Quinn
paints the world red
Autor: Quinn
Titel: Mugen No Jūnin - Kenji, der Unsterbliche
Teile: Noch nicht fertig
Genre: Action, Fantasy, Eastern
Serie: Blade of the Immortal von Hiroaki Samura
Disclaimer: Diese Geschichte basiert auf den Manga Blade of the Immortal. Ich habe mir die Idee der Unsterblichkeit dort "ausgeliehen", die Geschichte jedoch in unsere heutige Zeit versetzt. Die Charaktere gehören mir!
Das Leben war weder besonders schön noch besonders schwer gewesen. Kenji war achtzehn Jahre alt und obwohl es nicht immer leicht war, waren er und seine Eltern bisher gut zurechtgekommen. Sein Vater, Ryu Mitamura, war Geschäftsmann und wenn er nicht gerade tagelang weg war, kümmerte er sich eigentlich recht gut um seine Frau, Ayumi, und natürlich auch um seinen Sohn. Zwar war er nach all den Geschäftsreisen oft müde, nahezu ausgebrannt, aber gerne nahm er sich trotzdem die Zeit, mit Kenji im Garten zu trainieren. Für eine Kampfsportschule reichte das Geld nicht, daher trainierten Vater und Sohn mit Bokutōs, hölzernen Schwertern. Das minimierte auch die Verletzungsgefahr. Es war für Kenji eine willkommene Abwechslung vom Schulstress, von der Enttäuschung in der Liebe. Und er glaubte, dass es seinem Vater half, seine Arbeit zu vergessen. Kenjis Mutter Ayumi arbeitete in einem Restaurant als Kellnerin. Kenji selber besuchte die Kōtōgakkō-Oberschule von Tokio, war im letzten Jahr. Das war nicht immer ganz leicht. Kenji tat sich schwer, eine Freundin zu finden und oft wurde er von Mitschülern geärgert. Außerdem war es jedes Jahr sehr schwer für seine Eltern gewesen, die Gebühr zu bezahlen. Kenji war höflich, ein guter Durchschnittsschüler. Obwohl er oft Ärger mit anderen Schülern hatte und die finanzielle Lage seiner Eltern ihm auch zu schaffen machte, war das Leben recht akzeptabel. Doch allzu oft im Leben dreht sich das Rad des Schicksals nicht wie erwartet. Kenji ahnte nicht, dass das Schicksalsrad nichts Gutes für ihn vorgesehen hatte.
Es war der Tag seiner letzten Prüfung. Kenji hatte wochenlang gelernt, denn er wollte mit möglichst guten Noten dastehen, wenn die Zeit an der Oberschule vorüber war. Wenn alles glatt ging, würde Kenji dann auf die Hochschule gehen. Er hatte sich bereits alles gut überlegt. Die Gebühr für eine Hochschule konnte zwischen 582.280 Yen ( 4000 Euro ) und 1.455.700 Yen ( 10.000 Euro ) jährlich betragen. Kenji wollte unbedingt auf eine private Hochschule gehen. Das war zwar teuer und schwierig, aber vielleicht stressfreier als eine öffentliche Hochschule. Außerdem würde der Besuch einer Elite-Hochschule Kenjis Zukunftsaussichten verbessern. Doch würde er arbeiten müssen, um die Gebühren zu bezahlen. Seine Eltern wollte er - wenn überhaupt - nur minimal belasten. Er selber würde sich einen oder zwei Jobs suchen, um die 121.803 Yen im Monat zu verdienen. Aber erstmal würde er ein ganzes Jahr Ruhe haben, beziehungsweise: Er würde die Zeit gänzlich zum Lernen für die Aufnahmeprüfung nutzen. Diese Prüfungen waren schwer, das wusste Kenji. Doch war die Prüfung erst einmal geschafft, waren die Anforderungen im Studium relativ gering, so hatte er gehört. Auch die Abschlussprüfungen sollten angeblich sehr einfach sein. Deshalb konnte er einen Großteil der Studienzeit nutzen, um zu arbeiten und sogar ein wenig zu entspannen. Viele andere Japaner sahen die Studienzeit als wahre Partyzeit an. Vor dem großen Raum, wo seine Klasse die heutige Abschlussprüfung schreiben würde, hatte sich bereits eine Menge aus Schülern gebildet. Kenji lehnte sich an die Wand und wartete. Er steckte die Hände in die Hosentaschen und versuchte, sich so unauffällig wie möglich zu benehmen. Doch es nützte nichts. Die Klassen-Schläger Ken Hinobu und Shinji Iwakawi schälten sich aus der Schülertraube und lehnten sich zu beiden Seiten neben Kenji an die Wand. "Na, haste schön gelernt, Mitamura?", sagte Ken feixend und knuffte Kenji mit der Faust in die Seite. "Bestimmt hat er das, der Streber", meinte Shinji lachend. "Bringt nur nichts. Unser Kenji wird genau so ein Versager, wie auch sein Vater schon einer..." Das war zuviel für Kenji. Mit ungeahnter Wut holte er aus und schlug mit dem rechten Arm nach rechts, wo Shinji stand. Sein Schlag war ungezielt, doch traf er mit dem Unterarm dennoch Shinjis Hals und dessen Worte wurden zu einem Gurgeln. Sofort warf sich Ken jedoch auf ihn und schlug kräftig auf ihn ein. Kenji konnte sich nicht gut verteidigen. Erst als die Lehrer erschienen und eingriffen hörte der Fäustehagel auf. "Er hat uns beleidigt", keuchte Shinji und schluckte hart, hielt sich den Hals. "Ihr macht oft genug Ärger, als dass ich euch glauben könnte. Aber da die letzte Prüfung ansteht und ihr ja bald endgültig weg seid, lass ich euch in Ruhe"; sagte der Lehrer. Zornig betraten Kenji, Shinji und Ken mit den Lehrern und den anderen Schülern den großen Raum. Sie setzten sich alle hin und die Lehrer verteilten die Klausuren.
