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Königin
2.
Liell hatte diese Nacht kaum Schlaf gefunden. Letzten Abend war sie hier in der Hauptstadt angekommen, auf der Suche nach Geld und Erfolg, aber der Start war gänzlich daneben gegangen. Hier war alles so ungewohnt. Eine Geräuschkulisse an die sie, so schien es ihr, sich nie gewöhnen könnte. In ihrem kleinen Heimatdorf, das sie vor 3 Tagen, oder waren es schon 4?, verlassen hatte stammten die einzigen Lauten Geräusche von alten Bullen die zur Kastration geführt wurden. Doch das hatte sie aufgegeben. Sie hatte sich entschieden über den Tellerrand der kleinen Dorfgemeinschaft zu sehen und zu erkunden was sich außerhalb befand. Als sie aufgebrochen war, am Tag nach ihrem 15. Geburtstag, stand die ganze Familie die bei ihnen am Hof wohnte, was immerhin knapp 20 Personen waren, vor dem Tor und hatte sie verabschiedet. Da war ihr das alles noch so positiv und neu und abenteuerlich vorgekommen. Die Tragödie fing damit an, dass Liell's Eltern meinten die Hauptstadt sei quasi gleich um die Ecke, sie könne die Strecke spielend zu Fuß zurücklegen. Nun ja, ihre Familie war nicht gerade für den hohen akademischen Bildungsgrad bekannt (dafür aber für die besten andorianischen Kartoffeln in der ganzen süd-östlichen Provinz) und so musste sie nach 2 Tagesmärschen feststellen, dass immer noch kein Anzeichen der Hauptstadt in Sicht war. Aber das hatte sie nicht aus der Bahn werfen können, denn im Gedanken spielte sie bereits ihre große Karrierelaufbahn durch. Sie würde vom kleinen Bauernmädchen zum Superstar werden. Und in keinem anderen Beruf ging dies so schnell und einfach wie bei professionellen Huren! Prostitution war im Land Eth-Lyie, und in vielen anderen auch, eine angesehene Tätigkeit und talentierte Huren waren einflussreicher als so mancher Großhandelsmann oder Provinzpolitiker. Liell's Vorbild war die große Marienne Olokiann, die als Tochter eines einfachen Handwerkers geboren wurde und über die Prostitution bis an den königlichen Hof gelangt war. Der König hatte sich in sie verliebt und sie wurde zur First-Lady von Eth-Lyie. Und wenn es nach ihr ging, würde Liell ähnlich Großes vollbringen. Als sie dann allerdings in Eth-Egri, der Hauptstadt von Eth-Lyie, angekommen war, musste sie feststellen, dass die Dinge etwas komplizierter liefen, als sie es sich vorgestellt hatte. Alles hier war irgendwie eine Nummer zu groß für sie. Die Hauptstraße war prall gefüllt mit bunt gekleideten Menschen, die versuchten ihr die bizarrsten Dinge zu verkaufen. Die Leute strömten diese Straße entlang als gäbe es kein anderes Ziel im Leben, als ihr Ende zu erreichen. Kaum hatte Liell sich einen Meter vorgekämpft, wurde sie von irgendwem, der es besonders eilig hatte zwei Meter zurückgedrängt. Aber das war noch erträglich gewesen, im Vergleich zu dem was passierte, als sie sich entschloss auf die Hundertschaft der kleinen Seitengassen auszuweichen. Diese Gassen waren kleine Wege zwischen den dicht gebauten, meist schiefen Häusern, nicht breiter als 1-2 Meter. Die hoch aufragenden, dreckigen, Lehm- und Steinmauern zu beiden Seiten, machten es dem Sonnenlicht unmöglich hierher vorzudringen. Und dementsprechend war die Atmosphäre. Dunkele Gestallten standen an jeder Ecke und wenn sie nicht versuchten einem direkt irgendwelche verbotenen Kräuter oder Substanzen zu verkaufen, luden sie in zwielichtigen, geflüsterten Gesprächen dazu ein, einen Laden im nächsten Hinterhof zu besuchen, wo einem "Alle Wünsche erfüllt werden!". In ihrer Neugier suchte Liell einige diese "Läden" auf, die eigentlich nur kleine Holztische unter einer zerrissenen, verdreckten Marquise oder kleine Räume im Erdgeschoss einer Privatwohnung waren. Was sie dabei sah erschien ihr fremdartig und mit dem meisten was sie sah, wusste sie nichts anzufangen. So besuchte sie zum Beispiel eine "Alternative Tierhandlung". Liell mochte Tiere, schließlich war sie mit Tieren aufgewachsen, und war gespannt, was ihr hier geboten wurde. Als sie die knarrende Holztür mit der schmutzigen Glasscheibe öffnete, kam ihr stickige, stinkende Luft entgegen, wie sie es noch nie erlebt hatte. Sofort kam ein kleiner, stark behaarter Mann auf sie zu, betrachtete sie kurz und nickte dann zufrieden. Sein Schnurrbart reichte fast bis auf den Boden und als er den Mund zum sprechen öffnete, schleiften die verfilzten Haarspitzen über die sandigen, modrigen Dielen. "Ah, ja junge Dame, ick weiss scho' wat du willst! Bischt hier wegen die Wochen-Sondä-Angebot, wa?", hatte er gesagt und dann genüsslich das Bartende vom Boden aufgelesen und in den Mund gesteckt, um dran zu lutschen. Er führte Liell weiter in den Raum hinein zu einem kleinen mit Wasser gefüllten Becken, über dem ein Schild mit der Aufschrift "Schpetzielle Angebohte" hing. In dem Becken schwammen lange, dünne Fische die aussahen wie Schlangen. "Hier, da sind se! Die Zitteraale für die einsame Frau. Nich, dass du's nötich hättest, wa Kleene? Aber sicha, is sicha, wa?", war der Kommentar des Verkäufers dazu gewesen. Auf Liells Nachfrage erklärte er, dass es sich dabei um Aale mit schwacher elektrischer Ladung handelte, die im Körper der Frau (oder des verwirrten Mannes...) Stromstöße erzeugten und sie (ihn...) "Bessä befriedigen als,'n Kerl mit zwei Schwänzen, wa?" Des weiteren bekam Liell Käfer zu sehen, die in den Körper eines Menschen krochen und ihn von innen auffraßen; Eidechsen, die darauf trainiert waren kleinere Gegenstände zu entwenden und zum "Herrchen" zu bringen, sowie Affen, die wie hypnotisiert, scheinbar ohne Körperregung dasaßen, sich aber mit einer Hand permanent im Schritt rumspielten. Als "beschonderes Heilight" pries der Verkäufer allerdings die gezüchteten Blutegel an, die zu besserem Haarwuchs verhelfen sollten und nach seinen eigenen Aussagen, ihm selbst schon großen Dienst erwiesen hätten. Wie zur Demonstration lutschte er noch einmal ausdauernd an seinem Bart und ließ ihn dann zurück auf den Boden gleiten, wo die Feuchtigkeit seines Speichels den Dreck nahezu magisch anzog und an sich kleben ließ.
