[Oneshot]: Gezeiten (Shonen Aî)

Sharnii

Stillstand
Hi Leute, hier mal ein Shonen Ai Oneshot von mir^^
Wenn ihr was gegen Shonen Ai habt, bitte ich euch einfach wieder wegzuklicken und nicht irgendwelche blöden Kommentare abzulassen..
Dies ist die Geschichte einer Trennung, wie sie jedem hätte passieren können.

Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen!

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Fandom: Yu-Gi-Oh!
Pairing: Seto x Joey
Disclaimer: Die Figuren gehören nicht mir, ich mache keinen Profit aus dieser Story und möchte auch nicht das Copyright verletzen
Music: Ben Harper - Amen Omen

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[ Gezeiten ]


Joey stand gedankenverloren auf dem Sportplatz, zehn Minuten von seiner Wohnung entfernt, und blies den Atem wie weißen Rauch in die Luft. Es war ein besonders kalter Abend, mitten im Januar und bereits kurz nach Zehn.
Er war ganz allein. Kein Mensch war um diese Zeit, und vor allem bei der Kälte hier noch unterwegs; so blieb der Basketballplatz zu dieser Jahreszeit meist menschenleer. Das Feld glitzerte im kühlen Schein der Straßenlaternen, von Raureif bedeckt.
Je länger er hier stand, desto deutlicher spürte Joey die Kälte, die seine Arme hoch kroch und sich unter seinem Mantel einnistete. Er tat jedoch nichts dagegen, schlang nicht die Arme um den Körper oder lief auf und ab um sich warm zu halten. Die behandschuhten Hände in den Taschen seiner Bomberjacke vergraben, stand er bloß da und blickte starr vor sich hin. Seine Züge waren ausdruckslos, sein Gesicht rot vor Kälte.

What started as a whisper
Slowly turned into a scream
Searching for an answer
Where the question is unseen

Wie lange er hier schon wartete, hätte er nicht sagen können. Die Minuten verstrichen ereignislos, doch gleichzeitig schien die Zeit nur langsam dahin zu schleichen. Joey sah nicht auf die Uhr, doch er wusste auch so, dass der andere zu spät kam.
Seine Glieder fühlten sich an wie erfroren, doch trotzdem spürte er einen schmerzhaften Stich in seiner Brust. Er ignorierte es.
Die Straße war nicht sehr dicht befahren in dieser Gegend. Ein, zwei Autos rauschten vorbei und tauchten die Bäume entlang des Straßenrandes in grelles Scheinwerferlicht, was sie wie bizarre Gestalten mit zu vielen Armen erscheinen ließ. Der Asphalt glitzerte und wurde dann wieder schwarz, nachdem die PKWs um die nächste Ecke verschwunden waren. Joey fröstelte und zog die Schultern hoch.
Plötzlich erklangen Schritte. Langsam hob Joey den Blick und starrte der Gestalt entgegen, deren dunkle Umrisse, sich nach und nach zu einer ihm bekannten Person festigten, wurden zu einem Menschen in schwarzem Wintermantel, einen schlichten grauen Schal um den Hals geschlungen.
Und einem Gesicht.

I don't know where you came from
And I don't know where you've gone
Old friends become old strangers
Between the darkness and the dawn

Seto lächelte nicht, als er schließlich langsamer wurde und einen Meter vor ihm stehen blieb. Joey hatte das auch nicht erwartet. Was hätte es auch geändert? Trotzdem versetzte es ihm einen weiteren Stich, als er den Blick der kalten blauen Augen ohne das kleinste Anzeichen von Gefühl auf sich spürte, doch er riss sich zusammen.
Er atmete tief ein, versuchte dem schmerzhaften Ziehen in seiner Brust keine Beachtung zu schenken, als er schließlich als Erster etwas sagte. „..Hi.“ Er versuchte seiner Stimme einen festen Klang zu verleihen, doch es gelang ihm nicht ganz. Seto nickte und erwiderte den Gruß ebenfalls mit einem knappen „Hi..“. Joey biss sich nervös auf die Lippen. Er wusste nicht was er sagen sollte und für einige unangenehme Sekunden herrschte Schweigen zwischen den beiden.

Amen Omen
Will I see your face again?
Amen Omen
Can I find the place within
To live my life without you?

Joey blickte auf seine Fußspitzen. Die Hände in seinen Taschen zitterten leicht und er hatte Mühe den Kloß in seinem Hals hinunter zu schlucken. Ein dumpfes Gefühl der Leere herrschte in seinen Gedanken; in seinem Herzen jedoch herrschte ein wahrer Aufruhr. Er hatte gewusst, dass er das Gefühl nicht mehr würde unterdrücken können, sobald er Seto in die Augen sah. Seine rechte Hand ballte sich zur Faust. Er hatte es verdammt noch mal gewusst. Und Seto musste es auch wissen. „Joey, ich..“ begann dieser endlich und machte eine unbestimmte Handbewegung, doch der Blondschopf unterbrach ihn hastig, eine leise Verzweiflung flackerte in seinem Blick auf. „Weißt du.. weißt du noch, als wir uns hier zum ersten Mal getroffen haben?“ Er wagte es nicht sein Gegenüber dabei anzusehen. Er hatte Angst, was er in dessen Gesicht sehen würde.
„Wie könnte ich es nicht mehr wissen?“, erwiderte der Ältere leise und irgendetwas an seinem Tonfall ließ Joey den Kopf nun doch heben und seinem Blick begegnen. Was er in Setos Augen sah, war nun keine Gleichgültigkeit mehr, sondern etwas, das.. Ja, war es Wehmut? Schmerz? Oder etwas ganz anderes?