Kenji hatte gut gelernt und deshalb war die Klausur an sich eine Kleinigkeit. Allein das viele Schreiben nervte, besonders, wenn einem der Magen wehtat. Er hatte ein paar üble Schläge kassiert. Er würde nach der Schule aufpassen müssen, nicht von Shinji und Ken zusammen geschlagen zu werden. Aber Kenji konnte schnell laufen und kannte eine Menge guter Verstecke. Fleißig schrieb er Antworten zu den verschiedenen Fragen über japanische Geschichte und Politik. Und 6 Stunden später war die Prüfung vorbei. Kenji gab als einer der ersten die Klausur ab, ehe er im Eilschritt die Klasse verließ. Er sprintete durch die leeren Korridore der Kōtōgakkō-Oberschule, schlug Haken wie ein Hase. Er rannte über den Schulhof und hörte dann hinter sich die Rufe von Shinji und Ken. "Da ist er!", "Bleib stehen, Mitamura!" Doch Kenji hatte nicht vor, stehen zu bleiben um sich verdreschen zu lassen. Er ignorierte den Verkehr und rannte über die Straße. Knapp rasten Autos an ihm vorbei, laut hupend. Dann sprintete er den Gehweg entlang, links durch eine Gasse. Und nach einigen Minuten des Rennens hatte er die Meiwa-U-Bahnstation erreicht. Er hatte Seitenstechen, versteckte sich hinter einer Säule. Wild am Schnaufen sah er auf den Fahrplan. Die U-Bahn, die ihn nach Hause bringen würde, müsste gleich da sein. Erleichtert atmete Kenji aus und nur wenige Atemzüge später erschien auch schon die Bahn, wie eine weiße Metallschlange schob sie sich durch den U-Bahntunnel, ehe sie zum Stillstand kam. Kenji wollte gerade einsteigen, als Ken Hinobu die Treppen zum Gleis hinab gehastet kam. "Mitamura, du Bastard!" Schnell stieg Kenji ein und als sich die Türen schlossen und Ken noch draußen auf dem Gleis stand, konnte Kenji einfach nicht anders als zu grinsen und Ken den Stinkefinger zu zeigen. Ken stand auf dem Gleis, als die Bahn sich wieder in Bewegung setzte. Doch seltsamerweise grinste auch Ken. Er winkte, ehe er sich abwendete und das Gleis verließ. Seltsam, dachte sich Kenji. Er hoffte, dass die Raufbolde nicht eventuell bei ihm zuhause auftauchen würden. "Hast du dir so gedacht, so leicht zu entwischen, Mitamura", ertönte plötzlich eine Stimme hinter ihm. Kenji fuhr herum und da stand Shinji, ebenso breit grinsend wie Ken vorhin. "Wir kennen deine Gewohnheiten. Uns war klar, dass du gleich zur U-Bahn laufen würdest. Während Ken dich verfolgt hat, zur Meiwa Station, bin ich so schnell ich konnte zur Shitobu-Station gerannt und in die Bahn gestiegen, um dich hier zu erwarten!" Kenji schluckte hart. Jetzt gab es kein Entrinnen mehr. Niemand kümmerte sich darum, als Shinji auf Kenji einschlug. Ein harter Schlag ließ seine Unterlippe aufplatzen und bluten, ein anderer Schlag schrammte Kenjis Kinn auf. Als er zu Boden ging, trat Shinji noch kurz auf ihn ein. "Noch einmal so großspurig und ich schlage noch viel öfter und fester zu, Mitamura!", sagte Shinji kalt, ehe er bei der nächsten Haltestelle ausstieg. Kenji brauchte eine ganze Weile, ehe er aufstehen konnte. Ihm tat alles weh und seine Lippe war noch am Bluten. Leise fluchte er und wünschte sich, die Stärke zu haben, um nie wieder davon rennen zu müssen.
Kenji wohnte in einem Ein-Familien-Haus in einer Gegend, die nur aus solchen Mittelklassewohnungen bestand. Ein Haus glich dem Anderen und Kenji musste noch eine Weile zu Fuß gehen, ehe er zuhause war. Vor dem Spiegel stehend tupfte er mit einem Taschentuch seine Lippe ab. Seine Schuluniform war ganz dreckig. Warum suchten sich diese Schläger so gerne ihn als Opfer aus? Kenji war nicht besonders klein, sondern mit seinen 1,8 Metern gar größer als viele Schüler seines Alters. Er war auch nicht dürr oder dick. Er sah völlig normal aus. Sein schwarzes Haar war kurz. Der einzige Grund war wahrscheinlich, dass Ken und Shinji reiche Eltern hatten und sich zu gerne über jene lustig machten, denen es nicht so gut ging. Ach was soll’s, dachte sich Kenji und setzte sich auf ein Sitzkissen. Sich aufzuregen brachte nichts. Er würde die beiden Raufbolde mit etwas Glück nur selten wieder sehen. Nach einigen Minuten des Ausruhens ging er nach oben und holte sein Bokutō, um einige Bewegungsabläufe zu trainieren und den Rest seiner Wut abzubauen. "K-Kenji", hörte er plötzlich eine Stimme hinter sich. Er drehte sich um und sah seinen Vater auf der Wiese stehen. Sein feiner Anzug war dreckig, sein Haar zerzaust. Seine linke Hand hielt Ryu Mitamura mit einem Handtuch umklammert. Ein dünner Faden Blut floss seine rechte Schläfe hinab, wo eine Wunde war. "Vater!", rief Kenji erschrocken, ließ das Holzschwert fallen und eilte zu seinem Vater, der völlig entkräftet schien. "Was ist denn passiert?" Doch Ryu Mitamura stieß seinen Sohn mit der rechten Hand weg. Das Handtuch fiel nach unten und Kenji sah, dass es blutdurchtränkt war. Dann sah er, dass der kleine Finger von Ryus linker Hand fehlte. "Vater!", begann Kenji wieder, sichtlich schockiert. Denn er wusste, was das Fehlen eines Fingers zu bedeuten hatte. Sein Vater war kein einfacher Geschäftsmann. Er war ein Mitglied der japanischen Mafia. Ein Yakuza. "Hör mir zu mein Sohn", begann sein Vater nun. "Ich habe großen Mist gebaut!" Ryu fiel nach hinten um, saß nun auf der Wiese. "Ich bin ein Yakuza, ja. Als die Firma vor einigen Jahren fast Bankrott ging, wurde sie von einem Yakuza-Anführer, einem Oyabun vom Kumi des Tanzenden Tigers unterstützt und so wurde ich zu einem Handlanger dieser Gauner. Deshalb die vielen Reisen. Doch ich habe einen Fehler gemacht." Ryu Mitamura keuchte, sah auf seine verstümmelte Hand. Kenji zitterte, hörte ihm aber gut zu. "Ich habe meine Unterlagen zuhause vergessen, als heute ein wichtiges Meeting anstand, mit einer anderen Firma, die den Oyabun interessierte. Das Meeting ging in die Hose und als ich versuchte, die Lage zu retten, habe ich... habe ich gebettelt... und mich damit entehrt. Drei Fehler, die mir meinen Finger kosteten! Schlimmer ist jedoch, dass der Oyabun... mich nicht