Nach diesem Erlebnis hatte Liell noch ein paar andere Geschäfte wie "Tätowier deine Bowlingkugeln" oder "Gelddrucken-Do it yourself" besucht, aber überall ähnliche Erfahrungen gemacht.
Irgendwann, als sie sich ins Gedächtnis gerufen hatte, dass sie nicht hier wäre um Kuriositäten zu bestaunen, sondern nach einem Etablissement namens "Keller der Lüste" suchte, hatten die Probleme überhand gewonnen. Sie musste sich eingestehen, dass sie nicht die geringste Ahnung hatte wo sich ihr zukünftiger Arbeitsplatz befand. Und diese Stadt war wirklich groß. Bei ihrem kurzen Aufenthalt auf der Hauptstrasse hatte sie bereits mehr Menschen gesehen, als ihr Heimatdorf in den vergangenen 100 Jahren. Zuerst spielte sie mit dem Gedanken eine Karte oder einen Führer aufzutreiben, aber ihr aktueller Bargeldvorrat, der permanent dem Wert Null entgegenstrebte, vereitelte ihr Vorhaben. Also verließ sie sich auf ihr Glück und rannte immer der Nase nach durch die Gassen der Stadt. Als der Tag zuende ging machte sie eine neue Entdeckung. Sie hatte scheinbar das Viertel der normalen Leute verlassen und war umgeben von Villen und vornehmen Wirtshäusern. Der Unterschied zwischen den beiden Teilen der Stadt war recht eindeutig und selbst für Neulinge wie Liell leicht zu erkennen gewesen. Das allgemeine dunkel Braun der erdigen und schlammigen Wege im Ostteil, wo sie angekommen war, wurde hier im Westen durch gepflasterte grau-beige Steinstraßen abgelöst. Anstatt kleiner, eng aneinander gebauter, schief in die Höhe ragender Bruchbuden hatte hier jedes Haus seinen eigenen Garten, der von eisernen Toren geschützt wurde. Und die Tavernen trugen im Westen keine Namen wie "Zum blutigen Vogel" oder "Friss und Stirb" sondern hatten wohlklingende ausländische Bezeichnungen wie "Coma e Morra" oder "O Pássaro Sangrento". Da ihre Beine wehtaten und sie nicht glaubte in dieser Gegend zu finden was sie suchte betrat sie eines der Wirtshäuser um sich dort nach dem Weg zu erkundigen.
