Abschluss des dritten Kapitels
Drei Leser, das ist Rekord bei dieser Geschichte. Vielen Dank für eure Rückmeldungen. Hier ist der nächste Teil:
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Filia tat so, als hätte sie das nicht gehört und brachte das Gespräch auf leichtere Bahnen, indem sie alle daran erinnerte, dass eine fertige Muschelsuppe auf dem Tisch stand.
Kurze Zeit darauf saßen sie friedlich zusammen am Tisch. Valtier bekam ein paar Brotstücke in seine Suppe gebröckelt und schlabberte mit Genuss den Inhalt seines Tellers. Xellos, dessen Tischmanieren fehlerlos waren, nahm vorsichtig den ersten Löffel voll und kostete.
„Nun, wie schmeckt sie?“, fragte Filia gespannt.
Xellos ließ langsam den Löffel sinken, schluckte und nickte Aradna zu. „Man merkt deutlich, wer hier den Kochlöffel geschwungen hat. Mein Kompliment an die Köchin“, er sah kurz zu Filia hinüber, „und an die niedere Hilfskraft.“
Filia umklammerte ihren Löffel so fest, als ob sie den silbernen Griff zerdrücken wollte. Sie ahnte genau, dass Xellos es darauf anlegte, sie auf die Palme zu bringen. Was führte er nur im Schilde? Warum wollte er, dass sie die Kontrolle über sich verlor und sich als Drache outete? Betont gelassen tauchte sie ihren Löffel in die Suppe und schenkte ihm ein falsches Lächeln. „Zu freundlich, werter Xellos. Wenn man bedenkt dass ich nur Handreichungen gemacht habe...“
„... dann ist das Ergebnis wirklich verblüffend genießbar“, setzte Xellos noch einen drauf. Die Ader auf Filias Stirn schwoll an und ein Feuer loderte in ihren blauen Augen.
„Bitte ...“, Aradna sah verzweifelt von Xellos zu Filia und wieder zurück. „Bitte, streitet euch doch nicht. Filia-san hat wirklich mehr getan, als nur Dinge gereicht...“
„Das hat keinen Sinn“, schnurrte Valiter und ließ sich auf Aradnas Stuhllehne nieder. „Das ist bei den beiden eine alte Gewohnheit. Die werden nie erwachsen.“
Aradna lachte und langte nach Valtiers Kopf, um ihn genau vor den Ohren zu kraulen, was er mit geschlossenen Augen und gespreizten Flügeln sichtlich genoss.
Xellos schob seinen leeren Teller zurück und beobachtete das Mädchen ein paar Augenblicke lang schweigend. „Du kennst dich erstaunlich gut mit Drachen aus“, sagte er dann unvermittelt. „Hast du schon mal einen getroffen?“
Filia und auch Valtier erstarrten. Aradna ließ die Hand sinken und sah Xellos erstaunt an. „Ich habe noch nie in meinem Leben mit Drachen zu tun gehabt, nicht bevor ich euch getroffen habe. Katzen mögen es doch auch, wenn man sie am Kopf krault, oder?“
„Aber nicht an dieser Stelle vor den Ohren“, sagte Valtier mit gespannter Miene. „Das ist eine Stelle, die nur Drachenbabys besonders mögen.“
„Dann habe ich wahrscheinlich in einem alten Buch davon gelesen“, sagte Aradna und streckte wieder die Hand nach Valtier aus, um ihn weiter zu kraulen. „Auf jeden Fall ist es eine Ehre für mich, einem echten Drachen begegnet zu sein.“
Xellos wollte noch etwas sagen, aber Filia trat ihm kräftig auf die Zehen und brachte das Gespräch wieder auf das Essen, indem sie nach Aradnas Rezept für den Brotteig fragte.
Nachdem sie das Essen beendet hatten, halfen alle beim Aufräumen sogar Xellos ließ sich überreden, den Boden zu fegen während Filia und Aradna den Abwasch machten. Filia ließ kein ungemütliches Schweigen aufkommen und erzählte von den sonderbaren Leuten, die sie schon im Geschäft getroffen hatte. Aradna staunte und lachte und so ging die Zeit schnell vorbei.