mehr braucht..." Kenjis Vater hielt inne, als Reifenquietschen zu hören war. "Geh!", rief Kenjis Vater und erhob sich mühsam. "Ich habe es nur für dich und deine Mutter gemacht! Sag deiner Mutter Bescheid! Ihr müsst von hier verschwinden!" Mehrere schwarzgekleidete Gestalten schwangen sich über die Mauer, die den Garten abschottete. Kenji sah nur die vielen Pistolen und wusste genug. Er hatte noch so viele Fragen, doch es gab keine Zeit mehr, keine Möglichkeit mehr. Hastig sprintete Kenji ins Haus und das Letzte, was er von seinem Vater sah war, wie dieser das Holzschwert nahm und wild auf die Handlanger der Yakuza einschlug. Dann wandte sich Kenji ab, kletterte aus einem Seitenfenster des Hauses, weil er die Tür nicht benutzen wollte. Schüsse ertönten und Kenji schluckte hart, Tränen stiegen ihm in die Augen. Kenji kletterte über die Mauer und ließ sich in die Gasse hinterm Haus fallen und rannte los. Wieder ertönten Schüsse und Kugeln peitschten ihm um die Ohren. Man hatte ihn entdeckt! So schnell er konnte rannte er weiter, bog dann bei der nächst besten Gelegenheit ab. Er würde zum Restaurant "12 Affen" rennen, um seiner Mutter Bescheid zu sagen. Dann würden sie zur Polizei gehen und durch den Namen der Firma seines Vaters würde man den Yakuza-Boss schon finden und schnappen können, irgendwie. Kenjis Gedanken rasten, fast so schnell wie seine Beine. Er machte sich auf zur nächst besten U-Bahn-Station, denn das Restaurant wo seine Mutter arbeitete war recht weit weg. Immer wieder drehte er sich um, doch er wurde nicht verfolgt. Aber trotzdem wurde er nicht langsamer. Tränen liefen seine Wangen hinab. Sein Vater war ein Yakuza. Und er war soeben von eben diesen miesen Verbrechern umgebracht worden. Wie würde das Leben nun weiter gehen? Fast wäre Kenji unters Auto geraten, als er eine Straße überquerte. Er rannte in die U-Bahn-Station und saß in der nächsten Bahn, die in Richtung des "12 Affen" fuhr. Wichtig war, dass er seiner Mutter alles erklärte und dass sie die Polizei anriefen. Sie brauchten Schutz, das war ihm sonnenklar. Nach hause konnten sie nicht mehr zurück, nicht ohne Schutz. Einige Minuten später hielt die Bahn bei der Station, bei der Kenji aussteigen musste. Er war nicht mehr am Weinen, doch saß der Schock noch immer tief. Nie wieder würde er mit seinem Vater trainieren. Nie wieder würden sie als Familie am Tisch sitzen. Wie sollte... wie konnte es nun weiter gehen? Kenji spurtete aus der Bahn und verließ die Station und rempelte etliche Leute an, als er zum Restaurant rannte. Er rannte durch die elegante Doppeltür, ignorierte all die Gäste und blieb keuchend vor seiner Mutter stehen, die ihn entsetzt anstarrte. Doch ehe sie auch nur ein Wort heraus bringen konnte, sprudelte Kenji schon los: "Mutter, wir müssen die Polizei anrufen. Vater wurde umgebracht, wir können nicht mehr nach Hause zurück. Die Yakuza...argh" Kenji endete in einem Schmerzensschrei, als eine Kugel seinen rechten Oberarm streifte. Er drehte sich, ging dabei in die Hocke über. Und er sah, dass die Yakuza das Restaurant betreten hatten. Sie waren maskiert, mit schwarzen Ski-Mützen. Und sie waren bewaffnet mit Pistolen, Maschinenpistolen. Wie kamen sie hierher, schoss es Kenji durch den Kopf. Hatten sie das Haus durchsucht und irgendwelche Hinweise gefunden? Oder wussten sie vielleicht alles über ihre Handlanger und deren Familien? "Mutter", rief Kenji, doch es war bereits zu spät. Die Gangster eröffneten das Feuer. Ayumi Mitamura begann, unter den Treffern des Kugelhagels zu zucken, rückwärts zu taumeln. Alles schien in Zeitlupe abzulaufen: Ihr gedehnter, langer Schrei, die roten Punkte, die sich auf ihrem Körper verteilten und Kleidung und Fleisch zerfetzten. Dann lehnte sie gegen eine Wand. Der Kugelhagel zerfetzte die piekfeine Tapete, sprengte Staub und Beton aus der Wand. Die Gäste schrieen, als die Yakuza auf alles und jeden feuerten. Kenji blieb am Boden, kroch weg von der Gefahrenquelle. Panisch sah er sich nach einer Hintertür um, während sich seine Gedanken und Gefühle überschlugen. Wieder kamen ihm die Tränen, sein Körper zitterte. Seine Eltern waren tot. Ermordet. Er war alleine. In nicht einmal einer Stunde war sein Leben komplett aus der Bahn geraten. Die Achse am Schicksalsrad war gebrochen, der Wagen des Lebens war in den Straßengraben gerast. Hatte sich überschlagen. Und nun war es an Kenji, lebend aus dem Wrack des Schicksals zu entkommen. Kenji stand auf, weil er so schneller vorwärts kam. Das war ein Fehler, denn sofort sah man ihn besser. Als er in die Küche rannte, folgten ihm etliche Schüsse und die Kugeln brachten die Kacheln an der Wand zum Bersten. Köche und Personal rannten schreiend durcheinander, versuchten, aus dem Restaurant zu fliehen. Kenji schloss sich ihnen an, als wieder Schüsse zu hören waren. Er rannte einen langen Gang entlang. Als er hinter sich blickte sah er, dass etliche Köche vom Kugelhagel der Yakuza niedergemäht worden waren. Wie Dominosteine fielen die Körper der Getroffenen. Kenji musste aufpassen, nicht zu Boden gerissen oder gar getroffen zu werden. Durch eine Tür kam Kenji auf einen Parkplatz, hinter dem Restaurant. Hastig ging er hinter einem Auto in Deckung. Einige Yakuza kamen durch die Hintertür. "Wir müssen den Bengel erwischen!", hörte Kenji einen der Männer sagen. Kenji zog den Kopf ein, krabbelte weg von den Killern, sorgsam darauf bedacht, im Schutz der Autos zu bleiben. Der Hinterhof mit dem Parkplatz war abgeschottet von Mauern, nur eine Aus- und Einfahrt verband den Hof mit der Straße. Kenji ging in eine Startposition, wie er es beim Sport gelernt hatte. Dann sprintete er los. Kugeln sausten ihm knapp am Kopf vorbei, dann jedoch war er auf der Straße. Da die Ampel auf Rot stand und die vielen Autos noch standen, rannte Kenji Zickzack auf die andere Straßenseite. Ich muss überleben, schoss es Kenji durch den Kopf. Ich muss dafür sorgen, dass diese Schweine bezahlen!
