
Am nächsten Tag hatte es die ersten Angriffe auf französische Städte gegeben, vor allem Bordeaux, bei denen dreiundvierzig Zivilisten ihr Leben lassen mussten. Gleichzeitig war es zu ersten Artilleriefeuergefechten in den Pyrenäen gekommen. Die französischen Truppen waren weiterhin pausenlos bombardiert worden, während die französische Luftwaffe selbst erheblich geschwächt war.
Ein französischer Marschflugkörper auf das US-Hauptquartier auf den Azoren war am nächsten Tag abgefangen worden. Deutschland und Belgien hatten Frankreich offiziell mit Waffen unterstützt, während die Koalition etwa 2 000 neuseeländische und 20 000 spanische Truppen in ihren Reihen hatte.
Dies war der Tag, an dem Jean mit der RIMA-Einheit in den Süden verlegt wurde.
Nachdem die Amerikaner einen weiteren Kampfjet in den Pyrenäen verloren hatten, gab der amerikanische Oberkommandierende General Newman bekannt, dass man die französische Flugabwehr unterschätzt hätte und es begannen die pausenlosen Angriffe von den modernen F-25 Kampfflugzeugen und den F-117 Tarnkappenjägern auf die französische Luftabwehr, die gegen diese Flugzeuge nichts ausrichten hatte können und binnen eines Tages fast vollständig ausgeschaltet worden war.
Erste Spähtruppen waren am dritten Tag in die Pyrenäen geschickt worden. Die französische Luftwaffe hatte dabei eine dieser Spähtruppen erfasst und vier Amerikaner getötet. Eine französische Langstreckenrakete hatte zudem einen amerikanischen Militärstützpunkt in Syrien zerstört und dabei drei Amerikaner und sechzehn Syrer getötet.
Auf dem Weg in den Süden hatte Jean entdeckt, dass die französische Armee die Wälder hinter der Front abgeholzt hatte, damit die Amerikaner bei einem möglichen Vormarsch im Winter kein Holz hatten um sich Unterschlupfe zu bauen.
Als die RIMA-Einheit im Süden ankam, wurde Jean zusammen mit einhundertelf Kameraden dazu eingeteilt, Manöver im Hinterland durchzuführen.
Nachdem die französische Luftabwehr ausgeschaltet worden war, flogen die B-52 und B-55 Bomber sowie die B-2 Tarnkappenbomber erste Angriffe auf die Stellungen in den Pyrenäen.
Am Morgen des vierten Tages hatte dann der angloamerikanische Vormarsch in die Pyrenäen begonnen.
Um 11:00 Uhr wurde Jeans Einheit nach St. Jean-de-Luz gerufen.

„Sie kommen!“
Jean war in Gedanken versunken.
„Sie kommen!“, wiederholte die Stimme aus Jeans Head-Set wütend.