I still hear you saying
All of life is a chance
And is sweetest
When at a glance

Sie sahen sich schweigend an, wussten nicht wo sie beginnen sollten. Wo sie beginnen sollten es zu beenden. „Das ist lange her..“ Joey nickte krampfhaft. „Ein Jahr, vier Monate und zwanzig Tage“, murmelte er und biss sich auf die Lippen.
Seto brachte so etwas wie ein nervöses Lächeln zustande. „Du konntest dir so etwas immer besser merken als ich..“ Es klang wie eine Entschuldigung. Joey schluckte. „Schon gut“, murmelte er. Es war nicht mehr nötig irgendetwas zu entschuldigen. Sie schwiegen einen Moment. Dann stieß Seto ein leises Seufzen aus und steckte seine Hände in die Manteltaschen. „Hör zu..“ Joey presste seine Fingernägel so hart in die Handballen, dass es schmerzte. „Lass uns nicht darum herum reden.. okay?“ Joeys Hände zitterten, als er heiser und mit zitternder Stimme fragte: „Was.. meinst du?“ Dabei wusste er es. Er wusste es längst.

I live a hundred
Lifetimes in a day
But I die a little
In every breath that I take

„Ich..“ Seto zögerte kurz und schien zu überlegen, wie er seinen Gedanken Ausdruck verleihen sollte. Doch schließlich straffte er sich und sagte dann, mit jetzt ruhiger und klarer Stimme: „Ich denke, so wie es jetzt läuft, hat unsere Beziehung keinen Sinn mehr, deshalb möchte ich das alles jetzt beenden.“
Zuerst fühlte er gar nichts. Er hörte nur das laute Klopfen seines eigenen Herzens. Dann, als er begriff, spürte Joey, wie sich in seiner Brust ein heißer Schmerz ausbreitete, als er vollkommen starr da stand, den Kopf abgewandt.
Er hatte es gewusst. Er hatte die ganze Zeit gewusst, dass es dazu kommen würde. Und doch zitterte er jetzt am ganzen Leib und hatte plötzlich Mühe sich auf den Beinen zu halten. Irgendetwas presste ihm die Brust zusammen und er hatte das Gefühl kaum Luft zu bekommen. Er versuchte ruhig zu atmen, sein Blick irrte jetzt über den dunklen Platz, um Seto nicht ansehen zu müssen.
Der Ältere senkte ebenfalls den Kopf. „Ich liebe dich nicht mehr, Joey.“

Amen Omen
Will I see your face again?
Amen Omen
Can I find the place within
To live my life without you?

Hätte Seto ihm ins Gesicht geschlagen - die Wirkung hätte nicht verheerender sein können. Joey begriff, was diese Worte bedeuteten. Er hatte schon länger gewusst, dass das hier geschehen würde, früher oder später. Er begriff es, aber er wollte es nicht begreifen. Sein Mund war trocken und seine Kehle wie zugeschnürt. Doch er hätte ohnehin nichts sagen können. Hätte er es versucht, wäre es endgültig vorbei gewesen mit seiner Beherrschung und er hatte sich geschworen heute Abend nicht zu weinen.
Ein schmerzhaftes Brennen in seiner Kehle drohte hervorzubrechen, doch er zwang sich es niederzukämpfen. Stattdessen zitterte er jetzt am ganzen Körper, hob aber langsam seinen Kopf und sah Seto an. In dessen Augen las er Bedauern, Mitleid. Aber nichts von den Gefühlen, die einmal darin gewesen waren. Es versetzte Joey einen zusätzlichen schmerzhaften Stich und er musste tief ein und aus atmen, um sich einigermaßen beruhigen zu können.
Er wusste nicht, wie lange sie sich anstarrten, doch irgendwann senkte Seto den Blick.

I listen to a whisper
Slowly drift away
Silence is the loudest
Parting word you never say

„Es tut mir leid“, sagte er leise. Joey ballte seine Fäuste so heftig, dass seine Knöchel weiß hervor treten mussten. „Ich.. weiß..“ Er brach ab und schluckte mühsam den Kloß in seiner Kehle herunter. „W-wenn.. wenn du.. so fühlst, dann.. kann ich nicht.. will ich dich nicht...” Seine Stimme zitterte so stark, dass er erneut abbrach. Seto sah ihn hilflos an und machte eine Bewegung, als wollte er ihn berühren, aber dann begriff er wohl, dass es das nur noch schlimmer gemacht hätte und ließ die Hände wieder sinken. „Ist schon gut.. Ich hab’s verstanden..” sagte Joey mit heiserer Stimme und wich einen Schritt vor Seto zurück, obwohl er sich mit jeder Faser seines Körpers wünschte, bei ihm zu sein, ihn zu umarmen, ihn zu lieben.
Aber das war vorbei. Innerlich hatte er es längst akzeptiert - schon seit einiger Zeit hatte er gefühlt, dass sie nur noch aneinander vorbei lebten. Und nun war es so weit, dass sie damit konfrontiert wurden. Hatte es denn einen Sinn, sich noch länger etwas vorzumachen?
Abwesend schüttelte er den Kopf und starrte vor sich hin. Nein, es war sicher gut so. Gut für Seto, dass er sich und ihn nicht mehr belügen musste. Was für eine Last war Joey wohl für ihn gewesen, und wie lange schon? Wann hatte er aufgehört etwas für Joey zu empfinden? Oder war es langsam geschehen, schleichend, dass es ihm vielleicht zuerst nicht einmal selbst aufgefallen war, und er nur aus purer Gewohnheit weiter gemacht hatte?, Dachte Joey bitter.
Es tat weh, furchtbar weh. Die Gewissheit, dass nichts mehr so sein würde wie vorher.
Er bedeutete Seto nichts mehr, er war ein Niemand geworden - neben alle den anderen Tausenden von Niemanden in Setos Leben. Es tat weh, einfach so abgelegt zu werden wie die Wäsche von gestern. Es tat weh, dass er Seto nicht mehr so lieben durfte, wie er es wollte und brauchte.
Nein - Seto brauchte IHN nicht mehr.

