Bush-Gegner klagt wegen Misshandlung
Von Matthias Gebauer und Süleyman Artiisik
In Berlin sollen Polizisten vergangene Woche einen Demonstranten an der Konvoi-Route von George W. Bush rücksichtslos zusammengeprügelt haben - nur weil er eine Palästinenser-Fahne schwenkte. Der Libanese klagt jetzt gegen die Polizei, die Innenrevision der Behörde hat die Ermittlungen aufgenommen.
Berlin - Er habe nur zeigen wollen, dass überall auf der Welt Flüchtlinge aus Palästina leben, sagt Khaled M. Deshalb hatte sich der 34-jährige Libanese am 22. Mai an der Scharnweberstraße nahe des Flughafens Tegel postiert und eine palästinensische Fahne mitgebracht. "Diese Fahne wollte ich schwenken, wenn Bush vorbeifährt", sagt Khaled M., "nicht mehr und nicht weniger".
Der mächtigste Mann der Welt jedoch bekam das Zeichen des seit Jahren in Deutschland lebenden Libanesen nicht zu sehen, denn als Bush mit seinem Konvoi durch die Straße in Richtung Regierungsviertel raste, lag Khaled M. mit einem gebrochenen Arm und vielen anderen Blessuren in einer Seitenstraße. Über ihm knieten mehrere Polizisten in Kampfmontur, hielten ihn fest und fuhren ihn schließlich in eine Klinik.
Ganz offensichtlich hat an dem ersten Tag des Bush-Besuchs die "No Tolerance"-Taktik der Polizei gezogen, die sie nach dem Großeinsatz mit mehr als 10.000 Beamten dann auch als vollen Erfolg bezeichnete. Doch eine Woche nach dem Besuch ermittelt die Innenrevision der Behörde wegen des Vorfalls in den eigenen Reihen - noch gegen unbekannt. Der Grund: Khaled M. hat Anzeige gestellt wegen Körperverletzung im Amt. "Ich habe nichts getan, wollte nur meine Meinung äußern und wurde zusammengeschlagen", sagt Khaled M., der immer noch unter Schock steht.
Die Szenen, die Khaled M. und auch mehrere Augenzeugen beschreiben, muten tatsächlich eher nach dem Vorgehen einer skrupellosen Sicherheitsmaschinerie als der Polizei der deutschen Hauptstadt an. Drei Polizeiwagen, die als Vorhut des Bush-Konvois in Richtung Zentrum fuhren, sollen demnach sofort angehalten haben, als sie Khaled M. mit der Palästinenser-Fahne gesehen haben. "Vier Polizisten stiegen aus dem Wagen aus und gingen sofort auf mich los", erzählt er. Die Beamten hätten ihm die Fahne abgenommen, ihn geschlagen und getreten. "Ich habe währenddessen nichts gesagt und getan und mich auch nicht gewehrt", sagt er.
Die Polizisten hätten dann erst mal von ihm abgelassen. "Als ich meine Fahne wieder zurückhaben wollten", erklärt der aus dem Libanon stammende Palästinenser, "sind die Beamten eines zweiten Wagens auf mich losgegangen, haben mich ein eine Seitenstraße gezerrt und auf meinen linken Arm getreten, obwohl ich schon auf dem Boden lag." Als ein Krankenwagen am Ort eingetroffen war, hätten die Polizisten nicht zugelassen, dass die Sanitäter sich um ihn kümmern. "Ich wurde von den Polizisten selbst in das Krankenhaus gefahren", sagt Khaled M.
Für das Vorgehen der Polizei hat Khaled M. mehrere Zeugen, zum Teil Bewohner des Hauses an der Straße und zum Teil welche, die den Zugriff von der gegenüberliegenden Straße beobachteten. Fotos, welche von der Tageszeitung "Junge Welt" bereits zum Teil abgedruckt wurden und die SPIEGEL ONLINE vorliegen, scheinen die Aussagen von Khaled M. ebenfalls zu belegen, obwohl sie nicht die komplette Aktion dokumentieren.
Mittlerweile wurden von einem Gerichtsmediziner bei Khaled M. ein komplizierter Armbruch, mehrere Prellungen sowie Blutergüsse am ganzen Körper festgestellt. Vergeblich hat er bisher versucht, die Identität der prügelnden Polizisten zu ermitteln. "Ich habe sie nach ihrer Dienstnummer gefragt, doch sie wollten sie mir nicht sagen", erinnert er sich. Vielmehr hätten die Polizisten ihn mit rassistischen Bemerkungen beleidigt.
Polizei und Staatsanwaltschaft bestätigten gegenüber SPIEGEL ONLINE die Ermittlungen, Einzelheiten zu dem Fall wollten sie allerdings nicht kommentieren. Die für Dienstvergehen zuständige Abteilung 3 im Landeskriminalamt (LKA) hat bereits erste Befragungen durchgeführt. Merkwürdigerweise jedoch hat die Behörde Khaled M. noch nicht vernommen. Ein Sprecher der ermittlungsführenden Staatsanwaltschaft wollte den Umstand nicht kommentieren.
In Polizeikreisen war zu hören, dass man bisher keine schlüssige Erklärung für den Gewalteinsatz gegen den Libanesen gefunden habe. Offiziell erklärte der neue Polizeipräsident Dieter Glietsch, dass er sich für eine zügige Aufklärung einsetze. Für ihn könnte der Vorgang zu einer ersten Nagelprobe werden. Schon zu Beginn seiner Amtszeit erfährt er, warum seine Einsatzkommandos den Ruf genießen, sie neigten zu exzessiver Gewalt. Auch bei vielen Kollegen im Bundesgebiet gelten manche dieser auch am 1. Mai gern in vorderster Front eingesetzten Truppen von Bereitschaftspolizisten als "Rambos in Uniform", wie es ein Einsatzleiter beim Castortransport im Jahr 2001 schrieb.
Wer die beschuldigten Beamten sind, war am Donnerstag noch unklar, da aber mehrere Zeugen vorhanden sind, müssten die Männer zu identifizieren sein. Zwei der beteiligten Beamten haben gegen Khaled M. bereits ihrerseits Anzeige wegen Beleidigung und Widerstand gegen die Polizei gestellt. Solche Anzeigen sind bei allen Verfahren gegen Polizisten die routinemäßige Reaktion der Beamten.
Khaled M. hat trotzdem noch Hoffnung, dass er gegen die Behörde gewinnen kann. "Ich habe genug Zeugen", sagt er. Außerdem habe selbst eine Polizistin, die den Einsatz beobachtet hatte, gesagt, dass die Schläge gegen ihn völlig ungerechtfertigt gewesen seien. "Die muss es doch schließlich am besten wissen", sagt der Libanese.