Kapitel 1

St. Jean-de-Luz, Südfrankreich
12. Oktober, 16:00 Uhr Ortszeit


Der Lärm war ohrenbetäubend. Zwischen den gewaltigen Explosionen, bei denen das ganze Zimmer vibrierte, hörte man das Knattern der Flugabwehr und dumpfe Detonationen in weiter Ferne.
„Spähtruppe“, meldete sich Richard über das Headset. „Ich kann nicht erkennen wie viele, aber die haben einen Panzer.“
Das Haus erzitterte und der Putz fiel von der Decke.
Jean riskierte einen Blick aus dem Fenster. Ein amerikanischer Spähpanzer war in die Hauptstraße eingedrungen und auf eine Mine gefahren. Augenblicklich zündete Jules die Sprengfallen und der Panzer verschwand in einer Wolke aus Schutt und Staub.
Robert eröffnete das Feuer und schoss wie wild auf die Staubwolke. Die Amerikaner schossen zurück und Robert und Claire mussten in Deckung gehen, als sich einige Kugeln in die hintere Zimmerwand bohrten.
Überall wurde geschossen. Schreie der Verwundeten hallten zwischen den Häusern. Eine Granate detonierte auf der Straße.
Robert wagte sich wieder hervor und feuerte eine kurze Salve auf die Straße, eher er wieder in Deckung ging.
Jean hob seinen Kopf. Auf der Straße lagen fünf tote oder zumindest verwundete Amerikaner und zwei weitere sah er in eine Seitenstraße rennen. Er hob seine M-16 und feuerte für zwei Sekunden in die Richtung der beiden. Dann wich er zurück. Er wusste nicht, ob er einen getroffen hatte. Er hatte in seinem ganzen Leben noch keinen Menschen getötet.
Neben ihm knatterte wieder Robert mit seinem MG, zwischen den kurzen MG-Salven feuerte Jean willkürlich auf die Straße.
Die Amerikaner hatten die Stellung der drei schon längst entdeckt. Kugeln schlugen neben dem Fenster ein. Claire kreischte hysterisch, als eine Kugel nur knapp neben ihr einschlug.
Verzweifelt versuchte Jean zu erkennen, woher das Feuer kam, doch immer wenn er seinen Kopf hob, feuerten die Amerikaner erneut und deckten das Fenster mit einem wahren Kugelhagel ein.
Robert entsicherte eine Handgranate und schleuderte sie kurzerhand aus der Deckung heraus blind aus dem Fenster.
Jean wartete auf die Explosion. Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor.
Plötzlich explodierte die Granate. Jean hob den Kopf. In dem Durcheinander auf der Straße konnte er jetzt zwei Amerikaner entdecken, die sich hinter einer Hausecke verschanzten.
„Sie sind hinter dem blauen Haus“, schrie Jean laut in sein Headset. „Richard, hast du sie im Schussfeld?“, fragte er.
„Negativ“, antwortete dieser.
Plötzlich hörte Jean Schüsse und die Zimmertür wurde von Kugeln durchsiebt. Jean sprang zur Seite und schrie laut.
Neben ihm fiel Robert auf den Boden und röchelte nach Luft. Er presste eine bluttriefende Hand an den Hals.
Jean feuerte im Liegen auf die Tür. Nach einigen Schüssen stellte er abrupt das Feuer ein und horchten in die Stille hinein. Die Stille war unheimlich.
„Robert?“, schrie Claire. Als keine Antwort kam, packte sie nervös ihre M-16 und zielte auf die Tür.
Jean rappelte sich wieder auf. Gewehrkugeln zerstörten die Stille, als sie ohne jede Vorwarnung durch die durchlöcherte Tür schlugen.
Jean entsicherte seinen Granatenwerfer an der M-16, während Claire den Beschuss erwiderte.
„Weg von der Tür“, schrie er Claire an.
Jeans Hände zitterten, als er den Abzug des Granatwerfers, der unter dem Gewehrabzug angebracht war, betätigte. Als die Granate den Trichter verließ, wurde die M-16 mit einem gewaltigen Rückstoß gegen Jeans Schulter gedrückt. Augenblicklich schlug die Granate in der Tür ein und zerfetzte sie. Jean und Claire wurden von der Druckwelle zu Boden gerissen.
Jean wartete. Man konnte die Explosionen in weiter Ferne hören, aber in dem Außenbezirk ihres Teams wurde nicht mehr gekämpft.
Jean rappelte sich auf und sah Robert. Er hatte eine Kugel in die rechte Schulter und zwei Kugeln in den Hals abgekriegt und lag in einer großen Blutlache.
„Robert?“, fragte Claire.
Jean starrte ihn wie gelähmt an und traute sich nicht, irgendetwas zu unternehmen.
Claire beugte sich über ihn.
„Oh mein Gott“, stammelte sie. „Er atmet nicht mehr.“
Die beiden standen unter Schock. Claire sackte weinend zusammen.
Jean sah zur zerstörten Tür. Die Wand war blutbespritzt und teilweise völlig zerstört. Die Überreste von zwei zerfetzten Leichen waren dort verstreut.
Draußen hörte man wieder Schüsse. Jean sah zum Fenster hinaus und sah, wie die anderen Mitglieder seines Teams unbarmherzig die verwundeten und toten Amerikaner mit Kugeln durchsiebten.
Jetzt hatte er seinen ersten Menschen getötet.

Östliche Pyrenäen, Grenzgebirge zwischen Frankreich und Spanien
12. Oktober, 20:30 Uhr