Ein Blick hinter sich zeigte Kenji, dass die Yakuza - zwei Stück waren es - ihn weiter verfolgen wollten. Doch da so viele Passanten auf der Straße waren, konnten sie zumindest nicht mehr wild herum schießen. "Hilfe", schrie Kenji einmal, ließ es jedoch dann wieder sein, da er seinen Atem zum Rennen brauchte. Er hatte bereits böses Seitenstechen. Er bog in eine Seitengasse ab, wo sich einige kleinere Geschäfte befanden. Schmierige Sex-Shops, Pawn-Shops, Schmuddelkinos und Raritätengeschäfte. Kenji betrat eines der Raritätengeschäfte und stellte sich so hin, dass man ihn von Draußen nicht sehen konnte. An der Kasse stand eine scheinbar uralte Frau. Lange, weiße Haare wallten bis zu ihrer Hüfte hinab. Auf den Wangen und auf der Stirn waren spiralförmige Tätowierungen zu sehen. Die alte Frau war dürr, faltig. "Was führt dich in diesen Laden?", fragte sie höflich. Kenji, der noch immer am Zittern war, brauchte einen Moment, um sich zu fassen. "Rufen Sie die Polizei! Meine Eltern wurden von Yakuza ermordet! Und gerade haben die Yakuza im "12 Affen" ein Blutbad angerichtet!" Er zeigte der Frau den Streifschuss am Arm. "Ich habe hier kein Telefon, junger Mann", sagte die alte Frau höflich. "Es tut mir leid. Aber du kannst gerne so lange hier bleiben, bis die Luft rein ist!" Kenji fluchte. Kein Telefon? Aber es war wichtig, dass die Polizei benachrichtigt wurde. Vielleicht konnten noch einige Yakuza geschnappt werden. "Sorry Lady, aber ich muss die Polizei anrufen. Diese Schweine müssen geschnappt werden!" Kurz sah sich Kenji ein wenig um. Der Laden war voller Gläser und Schachteln mit allerlei seltsamen Inhalten. Ketten und Talismane baumelten von der Decke. Kurz fiel sein Blick auf ein Regal nahe am Eingang. Ein Glas war voller Stierhoden, ein anderes voller Fledermaus-Augen. Wie bizarr. "Ich verschwinde", sagte Kenji noch, ehe er das Geschäft wieder verließ. Er sah sich vorsichtig um, ehe er wieder auf die Gasse hinaus trat. Doch es war schlechtes Timing, einfach Pech. Denn genau in diesem Moment kamen aus dem Geschäft gegenüber die beiden Yakuza und sahen ihn. Und eröffneten sofort das Feuer. Kenji spürte einen brennenden Schmerz im ganzen Körper, verlor den Boden unter den Füßen. Er konnte noch ein Klirren hören, dann die Stimme des Yakuza: "Verschwinden wir, der ist hin." Alles drehte sich, Farben verflossen vor seinen Augen zu einem Strudel der Verdammnis. Dunkelheit und Rot, Ohnmacht und Blut. Seliges Vergessen hüllte ihn ein.
Als Kenji wieder zu Bewusstsein kam und sich umsah, stellte er fest, dass die Schüsse ihn durch die Glasscheibe in den Raritätenladen geschleudert hatten. Vielleicht war die Wucht der Schüsse so stark gewesen. Vielleicht war er auch - wie vom Blitzschlag getroffen - rückwärts durch die Scheibe gesprungen, als er getroffen wurde. Oder die Kugeln hatten auch die Scheibe getroffen und er war rückwärts getaumelt und in den Laden gestolpert. Er konnte sich nicht erinnern. Als er an sich hinunter sah, konnte er sehen, dass er blutbesudelt war. Sein Körper kribbelte merkwürdig. Und er stellte fest, dass er am Boden lag, genauer gesagt: Auf einem Regal. Er war scheinbar gegen ein Regal gefallen und hatte es umgestoßen, war darauf gelandet. Einige der Gläser waren kaputt. Kenji merkte, dass es eklig roch, dass er eine klebrige, blaue Masse an der Hand hatte. Die alte Frau beugte sich über ihn. "Junger Mann, was hast du nur gemacht?! Mein Laden ist ruiniert!" Kenji wollte sprechen, doch ihm entwich kein Ton. Blutige Bläßchen bildeten sich auf seinen Lippen. "Wieso lebe ich noch?", krächzte er leise. Die alte Frau musterte ihn gründlich. Dann nahm sie ein kaputtes Einmachglas in die Hand. Ihr Gesicht wurde blass, ihre Augen weiteten sich. "Die Kessenchu" flüsterte sie voller Erfurcht. Kenji wollte Fragen stellen, wollte sich bewegen. Doch er war zu schwach. Sein Körper war taub, gehorchte ihm nicht mehr. Wieder drehte sich alles, hüllte sich in Finsternis, als Kenji erneut das Bewusstsein verlor.