„Wir wollen gleich morgen Früh, wenn die Ebbe einsetzt wieder zum Strand“, sagte Filia entschuldigend, als sie sich nach oben begab. „Tut mir echt leid, dass wir nicht mehr Zeit zum Plaudern haben.“
„Mit tut es auch leid“, sagte Aradna, „seit mein Vater gestorben ist, habe ich keinen so schönen Abend mehr gehabt. Vielen Dank für die Hilfe in der Küche.“
„Wir müssen danken für das leckere Essen und die Zimmer“, sagte Filia rasch.
„Stimmt“, hieb der kleine Drache, der auf Filias Schulter saß, in die gleiche Kerbe. „Es ist nicht immer spaßig, im Freien zu schlafen, vor allem jetzt im Sommer, wenn es von Mücken nur so wimmelt. Ich kann dieses Gesurre nicht ausstehen.“
„Mir geht es nicht anders“, lachte Aradna. „Daher habe ich bei vor allen Fenstern Mückengitter angebracht. Ihr werdet ungestört schlafen.“
Sie versprach nicht zuviel. Als am nächsten Morgen die Sonne auf Filias Gesicht schien, reckte sie sich und schlug die leichte Decke zurück. Der blaue Himmel versprach einen wunderbaren Tag. Valtier, der auf einem dicken Kissen auf dem einzigen Tisch im Zimmer geschlummert hatte, streckte seine Flügel und gähnte herzhaft. „Hoffentlich kommen wir heute einen Schritt weiter.“
Es gab ein leckeres Frühstück mit frischen Brot und selbstgemachter Marmelade, sowie Rühreiern mit Tomaten. Selbst der heikle Xellos ließ sich nicht lange bitten und langte herzhaft zu. Filia beobachtete ihn aus den Augenwinkeln. Er schien heute schon wieder ein ganzes Stück kräftiger zu sein wie gestern. Bald wäre er wieder genauso mächtig wie vor der Vergiftung. Sie konnte nur raten, was er danach unternehmen würde, aber sie hatte ein verdammt ungutes Gefühl bei dem Gedanken, ihn wieder in die Gefilde der Monster und Dämonen zurückkehren zu lassen. Zu viele Gegenspieler würden auf ihn lauern und wer weiß, ob er dieses Mal ebenso viel Glück haben würde wie bei dem Giftangriff.
Da Filia zur Eile drängte ließen sie das Geschirr einfach stehen und machten sich auf den Weg zum Strand. Wie berechnet begann das Wasser sich zurückzuziehen. Filia machte es nichts aus knöcheltief durch den Schlick zu waten und auch Aradna schien da nicht zimperlich zu sein. Sie wollte bei der Suche mitmachen und dieses Mal war auch Xellos mit von der Partie, als sie in die erste Höhle eindrangen. Aradna hatte eine Laterne mitgebracht und Filia trug ein paar Fackeln in der großen Umhängetasche, so fehlte es nicht an Licht, um Einzehleiten zu erkennen. Diese Höhle war etwas größer wie die erste, aber nach dreißig Schritten war auch hier Schluss, ohne dass sie auf mehr als wie ein paar lumpige Scherben gestoßen wären. Höhle um Höhle erging es ihnen ähnlich. Die Ebbe hatte ihren tiefsten Punkt bereits überschritten und die Flut kroch näher und näher an die Höhlen heran. Der Picknickkorb, den die fürsorgliche Aradna mitgebracht hatte, war längst geleert worden und Filia war nahe dran, aufzugeben.
Doch dann betrat sie eine Höhle, die definitiv anders war alle zuvor. Die Wände waren zwar ebenfalls mit grünen Algen bewachsen, doch der Boden war unter der Sandschicht definitiv glatt poliert worden und lange Kratzspuren zeugten von Drachen, die hier ein und aus gegangen sein mussten. Auch Xellos wusste die Kratzer richtig zu deuten und zog eine Augenbraue hoch während Filia die Wände nach eventuellen Schriftzeichen absuchte. Es war Valtier, der hinter einem Vorsprung die erste vollständig erhaltene Amphore entdeckte und Filia herbei rief.