Abdul Al-Temyat, ein früherer Araber, lag zusammen mit seinem Kameraden Bob im Schützenloch. Bob kam eigentlich aus Senegal, aber jetzt war er Franzose, genau wie Abdul.
Über ihnen flog eine amerikanische F-25.
„Kopf runter!“, schrie Abdul. Die beiden legten sich so flach auf den Boden, wie es nur möglich war, aber das Kampfflugzeug flog einfach über sie hinweg.
Bob atmete auf.
Der einstmals bewaldete Boden war jetzt völlig kahl und brandgeschwärzt. Die Franzosen hatten den Großteil des Waldes abgeholzt. Wenn es kalt werden würde, dann hatten die Amerikaner an der Front kein Feuerholz.
Neben dem Schützenloch lagen mehrere Leichen verstreut und mehrere rauchende Krater bedeckten den Boden.
Abdul streifte sein Nachtsichtgerät über sein Gesicht.
„Siehst du etwas?“, fragte der Schwarze neben ihm.
„Negativ.“, meinte Abdul.
Abdul war kurz vor Beginn des Krieges freiwillig in die Armee eingetreten, weil er nicht vergessen konnte, was Israel und die USA im Irak, in im Iran, in Palästina und in Syrien angerichtet hatten.
Bob war eingezogen worden, so wie viele Schwarze in Südfrankreich.
Seit zwei Tagen lagen die beiden schon in ihrem Loch auf dieser Anhöhe. Sie waren ein vorgeschobener Artillerie-Kundschafter Vorposten. Ursprünglich waren sie zu neunt gewesen, aber die Amerikaner hatten den Vorposten entdeckt und ihn mit Artilleriefeuer eingedeckt. Eine F-25 hatte die kleine Truppe dann schließlich zerbombt. Bis vor wenigen Stunden waren sie noch zu dritt, aber ihr Kamerad war an seinen Verletzungen gestorben.
Wenigstens hatten die Koalitionstruppen den Vorposten als ausgeschaltet gemeldet, sodass die amerikanischen Truppen die beiden französischen Soldaten auf ihrem Vormarsch einfach umgangen hatten. Bob und Abdul hatten sich ganz flach auf den Boden gedrückt und sich nicht bewegt, als die amerikanischen und britischen Soldaten an ihnen vorbei marschiert waren. Sie kamen ins Schwitzen und das Adrenalin schoss ihnen ins Blut, aber die Amerikaner ließen sie einfach liegen und marschierten den Hang hinauf.
Nur zu gerne hätte Abdul einfach sein Gewehr genommen und jedem vorbeilaufenden Amerikaner in den Rücken geschossen, aber das wäre sein Ende gewesen.
Am Morgen hatten sie ihre Position durchgefunkt, aber bis jetzt war noch nichts passiert.
„Wenn der verdammte Hubschrauber noch kommen soll, muss aber bald kommen“, meinte Abdul verärgert.
Bob nickte stumm. Er suchte die Umgebung ab. Kein Feind weit und breit, aber auch kein Verbündeter. Am nördlichen Horizont konnte man Rauch aufsteigen sehen und vereinzelt hörte man auch weit entfernte Explosionen.
Von wegen amerikanischer Heldentum. Abdul ärgerte sich. Was für eine Ironie, dass in diesen verdammten Hollywood-Filmen immer der amerikanischen Heldentum hochgelobt wird. In Wirklichkeit bomben sie solange alles zusammen, bis alles zerstört ist. Dann stürmen sie vor und sollte sich in dem zerbombten Feindland noch irgendwo in einer Mondlandschaft unverhoffter Widerstand regen, dann ziehen sie sich wieder zurück und zerschießen den Widerstand mit Artillerie. Schöner Heldenmut.
„Ist das ein Flugzeug?“, fragte Bob in seinem senegalesischen Akzent.
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das wars erst ma ...
 
Zuletzt bearbeitet:
*schluck*, also ich muss schon sagen...zunächst einmal bin ich beeindruckt von deinem Schreibstil; du schilderst alles sehr plastisch und anschaulich...man kann sich als Leser alles sehr gut vorstellen...

Interessant ist natürlich die Situation, die du hier entwirfst, gerade weil dieses Thema aktuell ist..gut, ich persönlich kenne mich nicht mit der Truppenstärke Deutschlands und den militärischen Details aus -.-", aber dein Szenario wirkt imho sehr glaubhaft...vielleicht so oder ähnlich könnte es sich doch wirklich ereignen (?)...

Egal, ich bin auf alle Fälle gespannt, wie es bei dieser Geschichte weitergeht :)...
 
Jepp, ein Lob für realistische Schilderung. Meckern muss ich allerdings, weil du die Zeiten konsequent mit Füßen trittst - man darf auch mal das Plusquamperfekt benutzen ;)
Ansonsten sind mir nur so Kleinigkeiten aufgefallen: Gibt es in Frankreich eigentlich Sergeants? Ist es realistisch, dass Luxemburg 1.000 Elitesoldaten stellen kann? Und dienen in der Fremdenlegion Franzosen? Ich bin da nicht so der Experte...
Bewertung: 2
>>> Wer keine Bewertungen will, soll es sagen.
 
Original geschrieben von stLynx
Jepp, ein Lob für realistische Schilderung. Meckern muss ich allerdings, weil du die Zeiten konsequent mit Füßen trittst - man darf auch mal das Plusquamperfekt benutzen ;)
Ansonsten sind mir nur so Kleinigkeiten aufgefallen: Gibt es in Frankreich eigentlich Sergeants? Ist es realistisch, dass Luxemburg 1.000 Elitesoldaten stellen kann? Und dienen in der Fremdenlegion Franzosen? Ich bin da nicht so der Experte...
Bewertung: 2
>>> Wer keine Bewertungen will, soll es sagen.
Also, bitte beispiele für die Zeitfehler ... :)

Natürlich gibt es in Frankreich Sergeants. In Deutschland gibts die ja auch, nur heissen die bei uns anders ... und "Serschont" ist ja auch französisch ...
In Luxemburg gibt es ja auch ca. ne Mio Einwohner, oder sogar mehr. Außerdem haben die ja auch Militär, die gehören ja zum neuen Militärbund zwischen Belgien, Frankreich und Deutschland und eben Luxemburg.

Fremdenlegion? Ich hab geglaubt ist französisch ... muss ma nachschauen.
 
ach so, stimmt ja ... bei einem Krieg wird die Fremdenlegion aufgestockt.

bitte um mehr antworten ...
 
Zuletzt bearbeitet:
Zeitenfehler: Naja, eigentlich müssten alle Absätze, die Vergangenes erzählen (also z.B. den Zusammenschluss von Deutschland, Frankreich & Co., die Stationierung der Truppen, die Versenkung der Flugzeugträger) im Plusquamperfekt stehen.
Man kann das zwar auch sozusagen als parallel geschilderte Handlung auffassen, es liest sich aber normalerweise flüssiger, wenn du die Vorvergangenheit verwendest - so oft hintereinander könnte es aber auch schon wieder a bissl gewöhnungsbedürftig klingen :rolleyes:

Sergeants: Hm, ja, die heißen bei uns anders - genau das meinte ich ja; ich wollte wissen, ob die in Frankreich auch Sergeants heißen ;) Aber offenbar ja schon, ich war mir da nicht so sicher.