Titel: Mugen No Jūnin - Kenji, der Unsterbliche
Teile: Noch nicht fertig
Genre: Action, Fantasy, Eastern
Serie: Blade of the Immortal von Hiroaki Samura
Disclaimer: Diese Geschichte basiert auf den Manga Blade of the Immortal. Ich habe mir die Idee der Unsterblichkeit dort "ausgeliehen", die Geschichte jedoch in unsere heutige Zeit versetzt. Die Charaktere gehören mir!
Mugen No Jūnin - Kenji, der Unsterbliche
Das Leben war weder besonders schön noch besonders schwer gewesen. Kenji war achtzehn Jahre alt und obwohl es nicht immer leicht war, waren er und seine Eltern bisher gut zurechtgekommen. Sein Vater, Ryu Mitamura, war Geschäftsmann und wenn er nicht gerade tagelang weg war, kümmerte er sich eigentlich recht gut um seine Frau, Ayumi, und natürlich auch um seinen Sohn. Zwar war er nach all den Geschäftsreisen oft müde, nahezu ausgebrannt, aber gerne nahm er sich trotzdem die Zeit, mit Kenji im Garten zu trainieren. Für eine Kampfsportschule reichte das Geld nicht, daher trainierten Vater und Sohn mit Bokutōs, hölzernen Schwertern. Das minimierte auch die Verletzungsgefahr. Es war für Kenji eine willkommene Abwechslung vom Schulstress, von der Enttäuschung in der Liebe. Und er glaubte, dass es seinem Vater half, seine Arbeit zu vergessen. Kenjis Mutter Ayumi arbeitete in einem Restaurant als Kellnerin. Kenji selber besuchte die Kōtōgakkō-Oberschule von Tokio, war im letzten Jahr. Das war nicht immer ganz leicht. Kenji tat sich schwer, eine Freundin zu finden und oft wurde er von Mitschülern geärgert. Außerdem war es jedes Jahr sehr schwer für seine Eltern gewesen, die Gebühr zu bezahlen. Kenji war höflich, ein guter Durchschnittsschüler. Obwohl er oft Ärger mit anderen Schülern hatte und die finanzielle Lage seiner Eltern ihm auch zu schaffen machte, war das Leben recht akzeptabel. Doch allzu oft im Leben dreht sich das Rad des Schicksals nicht wie erwartet. Kenji ahnte nicht, dass das Schicksalsrad nichts Gutes für ihn vorgesehen hatte.
Es war der Tag seiner letzten Prüfung. Kenji hatte wochenlang gelernt, denn er wollte mit möglichst guten Noten dastehen, wenn die Zeit an der Oberschule vorüber war. Wenn alles glatt ging, würde Kenji dann auf die Hochschule gehen. Er hatte sich bereits alles gut überlegt. Die Gebühr für eine Hochschule konnte zwischen 582.280 Yen ( 4000 Euro ) und 1.455.700 Yen ( 10.000 Euro ) jährlich betragen. Kenji wollte unbedingt auf eine private Hochschule gehen. Das war zwar teuer und schwierig, aber vielleicht stressfreier als eine öffentliche Hochschule. Außerdem würde der Besuch einer Elite-Hochschule Kenjis Zukunftsaussichten verbessern. Doch würde er arbeiten müssen, um die Gebühren zu bezahlen. Seine Eltern wollte er - wenn überhaupt - nur minimal belasten. Er selber würde sich einen oder zwei Jobs suchen, um die 121.803 Yen im Monat zu verdienen. Aber erstmal würde er ein ganzes Jahr Ruhe haben, beziehungsweise: Er würde die Zeit gänzlich zum Lernen für die Aufnahmeprüfung nutzen. Diese Prüfungen waren schwer, das wusste Kenji. Doch war die Prüfung erst einmal geschafft, waren die Anforderungen im Studium relativ gering, so hatte er gehört. Auch die Abschlussprüfungen sollten angeblich sehr einfach sein. Deshalb konnte er einen Großteil der Studienzeit nutzen, um zu arbeiten und sogar ein wenig zu entspannen. Viele andere Japaner sahen die Studienzeit als wahre Partyzeit an. Vor dem großen Raum, wo seine Klasse die heutige Abschlussprüfung schreiben würde, hatte sich bereits eine Menge aus Schülern gebildet. Kenji lehnte sich an die Wand und wartete. Er steckte die Hände in die Hosentaschen und versuchte, sich so unauffällig wie möglich zu benehmen. Doch es nützte nichts. Die Klassen-Schläger Ken Hinobu und Shinji Iwakawi schälten sich aus der Schülertraube und lehnten sich zu beiden Seiten neben Kenji an die Wand. "Na, haste schön gelernt, Mitamura?", sagte Ken feixend und knuffte Kenji mit der Faust in die Seite. "Bestimmt hat er das, der Streber", meinte Shinji lachend. "Bringt nur nichts. Unser Kenji wird genau so ein Versager, wie auch sein Vater schon einer..." Das war zuviel für Kenji. Mit ungeahnter Wut holte er aus und schlug mit dem rechten Arm nach rechts, wo Shinji stand. Sein Schlag war ungezielt, doch traf er mit dem Unterarm dennoch Shinjis Hals und dessen Worte wurden zu einem Gurgeln. Sofort warf sich Ken jedoch auf ihn und schlug kräftig auf ihn ein. Kenji konnte sich nicht gut verteidigen. Erst als die Lehrer erschienen und eingriffen hörte der Fäustehagel auf. "Er hat uns beleidigt", keuchte Shinji und schluckte hart, hielt sich den Hals. "Ihr macht oft genug Ärger, als dass ich euch glauben könnte. Aber da die letzte Prüfung ansteht und ihr ja bald endgültig weg seid, lass ich euch in Ruhe"; sagte der Lehrer. Zornig betraten Kenji, Shinji und Ken mit den Lehrern und den anderen Schülern den großen Raum. Sie setzten sich alle hin und die Lehrer verteilten die Klausuren.