Die Erkenntnis ließ ihn merkwürdig ruhig werden, zumindest äußerlich. Seto brauchte ihn also nicht mehr. Joey hob den Blick und sah ihn an. Der Ältere erwiderte den Blick abwartend, nicht kühl, aber ruhig. Es war nicht mehr der Blick eines Liebenden, der sich um ihn sorgte, sondern nur der eines Menschen, der ihn irgendwann einmal gern gehabt, und nun das Interesse an ihm verloren hatte. Joey spürte erneut, wie sich seine Kehle zuschnürte. Er zog seine Hände aus den Taschen und wandte sich dann halb um, zum Gehen. „Ich nehme an, wir sehen uns dann.. in der Schule“, sagte er leise, dann senkte er den Kopf, drehte sich um und ging. Ein erneutes Brennen in seinen Augenwinkeln ließ ihn seine Schritte beschleunigen und diesmal kämpfte er nicht mehr gegen den Druck hinter seiner Stirn an. Er blinzelte nicht, als heiße Tränen seinen Blick verschleierten und seine Wangen hinunter rannen. Sein Gesicht verzog sich zu einem schmerzlichen Lächeln, als der Weg vor seinen Augen verschwamm.
Seto hielt ihn nicht zurück. Was hätte er auch sagen sollen?

I put - I put your world
Into my veins
Now a voiceless sympathy
Is all that remains


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Tja das war's ^^; ..
 
Hi ^^

*schnief* das war so... traurig... v_v
Die ganze Stimmung zu Anfang hat richtig auf das Ende gedeutet. Diese Winterkälte, das Eis und die Stille/Einsamkeit.
Aber so spielt das Leben nun mal. Nichts hält für die Ewigleit. Und das Seto sich und Joey nichts mehr vormacht, finde ich richtig. Denn glücklich wären sie nicht geworden. Aber so hat jetzt jeder die Möglichkeit, den/die richtige/n für sich zu finden.

by: Sonna
 
das ist ja richtig mitreisend... :bawling:
aber da hat son-sonna schon recht, dass es besser ist, wenn seto joey und sich selbst nicht mehr vormacht
hoffentlich werden die zwei irgendwann auch noch eine/n Partner/in finden...
 
heyho^^

hab mir grad deinen OS durchgelesen und ich muss sagen: WOW!!! *___________* ich bin echt begeistert!
es hat mir wahnsinnig gut gefallen, wie du die gefühle der beiden beschrieben hast, man konnte sich richtig in sie hineinversetzen!
und auch der grund für ihre trennung ist gut nachvollziehbar!
die armen...*snief* ich seh sie zwar lieber zusammen, aber dieser OS war wirklich gut!
sayonara
cherry
 
Oh man!
Das war so ... traurig ... und mitreißend... und ... einfach genial!
Du hast die ganze Situation einfach super beschrieben! Alles passte Perfekt zusammen! Ich kann den anderen nur zustimmen: super coole FF
 
Danke für euer Feedback, hab mich sehr drüber gefreut^^
Tja es geht weiter.. XD Ich habe mich entschlossen, dass aus dem Oneshot eine kleine FF wird^^ Ich hoffe, ihr habt Lust weiter zu lesen.. würd emich freuen :3


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[Gezeiten 2]
Music: The smashing Pumpkins - Blissed and gone

Eine abendliche warme Brise zerzauste Joeys Haar, als er für einen Moment stehen blieb und die laue Frühsommerluft einatmete. Die letzten Strahlen der untergehenden Sonne blendeten ihn und so schloss er halb die Augen, als er das Gesicht hob und die kitzelnde Wärme auf seiner Nasenspitze genoss. Warum er stehen geblieben war, wusste er nicht genau, aber es tat gut einfach mal so inne zu halten, durch zu atmen und die Umgebung bewusst wahrzunehmen. Wie jetzt. Tief sog er den leicht süßlichen Fliederduft, der in der Luft hing, ein, und schälte die Hände aus seinen Hosentaschen. Er war auf dem Weg nach Hause, denn er hatte vorhin noch Yugi besucht. Normalerweise fuhr er mit dem Bus zu seinen Freunden, aber wenn schon so gutes Wetter war, konnte es seiner Kondition nicht schaden, mal ein halbes Stündchen zu laufen - Yugi wohnte mitten in der Stadt, er selbst dagegen musste ein gutes Stück Weg bestreiten, wenn er ihn besuchen wollte.
Jetzt befand er sich in einer etwas außerhalb liegenden, ruhigeren Gegend, in der die Häuser hübsche kleine Vorgärten und Kieswege besaßen.
Bis nach Hause waren es noch etwa fünfzehn Minuten. Nun ja, in fünfzehn Minuten würde sich das Ambiente ein klein wenig verändert haben, dachte Joey mit einem kleinen Anflug von Bitterkeit.
Er bewohnte mit seinem Vater eine einfache Dreizimmerwohnung in einem Viertel, über das bestimmte Leute die Nase zu rümpfen pflegten. Früher hatte er sich noch so sehr dafür geschämt, dass er nie jemanden zu sich nach Hause einlud. Zwar war das immer noch selten der Fall, aber dann meist aus praktischen Gründen: Die meisten seiner Freunde wohnten in der Stadt und außerdem konnte man bei Wheelers zu Hause nicht viel machen, außer man bevorzugte es, rumzuhängen und fernzusehen. Doch inzwischen hatte er sich recht gut damit abgefunden, dass sein Vater nun einmal nicht so viel Geld hatte und versuchte ihn mit zwei Nebenjobs zu unterstützen soweit er konnte.