Luxemburg: Naja, ne Million Einwohner - 1000 Elite (!)-Soldaten, also kommt auf 1000 Einwohner ein Elite-Soldat. Bei Deutschland kommt da hingegen einer auf 40.000 Einwohner! Das ist doch etwas unverhältnismäßig, oder? In Luxemburg wär ja demnach ein viel größerer Anteil der Bavölkerung Elitesoldat - und die "normalen" Soldaten müsste es ja auch noch geben...
 
also die geschichte spielt in feeeerner zukunft ... jean sucht als kind im internet dateien über den irakkrieg von 2003 ... also ist der damals schon lange vergessen ...
eine f-25 beispielsweise gibt es noch gar nicht (offiziell).

das ganze ist ein zukunfstszenario, deshalb muss nicht alles detailgetreu sein.

da ich selbst noch ein paar fehler fand, also z.B. dass es 2 MG SChützen sein müssen und die Fremdenlegion wirklich Ausländer besteht, hab ich den TEil oben editiert ... bitte um Reaktionen darauf !!!
 
Und da hast du schon einen neuen Leser!
Die Geschichte gefällt mir sehr. Die Gefühls- und Umgebungsbeschreibungen sind sehr gut erfasst.
Leider muss ich mich stLynx anschließen, was die Truppenstärke Luxemburgs befasst. Luxemburg hat momentan nur eine halbe Million Einwohner und und hat höchstens 5000 Soldaten(und ich glaube kaum dass davon ein Fünftel Elitesoldaten sein soll) selbst wenn die Einwohner um das Doppelte oder gar dreifache angestiegen sein sollte, könnte es kaum 1000 Elitesoldaten aufstellen, aber egal...

Mach schnell weiter!
 
also, wie ich schon gesagt hab, da muss ja net alles stimmen, weil das in der zukunft spielt.
gut, 1000 elitesoldaten sind zuviel, in luxemburg sind einfach alles elitesoldaten, weil die gar keine anderen soldaten haben ... :D
zum bisher geposteten. noch mal überarbeitet, da ich jetzt gesehen habe, dass Biarritz und St. Jean de Luz noch näher an den Pyrenäen liegen. :(

den neuen Teil häng ich gleich oben mit an!!!
 
St. Jean-de-Luz, Südfrankreich
12. Oktober, 21:00 Uhr


Major Paulot hatte die 2. Brigade der RIMA-Einheit in Frejus im südfranzösischen Département Var kurz vor Kriegsbeginn ausgebildet. Allesamt waren junge und unerfahrene Leute, die jetzt in St. Jean-de-Luz stationiert waren. Als es zum Krieg kam, ließ sich Major Paulot zum Sergeant degradieren, weil das die einzige Möglichkeit war um selbst in den Krieg zu ziehen.
Den ersten Angriff der Amerikaner hatte die junge Truppe mit Mühe und Not abgewehrt. Dabei waren zehn Amerikaner ums Leben gekommen. Allerdings hatte die Einheit auch fünf Tote und drei Verwundete zu beklagen.
„Basim, Jaques, Elisa, Robert und Bruno“, zählte Jean auf.
„Alle tot“, fügte Claire verbittert hinzu.
„Schnauze halten“, brüllte Sergeant Paulot sie an.
Der Sergeant war zusammen mit dem Scharfschützen Richard, Jean und Claire der einzige unverletzt gebliebene Überlebende.
Die drei Verwundeten waren auf die Straße gebracht und versorgt worden. Jules, der Pionier, sah ziemlich schlecht aus. Das Fleisch hing in Fetzen an seinem linken Armstumpf herab und er war übel verbrannt. Ein weiterer Soldat hatte eine Schussverletzung im rechten Oberschenkel. Der dritte war gar nicht mehr bei Bewusstsein, denn er hatte viel Blut verloren. Als Jean ihn sich näher ansah, bemerkte er, dass er drei Einschusslöcher im Bauch hatte.
Jean sah die anderen an. Außer Robert hatten aus seiner Gruppe alle überlebt. Jetzt verstand er auch warum, denn er hatte die wohl sicherste Stellung des Vororts gehabt, immerhin war das MG auch enorm wichtig für die Einheit.
Claire hatte das MG aus dem Haus herausgeschafft.
„Die Amerikaner haben sich in den meisten anderen Vororten festgesetzt“, fuhr Sergeant Paulot fort. „Sie werden sich nicht auf einen Häuserkampf mit uns einlassen, das heißt, wir werden wohl ausgehungert oder ausgebombt.“
Betretenes Schweigen herrschte.
„Schöne Scheiße“, bemerkte Richard, der aus seiner Scharfschützenstellung herausgekommen war.
In der Ferne war deutlich vereinzeltes MG-Feuer zu hören.
„Die Amerikaner rücken auf der ganzen Front nach Norden vor. Sie stehen jetzt auch vor Biarritz und Bayonne. Von der 5e Infanterie Division ist fast nichts mehr übrig.“, bemerkte der Sergeant niedergeschlagen.
„Ich und Claire gehen an das MG. Richard geht zurück in sein Hotel und hält uns den Rücken frei. Jean, du gehst mit ihm.“, befahl der Sergeant.
Aber Jean hörte ihn nicht. Er starrte wie gelähmt in den Himmel.
„Jean?“, fragte Sergeant Paulot verärgert.
Jean streifte sich sein Nachtsichtgerät über. „Seht euch mal diese Lichter an“, sagte er und zeigte in den Himmel.
Der Sergeant verstand. „Kampfjets!“, rief er.

