dark-toffel
Mindfucked
Erm...ja, der toffel schon wieder
was soll ich noch groß zu sagen...KG steht dran?! jo!
Widmung: diese story widme ich meinen nachbarn, die näher zu beschnuppern ich weder zeit, lust noch grund hatte und dieses versäumnis hiermit wieder gut mache
(erm...das bedeutet, es ist alles fiktiv...ich kenn diese vögel ja nich)
mein spezieller dank geht auch dieses mal wieder an noir, fürs aufopferungsvolle beta-lesen (wem die sätze zu lang sind, sollte sich bei ihr dafür bedanken, dass sie nicht NOCH länger sind *g*) in diesem sinne, danke fürs schere ansetzen und mut machen
tjo...genug buchstaben verplempert...aufie gehts^^
Morgen
Einst war die Fassade des Mehrfamilienhauses, dessen lang gezogene Flanke an einen weiten, in zahlreiche kleine Privat-Idyllen unterteilten Garten grenzte, in einem makellosen Blütenweiß erstrahlt. Inzwischen säumten sie unzählige Flecke, Risse und hässliche Stellen abgeplatzten Putzes. Das Licht der Abendsonne, das nun darauf fiel, täuschte über diese ganzen kleinen Unvollkommenheiten hinweg und schien die große, weiße, in regelmäßigen Abständen durch Fenster und Balkone unterbrochene Fläche selbst zart erröten zu lassen.
Isabella Heuer saß allein auf einem jener Balkone und starrte mit Augen in den Abend hinaus, die gleichsam Bitterkeit sowie tiefe Demütigung widerspiegelten. Die Beine übereinander geschlagen und den rechten Arm im Schoß abgestützt, nahm sie einen langen, bebenden Zug von ihrer Zigarette und spie den Rauch mit einem angewiderten Gesichtsausdruck in die Abendluft, in der die Erinnerung an die nachmittägliche Hitze nur noch als ein lauwarmer, von Blütendüften begleiteter Dunst vorhanden war. Sie rauchte weder oft noch gerne, um ehrlich zu sein, hasste sie es. Am allermeisten aber, hasste sie sich selbst. Wieder hatte er sie geschlagen, wieder war sie stumm geblieben, wieder hatte sie schweigend und reglos im Wohnungsflur gestanden und ihm zugesehen, während er sich seine Jacke übergestreift und sich auf den Weg in die Kneipe gemacht hatte.
Danach hatte sie das Päckchen Zigaretten aus der obersten Schublade ihres Nachttisches geholt, war mit Schritten, die denen von Schlafwandlern geglichen hatten, hinaus auf den Balkon gegangen und hatte sich ihre erste Zigarette angezündet.
Inzwischen drückte sie den dritten Stummel in den Aschenbecher.
“Dieses Schwein!”, flüsterte sie heiser, mit zitternder Stimme. Ihre Augen blieben trocken. Flüchtig fragte sie sich, wann sie das letzte mal versucht hatte, zu weinen. Sie wusste es nicht. Auch, wenn Isabella seine Schläge nie ernsthaft verletzt hatten, äußerlich kaum Spuren hinterließen, so trafen sie etwas in ihrem Inneren doch umso härter. Ein diffuses Etwas – sie vermochte es nicht zu sagen – vielleicht eine dunkle Erinnerung, der leise Abglanz eines Gefühls, die letzten Scherben von Glück, nein, sie vermochte es nicht zu sagen. Nur eines wusste sie: Mit jedem seiner Schläge nahm er ihr ein wenig mehr davon, tötete es, ließ es verblassen. Was hielt sie davon ab, ihn zu verlassen? Ein harter Glanz trat in ihre Augen und sie biss die Zähne so fest zusammen, dass die Kiefermuskeln hervortraten, während sie den vierten und – wie sie sich sagte – letzten Zigarettenstummel in den Ascher drückte. Sie würde es tun! Es war ihre Wohnung! Nur ein einziges mal würde sie stark sein müssen und sich dazu zwingen, ihm die Stirn zu bieten. Dann, wenn er von ihrer unerwarteten Gegenwehr überrascht sein würde, würde sie ihn hinausschmeißen, aus ihrer Wohnung und ihrem Leben. Ja, dachte sie und straffte ihre Haltung auf dem Plastikstuhl, gleich -