~
the sun has blessed
the rays are gone
and all the kids have left their tears and gone home
~


Er setzte seinen Weg fort und nach wenigen Hundert Metern wurde die Straße belebter. Links von ihm war eine Kreuzung, in der es wieder Richtung Stadt ging; er jedoch musste geradeaus, wenn er in sein Viertel wollte. Joey blieb stehen und überlegte kurz. Eigentlich hatte er noch keine Lust nach Hause zu gehen und nach einem kurzen Griff in seine Hosentaschen und eine klimpernde Erkenntnis später, stellte er fest, dass er heute Vormittag genug Geld verdient hatte, um sich noch ein wenig daran zu erfreuen. Ein verträumter Ausdruck trat auf sein Gesicht. Wo konnte man sein Geld wohl lohnender ausgeben, als in dem schicken Eiscafé, das sonst immer zu nobel und teuer gewesen war? Ein großer Bananeneisbecher mit Schokosoße und Sahnekirschen wäre jetzt jedenfalls nicht schlecht, überlegte er und konnte nicht verhindern, dass ihm das Wasser im Munde zusammen lief. Zwar sparte er eigentlich auf dieses neue Adventuregame, aber Joey war nun einmal Joey – Er konnte sich nicht beherrschen wenn es um Süßkram ging. Also schlenderte er frohgemut los. Die blöden Bonzen, die normalerweise in diesem Café Eis schlemmten, sollten doch glotzen so viel sie wollten! Heute war Joey in Spendierlaune – natürlich nur sich selbst gegenüber.
Als er das Café erreichte, stellte er ein wenig überrascht fest, dass die Einkaufspassage, in der sich sein Ziel befand, noch ziemlich belebt war. Eigentlich nicht ungewöhnlich, aber woher sollte Joey das wissen? Er kam halt nicht oft in so eine noble Gegend, dachte er und rollte unwillkürlich die Augen. Das Café hatte wirklich ein hübsches Ambiente, mit gemütlichen Sitzecken, Blumendekoration und Kirschrot gestrichenen Wänden, an denen große eindrucksvolle Landschaftsbilder hingen. Joey betrachtete das Ganze erst einmal etwas misstrauisch von außen durch die Scheibe – schließlich war das hier ja eigentlich „feindliches Gebiet“. Normalerweise ging er nicht in solchen Läden ein und aus. Nun ja, jedenfalls nicht mehr seit er es vermied mit einer bestimmten Person zu verkehren..
Er biss sich auf die Lippen und versuchte den Gedanken sofort wieder zu verdrängen, doch es war zu spät. Er sah SEIN Gesicht plötzlich wieder vor sich, als stünde er direkt vor ihm.. Doch das war natürlich nicht wahr. Was sollte ER hier auch tun?
Außerdem, knurrte Joey in Gedanken, interessiert mich das gar nicht. Entschlossen richtete er sich gerade auf und ging schnurstracks – es grenzte schon beinahe an ein Stolzieren – in das Café.

~
sweet 17, sour 29
and i can't explain myself
what i'd hoped to find
you were all so kind
when i was near
~


Sofort empfing ihn eine fröhliche Atmosphäre, leise, aber schwungvolle Musik und eine freundlich lächelnde Kellnerin, die ihn mit einem Nicken begrüßte. Ein wenig unsicher erwiderte er den Gruß und sah sich etwas verloren um. Es war ja schon irgendwie eigenartig so allein in ein Café zu gehen – Normalerweise ging er immer zusammen mit irgendwelchen Leuten weg.
Schließlich setzte er sich an einen der beiden letzten Tische ans Fenster, wo er einen guten Blick auf die Einkaufspassage und die vorbei eilenden Menschen hatte. Mit einem halblauten Seufzer ließ er sich in die gemütlichen Kissen zurück sinken und griff erst einmal nach der Karte. Was er sah, regte seine ausgehungerten Drüsen dazu an, noch mehr Speichel zu produzieren. Die verschiedenen Eisbecherkreationen, Kuchen und Torten, sowie Milkshakes und eigens kreierte Cocktails, sahen aber auch einfach zu lecker aus! Und eins waren sie ganz sicher auch: Teuer! Joey fielen fast die Augen raus, als er die Preise sah. Zum Glück hatte er genug verdient – natürlich wollte er nicht alles ausgeben, aber gönnen wollte er sich schon etwas. Während er so durch blätterte, fiel sein Blick plötzlich auf die Seite mit den Eisbechern. Und er erstarrte.
Zugegeben – für jeden anderen war es nichts Besonderes, auf was das Blondchen da gerade glotzte – aber irgendwas schien ihn daran zu irritieren. „Oh“, kam es ganz leise über seine Lippen und er bohrte seinen Finger in eine ganze bestimmte Abbildung. Wie gesagt, nichts Besonderes, ein Kindereis in Form des kleinen Elefanten Dumbo, der zwei rote Kaugummis als Augen besaß. Aber für Joey hatte es eine Bedeutung. Dieses Eis. Dieses blöde Eis.. Das hatte ihm dieser blöde Idiot von einem.. “Möchten Sie bestellen?” Joey fuhr erschrocken zusammen und blickte direkt in zwei freundliche blaue Augen. Im ersten Moment machte sein Herz einen verwirrten Hüpfer, doch dann erkannte er in der über ihm gebeugten Person die nette Kellnerin von eben. „Ah-Ähm.. ich..“ murmelte er ein wenig von der Rolle und blickte wieder zu seiner Hand, die immer noch die Abbildung eines kleinen unscheinbaren Dumbobechers mit roten Kaugummiaugen drangsalierte. Die Kellnerin war seinem Blicken offensichtlich gefolgt, denn sie notiert brav: „Ein Dumbobecher also, sonst noch etwas?“ Joey lief hochrot an. „N-nein.. danke”, stotterte er beschämt und zog seine Hand wie von der Tarantel gestochen zurück. Die Kellnerin unterdrückte scheinbar ein Grinsen und wollte sich gerade umdrehen, als Joey ihr noch die Karte in die Hand drückte und sie flehend ansah. „Hier! Die Karte müssen sie wieder mitnehmen!” Die junge Dame sah ihn zunächst etwas überrascht an, dann jedoch grinste sie wirklich. „Entschuldige, aber das hier ist kein Restaurant, sondern ein Café, da bleiben die Eiskarten immer auf dem Tisch.“ „Oh..“ Joey Kopf glich einer Tomate, als er Selbigen senkte und versuchte nicht gleich vor Scham im Boden zu versinken. Wie peinlich! Das hätte er doch wissen müssen! Und das alles nur wegen diesem blöden.. diesem dämlichen.. Er klappte die Karte zu und steckte sie zurück in den dazugehörigen Ständer. Diesem überaus lächerlichen, kindischen Eis.