Drinnen fand sie nicht ganz das Ambiente vor, das sie erwartet hatte. Sie rechnete mit noblen, edel gekleideten Männern, die an fein gedeckten Tischen saßen, Zeitung lasen oder sich bei einer guten Zigarre über Geschäfte unterhielten. Das Bild das sich ihr darbot war aber eher das krasse Gegenteil. Betrunkene, dicke Männer saßen an der Theke, hatten die Ärmel ihrer weißen, mit Gold bestickten Hemden hochgekrempelt, was eigentlich nichts nützte denn sie waren ohnehin schon von oben bis unten bekleckert, und bewarfen sich mit Essensresten. Ein besonders korpulenter Kahlkopf war gerade dabei ein Hühnerbein, das er sich vom Nachbartisch ausgeborgt hatte, zum Wurfgeschoss umzufunktionieren, als die Aufmerksamkeit auf das fremde Mädchen in der Tür fiel. Der Kahlkopf legte seine ultimative Waffe beiseite, wischte sich die Hände an seiner Hose ab und begrüßte Liell. Seine Worte liefen darauf hinaus, dass er sie zu sich nach Hause einlud, um ihr seine "Krummschwertsammlung aus der östlichen Hemisphäre" zu zeigen. Sofort nachdem er sein Angebot ausgesprochen hatte, begann der Rest der Anwesenden schallend zu lachen. Der Mann errötete warf seinen Kameraden einen wütenden Blick zu und wirkte beinahe verlegen. Liell erklärte ihm, dass sie nur auf der Suche nach dem "Keller der Lüste" sei und keine Zeit für ihn hatte. Als sie den Namen des Etablissements aussprach nickten die Anwesenden zwar wissend, gaben dann allerdings vor das Männer ihres Standes nicht in solchen Kreisen verkehrten. Kurz bevor Liell die Taverne niedergeschlagen verlassen wollte, rief ihr ein weiterer Mann hinterher. Dieser unterschied sich vom Rest der Gäste, nicht nur durch seine Kleidung, die einmal aus blau-schwarzem Segeltuch bestanden hatte, nun aber nur noch in Fetzen an ihm runterhing. Er war viel jünger als die anderen, hatte kaum Fettpolster und besaß noch all seine Haare. Er sagte ihr sie solle sich zu ihm an den Tisch setzen und nach all dem was Liell an diesem Tag schon erlebt hatte machte es ihr nichts mehr aus, sich von einem reichen Mann zum Essen einladen zu lassen. Aber war er wirklich reich? Sein Äußeres ließ auf anderes schließen. Allerdings verrieten die leeren Teller vor ihm, dass er hier bereits gegessen hatte, also musste er auch über das nötige Bargeld verfügen. Liell erfuhr, dass ihr gegenüber Danielle hieß und sehr zuvorkommend war. Er fragte ob sie etwas zu Essen oder Trinken haben wollte, sie wäre natürlich eingeladen, bot ihr eine Zigarette an, die in ihrer Form verriet, das sie von weit her stammen musste, denn sie war bedeutend länger und dünner als die Zigaretten in Eth-Lyie und erkundigte sich nach ihrem wohlbefinden, denn sie sähe ziemlich fertig aus. Liell war geschmeichelt von der Höflichkeit mit der sie behandelt wurde und erzählte was ihr an diesem Tag wiederfahren war. Ihr Gastgeber stützte seinen Kopf auf die Hände, hörte ihr zu und von Zeit zu Zeit, wenn ihre Geschichte für ihn scheinbar besonders amüsant war, sah er ihr in die Augen und begann zu lächeln. Kurze Zeit später wurde Liell's Bestellung, gebratenes Wildhuhn mit andorianischen Kartoffeln (die Beilage erinnerte sie an Zuhause), serviert und während sie aß nutzte Danielle die Gelegenheit etwas über sich zu erzählen. Allerdings beobachtete er sie dabei stets mit diesem träumerischen Blick, der direkt in ihre Augen zielte. Liell erfuhr, dass er gerade aus dem Wüstenland Katuun in der östlichen Hemisphäre zurückgekehrt war, wo er etwas wichtiges, berufliches erledigt hatte. Wenige Stunden zuvor war er in der Hauptstadt angekommen, was sein etwas lumpiges Auftreten entschuldigen sollte. Nachdem Liell aufgegessen hatte und noch etwas mit ihrem Wohltäter geplaudert hatte, erklärte dieser sich bereit ihr den Weg zu ihrer neuen Arbeitsstelle zu zeigen und die beiden machten sich auf den Weg. Dort angekommen musste Liell ernüchtert feststellen, dass sie auf ihrer Suche bereits mehrmals in dieser Straße gewesen war, das rote Werbeschild an einem der Häuserwände jedoch stets übersehen hatte. Danielle bedanke sich, dass sie ihm Gesellschaft geleistet hatte, machte eine kurze Bemerkung darüber, dass er die nächsten 2 Tage noch im "Coma e Morra" übernachten würde, verabschiedete sich und verschwand ins Dunkel der bereits angebrochenen Nacht. Zu diesem Zeitpunkt schien die Liell's Welt wieder in Ordnung zu sein.
Doch dann betrat sie den "Keller der Lüste" um ihre große Karrierelaufbahn zu starten. Zunächst gelangte sie ins Foyer, das aus einer Garderobe, zwei Stühlen, ein paar Zierpflanzen und einer großen Uhr bestand, die verriet, dass es 23:35 Uhr war. Hochbetriebszeit in diesem Gewerbe! Eine leicht bekleidete Frau, offenbar so eine Art Empfangsdame, lächelte sie an und fragte ob sie helfen könnte. Liell stellte sich als die neue Mitarbeiterin vor und die Frau sagte ihr sie wäre bereits erwartet worden. Daraufhin wurde sie durch den "Tanzsaal" (die Frauen tanzten, die Männer saßen sabbernd auf ihren Stühlen und kuckten begierig) zum Büro der Etablissementleiterin geführt. Liells neue Chefin war eine grauhaarige Frau, Ende 50, die in einem dunkelroten Kleid mit einer übermäßigen Zahl an Rüschen bekleidet war. Sie machte einen freundlichen Eindruck, lächelte, und bot Liell an sich zu setzen. Die Frau, Emma