Kenji hatte gut gelernt und deshalb war die Klausur an sich eine Kleinigkeit. Allein das viele Schreiben nervte, besonders, wenn einem der Magen wehtat. Er hatte ein paar üble Schläge kassiert. Er würde nach der Schule aufpassen müssen, nicht von Shinji und Ken zusammen geschlagen zu werden. Aber Kenji konnte schnell laufen und kannte eine Menge guter Verstecke. Fleißig schrieb er Antworten zu den verschiedenen Fragen über japanische Geschichte und Politik. Und 6 Stunden später war die Prüfung vorbei. Kenji gab als einer der ersten die Klausur ab, ehe er im Eilschritt die Klasse verließ. Er sprintete durch die leeren Korridore der Kōtōgakkō-Oberschule, schlug Haken wie ein Hase. Er rannte über den Schulhof und hörte dann hinter sich die Rufe von Shinji und Ken. "Da ist er!", "Bleib stehen, Mitamura!" Doch Kenji hatte nicht vor, stehen zu bleiben um sich verdreschen zu lassen. Er ignorierte den Verkehr und rannte über die Straße. Knapp rasten Autos an ihm vorbei, laut hupend. Dann sprintete er den Gehweg entlang, links durch eine Gasse. Und nach einigen Minuten des Rennens hatte er die Meiwa-U-Bahnstation erreicht. Er hatte Seitenstechen, versteckte sich hinter einer Säule. Wild am Schnaufen sah er auf den Fahrplan. Die U-Bahn, die ihn nach Hause bringen würde, müsste gleich da sein. Erleichtert atmete Kenji aus und nur wenige Atemzüge später erschien auch schon die Bahn, wie eine weiße Metallschlange schob sie sich durch den U-Bahntunnel, ehe sie zum Stillstand kam. Kenji wollte gerade einsteigen, als Ken Hinobu die Treppen zum Gleis hinab gehastet kam. "Mitamura, du Bastard!" Schnell stieg Kenji ein und als sich die Türen schlossen und Ken noch draußen auf dem Gleis stand, konnte Kenji einfach nicht anders als zu grinsen und Ken den Stinkefinger zu zeigen. Ken stand auf dem Gleis, als die Bahn sich wieder in Bewegung setzte. Doch seltsamerweise grinste auch Ken. Er winkte, ehe er sich abwendete und das Gleis verließ. Seltsam, dachte sich Kenji. Er hoffte, dass die Raufbolde nicht eventuell bei ihm zuhause auftauchen würden. "Hast du dir so gedacht, so leicht zu entwischen, Mitamura", ertönte plötzlich eine Stimme hinter ihm. Kenji fuhr herum und da stand Shinji, ebenso breit grinsend wie Ken vorhin. "Wir kennen deine Gewohnheiten. Uns war klar, dass du gleich zur U-Bahn laufen würdest. Während Ken dich verfolgt hat, zur Meiwa Station, bin ich so schnell ich konnte zur Shitobu-Station gerannt und in die Bahn gestiegen, um dich hier zu erwarten!" Kenji schluckte hart. Jetzt gab es kein Entrinnen mehr. Niemand kümmerte sich darum, als Shinji auf Kenji einschlug. Ein harter Schlag ließ seine Unterlippe aufplatzen und bluten, ein anderer Schlag schrammte Kenjis Kinn auf. Als er zu Boden ging, trat Shinji noch kurz auf ihn ein. "Noch einmal so großspurig und ich schlage noch viel öfter und fester zu, Mitamura!", sagte Shinji kalt, ehe er bei der nächsten Haltestelle ausstieg. Kenji brauchte eine ganze Weile, ehe er aufstehen konnte. Ihm tat alles weh und seine Lippe war noch am Bluten. Leise fluchte er und wünschte sich, die Stärke zu haben, um nie wieder davon rennen zu müssen.
Kenji wohnte in einem Ein-Familien-Haus in einer Gegend, die nur aus solchen Mittelklassewohnungen bestand. Ein Haus glich dem Anderen und Kenji musste noch eine Weile zu Fuß gehen, ehe er zuhause war. Vor dem Spiegel stehend tupfte er mit einem Taschentuch seine Lippe ab. Seine Schuluniform war ganz dreckig. Warum suchten sich diese Schläger so gerne ihn als Opfer aus? Kenji war nicht besonders klein, sondern mit seinen 1,8 Metern gar größer als viele Schüler seines Alters. Er war auch nicht dürr oder dick. Er sah völlig normal aus. Sein schwarzes Haar war kurz. Der einzige Grund war wahrscheinlich, dass Ken und Shinji reiche Eltern hatten und sich zu gerne über jene lustig machten, denen es nicht so gut ging. Ach was soll’s, dachte sich Kenji und setzte sich auf ein Sitzkissen. Sich aufzuregen brachte nichts. Er würde die beiden Raufbolde mit etwas Glück nur selten wieder sehen. Nach einigen Minuten des Ausruhens ging er nach oben und holte sein Bokutō, um einige Bewegungsabläufe zu trainieren und den Rest seiner Wut abzubauen. "K-Kenji", hörte er plötzlich eine Stimme hinter sich. Er drehte sich um und sah seinen Vater auf der Wiese stehen. Sein feiner Anzug war dreckig, sein Haar zerzaust. Seine linke Hand hielt Ryu Mitamura mit einem Handtuch umklammert. Ein dünner Faden Blut floss seine rechte Schläfe hinab, wo eine Wunde war. "Vater!", rief Kenji erschrocken, ließ das Holzschwert fallen und eilte zu seinem Vater, der völlig entkräftet schien. "Was ist denn passiert?" Doch Ryu Mitamura stieß seinen Sohn mit der rechten Hand weg. Das Handtuch fiel nach unten und Kenji sah, dass es blutdurchtränkt war. Dann sah er, dass der kleine Finger von Ryus linker Hand fehlte. "Vater!", begann Kenji wieder, sichtlich schockiert. Denn er wusste, was das Fehlen eines Fingers zu bedeuten hatte. Sein Vater war kein einfacher Geschäftsmann. Er war ein Mitglied der japanischen Mafia. Ein Yakuza. "Hör mir zu mein Sohn", begann sein Vater nun. "Ich habe großen Mist gebaut!" Ryu fiel nach hinten um, saß nun auf der Wiese. "Ich bin ein Yakuza, ja. Als die Firma vor einigen Jahren fast Bankrott ging, wurde sie von einem Yakuza-Anführer, einem Oyabun vom Kumi des Tanzenden Tigers unterstützt und so wurde ich zu einem Handlanger dieser Gauner. Deshalb die vielen Reisen. Doch ich habe einen Fehler gemacht." Ryu Mitamura keuchte, sah auf seine verstümmelte Hand. Kenji zitterte, hörte ihm aber gut zu. "Ich habe meine Unterlagen zuhause vergessen, als heute ein wichtiges Meeting anstand, mit einer anderen Firma, die den Oyabun interessierte. Das Meeting ging in die Hose und als ich versuchte, die Lage zu retten, habe ich... habe ich gebettelt... und mich damit entehrt. Drei Fehler, die mir meinen Finger kosteten! Schlimmer ist jedoch, dass der Oyabun... mich nicht