Östliche Pyrenäen, Grenzgebirge zwischen Frankreich und Spanien
12. Oktober, 21:00 Uhr

Nummer zwei
, dachte er. Dieser Amerikaner hatte verdammt was drauf gehabt. Louis Audry musste daran denken, wie er sich gerade das härteste Luftduell seines Lebens geliefert hatte. Na ja, es war ja auch erst das zweite, fiel ihm dann ein.
Er drehte sich noch einmal um. In ein paar Kilometern Entfernung deutete qualmender Rauch auf ein abgestürztes Flugzeug hin. Sein Flugzeug. Ein „Eurofighter IV.“, das französische Gegenstück zum amerikanischen F-25. Die Hälfte des Bestandes der neuen Flugzeuge war allerdings im Mittelmeer nach dem amerikanischen Raketenangriff auf die französischen Flugzeugträger zerstört worden. Wieder eine weniger, dachte Louis.
Er hatte seine Pistole in der Hand. Bedient hatte er sie schon ein paar mal, aber er war sich nicht sicher ob er einen Menschen damit töten konnte.
Zumindest würde er wohl auf die Amerikaner treffen, da er sich jetzt ziemlich weit hinter den feindlichen Linien befand.
Plötzlich wurde Louis festgehalten. Er wollte schreien, aber jemand drückte ihm eine Hand auf den Mund und entriss ihm mit der anderen die Pistole. Er wurde zu Boden gedrückt und jemand kniete sich auf ihn.
Der Mann nahm die Hand von Louis’ Mund und richtete einen Gewehrlauf auf den Piloten.
„Freund oder Feind?“, fragte der stämmige Kerl mit einem deutlichen Akzent.
„Franzose“, stammelte der erstaunte Pilot.
Augenblicklich ließ der Mann von ihm ab und zog ihn wieder auf die Beine.
„Tut mir leid“, meinte er nur trocken. Louis bemerkte, dass der Soldat ein Schwarzer war, ein Tier von einem Schwarzen. Niemals hätte er eine Chance gegen diesen riesigen Kerl gehabt.
Ein zweiter Mann erschien plötzlich wie aus dem Nichts.
„Name und Dienstgrad“, meinte er.
„Louis Audry, Flieger beim 3. Jagdgeschwader.“
„Und was suchst du hier?“, fragte der zweite Soldat weiter.
„Ich habe einen amerikanischen Vogel abgeschossen, aber der Scheißkerl hat meine Maschine kurz vor seinem Tod noch einmal getroffen und ich musste mit dem Schleudersitz raus.“
„Ich heiße Abdul Al-Temyat. Das da ist Bob. 21e Infanterie Division.“ Abdul streckte dem Piloten die Hand entgegen. Louis zögerte kurz, ehe er die dargebotene Hand schüttelte.
„Komm mit“, forderte Abdul den Flieger auf. Bob gab Louis die Pistole zurück.
Die beiden Soldaten gingen geduckt voran. Abdul drehte sich um und sah, dass Louis mit erhobenem Haupt, wie beim Exerzieren, hinterhermarschierte.
„Kopf runter!“, wies er ihn an. Erschrocken ging der Pilot in die Knie.
„Wir sind hier im Feindgebiet“, meinte Bob.
 
Zuletzt bearbeitet:
"Östliche Pyrenäen, Grenzgebirge zwischen Frankreich und Spanien" - dass das das Grenzgebirge ist, darf man denk ich als Vorwissen voraussetzen, müsstest du nicht immer erwähnen ;)
Ansonsten waren die neuen Teile gut, vor allem auch, weil ein zweiter Schauplatz eröffnet wurde. Nur Claire hat mir nicht gefallen, die wirkt etwas zu weich fürs Militär...
Bewertung: 2-
 
Das St. Jean-de-Luz in Südfrankreich liegt, kann man auch wissen, aber das gehört zu jedem Ort einfach dazu als überschrift.

Bei Claire, wer hätte bei der was anderes erwartet?