Diese grub das Fundstück vorsichtig aus und betrachtete es von allen Seiten. „Eine wunderbare Arbeit, und so gut erhalten. Das ist ein herrlicher Schatz. Ob unter dem Sand noch mehr davon liegt?“
Sie gruben und gruben bis das Wasser bereits wieder knöchelhoch stand und die Abendsonne rote Strahlen durch den Höhleingang schickte. 12 Gefäße war ihre Ausbeute, 12 vollständig erhaltene, die vielen Zerbrochenen nicht mitgezählt. Filia war überglücklich, die richtige Höhle gefunden zu haben. Jedes Mal trug Valtier die Fundstücke aus der Höhle, flog damit die Klippen hinauf und legte sie in sicherer Entfernung gut geschützt unter einem Gebüsch ab. Filia wollte gerade die Suche abbrechen, da traf ein Strahl der Abendsonne auf die hintere Höhlenwand. Zu jeder anderen Tageszeit wäre es unbeachtet geblieben, aber in diesem Moment konnte der goldene Drache das Aufleuchten der Quarzspuren keinesfalls übersehen. Sie stand direkt unter die Wand und blickte hoch. „Valtier, kannst du das lesen!“ Ihre Hand wies auf gut verborgene Schriftzeichen, die nur dadurch von den vielen natürlichen Ritzen und Rillen zu unterscheiden waren, dass die winzigen Quarze jeweils Anfang und Ende eines Zeichens markierten.
„Nein, das ist kein Dialekt meines Volkes“, musste er zugeben.
„Mir kommt er zwar bekannt vor, aber schlau werde ich aus diesen Worten auch nicht“, sagte Filia nach einer Weile.
„Vielleicht kann ja ich helfen“, erbot sich Xellos und kniff die ohnehin schmalen Augenschlitze noch weiter zu, um nur kein Detail zu verpassen. „Offenbar muss hier irgend etwas berührt werden, damit sich etwas anderes auftut“, sagte er nach einer Weile. „Aber was genau, kann auch ich nicht lesen.“
„Berühre den linken Zahn des Wolfes, doch hüte dich vor dem Rasseln der blauen Schuppen und dem Atem, der selbst Stein zum Kochen bringt.“, las zu aller Erstaunen die bisher schweigsame Aranda langsam und doch ohne Zögern vor.
„Das wird immer suspekter“, raunte Xellos dicht an Filias Ohr, „und mir gefällt es nicht, am wenigsten zu wissen, also was suchen wir eigentlich.“
Filia sah ihn an und tat, was sie schon so lange einmal hatte tun wollen. Sie legte den Zeigefinger auf die Lippen. „Das ist ein Geheimnis!“
Xellos, dem es sichtlich schwer fiel, seine eigene Medizin zu kosten, trat schmollend ein paar Schritte zurück. Dadurch bekam er einen anderen Blickwinkel und...“Ich sehe diesen Wolf! Von hier aus, kann man die Umrisse eines Wolfskopfes sehen! Der linke Zahn, das müsste die Stelle da drüben sein!“
Er ging an der Wand entlang und wollte nach einem keilförmig nach unten gerichteten Vorsprung greifen, doch der Stein glühte auf einmal blau und Xellos zog rasch seine Hand zurück. „Offenbar hat man etwas dagegen, wenn ich die Türe öffne“, sagte er und ging auf Abstand zur Wand.
Filia versuchte ihr Glück und hier regte sich kein blaues Licht, aber es geschah auch sonst nichts. Erst als Valtier seine kleine Klaue dagegen drückte, klickte es gut hörbar und der Vorsprung sank in den Felsen hinein. Es knirschte und die Wand begann sich in der Mitte zu teilen.
„Alle zurück, wer weiß wie lange das Ding hier schon nicht geöffnet wurde!“, rief Filia. Algenreste, Seepocken und kleine Steinchen prasselten hernieder. Sie alle waren in einiger Entfernung in Deckung gegangen und warteten, bis sich das versteckte Tor nicht mehr rührte. Dahinter tat sich ein weiterer Gang auf, finster aber trocken. Mehr noch, es war als würde eine unsichtbare Barriere das Wasser zurück drängen, als läge eine Glasglocke über dem Eingang.
War dieser Schild auch für Wasser undurchdringlich, für Drachen, Monster und Menschen galt das offensichtlich nicht.
Filia, Valtier, Xellos und Aradna traten ohne Mühe durch diese unsichtbare Schranke und folgten den Pfad, der sanft abwärts führte. Er machte einen Bogen, sodass sie nach einer Weile sicher sein konnten, nicht mehr ins Landesinnere sondern unter dem Meeresboden zu schreiten.
Weiter und weiter entfernten sie sich von der Küste, wo inzwischen das Wasser sämtliche Höhlen so hoch überflutet hatte, dass an ein Hinauskommen vor der nächsten Ebbe sowieso fraglich war.
Ende des dritten Teils
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