Bortin, wies Liell in die grundlegenden Dinge ihres neuen Berufs ein und machte ihr gute Hoffnung, da Liell, so sagte sie, "Ein hübsches Mädel", wäre. Um den Beruf näher kennen zu lernen, so erklärte Madame Bortin weiter, würde Liell diese Nacht ein anderes Mädchen bei der Arbeit begleiten und von ihr lernen. Die Betreffende, La Femme Monique, würde sich im Tanzsaal mit Liell treffen, wo sie dann zusammen auf einen Kunden warten würden. Nach vollendeter Lehrstunde könne sie sich dann auf ihr Zimmer hier im Haus, Nummer 219, zurückziehen und sich für den nächsten Tag ausruhen, wo sie dann ins Geschäft einsteigen würde. Liell bedanke sich bei ihrem Boss und versprach sie würde ihre Bestes geben, dann traf sie sich mit ihrer "Lehrerin". La Femme Monique war eine dünne, zierliche Gestallt, nicht älter als 20 Jahre, mit schwarzen Haaren und leuchtenden, kindlichen Augen, die ihrem Gesicht einen ganz besonderen Glanz verliehen. Sie trug lediglich ein dunkelblaues Korsett und Netzstrümpfe, machte aber trotzdem keinen "billigen" Eindruck. Als sie Liell sah war sie sofort begeistert von ihr und bestand darauf von ihr, wie es alle ihre Freunde taten, Moni genannt zu werden. Moni erzählte sie war schon 3 Jahre im Geschäft und hätte es noch keinen Tag bereut. Man würde sich hier schnell einleben, hätte alle Freiheiten außerhalb der Dienstzeit, die Zimmer im Obergeschoss, die man kostenlos bewohnen durfte waren OK und auch ansonsten würde hier in allen Belangen für einen gesorgt werden. Monique's Monolog wurde dadurch unterbrochen, dass ein Gast sich zu den beiden Mädchen gesellte und sich erkundigte was denn eine Stunde kosten würde. Liell erkannte diesen Kunden sofort wieder. Es war der dicke Kahlkopf aus dem Wirtshaus und wie sich herausstellte war er auch vielmehr an Liell als an La Femme Monique interessiert. Zu Liell's Erleichterung machte Moni ihm freundlich aber dennoch eindringlich klar, dass "Die kleine heute Abend nur zukuckt, aber ab Morgen völlig zu deinen Diensten is'!" Liell hätte es nicht fertig gebracht diesen Mann zu "bedienen", allein bei dem Gedanken wollte das Wildhuhn ihrer Speiseröhre einen zweiten Besuch abstatten, diesmal in umgekehrter Richtung. Der Kahlkopf, der sich als "Torbin-Carus-der-beste-Anwalt-in-der-Stadt" vorstellte, war mit den Bedingungen und Monique's Bezahlung einverstanden und die drei gingen in eines der Zimmer in den oberen Etagen. Und hier musste Liell dann feststellen, dass die Prostitution doch nicht ein ganz so einfacher Beruf war, wie sie es sich vorgestellt hatte. Sie hatte damit gerechnet sich einfach nur ein paar mal am Abend für eine Halbe Stunde auf's Bett legen zu müssen, während sich ein Mann ihrer bediente. Was sie hier sah erschütterte dieses Bild jedoch grundlegend. Den Ekel, den Liell diesem dicken Mann entgegenbrachte, konnte Moni scheinbar völlig ausblenden, und was immer er auch mit ihr tat, sie war damit einverstanden. Und Moni lag auch nicht nur einfach da, sie lief förmlich zu akrobatischen Höchstleistungen auf, in der Art wie sie sich unter und über dem Dickbauch verbog. Monique sprang auf diesem Mann herum, so hart und ausdauernd, wie Liell es sich nie zutrauen würde. Und da begann sie zu zweifeln, ob sie hier wirklich ihren Traumberuf gefunden hatte. Zum einen waren es Selbstzweifel, dass sie niemals solche körperlichen Anstrengungen ertragen konnte wie Monique es gerade tat, zum anderen war es eine starke Abscheu. Der Ekel davor Morgen mit diesem widerlichen Mann schlafen zu müssen, und wer weiß was für Gestallten sie hier noch begegnen würde, denen sie sich dann hingeben müsste.
Liell war erleichtert gewesen, als "Torbin-Carus-der-beste-Anwalt-in-der-Stadt" endlich fertig war und sich verabschiedete. Moni verschwand schnell unter die Dusche und führte Liell dann zu ihrem Zimmer, wo sie dankbar und erschöpft ins Bett fiel und während des Einschlafens über so manches nachdachte, was ihr an diesem Tag wiederfahren war.
Und nun lag sie hier, geweckt von den lauten Menschen dort draußen und dem lustvollen Stöhnen aus den Nebenzimmern. Während der schlaflosen Stunden der letzten Nacht, war sie zu einer Entscheidung gekommen. Das alles hier würde nie ihr Leben ausfüllen können! Allein wenn sie daran dachte, dass heute Abend der dicke Torbin Carus zu ihr kommen würde, spürte sie ein tiefes Verlangen danach sich zu übergeben. Der große Traum war geplatzt bevor er angefangen hatte. Aber was sollte sie tun? Sie hatte sich vollkommen auf diesen Job hier verlassen, gute Bezahlung, kostenloses Wohnen, aussichtsreiche Aufstiegschancen... Was sollte sie machen wenn sie hier wegging? Punkt eins war, sie besaß kein Geld, nicht eine Dublone! Außerdem hatte ihr gestriger Ausflug ihr bewiesen, dass sie sich in dieser großen Stadt nicht zurecht fand. Und selbst wenn sie sich orientieren konnte, zu wem sollte sie gehen? Sie kannte hier niemanden. Außer vielleicht den Typen von gestern Abend, Danielle. Doch was sollte ihn dazu bringen ihr zu helfen? Natürlich, er war freundlich und zuvorkommend gewesen, aber niemand hilft einer flüchtigen Bekanntschaft aus purer Freundschaft und ohne Eigennutz, sich in einer fremden Stadt ein neues Leben aufzubauen. Wenn sie irgendetwas tun konnte, damit er ihr helfen müsste...