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Paris, Lageraum der Regierung
12. Oktober, 22:00 Uhr

Präsident Vincent Beauvallet betrat mit seinem Sicherheitspersonal den Raum.
Mehrere Bildschirme zeigten Satellitenbilder von „Europa 1“. Es herrschte geschäftiges Treiben im Lageraum, mehrere Leute saßen an gut einem Dutzend Computern, andere liefen hin und her, trugen Veränderungen in Karten ein und gaben Befehle an rangniedrigere Kollegen und wieder andere saßen einfach nur auf ein paar Stühlen. Der Präsident setzte sich zu ihnen.
„Generalissimus Ingroville, ich bitte um einen Lagebericht.“, wandte er sich an den finster dreinblickenden Mann neben ihm.
Der Generalissimus seufzte. „Im äußersten Westen der Pyrenäen stand die Division Daguet mit fünftausend Mann der Fremdenlegion und zehntausend Paras. Sie sind vor Hendaxe an der Atlantikküste schwer durch feindliche Luftangriffe getroffen worden und mussten sich nach der amerikanisch-britischen Bodenoffensive weit zurückziehen. Sie haben vergleichsweise geringe Verluste von fünftausend Toten, Vermissten oder Verwundeten.“
Beauvallet seufzte ebenfalls.
Der Generalissimus fuhr fort: „Nordöstlich der Division Daguet stand die Division Europa, um den Nachschub zu sichern und einen etwaigen Rückzug zu decken. Sie wurde nicht in Kampfhandlungen verwickelt.“
Der Präsident atmete auf. Wenn den deutschen, belgischen oder luxemburgischen Soldaten etwas zugestoßen wäre, hätten die Länder vielleicht ihre Soldaten von der Front abgezogen.
„Südlich der Division Europa stand die 5e Infanterie-Division mit sechzehntausend Mann. Sie hat schwere Schläge aus der Luft hinnehmen müssen und wurde an mehreren Stellen von den Amerikanern überrannt. Sie hat den Rückzug nach Dax angetreten, aber sie mussten zehntausend Tote, Gefangene oder Verwundete hinnehmen. Außerdem wurden von ihren dreißig Panzern zwanzig zerstört und zudem die gesamte Flugabwehr zurückgelassen.“
Der Präsident schüttelte den Kopf.
„Östlich der 5e Infanterie-Division stand die 2e gepanzerte Infanterie-Division mit fünfzehntausend Mann, hundertfünfzig Panzern und zweihundertfünfzig gepanzerten Wagen. Sie musste sich nach Pau zurückziehen, da die 5e Infanterie-Division neben ihr überrannt wurde. Sie hat keine größeren Verluste.“
„Endlich mal eine gute Nachricht!“, bemerkte der Präsident fast schon sarkastisch.
„Zwischen der 2e gepanzerten Infanterie-Division und der 21e Infanterie-Division westlich von Andorra stand noch die 1. Brigade der 11e Infanterie-Division, die allerdings nach den Bombardements fünfundvierzig Prozent ihrer Kampfkraft eingebußt hatte. Im Verlaufe der Kämpfe wurden sie zurückbeordert um die Löcher bei der 5e Infanterie-Division zu stopfen, was ihnen aber nicht gelang. Sie haben zweitausend Tote, Verwundete und Gefangene zu beklagen. Die 21e Infanterie-Division wurde durch den Rückzug der 1. Brigade der 11e Infanterie-Division von der 5e Infanterie-Division abgetrennt. Die gegnerischen Truppen konnten durch das Loch marschieren und die 5e Infanterie-Division sowie die 21e Infanterie-Division umgehen und im Rücken angreifen. Die 21e Infanterie-Division hat ebenfalls schwerste Verluste von über zehntausend Mann.“
Der Generalissimus legte eine kurze Pause ein, um zu sehen wie der Präsident reagierte, aber dieser reagierte überhaupt nicht. Also fuhr er fort: „Östlich von Andorra bei Perpignan steht die 3. Brigade der 11e Infanterie. Sie hat etwa eintausend Tote oder Verwundete durch gegnerische Luftangriffe erlitten, ist aber noch weitgehend intakt. Am Golfe du Lion stehen die beiden restlichen Brigaden der 11e Infanterie um feindliche Amphibienunternehmen abzuwehren, die den Gegner in den Rücken unserer Front bringen würde. Dazu haben wir noch die 2. Infanterie-Division bei Bordeaux, etwa achtzigtausend Mann an der Atlantikküste und zwanzigtausend Mann an der südöstlichen Küste.“
„Die gesamten Verluste?“, fragte der Verteidigungsminister.
„Achttausend Tote, doppelt so viele Verwundete und etwa viertausend Gefangene und Vermisste.“
„Der Gegner?“, fragte der Präsident hoffnungsvoll.
Der Generalissimus zögerte. „Wir schätzen ihre Verluste auf etwa dreitausend Tote und zehntausend Verwundete.“, sagte er schließlich.
„Amiral Salerou, Ihr Bericht bitte.“
Generalissimus Ingroville setzte sich und Amiral Salerou stand auf.
„Wir haben in Toulon fünfzehn U-Boote stationiert, davon sind zehn atombetrieben und fünf dieselbetrieben. Im Atlantik haben wir zudem zehn U-Boote mit Dieselbetrieb und zehn weitere U-Boote mit Atombetrieb. Dazu kommen im Atlantik zehn dieselbetriebene U-Boote als Anleihe von Deutschland und drei dieselbetriebene U-Boote von Belgien, die unter belgischer Besatzung in unsere Flotte integriert wurden. Im Mittelmeer verfügen wir über fünfundzwanzig Schnellboote, im Atlantik über dreißig Schnellboote. Dazu kommen zehn Schnellboote als Anleihe von Deutschland und fünf Schnellboote als Anleihe von Belgien. Wir verfügen im Atlantik über achtzehn und im Mittelmeer über zwölf Zerstörer und Fregatten. Dazu kommen fünf Zerstörer und Fregatten als Anleihe von Deutschland und ein belgischer Zerstörer. Insgesamt haben wir neun Minensuchboote, elf Tender, acht Tanker und acht Versorger.“
Er räusperte sich kurz. „Im Mittelmeer haben die Italiener ihre Gewässer gesperrt, dazu stehen mit Briten, Spaniern und Amerikanern drei Flotten gegen uns. Durch den Verlust unserer beiden Flugzeugträger ist unsere Mittelmeerflotte stark geschwächt. Unsere Satellitenbilder besagen, dass die Amerikaner fünf Flugzeugträger im Mittelmeer haben. Dazu kommen zahllose U-Boote und mehrere Zerstörer, Truppentransporter und Fregatten. Im Atlantik haben die Briten einen Flugzeugträger, sowie zwei amerikanische Flugzeugträger bereit stehen. Einen Angriff mit Marschflugkörpern auf ihre Flugzeugträger können wir nicht starten, weil sie ständig ihre Positionen wechseln.“