Eine Reihe unter ihr und zwei Wohnungen weiter rechts stand der Balkon leer. Im Grunde war dies nichts besonderes, gehörte er doch dem Ehepaar Vogel. Frau Vogel zog es um diese Uhrzeit vor, von der gemütlichen, in einem altmodischen Karo-Muster gehaltenen Wohnzimmercouch aus, ihre geliebten Serien zu verfolgen. Lediglich Herr Vogel hatte in diesem Moment ein Auge für die melancholische Schönheit des ersterbenden Tages und stieß sogleich ein beinahe lautloses, sehnsüchtiges Seufzen aus. Für ihn fand der Abend allerdings nicht in dieser harmonischen, von einigen besonders hohen Baumwipfeln des Gartens umrahmten Szene statt, sondern hinter dem Fenster seines Büros und den Bürogebäuden dahinter. Schwermütig lehnte er sich in seinem Stuhl zurück und strich sich gedankenverloren über seine bereits seit langem gelockerte Krawatte, die, ohne die geringste Motivation, einen akkuraten Anschein zu erwecken, unförmig auf seinem zerknautschten Hemd lag. Die Anzugjacke war bereits bei Beginn seiner Spätschicht mit einem Mindestmaß an Sorgfalt auf seiner Stuhllehne gelandet. Gott, wie er Anzüge hasste! Beinahe so sehr, wie seinen Schreibtisch, seine Vorgesetzten und Kollegen und überhaupt diesen ganzen verdammten Job!
'Aber wir brauchen nun einmal das Geld!'
Wie jedes mal, wenn er an die trotzigen Worte seiner Frau dachte - Hausfrau aus Überzeugung – verzogen sich seine Lippen zu einem zynischen Lächeln.
'Wir brauchen so dringend eine neue Küche! Ich bekomme keinen Bissen mehr hinunter, in dieser schäbigen Umgebung. Und das Auto ist auch schon viel zu alt. Der Mann von der Frau Krüger hat nun schon wieder ein neues gekauft und wie schön leise das anfährt! Weißt du überhaupt, was sie reden, hinter unseren Rücken? Die Frau Barth hat mir da letztens erst was erzählt...'
Herr Vogel spürte schon wieder dieses sich ausbreitende Stechen im Kopf und begann, sich die Schläfen zu massieren.
Sehnsüchtig dachte er an die alte Staffelei in seinem Keller und ihm wurde das Herz ganz schwer, als er an die millimeterdicke Staubschicht dachte, die das ihm so teure Holzgestell und den dazugehörigen Karton mit den Farben, Pinseln, Spateln und Mischpaletten inzwischen schon unter sich begraben hatte.
Er wollte keine neue Küche. Er fühlte sich noch immer wohl in der kleinen Sitzecke mit dem schweren, so gemütlich wirkenden Holztisch und der bequemen Eckbank. Kühlschrank, Spüle, Gasherd und diverse kleine, neuere Küchengeräte, die zu kaufen er sich seiner Frau zu liebe nicht im geringsten gesperrt hatte – all dies war in einem einwandfreien Zustand, ebenso, wie die gefließte Wand in der Kochnische und der mit Laminat ausgelegte Boden sich wunderbar reinhalten ließen.
Er wollte auch kein neues Auto. Den TÜV hatte sein alter Ford erst letzten Monat noch mit Bravour bestanden und dieses tiefe, volle Brummen, welches er jedes mal beim Anfahren von sich gab, hatte ihn nie gestört. Im Gegenteil, er mochte es!
Ja, er verdiente gut in diesem Beruf. Um ehrlich zu sein, hatte er noch nie in seinem Leben soviel Geld verdient und jedesmal, wenn er mürrisch von der Arbeit kam oder seine Unlust äußerte, um die Vormittagszeit die Wohnung zu verlassen, tadelte seine Frau ihn, wie dankbar er doch eigentlich zu sein hatte, dass sie ihn zu diesem Beruf gedrängt hatte. Doch trotz des beachtlichen Kontostandes, hatte er sich noch nie in seinem Leben unglücklicher gefühlt. Er wollte das viele Geld nicht, ebenso wenig, wie er die neuen Sachen und die bequemen Touristenurlaube wollte, von denen seine Frau so sehr schwärmte. Er wollte seine Staffelei wieder auf dem Balkon aufstellen. Wieder den Abend malen in seiner kaum einzufangenden Schönheit. Mit verträumten Augen dachte er an die Zeit zurück, da er mit stiller Ergriffenheit über die Wolken gestaunt hatte. Dieses gräuliche Blau, so unglaublich zart von einem leisen Rot-Orange durchsetzt, dass wohl kaum ein Künstler diesen Ton würde nachmischen können. Damals war seine Frau noch voller Entzücken gewesen für die romantischen Eigenheiten ihres Mannes...damals.