Liell hatte diese Nacht kaum Schlaf gefunden. Letzten Abend war sie hier in der Hauptstadt angekommen, auf der Suche nach Geld und Erfolg, aber der Start war gänzlich daneben gegangen. Hier war alles so ungewohnt. Eine Geräuschkulisse an die sie, so schien es ihr, sich nie gewöhnen könnte. In ihrem kleinen Heimatdorf, das sie vor 3 Tagen, oder waren es schon 4?, verlassen hatte stammten die einzigen Lauten Geräusche von alten Bullen die zur Kastration geführt wurden. Doch das hatte sie aufgegeben. Sie hatte sich entschieden über den Tellerrand der kleinen Dorfgemeinschaft zu sehen und zu erkunden was sich außerhalb befand. Als sie aufgebrochen war, am Tag nach ihrem 15. Geburtstag, stand die ganze Familie die bei ihnen am Hof wohnte, was immerhin knapp 20 Personen waren, vor dem Tor und hatte sie verabschiedet. Da war ihr das alles noch so positiv und neu und abenteuerlich vorgekommen. Die Tragödie fing damit an, dass Liell's Eltern meinten die Hauptstadt sei quasi gleich um die Ecke, sie könne die Strecke spielend zu Fuß zurücklegen. Nun ja, ihre Familie war nicht gerade für den hohen akademischen Bildungsgrad bekannt (dafür aber für die besten andorianischen Kartoffeln in der ganzen süd-östlichen Provinz) und so musste sie nach 2 Tagesmärschen feststellen, dass immer noch kein Anzeichen der Hauptstadt in Sicht war. Aber das hatte sie nicht aus der Bahn werfen können, denn im Gedanken spielte sie bereits ihre große Karrierelaufbahn durch. Sie würde vom kleinen Bauernmädchen zum Superstar werden. Und in keinem anderen Beruf ging dies so schnell und einfach wie bei professionellen Huren! Prostitution war im Land Eth-Lyie, und in vielen anderen auch, eine angesehene Tätigkeit und talentierte Huren waren einflussreicher als so mancher Großhandelsmann oder Provinzpolitiker. Liell's Vorbild war die große Marienne Olokiann, die als Tochter eines einfachen Handwerkers geboren wurde und über die Prostitution bis an den königlichen Hof gelangt war. Der König hatte sich in sie verliebt und sie wurde zur First-Lady von Eth-Lyie. Und wenn es nach ihr ging, würde Liell ähnlich Großes vollbringen. Als sie dann allerdings in Eth-Egri, der Hauptstadt von Eth-Lyie, angekommen war, musste sie feststellen, dass die Dinge etwas komplizierter liefen, als sie es sich vorgestellt hatte. Alles hier war irgendwie eine Nummer zu groß für sie. Die Hauptstraße war prall gefüllt mit bunt gekleideten Menschen, die versuchten ihr die bizarrsten Dinge zu verkaufen. Die Leute strömten diese Straße entlang als gäbe es kein anderes Ziel im Leben, als ihr Ende zu erreichen. Kaum hatte Liell sich einen Meter vorgekämpft, wurde sie von irgendwem, der es besonders eilig hatte zwei Meter zurückgedrängt. Aber das war noch erträglich gewesen, im Vergleich zu dem was passierte, als sie sich entschloss auf die Hundertschaft der kleinen Seitengassen auszuweichen. Diese Gassen waren kleine Wege zwischen den dicht gebauten, meist schiefen Häusern, nicht breiter als 1-2 Meter. Die hoch aufragenden, dreckigen, Lehm- und Steinmauern zu beiden Seiten, machten es dem Sonnenlicht unmöglich hierher vorzudringen. Und dementsprechend war die Atmosphäre. Dunkele Gestallten standen an jeder Ecke und wenn sie nicht versuchten einem direkt irgendwelche verbotenen Kräuter oder Substanzen zu verkaufen, luden sie in zwielichtigen, geflüsterten Gesprächen dazu ein, einen Laden im nächsten Hinterhof zu besuchen, wo einem "Alle Wünsche erfüllt werden!". In ihrer Neugier suchte Liell einige diese "Läden" auf, die eigentlich nur kleine Holztische unter einer zerrissenen, verdreckten Marquise oder kleine Räume im Erdgeschoss einer Privatwohnung waren. Was sie dabei sah erschien ihr fremdartig und mit dem meisten was sie sah, wusste sie nichts anzufangen. So besuchte sie zum Beispiel eine "Alternative Tierhandlung". Liell mochte Tiere, schließlich war sie mit Tieren aufgewachsen, und war gespannt, was ihr hier geboten wurde. Als sie die knarrende Holztür mit der schmutzigen Glasscheibe öffnete, kam ihr stickige, stinkende Luft entgegen, wie sie es noch nie erlebt hatte. Sofort kam ein kleiner, stark behaarter Mann auf sie zu, betrachtete sie kurz und nickte dann zufrieden. Sein Schnurrbart reichte fast bis auf den Boden und als er den Mund zum sprechen öffnete, schleiften die verfilzten Haarspitzen über die sandigen, modrigen Dielen. "Ah, ja junge Dame, ick weiss scho' wat du willst! Bischt hier wegen die Wochen-Sondä-Angebot, wa?", hatte er gesagt und dann genüsslich das Bartende vom Boden aufgelesen und in den Mund gesteckt, um dran zu lutschen. Er führte Liell weiter in den Raum hinein zu einem kleinen mit Wasser gefüllten Becken, über dem ein Schild mit der Aufschrift "Schpetzielle Angebohte" hing. In dem Becken schwammen lange, dünne Fische die aussahen wie Schlangen. "Hier, da sind se! Die Zitteraale für die einsame Frau. Nich, dass du's nötich hättest, wa Kleene? Aber sicha, is sicha, wa?", war der Kommentar des Verkäufers dazu gewesen. Auf Liells Nachfrage erklärte er, dass es sich dabei um Aale mit schwacher elektrischer Ladung handelte, die im Körper der Frau (oder des verwirrten Mannes...) Stromstöße erzeugten und sie (ihn...) "Bessä befriedigen als,'n Kerl mit zwei Schwänzen, wa?" Des weiteren bekam Liell Käfer zu sehen, die in den Körper eines Menschen krochen und ihn von innen auffraßen; Eidechsen, die darauf trainiert waren kleinere Gegenstände zu entwenden und zum "Herrchen" zu bringen, sowie Affen, die wie hypnotisiert, scheinbar ohne Körperregung dasaßen, sich aber mit einer Hand permanent im Schritt rumspielten. Als "beschonderes Heilight" pries der Verkäufer allerdings die gezüchteten Blutegel an, die zu besserem Haarwuchs verhelfen sollten und nach seinen eigenen Aussagen, ihm selbst schon großen Dienst erwiesen hätten. Wie zur Demonstration lutschte er noch einmal ausdauernd an seinem Bart und ließ ihn dann zurück auf den Boden gleiten, wo die Feuchtigkeit seines Speichels den Dreck nahezu magisch anzog und an sich kleben ließ.