Beauvallet hörte sich alles geduldig an. „Generalissimus Dutoit, Ihr Bericht.“
Der Oberkommandierende der französischen Luftwaffe erhob sich von seinem Platz.
„Durch das Desaster im Golfe du Lion“, dabei warf er dem Amiral einen vorwurfsvollen Blick zu, „sind unsere Kräfte sehr geschwächt. Die Koalition hat uneingeschränkte Lufthoheit über Frankreich. Unser Raketenabwehrsystem Patriot ist ziemlich verbraucht. Einzig vor Paris scheint es noch standzuhalten. Wir haben seit Kriegsbeginn etwa zweihundert Marschflugkörper gezählt, die auf Frankreich und die Front abgeschossen wurden. Unsere Truppen vor Spanien wurden regelrecht zusammengebombt. Die Modernisierung unserer Flugabwehr hat sich gelohnt, denn wir haben seit Kriegsbeginn zwölf feindliche Jagdmaschinen heruntergeholt. Gegen die neuen F-25 und die F-117 Tarnkappenjäger hatte unsere Flugabwehr allerdings keine Chance und sie ist zusammengebrochen. Wir benötigen die versprochenen Flugabwehrraketen aus Deutschland dringend. Unsere Luftwaffe ist nicht in der Lage, sich direkt mit der Royal Air Force und der USAF zu messen, auch wenn dies vor dem Krieg noch denkbar gewesen wäre. Wir setzen derzeit lediglich einige Tornados zu Aufklärungszwecken ein, von denen zwei aber nicht zurückgekommen sind. Zusätzlich fliegen wir defensive Einsätze um unsere Truppen in den Pyrenäen zu schützen. Dabei haben unsere Piloten neun Feindmaschinen heruntergeholt, allerdings haben wir auch drei neue „Eurofighter IV“ verloren, was jetzt einen Gesamtbestand von nur noch siebzehn Maschinen ergibt. Durch Luftangriffe auf Bordeaux, Vichy, Royan, Paris, Lyon und Marseille haben über einhundert Zivilisten ihr Leben gelassen.“
Der Präsident nickte nur kurz. Dann sagte er: „Sie können sich setzen. Ich werde Ihnen jetzt etwas sagen.“ Die Männer waren erstaunt.
„Die Amerikaner sind keine großen Verluste gewohnt. Schon im Ersten Weltkrieg haben sie sich nur auf ihren zahlenmäßigen Vorteil an Material und Soldaten verlassen. Seit dem Zweiten Weltkrieg gehen sie auf eine Weise vor, die sich bis heute bewährt hat. Sie zerbomben den Gegner solange, bis er sich nicht mehr wehren kann und dann kommen sie mit einer Unmenge an Panzern an und überrollen die letzten Reste Widerstand einfach. Sie verlassen sich viel zu sehr auf ihre High-Tech Ausrüstung. Ich sage Ihnen, wenn wir ihnen nur genug Verluste zufügen können und diesen Krieg in seiner Länge hinausziehen werden die Menschen in Amerika bald gegen die Regierung sein und Frieden fordern.“
Beauvallet ließ diese Aussage erst einmal wirken. „Die Amerikaner haben die Überlegenheit in der Luft und zur See, aber nicht an Land. Wir müssen sie in einen Kleinkrieg einwickeln, einen Häuserkampf.“
„Ein Häuserkampf?“, fragte Generalissimus Ingroville. „Aber ich bitte Sie, die Amerikaner werden sich nicht auf diesen Häuserkampf einlassen. Sie werden die umkämpften Städte und Orte einfach umstellen und zusammenschießen. Selbst wenn wir einen Häuserkampf hätten, wären sie im Vorteil, da sie bessere technische Ausrüstung und teilweise eine Ausbildung in einem israelischen Camp für Häuserkampf haben.“
Beauvallet ließ den Einwand nicht gelten.
„Dann müssen wir ihnen den Häuserkampf eben aufzwingen.“, meinte er nur. „Selbst wenn das bedeutet, dass wir Orte wie St. Jean-de-Luz oder Biarritz an Stelle von Toulouse, Bordeaux oder Lyon verteidigen müssen.“
Ingroville schluckte. „Jawohl.“
Aber Beauvallet war noch nicht fertig. „Ich ordne hiermit die Vollmobilmachung an. Wenn es einen Krieg gibt, dann wird es ein konventioneller sein. Sehen Sie zu, dass die Städte und Orte in unmittelbarer nähe zur Front geräumt werden.“
Dann wandte er sich wieder zum Verteidigungsminister. „Wie viele Truppen haben wir noch in Reserve?“
Dieser kramte ein Papier aus seinem Aktenkoffer hervor. Dann las er vor:
„Die 1er Para-Division, die 1. und 2. Brigade der Luftlandedivision, die Marinereservisten, die 5e gepanzerte Infanterie-Division, die 1er Kavallerie Division, die 1er Infanterie-Division ...“
„Wie viele?“, unterbrach der Präsident.
Der Verteidigungsminister war aus dem Rhythmus gekommen. „Ja, ... äh ... alles in allem zweihundertfünfzigtausend Soldaten.“
Beauvallet wandte sich wieder dem Generalissimus zu. „Und wie viele Leute, sagten Sie doch gleich, schützen die Küsten?“
Der Generalissimus antwortete ohne zu zögern: „Einhunderttausend. Darf ich frei sprechen, Herr Präsident?“, fragte er.
Beauvallet gab ihm durch einen Wink zu verstehen, dass er ruhig fortfahren konnte.
„Ich halte das für eine Verschwendung. Die Amerikaner werden garantiert nicht an der Atlantikküste landen. Erstens haben wir unseren größten, von Deutschland und Belgien unterstützten, Flottenteil im Atlantik und zweitens wissen sie, dass unsere Raketenstartrampen für die Langstreckenraketen nach Syrien in Südfrankreich stehen. Diese Truppen würden viel nötiger an der Front gebraucht.“
„Aber Sie wissen, welches Risiko besteht?“, fragte der Präsident. „Wenn wir alle unsere Truppen in den Süden werfen, landen die Amerikaner an der Nordküste und marschieren ohne Widerstand in Paris ein.“
„Aber hunderttausend Mann sind zuviel. Ich schlage vor, zwei Divisionen und eine Brigade zurückzulassen und mit dem Rest nach Süden zu marschieren. Zudem müssen alle Truppen aus Paris und Bordeaux abgezogen werden. Am Mittelmeer reicht eine Brigade.“
„Sie haben ihn gehört“, sagte der Präsident zur versammelten Runde. „Ich will, dass alle verfügbaren Truppen nach Süden marschieren. Jede neue Einheit, die nach der Mobilisierung bereit steht, marschiert sofort ab nach Süden.“
 