Es reichte! Eine Idee nahm in seinem Kopf Gestalt an, erst nur definiert durch grobe Konturen und Formen und schließlich durchzogen mit buntesten und schillerndsten Farben und phantastischsten Details, ganz wie eines seiner Bilder. Er würde kündigen. Er würde einen anderen Job finden, etwas kreatives. Vielleicht irgendwo Plakate oder Flyer entwerfen, Karikaturen zeichnen oder so etwas. Irgendetwas musste sich ihm doch bieten. Ja, dachte er und begann sich immer mehr für seine Idee zu begeistern, so bald wie möglich werde ich es tun, am besten gleich -
Eine Wohnung über den Vogels hätte Martin Richter seiner Nachbarin Frau Heuer vielleicht zuwinken können, hätte nicht so ziemlich jeder Bewohner des Hauses zu beiden Seiten seines Balkons je einen Sichtschutz aus dünnem Stoff an der Brüstung befestigt, um vom Leben seiner Mitmenschen möglichst wenig behelligt zu werden. Doch er wäre für einen nachbarschaftlichen Gruß ohnehin kaum empfänglich gewesen. Denn so, wie sein Blick unbeirrbar auf den fernen Ball aus flammendem Rot gerichtet war, der sein Licht über jenes flache Meer aus Wolken ergoss, das den Horizont einnahm, waren seine Gedanken in gleichem Maße unlösbar an eine Person gebunden, die ihn seit Tagen weder essen, schlafen, noch klar denken ließ. Bei dieser Person handelte es sich um eine wunderschöne Frau namens Jessica. Sie war die Frau eines Arbeitskollegen Martins, weshalb er es möglichst vermied, an ihren Nachnamen zu denken. Doch sowieso waren das glatte, dunkelbraune Haar, die türkisen Augen und diese kleinen Grübchen, die sich um ihren filigranen Mund bildeten, wenn sie eines ihrer unbeschreiblichen Lächeln preisgab, viel erwähnenswerter, als der vergängliche und so nichts sagende Klang eines Familiennamens – fand Martin.
Kennengelernt hatte er sie auf der bürointernen Weihnachtsfeier. Allein und offenbar gelangweilt von der ganzen Veranstaltung, hatte sie neben dem Buffet gestanden, während ihr Mann sich bei einigen Kollegen aufgehalten und lautstark über irgendeinen – zweifellos miserablen – Witz gelacht hatte. Er erinnerte sich noch genau daran, wie ihn ihr Anblick vom ersten Moment an verzaubert hatte. Trotz ihrer Verlorenheit war es vor allem der entrückte Hauch von Würde und Erhabenheit gewesen, der sie in Martins Augen umweht hatte. Die folgenden drei Stunden waren für ihn wie ein wundervoller Traum gewesen. Nachdem er sie angesprochen und in ein zunächst belangloses Gespräch verwickelt hatte, waren sie bald darauf in eine fesselnde und immer persönlich werdendere Unterhaltung vertieft gewesen, welche ihnen mehr und mehr ihrer erstaunlichen Gemeinsamkeiten vor Augen geführt hatte.
Seit dem fieberte Martin jeder Firmenveranstaltung entgegen, auf der er Jessica wieder begegnen würde, hatte er sich an jenem Abend doch unsterblich in sie verliebt.
Ein trauriger Glanz trat in seine Augen, während sich um sein Herz, das, der untergehenden Sonne gleich, in sengenden Flammen stand, wieder die inzwischen allzu vertraute Faust schloss und erbarmungslos zudrückte.