Nach diesem Erlebnis hatte Liell noch ein paar andere Geschäfte wie "Tätowier deine Bowlingkugeln" oder "Gelddrucken-Do it yourself" besucht, aber überall ähnliche Erfahrungen gemacht.
Irgendwann, als sie sich ins Gedächtnis gerufen hatte, dass sie nicht hier wäre um Kuriositäten zu bestaunen, sondern nach einem Etablissement namens "Keller der Lüste" suchte, hatten die Probleme überhand gewonnen. Sie musste sich eingestehen, dass sie nicht die geringste Ahnung hatte wo sich ihr zukünftiger Arbeitsplatz befand. Und diese Stadt war wirklich groß. Bei ihrem kurzen Aufenthalt auf der Hauptstrasse hatte sie bereits mehr Menschen gesehen, als ihr Heimatdorf in den vergangenen 100 Jahren. Zuerst spielte sie mit dem Gedanken eine Karte oder einen Führer aufzutreiben, aber ihr aktueller Bargeldvorrat, der permanent dem Wert Null entgegenstrebte, vereitelte ihr Vorhaben. Also verließ sie sich auf ihr Glück und rannte immer der Nase nach durch die Gassen der Stadt. Als der Tag zuende ging machte sie eine neue Entdeckung. Sie hatte scheinbar das Viertel der normalen Leute verlassen und war umgeben von Villen und vornehmen Wirtshäusern. Der Unterschied zwischen den beiden Teilen der Stadt war recht eindeutig und selbst für Neulinge wie Liell leicht zu erkennen gewesen. Das allgemeine dunkel Braun der erdigen und schlammigen Wege im Ostteil, wo sie angekommen war, wurde hier im Westen durch gepflasterte grau-beige Steinstraßen abgelöst. Anstatt kleiner, eng aneinander gebauter, schief in die Höhe ragender Bruchbuden hatte hier jedes Haus seinen eigenen Garten, der von eisernen Toren geschützt wurde. Und die Tavernen trugen im Westen keine Namen wie "Zum blutigen Vogel" oder "Friss und Stirb" sondern hatten wohlklingende ausländische Bezeichnungen wie "Coma e Morra" oder "O Pássaro Sangrento". Da ihre Beine wehtaten und sie nicht glaubte in dieser Gegend zu finden was sie suchte betrat sie eines der Wirtshäuser um sich dort nach dem Weg zu erkundigen.