~
and if you're still feeling down
then maybe i need me around
to love and hold you
don't say i hadn't told you so
maybe i need me around
~


Während er wartete, stützte er die Ellenbogen auf den Tisch, das Kinn auf seine Hände und starrte nach draußen. Der Himmel hatte sich dort, wo die Sonne hinter den Häusern unterging, Blutrot und Orange verfärbt, wo es sich im restlichen Blau des Himmels verlief. Auf den stetigen Geräuschpegel im Café achtete Joey nicht; er spielte gedankenverloren mit den Blättern einer auf dem Tisch stehenden Orchidee. Am Rande nahm er wahr, dass die Tür sich erneut öffnete, lustiges Stimmengewirr in den Laden drang und dann wieder im allgemeinen Gebrabbel unterging.
Irgendwie wusste er selbst nicht so genau, warum er her gekommen war.. Und obwohl er eisern versuchte, nicht an ihn zu denken, drängte sich doch immer wieder dieser eine Mensch in sein Bewusstsein. Dem Menschen, dem er seine monatelange Niedergeschlagenheit verdankte. Vielleicht hätte er doch lieber nach Hause gehen sollen. Irgendwie erinnerte ihn alles hier an..
Ohne es wirklich zu bemerken, begann er die Blätter zwischen seinen Fingern zu zerstückeln, indem er mit seinen Fingernägeln kleine Rillen hinein stach.
Gott sei Dank, hatte er diese Zeit überwunden.. Trotzdem. Es war unfair daran erinnert zu werden. Selbst von einem lächerlichen.. Kindereisbecher. Grimmig zog er seine Hand zurück und beschloss, jetzt nicht daran zu denken.
Mit einem verhaltenen Gähnen streckte er sich ein wenig - und fuhr mit einem halblauten Quicken erschrocken zusammen, als ein lautes Klirren und das Geräusch von zerbrechendem Glas ihn aus seiner Gedankenwelt holten. „Verzeihung! Das tut mir wirklich sehr leid, Mister..“ hörte er kurz darauf eine Kellnerin mit ebenso erschrockener Stimme sagen und konnte sich ein schadenfrohes Grinsen nicht verkneifen. War da etwa jemand gestolpert? Er reckte ein wenig den Kopf, um die Szene aus der Nähe betrachten zu können, aber das Missgeschick schien in einer anderen Ecke das Cafés passiert zu sein, die er nicht sehen konnte. Und aufzustehen, nachzusehen was da los war, wäre dann doch etwas auffällig sensationsgeil gewesen. Also ließ er sich gelangweilt wieder zurück sinken und nahm seine Tätigkeit, nämlich aus dem Fenster zu starren, wieder auf.
Gerade wollte er in der Tasche nach seinem Walkman kramen, um sich das Trallala der momentan aus den Lautsprechern tönenden Popcharts nicht antun zu müssen, als er plötzlich wieder die Stimme der Kellnerin, ganz in seiner Nähe vernahm. „...uns entschuldigen, ich hoffe, das macht jetzt keinen schlechten Eindruck auf Sie!“ Himmel, dachte Joey und seine Mundwinkel zuckten wieder nach oben. Das Mädchen war, ihrer Stimme nach zu urteilen, doch wirklich verzweifelt. War wohl ein besonders Respekt einflößender Gast, überlegte er spöttisch, während er seine Kopfhörer auswickelte. Oder aber Speichellecken gehört zu ihrem Beruf.. „Also, ähm.. wenn es Ihnen nichts ausmacht, der junge Mann wird sicher nichts dagegen haben, wenn Sie sich dazu setzen, bis der Tisch wieder.. benutzbar ist..“ Ein nervöses Lachen unmittelbar neben ihm, veranlasste Joey dazu, den Kopf zu heben.
Im nächsten Moment wünschte er, es nicht getan zu haben, nicht in dieses Café gegangen zu sein und diesen Tag je begonnen zu haben. Er erkannte das Gesicht des zwangsumquartierten Gastes in dem Moment, indem er ihn erblickte.
Und sein Herz schien für zwei Schläge auszusetzen.


~
i had no luck
i had no shame
i had no cause just 17 days of rain
and you in my eyes
~