Eigentlich wirkte die Besprechung recht realistisch. Nur ein paar Details stören. So geht mir z.B. dieses "5e" etc. ziemlich auf die Nerven. Warum nicht "5."?
"vergleichsweise geringe Verluste von fünftausend Toten" - auch etwas seltsam, das als gering zu bezeichnen, oder?
Und warum sagt der Präsi eigentlich, "wenn ein Krieg ausbricht"? Er ist doch schon ausgebrochen?! Im Übrigen kam für meinen Geschmack das Wort "Anleihe" etwas häufig vor ;)
Bewertung: 3+
 
das mit dem Anleihe is schon okay, denn es ist ja auch n militärischer Bericht und kein Deutschaufsatz, ich finde das unterstreicht auch noch mal das Reale.

5e? Ach so, das sind die französischen Ordnungszahlen, also 3e, troisieme usw. die werden halt bei dem Forum nicht hochgestellt ...

Wenn schon ein Krieg ausbricht, dann soll er konventionell sein, bedeutet, dass wenn dieser Krieg geführt wird, dann konventionell.

wenn man sieht, dass andere Einheiten von ursprünglich fünfzehntausend Mann bis zu zehntausend verlieren, dann sind 5000 relativ gering wenn man sieht, dass sie an vorderster Front kämpfen.

es sind ja auch nicht nur tote, sondern auch verwundete oder gefangene...

ansonsten fänd ichs schön, wenn noch n paar andere sich äußern ...
 
Mir ist schon klar, dass "5e" & Co. französische Ordnungszahlen sein sollen. Aber dann müsste man auch eigentlich alle wörtlichen Reden auf französisch verfassen. Ich meine, du sagst doch nicht:
"Und dann ist da noch die troisième Division, die..."
Ich würde das auch ins Deutsche transferieren und "5." etc. schreiben. An manchen Stellen hast du das ja auch getan.
 
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