Drinnen fand sie nicht ganz das Ambiente vor, das sie erwartet hatte. Sie rechnete mit noblen, edel gekleideten Männern, die an fein gedeckten Tischen saßen, Zeitung lasen oder sich bei einer guten Zigarre über Geschäfte unterhielten. Das Bild das sich ihr darbot war aber eher das krasse Gegenteil. Betrunkene, dicke Männer saßen an der Theke, hatten die Ärmel ihrer weißen, mit Gold bestickten Hemden hochgekrempelt, was eigentlich nichts nützte denn sie waren ohnehin schon von oben bis unten bekleckert, und bewarfen sich mit Essensresten. Ein besonders korpulenter Kahlkopf war gerade dabei ein Hühnerbein, das er sich vom Nachbartisch ausgeborgt hatte, zum Wurfgeschoss umzufunktionieren, als die Aufmerksamkeit auf das fremde Mädchen in der Tür fiel. Der Kahlkopf legte seine ultimative Waffe beiseite, wischte sich die Hände an seiner Hose ab und begrüßte Liell. Seine Worte liefen darauf hinaus, dass er sie zu sich nach Hause einlud, um ihr seine "Krummschwertsammlung aus der östlichen Hemisphäre" zu zeigen. Sofort nachdem er sein Angebot ausgesprochen hatte, begann der Rest der Anwesenden schallend zu lachen. Der Mann errötete warf seinen Kameraden einen wütenden Blick zu und wirkte beinahe verlegen. Liell erklärte ihm, dass sie nur auf der Suche nach dem "Keller der Lüste" sei und keine Zeit für ihn hatte. Als sie den Namen des Etablissements aussprach nickten die Anwesenden zwar wissend, gaben dann allerdings vor das Männer ihres Standes nicht in solchen Kreisen verkehrten. Kurz bevor Liell die Taverne niedergeschlagen verlassen wollte, rief ihr ein weiterer Mann hinterher. Dieser unterschied sich vom Rest der Gäste, nicht nur durch seine Kleidung, die einmal aus blau-schwarzem Segeltuch bestanden hatte, nun aber nur noch in Fetzen an ihm runterhing. Er war viel jünger als die anderen, hatte kaum Fettpolster und besaß noch all seine Haare. Er sagte ihr sie solle sich zu ihm an den Tisch setzen und nach all dem was Liell an diesem Tag schon erlebt hatte machte es ihr nichts mehr aus, sich von einem reichen Mann zum Essen einladen zu lassen. Aber war er wirklich reich? Sein Äußeres ließ auf anderes schließen. Allerdings verrieten die leeren Teller vor ihm, dass er hier bereits gegessen hatte, also musste er auch über das nötige Bargeld verfügen. Liell erfuhr, dass ihr gegenüber Danielle hieß und sehr zuvorkommend war. Er fragte ob sie etwas zu Essen oder Trinken haben wollte, sie wäre natürlich eingeladen, bot ihr eine Zigarette an, die in ihrer Form verriet, das sie von weit her stammen musste, denn sie war bedeutend länger und dünner als die Zigaretten in Eth-Lyie und erkundigte sich nach ihrem wohlbefinden, denn sie sähe ziemlich fertig aus. Liell war geschmeichelt von der Höflichkeit mit der sie behandelt wurde und erzählte was ihr an diesem Tag wiederfahren war. Ihr Gastgeber stützte seinen Kopf auf die Hände, hörte ihr zu und von Zeit zu Zeit, wenn ihre Geschichte für ihn scheinbar besonders amüsant war, sah er ihr in die Augen und begann zu lächeln. Kurze Zeit später wurde Liell's Bestellung, gebratenes Wildhuhn mit andorianischen Kartoffeln (die Beilage erinnerte sie an Zuhause), serviert und während sie aß nutzte Danielle die Gelegenheit etwas über sich zu erzählen. Allerdings beobachtete er sie dabei stets mit diesem träumerischen Blick, der direkt in ihre Augen zielte. Liell erfuhr, dass er gerade aus dem Wüstenland Katuun in der östlichen Hemisphäre zurückgekehrt war, wo er etwas wichtiges, berufliches erledigt hatte. Wenige Stunden zuvor war er in der Hauptstadt angekommen, was sein etwas lumpiges Auftreten entschuldigen sollte. Nachdem Liell aufgegessen hatte und noch etwas mit ihrem Wohltäter geplaudert hatte, erklärte dieser sich bereit ihr den Weg zu ihrer neuen Arbeitsstelle zu zeigen und die beiden machten sich auf den Weg. Dort angekommen musste Liell ernüchtert feststellen, dass sie auf ihrer Suche bereits mehrmals in dieser Straße gewesen war, das rote Werbeschild an einem der Häuserwände jedoch stets übersehen hatte. Danielle bedanke sich, dass sie ihm Gesellschaft geleistet hatte, machte eine kurze Bemerkung darüber, dass er die nächsten 2 Tage noch im "Coma e Morra" übernachten würde, verabschiedete sich und verschwand ins Dunkel der bereits angebrochenen Nacht. Zu diesem Zeitpunkt schien die Liell's Welt wieder in Ordnung zu sein.
Doch dann betrat sie den "Keller der Lüste" um ihre große Karrierelaufbahn zu starten. Zunächst gelangte sie ins Foyer, das aus einer Garderobe, zwei Stühlen, ein paar Zierpflanzen und einer großen Uhr bestand, die verriet, dass es 23:35 Uhr war. Hochbetriebszeit in diesem Gewerbe! Eine leicht bekleidete Frau, offenbar so eine Art Empfangsdame, lächelte sie an und fragte ob sie helfen könnte. Liell stellte sich als die neue Mitarbeiterin vor und die Frau sagte ihr sie wäre bereits erwartet worden. Daraufhin wurde sie durch den "Tanzsaal" (die Frauen tanzten, die Männer saßen sabbernd auf ihren Stühlen und kuckten begierig) zum Büro der Etablissementleiterin geführt. Liells neue Chefin war eine grauhaarige Frau, Ende 50, die in einem dunkelroten Kleid mit einer übermäßigen Zahl an Rüschen bekleidet war. Sie machte einen freundlichen Eindruck, lächelte, und bot Liell an sich zu setzen. Die Frau, Emma