Dieses Gesicht. Er hätte es unter Tausend anderen wieder erkannt.
Joey schnürte es sich die Kehle zu und er brachte kein Wort heraus. Sein Gesichtsausdruck wechselte zwischen geschockt und fassungslos. Setos Gesicht derweil blieb völlig ausdruckslos. Er erwiderte Joeys Blick ohne die mindeste Regung, dann wandte er sich wieder an die Kellnerin. Diese lächelte nervös. „Setzen Sie sich doch, ich bringe Ihnen dann einen neuen Kaffee..“ Joey schluckte. „Ähm.. ich.. wie?“ stotterte er und klammerte sich an der Tischkante fest, als fürchtete er, jeden Moment ohnmächtig zu werden.
Die Kellnerin schien sich immer unwohler zu fühlen. Die Sache war ihr wohl ziemlich peinlich. „Gibt es noch ein Problem?“, fragte sie deshalb, mit einem fast flehendem Blick, als wollte sie Joey dazu bewegen, gefälligst ‚Nein’ zu sagen.
Doch statt einer Antwort starrte der Blondschopf sie nur mit einem mindestens genauso verzweifelten Blick an, der eindeutig auf ein ‚Ja’ hinwies.
Seto beendete ihren stimmungsgeladenen Blickkontakt, indem er seinen Mantel gegenüber von Joey auf die Bank warf und sich dann mit übergeschlagenen Beinen darauf nieder ließ. „Nein, kein Problem“, sagte er kühl und machte eine auffordernde Kopfbewegung. „Ich warte dann solange hier.“ In seiner Stimme klang ein eindeutig drängender, fast befehlender Unterton mit, was die Kellnerin auch gleich zum Anlass nahm, sich schleunigst, und mit glühendem Kopf aus dem Staub zu machen, um ihre Bestellung zu holen.
Joey wagte es nicht, Seto anzusehen. Seine Hände umklammerten noch immer die Tischkante und sein Blick huschte zwischen dem Fenster und der Orchidee hin und her.
Er fühlte sich auf einmal sehr unsicher und wusste nicht, wohin mit sich. Was sollte er nur sagen? Was sollte er denken? Und warum sagte Seto nichts? Erwartete er irgendetwas? Hilfe! dachte Joey und spürte, wie seine Hände begannen zu schwitzen. Die Sekunden verstrichen, zogen sich für seinen Geschmack viel zu lange dahin. Sein Gegenüber schwieg beharrlich und Joey begann schon sich zu fragen, ob es nicht besser wäre, jetzt einfach aufzustehen und sich unauffällig(?) aus dem Staub zu machen, bevor er vor Anspannung noch platzte.
Bis er das leise klickende Geräusch eines Feuerzeugs vernahm und gleich darauf Setos inhalierenden Atem. Nun hob Joey langsam den Kopf und blickte den schlanken Braunhaarigen unsicher an. Er versuchte zwar, sich nichts von seinen Gefühlsregungen anmerken zu lassen, doch er wusste selbst, dass er nicht gut lügen oder seine Emotionen verbergen konnte. Seto erwiderte seinen Blick, während er mit seinen feingliedrigen Fingern – Joey wusste, dass sie es waren, er hatte sie selbst millimetergenau in Augenschein genommen – die Zigarette zwischen seine Lippen drückte, ihre Inhaltsstoffe genüsslich, tief in seine Lungen sog, und dann den Rauch mit einem leichten Kräuseln seines Mundes wieder ausstieß – nicht in Joeys Richtung, sondern zum Fenster hin.
„Du rauchst schon wieder?“, entfuhr es diesem unwillkürlich, was er im nächsten Moment auch schon bereute. Erstens, was für eine blöde Frage! Schalt er sich selbst, während ihm die Röte auch schon ins Gesicht stieg. Zweitens, wie ‚elegant’ konnte man ein Gespräch bitte anfangen?
Seto jedoch schien es ihm nicht übel zu nehmen. „Stress auf der Arbeit“, meinte er knapp und zuckte die Achseln. „Stört’s dich?“ Joey meinte so etwas wie eine Herausforderung aus seiner Stimme heraus zu hören, doch er ging nicht darauf ein, sondern schüttelte nur stumm den Kopf. Einige Sekunden lang starrten sie sich schweigend an. Joey musste tief durch atmen. Was für eine Art von Schicksal war das? Er saß mit seinem Exfreund an einem Tisch und wusste nichts zu sagen. Es hatte sich so viel verändert.
„Lange nicht gesehen“, stellte Seto in diesem Moment treffend fest.

~
and if you're still feeling down
then maybe i need me around
to let them scold you
and don't say i hadn't told you so
maybe i need me around
~





Das stimmte. Seit diesem einen Tag hatten sie sich in der Schule nur noch selten gesehen und selbst dann nur kurz. Sie waren sich aus dem Weg gegangen, worüber Joey einerseits froh, andererseits tief verletzt war. Aber es war nun mal nicht zu ändern gewesen.
„Ja“, erwiderte er leise und dachte endlich daran die Hände von der Tischkante zu nehmen. Da er nicht wusste, wohin, legte er sie in seinen Schoß und zuckte nervös mit den Fingern.
Er wusste selbst nicht warum er das sagte aber nach einem kurzen Zögern, hörte er sich plötzlich selbst fragen: „Du warst.. länger nicht da. Oder?“
Irgendwie erschien Joey diese ganze Situation völlig abstrus. Er saß hier mit seinem Exfreund UND redete Smalltalk, weil ihn diese blöde Kellnerin praktisch dazu gezwungen hatte! Das war doch.. also dazu fiel Joey wirklich nichts mehr ein. Das war doch einfach nur total beknackt! Und er war sich sicher, dass Seto genau das Selbe dachte. Warum also mühten sie sich hier ab, obgleich sie sich Besseres vorstellen konnten, als den Abend mit einem Verflossenen zu verbringen? Moment, Joey mühte sich zwar ab, seine Beherrschung zu behalten – Seto jedoch sah nicht so aus, als wäre er nervös, abgesehen davon, dass er rauchte. (Nun, das musste nichts heißen, Seto hatte seine wahren Gefühlsregungen schon immer gut verstecken können.) Joey begann sich zunehmend unwohl zu fühlen und wandte den Blick etwas ab, als Seto seine Zigarette mit einem Fingerstups von der Asche, in den vorgesehenen Becher befreite. „Allerdings, ich war geschäftlich in Europa.“ Sein Stimme klang völlig ruhig und Joey nutzte den Augenblick, als Seto den Kopf zum Fenster wandte um einen weiteren tiefen Zug zu nehmen, um ihn unauffällig zu mustern. Er hatte sich nicht verändert, was Joey auch nicht erwartet hatte. Dieselben feinen Gesichtszüge, dieselben schmalen Lippen, die breiten Schultern, die.. Fünfeinhalb Monate waren keine lange Zeit. Wahrscheinlich war es aber eher die innerliche, als die äußerliche Veränderung, die den Entscheid brachte, dachte Joey bedrückt. Zwar war er sich ziemlich sicher gewesen über die Trennung hinweg zu sein, doch Seto zu sehen, und genau das dabei zu denken war ein weiterer Härtetest. Er hatte sich vor noch gar nicht all zu langer Zeit geschworen, nicht darüber nachzudenken - und jetzt hatte er keine Möglichkeit zu entkommen. Das heißt – eigentlich hatte er die schon. Er hätte jetzt einfach aufstehen und gehen können. Doch erstens, sagte er sich, würde das einen blöden Eindruck machen und zweitens.. Ja zweitens. Joey sank ein wenig in sich zusammen und sah woanders hin. Musste er sich das wirklich geben?