Warum nur hatte er ihr nicht einige Jahre vorher begegnen können? Sie wären zusammen glücklich geworden. Dessen war er sich umso sicherer, desto öfter er dieses Szenario in seinem Kopf und seinem Herzen durchspielte. Jedes mal in prächtigeren Farben und phantastischeren Formen. So aber war sie an diesen unsäglichen Schwachkopf geraten, hatte mit ihm den heiligen Bund der Ehe geschlossen und war für Martin nun unerreichbar. In stummer Verzweiflung schloss er die Augen und ließ das Gesicht in seine Hände sinken. Bei dem Gedanken, dass sie niemals würden vereint sein können, stockte ihm der Atem, schien sein Herz sich selbst zerfleischen zu wollen, vor lauter Schmerzen.
Nein, das war unmöglich! Sie waren für einander bestimmt, dies spürte er mit jeder Faser seines Körpers. Sie würden vereint sein, denn was stand schon zwischen ihnen? Dieser andere, falsche Mann und ein wertloses Stück Papier, machtlos gegen die wahre Liebe. Nun atmete Martin tief durch, straffte sich, zwang Zuversicht in sein blutendes Herz.
Er würde sie nicht so schnell aufgeben, würde ihr alles gestehen. Er würde ihr einen Brief schreiben, in dem alles stehen sollte. Seine tiefe Liebe zu ihr, die Überzeugung, dass sie beide nur vereint das Glück würden finden können, die Aufforderung, ihren Mann, diesen bedauerlichen Fehlgriff, sofort zu verlassen.
Ja, dachte Martin feierlich und sah mit erhobenen Kinn hinaus in den Abend, Ich werde es tun! Gleich -
-Morgen! Weder Isabella Heuer, noch Herr Vogel, noch Martin Richter konnten ahnen, dass ihnen in genau diesem Augenblick allen das selbe Wort wie ein gleißender, alles erhellender und jeden anderen Gedanken gleichsam in den Schatten stellender Blitz durch den Kopf schoss. Ein jeder von ihnen, auch, wenn sie voneinander so gut wie gar nichts wussten, teilte in diesem Moment die gleiche Zuversicht und Entschlossenheit und sah im Ende dieses Tages den Beginn einer neuen, besseren Zukunft.
Wie all die Abende davor ging nun auch heute die Sonne unter und hinterließ für einige Zeit noch einen träumerischen, rötlichen Abglanz am dunkler werdenden Himmel. Genau das gleiche Schauspiel würde am morgigen Tag wieder zu beobachten sein; und wie all die Tage davor, würde sich auch sonst nichts verändert haben.
Ende.

was soll ich noch groß zu sagen...KG steht dran?! jo!
Widmung: diese story widme ich meinen nachbarn, die näher zu beschnuppern ich weder zeit, lust noch grund hatte und dieses versäumnis hiermit wieder gut mache

mein spezieller dank geht auch dieses mal wieder an noir, fürs aufopferungsvolle beta-lesen (wem die sätze zu lang sind, sollte sich bei ihr dafür bedanken, dass sie nicht NOCH länger sind *g*) in diesem sinne, danke fürs schere ansetzen und mut machen

tjo...genug buchstaben verplempert...aufie gehts^^
Morgen
Einst war die Fassade des Mehrfamilienhauses, dessen lang gezogene Flanke an einen weiten, in zahlreiche kleine Privat-Idyllen unterteilten Garten grenzte, in einem makellosen Blütenweiß erstrahlt. Inzwischen säumten sie unzählige Flecke, Risse und hässliche Stellen abgeplatzten Putzes. Das Licht der Abendsonne, das nun darauf fiel, täuschte über diese ganzen kleinen Unvollkommenheiten hinweg und schien die große, weiße, in regelmäßigen Abständen durch Fenster und Balkone unterbrochene Fläche selbst zart erröten zu lassen.
Isabella Heuer saß allein auf einem jener Balkone und starrte mit Augen in den Abend hinaus, die gleichsam Bitterkeit sowie tiefe Demütigung widerspiegelten. Die Beine übereinander geschlagen und den rechten Arm im Schoß abgestützt, nahm sie einen langen, bebenden Zug von ihrer Zigarette und spie den Rauch mit einem angewiderten Gesichtsausdruck in die Abendluft, in der die Erinnerung an die nachmittägliche Hitze nur noch als ein lauwarmer, von Blütendüften begleiteter Dunst vorhanden war. Sie rauchte weder oft noch gerne, um ehrlich zu sein, hasste sie es. Am allermeisten aber, hasste sie sich selbst. Wieder hatte er sie geschlagen, wieder war sie stumm geblieben, wieder hatte sie schweigend und reglos im Wohnungsflur gestanden und ihm zugesehen, während er sich seine Jacke übergestreift und sich auf den Weg in die Kneipe gemacht hatte.