mehr braucht..." Kenjis Vater hielt inne, als Reifenquietschen zu hören war. "Geh!", rief Kenjis Vater und erhob sich mühsam. "Ich habe es nur für dich und deine Mutter gemacht! Sag deiner Mutter Bescheid! Ihr müsst von hier verschwinden!" Mehrere schwarzgekleidete Gestalten schwangen sich über die Mauer, die den Garten abschottete. Kenji sah nur die vielen Pistolen und wusste genug. Er hatte noch so viele Fragen, doch es gab keine Zeit mehr, keine Möglichkeit mehr. Hastig sprintete Kenji ins Haus und das Letzte, was er von seinem Vater sah war, wie dieser das Holzschwert nahm und wild auf die Handlanger der Yakuza einschlug. Dann wandte sich Kenji ab, kletterte aus einem Seitenfenster des Hauses, weil er die Tür nicht benutzen wollte. Schüsse ertönten und Kenji schluckte hart, Tränen stiegen ihm in die Augen. Kenji kletterte über die Mauer und ließ sich in die Gasse hinterm Haus fallen und rannte los. Wieder ertönten Schüsse und Kugeln peitschten ihm um die Ohren. Man hatte ihn entdeckt! So schnell er konnte rannte er weiter, bog dann bei der nächst besten Gelegenheit ab. Er würde zum Restaurant "12 Affen" rennen, um seiner Mutter Bescheid zu sagen. Dann würden sie zur Polizei gehen und durch den Namen der Firma seines Vaters würde man den Yakuza-Boss schon finden und schnappen können, irgendwie. Kenjis Gedanken rasten, fast so schnell wie seine Beine. Er machte sich auf zur nächst besten U-Bahn-Station, denn das Restaurant wo seine Mutter arbeitete war recht weit weg. Immer wieder drehte er sich um, doch er wurde nicht verfolgt. Aber trotzdem wurde er nicht langsamer. Tränen liefen seine Wangen hinab. Sein Vater war ein Yakuza. Und er war soeben von eben diesen miesen Verbrechern umgebracht worden. Wie würde das Leben nun weiter gehen? Fast wäre Kenji unters Auto geraten, als er eine Straße überquerte. Er rannte in die U-Bahn-Station und saß in der nächsten Bahn, die in Richtung des "12 Affen" fuhr. Wichtig war, dass er seiner Mutter alles erklärte und dass sie die Polizei anriefen. Sie brauchten Schutz, das war ihm sonnenklar. Nach hause konnten sie nicht mehr zurück, nicht ohne Schutz. Einige Minuten später hielt die Bahn bei der Station, bei der Kenji aussteigen musste. Er war nicht mehr am Weinen, doch saß der Schock noch immer tief. Nie wieder würde er mit seinem Vater trainieren. Nie wieder würden sie als Familie am Tisch sitzen. Wie sollte... wie konnte es nun weiter gehen? Kenji spurtete aus der Bahn und verließ die Station und rempelte etliche Leute an, als er zum Restaurant rannte. Er rannte durch die elegante Doppeltür, ignorierte all die Gäste und blieb keuchend vor seiner Mutter stehen, die ihn entsetzt anstarrte. Doch ehe sie auch nur ein Wort heraus bringen konnte, sprudelte Kenji schon los: "Mutter, wir müssen die Polizei anrufen. Vater wurde umgebracht, wir können nicht mehr nach Hause zurück. Die Yakuza...argh" Kenji endete in einem Schmerzensschrei, als eine Kugel seinen rechten Oberarm streifte. Er drehte sich, ging dabei in die Hocke über. Und er sah, dass die Yakuza das Restaurant betreten hatten. Sie waren maskiert, mit schwarzen Ski-Mützen. Und sie waren bewaffnet mit Pistolen, Maschinenpistolen. Wie kamen sie hierher, schoss es Kenji durch den Kopf. Hatten sie das Haus durchsucht und irgendwelche Hinweise gefunden? Oder wussten sie vielleicht alles über ihre Handlanger und deren Familien? "Mutter", rief Kenji, doch es war bereits zu spät. Die Gangster eröffneten das Feuer. Ayumi Mitamura begann, unter den Treffern des Kugelhagels zu zucken, rückwärts zu taumeln. Alles schien in Zeitlupe abzulaufen: Ihr gedehnter, langer Schrei, die roten Punkte, die sich auf ihrem Körper verteilten und Kleidung und Fleisch zerfetzten. Dann lehnte sie gegen eine Wand. Der Kugelhagel zerfetzte die piekfeine Tapete, sprengte Staub und Beton aus der Wand. Die Gäste schrieen, als die Yakuza auf alles und jeden feuerten. Kenji blieb am Boden, kroch weg von der Gefahrenquelle. Panisch sah er sich nach einer Hintertür um, während sich seine Gedanken und Gefühle überschlugen. Wieder kamen ihm die Tränen, sein Körper zitterte. Seine Eltern waren tot. Ermordet. Er war alleine. In nicht einmal einer Stunde war sein Leben komplett aus der Bahn geraten. Die Achse am Schicksalsrad war gebrochen, der Wagen des Lebens war in den Straßengraben gerast. Hatte sich überschlagen. Und nun war es an Kenji, lebend aus dem Wrack des Schicksals zu entkommen. Kenji stand auf, weil er so schneller vorwärts kam. Das war ein Fehler, denn sofort sah man ihn besser. Als er in die Küche rannte, folgten ihm etliche Schüsse und die Kugeln brachten die Kacheln an der Wand zum Bersten. Köche und Personal rannten schreiend durcheinander, versuchten, aus dem Restaurant zu fliehen. Kenji schloss sich ihnen an, als wieder Schüsse zu hören waren. Er rannte einen langen Gang entlang. Als er hinter sich blickte sah er, dass etliche Köche vom Kugelhagel der Yakuza niedergemäht worden waren. Wie Dominosteine fielen die Körper der Getroffenen. Kenji musste aufpassen, nicht zu Boden gerissen oder gar getroffen zu werden. Durch eine Tür kam Kenji auf einen Parkplatz, hinter dem Restaurant. Hastig ging er hinter einem Auto in Deckung. Einige Yakuza kamen durch die Hintertür. "Wir müssen den Bengel erwischen!", hörte Kenji einen der Männer sagen. Kenji zog den Kopf ein, krabbelte weg von den Killern, sorgsam darauf bedacht, im Schutz der Autos zu bleiben. Der Hinterhof mit dem Parkplatz war abgeschottet von Mauern, nur eine Aus- und Einfahrt verband den Hof mit der Straße. Kenji ging in eine Startposition, wie er es beim Sport gelernt hatte. Dann sprintete er los. Kugeln sausten ihm knapp am Kopf vorbei, dann jedoch war er auf der Straße. Da die Ampel auf Rot stand und die vielen Autos noch standen, rannte Kenji Zickzack auf die andere Straßenseite. Ich muss überleben, schoss es Kenji durch den Kopf. Ich muss dafür sorgen, dass diese Schweine bezahlen!