~
just one more song to slay this earth
and i can't explain myself
just what it's worth
it was all i had but not all i need
and i can't escape the fact that i still bleed
~


“Hier bitte, ihr Kaffee, Sir“, unterbrach die Kellnerin Joeys Gedankengänge und stellte vor Seto eine große Tasse hin. „Nehmen Sie Zucker?“ Seto verneinte. „Nein, schwarz und ohne alles.” Er drückte seine halb gerauchte Zigarette im Aschenbecher aus und warf Joey einen kurzen Blick zu. Dieser hatte sich gerade dazu entschieden wieder rot anzulaufen. Der Auslöser war ein großes Dumboeis mit Kirschsoße und Schokostreuseln – und Kaugummiaugen, das nun mit einer entsprechenden Bemerkung vor ihm abgestellt wurde. „Danke..“ murmelte er in seinen nichtvorhandenen Bart und blickte stur auf seinen Elefanten. Der Elefant guckte ungerührt zurück. Und auch Seto guckte.
“Joey..”, sagte er dann leise. Dieser jedoch griff ohne zu antworten nach seinem Löffel und begann mechanisch das Eis in sich hinein zu schaufeln. Ein Missverständnis, das ist ein Missverständnis, hämmerte es in seinem Kopf. Er hatte dieses dumme Eis gar nicht haben wollen. Und jetzt dachte Seto.. ja was dachte er jetzt? Joey hatte sich soeben das Eis gekauft, was Seto ihm immer spendiert hatte. Er wusste ja von seiner Vorliebe für Disneyfiguren. Und für Eis. Bitte lieber Gott, lass ihn nichts sagen, flehte Joey in Gedanken. Und weil er nicht wollte, dass dies geschah, riss er sich zusammen und begann einfach mal drauf los zu quatschen. „Was.. machst du eigentlich hier?“ versuchte er abzulenken. Und Seto war so gnädig darauf anzuspringen. „Einkaufen mit meinem kleinen Bruder. Mokuba wollte noch schnell rüber in einen Klamottenladen, deswegen hat er mich so lange hier geparkt.“ Seine Augen funkelten ein wenig. „Dasselbe könnte ich dich aber auch fragen.“ Joey sah ihn tapfer an. „Ach, war nur gerade in der Gegend und hatte ein bisschen Geld..“ murmelte er und ließ seinen Blick bis zu Setos Händen wandern, die elegant die Kaffeetasse umschlangen. Wie lange war es her, dass er diese Hände berührt hatte? Berühren durfte? Du solltest nicht hier sein, flüsterte eine leise Stimme in seinem Kopf. Aber er ignorierte sie, wenigstens für den Moment, und versuchte krampfhaft den Eindruck von Normalität zu vermitteln. Seto durfte nicht merken, wie sehr ihn die Begegnung verstörte. „Achso, na dann..“ meinte dieser gerade beiläufig und nahm einen Schluck von seinem Kaffee. Joey nickte knapp und versuchte, sich wieder auf sein Eis zu konzentrieren. Leider hatte er es schon beinahe aufgegessen, weshalb er sich nicht mehr all zu lange mit Essen würde ablenken können – nur noch der Rest des Kopfes mit zwei Kaugummiaugen guckte ihn anklagend an. Eine Weile sagte keiner von beiden etwas. Joey versuchte in Zeitlupe zu essen, um Zeit zu schinden, was er dann aber schnell wieder sein ließ, da er sich dabei selten dämlich vorkam. Schließlich räusperte sich Seto, fischte die halbgerauchte Zigarette aus dem Aschenbecher und zündete sie wieder an. Er richtete seinen Blick auf Joey und nahm erst mal einen Zug, während er ihn eindringlich musterte. Joey spürte den Blick sehr wohl und er fand ihn auch mehr als unangenehm, doch er sah nicht auf. „Und was machst du so?“ fragte Seto schließlich, mit einer Stimme, die nichts von seinen Beweggründen verriet. „Hä?“ erwiderte Joey, äußerst intelligent, und merkte, wie ihm erneut die Schamesröte ins Gesicht stieg. Er würde es wohl nie lernen. Irgendwie schaffte Seto es immer wieder, ihn aus der Fassung zu bringen. „Tjaa ehem..“, versuchte er sich sofort aus der Situation zu retten. Er wollte schon ‚nichts Besonderes’ antworten, doch da meldete sich plötzlich eine Art trotziger Stolz. Seto hatte ihn verlassen. Und Joey würde sich jetzt bestimmt nicht die Blöße geben so einen uninteressanten Mist von sich zugeben, so dass er womöglich noch vom Seto bemitleidet würde! Also fasste er sich und sagte beiläufig: „Ach so Dies und Das.. Bin im Augenblick ziemlich beschäftigt mit meinen Jobs und so.“ Er sah Seto dabei nicht an, sondern scharrte mit dem Eislöffel in seiner Tasse herum. Das Eis war inzwischen geschmolzen und die Kaugummis halb darin versunken. Höchst interessiert beobachtete Joey dieses faszinierende Schauspiel und konnte daher Setos Gesicht – und seine irgendwie amüsiert wirkenden Augen – nicht sehen. „Aha.“ Eine kurze Pause entstand. „Hast du einen Freund?“
Joey glaubte sich verhört zu haben. Das konnte doch nicht wahr sein oder? Wie konnte Seto es wagen ihm SO eine Frage zu stellen?! Er spürte, wie der Zorn in ihm hochstieg. Und zugleich auch einen stechender Schmerz in seiner Brust. Warum wusste dieser Kerl nur immer, womit er ihn am besten verletzten konnte? Ob ich einen Freund habe? Dachte Joey bitter. Er hätte jetzt lügen können, aber Seto hätte es ohnehin heraus gefunden – durch Mokuba.
Mit Mühe zwang er sich ruhig zu bleiben. „Nein, habe ich nicht“, erwiderte er mit zusammen gebissenen Zähnen. „Du etwa?“ Mit dem Eislöffel zerdrückte er die eine rote Kaugummikugel, was auf dem Porzellan einen quietschenden Laut verursachte. Er wusste selbst nicht, warum er das fragte, denn er fürchtete sich vor der Antwort. Doch Seto tat ihm den Gefallen den Kopf zu schüttelten. „Nein“, sagte er langsam, während er den Rauch durch die nur leicht geöffneten Lippen wieder ausstieß. Joey wusste selbst nicht wieso, aber er atmete ebenfalls – allerdings erleichtert, aus. Na da hatte er ja noch mal.. „Ich habe ein Mädchen. Sie heißt Yorina.”
Joey spürte, wie ihm schlecht wurde.