Bortin, wies Liell in die grundlegenden Dinge ihres neuen Berufs ein und machte ihr gute Hoffnung, da Liell, so sagte sie, "Ein hübsches Mädel", wäre. Um den Beruf näher kennen zu lernen, so erklärte Madame Bortin weiter, würde Liell diese Nacht ein anderes Mädchen bei der Arbeit begleiten und von ihr lernen. Die Betreffende, La Femme Monique, würde sich im Tanzsaal mit Liell treffen, wo sie dann zusammen auf einen Kunden warten würden. Nach vollendeter Lehrstunde könne sie sich dann auf ihr Zimmer hier im Haus, Nummer 219, zurückziehen und sich für den nächsten Tag ausruhen, wo sie dann ins Geschäft einsteigen würde. Liell bedanke sich bei ihrem Boss und versprach sie würde ihre Bestes geben, dann traf sie sich mit ihrer "Lehrerin". La Femme Monique war eine dünne, zierliche Gestallt, nicht älter als 20 Jahre, mit schwarzen Haaren und leuchtenden, kindlichen Augen, die ihrem Gesicht einen ganz besonderen Glanz verliehen. Sie trug lediglich ein dunkelblaues Korsett und Netzstrümpfe, machte aber trotzdem keinen "billigen" Eindruck. Als sie Liell sah war sie sofort begeistert von ihr und bestand darauf von ihr, wie es alle ihre Freunde taten, Moni genannt zu werden. Moni erzählte sie war schon 3 Jahre im Geschäft und hätte es noch keinen Tag bereut. Man würde sich hier schnell einleben, hätte alle Freiheiten außerhalb der Dienstzeit, die Zimmer im Obergeschoss, die man kostenlos bewohnen durfte waren OK und auch ansonsten würde hier in allen Belangen für einen gesorgt werden. Monique's Monolog wurde dadurch unterbrochen, dass ein Gast sich zu den beiden Mädchen gesellte und sich erkundigte was denn eine Stunde kosten würde. Liell erkannte diesen Kunden sofort wieder. Es war der dicke Kahlkopf aus dem Wirtshaus und wie sich herausstellte war er auch vielmehr an Liell als an La Femme Monique interessiert. Zu Liell's Erleichterung machte Moni ihm freundlich aber dennoch eindringlich klar, dass "Die kleine heute Abend nur zukuckt, aber ab Morgen völlig zu deinen Diensten is'!" Liell hätte es nicht fertig gebracht diesen Mann zu "bedienen", allein bei dem Gedanken wollte das Wildhuhn ihrer Speiseröhre einen zweiten Besuch abstatten, diesmal in umgekehrter Richtung. Der Kahlkopf, der sich als "Torbin-Carus-der-beste-Anwalt-in-der-Stadt" vorstellte, war mit den Bedingungen und Monique's Bezahlung einverstanden und die drei gingen in eines der Zimmer in den oberen Etagen. Und hier musste Liell dann feststellen, dass die Prostitution doch nicht ein ganz so einfacher Beruf war, wie sie es sich vorgestellt hatte. Sie hatte damit gerechnet sich einfach nur ein paar mal am Abend für eine Halbe Stunde auf's Bett legen zu müssen, während sich ein Mann ihrer bediente. Was sie hier sah erschütterte dieses Bild jedoch grundlegend. Den Ekel, den Liell diesem dicken Mann entgegenbrachte, konnte Moni scheinbar völlig ausblenden, und was immer er auch mit ihr tat, sie war damit einverstanden. Und Moni lag auch nicht nur einfach da, sie lief förmlich zu akrobatischen Höchstleistungen auf, in der Art wie sie sich unter und über dem Dickbauch verbog. Monique sprang auf diesem Mann herum, so hart und ausdauernd, wie Liell es sich nie zutrauen würde. Und da begann sie zu zweifeln, ob sie hier wirklich ihren Traumberuf gefunden hatte. Zum einen waren es Selbstzweifel, dass sie niemals solche körperlichen Anstrengungen ertragen konnte wie Monique es gerade tat, zum anderen war es eine starke Abscheu. Der Ekel davor Morgen mit diesem widerlichen Mann schlafen zu müssen, und wer weiß was für Gestallten sie hier noch begegnen würde, denen sie sich dann hingeben müsste.
Liell war erleichtert gewesen, als "Torbin-Carus-der-beste-Anwalt-in-der-Stadt" endlich fertig war und sich verabschiedete. Moni verschwand schnell unter die Dusche und führte Liell dann zu ihrem Zimmer, wo sie dankbar und erschöpft ins Bett fiel und während des Einschlafens über so manches nachdachte, was ihr an diesem Tag wiederfahren war.
Und nun lag sie hier, geweckt von den lauten Menschen dort draußen und dem lustvollen Stöhnen aus den Nebenzimmern. Während der schlaflosen Stunden der letzten Nacht, war sie zu einer Entscheidung gekommen. Das alles hier würde nie ihr Leben ausfüllen können! Allein wenn sie daran dachte, dass heute Abend der dicke Torbin Carus zu ihr kommen würde, spürte sie ein tiefes Verlangen danach sich zu übergeben. Der große Traum war geplatzt bevor er angefangen hatte. Aber was sollte sie tun? Sie hatte sich vollkommen auf diesen Job hier verlassen, gute Bezahlung, kostenloses Wohnen, aussichtsreiche Aufstiegschancen... Was sollte sie machen wenn sie hier wegging? Punkt eins war, sie besaß kein Geld, nicht eine Dublone! Außerdem hatte ihr gestriger Ausflug ihr bewiesen, dass sie sich in dieser großen Stadt nicht zurecht fand. Und selbst wenn sie sich orientieren konnte, zu wem sollte sie gehen? Sie kannte hier niemanden. Außer vielleicht den Typen von gestern Abend, Danielle. Doch was sollte ihn dazu bringen ihr zu helfen? Natürlich, er war freundlich und zuvorkommend gewesen, aber niemand hilft einer flüchtigen Bekanntschaft aus purer Freundschaft und ohne Eigennutz, sich in einer fremden Stadt ein neues Leben aufzubauen. Wenn sie irgendetwas tun konnte, damit er ihr helfen müsste...