Ein Blick hinter sich zeigte Kenji, dass die Yakuza - zwei Stück waren es - ihn weiter verfolgen wollten. Doch da so viele Passanten auf der Straße waren, konnten sie zumindest nicht mehr wild herum schießen. "Hilfe", schrie Kenji einmal, ließ es jedoch dann wieder sein, da er seinen Atem zum Rennen brauchte. Er hatte bereits böses Seitenstechen. Er bog in eine Seitengasse ab, wo sich einige kleinere Geschäfte befanden. Schmierige Sex-Shops, Pawn-Shops, Schmuddelkinos und Raritätengeschäfte. Kenji betrat eines der Raritätengeschäfte und stellte sich so hin, dass man ihn von Draußen nicht sehen konnte. An der Kasse stand eine scheinbar uralte Frau. Lange, weiße Haare wallten bis zu ihrer Hüfte hinab. Auf den Wangen und auf der Stirn waren spiralförmige Tätowierungen zu sehen. Die alte Frau war dürr, faltig. "Was führt dich in diesen Laden?", fragte sie höflich. Kenji, der noch immer am Zittern war, brauchte einen Moment, um sich zu fassen. "Rufen Sie die Polizei! Meine Eltern wurden von Yakuza ermordet! Und gerade haben die Yakuza im "12 Affen" ein Blutbad angerichtet!" Er zeigte der Frau den Streifschuss am Arm. "Ich habe hier kein Telefon, junger Mann", sagte die alte Frau höflich. "Es tut mir leid. Aber du kannst gerne so lange hier bleiben, bis die Luft rein ist!" Kenji fluchte. Kein Telefon? Aber es war wichtig, dass die Polizei benachrichtigt wurde. Vielleicht konnten noch einige Yakuza geschnappt werden. "Sorry Lady, aber ich muss die Polizei anrufen. Diese Schweine müssen geschnappt werden!" Kurz sah sich Kenji ein wenig um. Der Laden war voller Gläser und Schachteln mit allerlei seltsamen Inhalten. Ketten und Talismane baumelten von der Decke. Kurz fiel sein Blick auf ein Regal nahe am Eingang. Ein Glas war voller Stierhoden, ein anderes voller Fledermaus-Augen. Wie bizarr. "Ich verschwinde", sagte Kenji noch, ehe er das Geschäft wieder verließ. Er sah sich vorsichtig um, ehe er wieder auf die Gasse hinaus trat. Doch es war schlechtes Timing, einfach Pech. Denn genau in diesem Moment kamen aus dem Geschäft gegenüber die beiden Yakuza und sahen ihn. Und eröffneten sofort das Feuer. Kenji spürte einen brennenden Schmerz im ganzen Körper, verlor den Boden unter den Füßen. Er konnte noch ein Klirren hören, dann die Stimme des Yakuza: "Verschwinden wir, der ist hin." Alles drehte sich, Farben verflossen vor seinen Augen zu einem Strudel der Verdammnis. Dunkelheit und Rot, Ohnmacht und Blut. Seliges Vergessen hüllte ihn ein.
Als Kenji wieder zu Bewusstsein kam und sich umsah, stellte er fest, dass die Schüsse ihn durch die Glasscheibe in den Raritätenladen geschleudert hatten. Vielleicht war die Wucht der Schüsse so stark gewesen. Vielleicht war er auch - wie vom Blitzschlag getroffen - rückwärts durch die Scheibe gesprungen, als er getroffen wurde. Oder die Kugeln hatten auch die Scheibe getroffen und er war rückwärts getaumelt und in den Laden gestolpert. Er konnte sich nicht erinnern. Als er an sich hinunter sah, konnte er sehen, dass er blutbesudelt war. Sein Körper kribbelte merkwürdig. Und er stellte fest, dass er am Boden lag, genauer gesagt: Auf einem Regal. Er war scheinbar gegen ein Regal gefallen und hatte es umgestoßen, war darauf gelandet. Einige der Gläser waren kaputt. Kenji merkte, dass es eklig roch, dass er eine klebrige, blaue Masse an der Hand hatte. Die alte Frau beugte sich über ihn. "Junger Mann, was hast du nur gemacht?! Mein Laden ist ruiniert!" Kenji wollte sprechen, doch ihm entwich kein Ton. Blutige Bläßchen bildeten sich auf seinen Lippen. "Wieso lebe ich noch?", krächzte er leise. Die alte Frau musterte ihn gründlich. Dann nahm sie ein kaputtes Einmachglas in die Hand. Ihr Gesicht wurde blass, ihre Augen weiteten sich. "Die Kessenchu" flüsterte sie voller Erfurcht. Kenji wollte Fragen stellen, wollte sich bewegen. Doch er war zu schwach. Sein Körper war taub, gehorchte ihm nicht mehr. Wieder drehte sich alles, hüllte sich in Finsternis, als Kenji erneut das Bewusstsein verlor.