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i had no voice
i had no drive
i had no choice
i've d
one my time
i had my self
i had my band
i had my love
and i had no hand
in watching it all fall apart
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Es vergingen einige endlose Sekunden, in denen er versuchte zu verarbeiten, was er da gerade gehört hatte – überhaupt, diesen Worten einen Sinn abzugewinnen. Seto hatte eine Freundin? Seto? Der eisgekühlte, unnahbare Seto, der sich nie sonderlich für das weibliche Geschlecht interessiert hatte? Das musste ein Witz, nein ein abstruser Alptraum sein. Das KONNTE einfach nicht sein! Und überhaupt, was sollte das heißen ‚ich habe ein Mädchen’? Als wäre sie ein Gegenstand oder ein.. Er war mitten in der Bewegung erstarrt und hob jetzt langsam den Kopf. Er wollte Seto nicht ansehen, wollte nicht in seinen Augen lesen, dass er die Wahrheit sagte und sich nicht nur einen makaberen kleinen Scherz mit ihm erlaubte. Aber er tat es trotzdem, da er es einfach nicht mehr aushielt, dessen Blicke auf sich zu spüren und nichts dagegen tun zu können.
Er spürte, wie sich langsam, drückend, ein schmerzhaftes Ziehen in seiner Kehle ausbreitete, nachdem die Erkenntnis in seinem überlasteten Hirn durch gesickert war. Doch er verbot es sich, seinen Gefühlen nachzugeben. Seto hatte also eine Freundin? Na wunderbar! Wie schön für ihn.. “Ein Mädchen?” brachte er schließlich nach einer halben Ewigkeit hervor und zwang sich zu etwas, dass ein Lächeln hätte sein können, wenn seine Gesichtsmuskeln ihm denn gehorcht hätten. „Wie.. schön..“ Na das hatte der große, gut aussehende Seto Kaiba ja gut hinbekommen, dachte Joey in einem Anflug von Galgenhumor – hatte sich ein hübsches Mädchen geangelt, was ihm ja nicht sonderlich schwer gefallen sein dürfte. Na klasse! Joey war ihm zutiefst dankbar, dass er ihm das jetzt mitgeteilt hatte. Aber was ging ihn das eigentlich an? Er hatte nun wirklich gar nichts mehr mit Seto zu schaffen. Nichts. Seto war nur noch ein Name, den er, aus Platzgründen, aus seinem Leben gestrichen hatte. Er war nur noch eine ferne Erinnerung, die Joey absolut nicht zurück haben wollte. Nein, er wollte..
Bloß weg hier. Der Gedanke war da, und er handelte ohne groß darüber nach zu denken.
Er durchforschte sein Gehirn nach einer Information, die er an seine Muskeln senden konnte, um so etwas wie ein erfreutes Lächeln zu produzieren und sagte mit brüchiger, aber absolut herzlicher Stimme: „Naja ich muss dann auch los, mein Vater wartet.“ Er ignorierte Setos Blicke, die sich in seine Stirn zu bohren schienen, schnappte hastig seinen Mantel und knallte ein paar Münzen auf den Tisch. „Bis dann!“ Er wartete nicht auf eine Antwort und verließ fluchtartig das Café.

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and if you're still feeling down
then maybe you need me around
to love and hold you
don't say i hadn't told you so
maybe i need me around

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Das war... *schnief*
Joey kann einem Leid tun. Das er ausgerechnet Seto hier wiederbegegnen muss. Und dann kriegt er auch noch serviert, das Seto "ein Mädchen" hat. *grummel* Ich frage mich, ob der Kerl das alles extra gemacht hat... also das er Joey so wehtut...
Wie das zu der Situation gekommen ist, fand ich dagegen witzig. ^^ Ich kann mir die arme Kellnerin gut vorstellen, wie sie vor Seto steht. ;P

Ich kann mir nicht helfen, aber ich hab das Gefühl, mit Seto stimmt was nicht... *drop*

by: Sonna
 
Ich stimme Son-Sonna zu: armer Joey!
Gott, ich liebe es wenn man seinen Ex wiedertrifft und dann so tun muss als ob nichts wäre.
Aber ich finde, du hast das alles wieder total genial verpackt! Das mit dem Eis...

Und mit Seto scheint wirklich was nich zu stimmen...

WEITER!!!!
 
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