Danach hatte sie das Päckchen Zigaretten aus der obersten Schublade ihres Nachttisches geholt, war mit Schritten, die denen von Schlafwandlern geglichen hatten, hinaus auf den Balkon gegangen und hatte sich ihre erste Zigarette angezündet.
Inzwischen drückte sie den dritten Stummel in den Aschenbecher.
“Dieses Schwein!”, flüsterte sie heiser, mit zitternder Stimme. Ihre Augen blieben trocken. Flüchtig fragte sie sich, wann sie das letzte mal versucht hatte, zu weinen. Sie wusste es nicht. Auch, wenn Isabella seine Schläge nie ernsthaft verletzt hatten, äußerlich kaum Spuren hinterließen, so trafen sie etwas in ihrem Inneren doch umso härter. Ein diffuses Etwas – sie vermochte es nicht zu sagen – vielleicht eine dunkle Erinnerung, der leise Abglanz eines Gefühls, die letzten Scherben von Glück, nein, sie vermochte es nicht zu sagen. Nur eines wusste sie: Mit jedem seiner Schläge nahm er ihr ein wenig mehr davon, tötete es, ließ es verblassen. Was hielt sie davon ab, ihn zu verlassen? Ein harter Glanz trat in ihre Augen und sie biss die Zähne so fest zusammen, dass die Kiefermuskeln hervortraten, während sie den vierten und – wie sie sich sagte – letzten Zigarettenstummel in den Ascher drückte. Sie würde es tun! Es war ihre Wohnung! Nur ein einziges mal würde sie stark sein müssen und sich dazu zwingen, ihm die Stirn zu bieten. Dann, wenn er von ihrer unerwarteten Gegenwehr überrascht sein würde, würde sie ihn hinausschmeißen, aus ihrer Wohnung und ihrem Leben. Ja, dachte sie und straffte ihre Haltung auf dem Plastikstuhl, gleich -
Eine Reihe unter ihr und zwei Wohnungen weiter rechts stand der Balkon leer. Im Grunde war dies nichts besonderes, gehörte er doch dem Ehepaar Vogel. Frau Vogel zog es um diese Uhrzeit vor, von der gemütlichen, in einem altmodischen Karo-Muster gehaltenen Wohnzimmercouch aus, ihre geliebten Serien zu verfolgen. Lediglich Herr Vogel hatte in diesem Moment ein Auge für die melancholische Schönheit des ersterbenden Tages und stieß sogleich ein beinahe lautloses, sehnsüchtiges Seufzen aus. Für ihn fand der Abend allerdings nicht in dieser harmonischen, von einigen besonders hohen Baumwipfeln des Gartens umrahmten Szene statt, sondern hinter dem Fenster seines Büros und den Bürogebäuden dahinter. Schwermütig lehnte er sich in seinem Stuhl zurück und strich sich gedankenverloren über seine bereits seit langem gelockerte Krawatte, die, ohne die geringste Motivation, einen akkuraten Anschein zu erwecken, unförmig auf seinem zerknautschten Hemd lag. Die Anzugjacke war bereits bei Beginn seiner Spätschicht mit einem Mindestmaß an Sorgfalt auf seiner Stuhllehne gelandet. Gott, wie er Anzüge hasste! Beinahe so sehr, wie seinen Schreibtisch, seine Vorgesetzten und Kollegen und überhaupt diesen ganzen verdammten Job!
'Aber wir brauchen nun einmal das Geld!'
Wie jedes mal, wenn er an die trotzigen Worte seiner Frau dachte - Hausfrau aus Überzeugung – verzogen sich seine Lippen zu einem zynischen Lächeln.
'Wir brauchen so dringend eine neue Küche! Ich bekomme keinen Bissen mehr hinunter, in dieser schäbigen Umgebung. Und das Auto ist auch schon viel zu alt. Der Mann von der Frau Krüger hat nun schon wieder ein neues gekauft und wie schön leise das anfährt! Weißt du überhaupt, was sie reden, hinter unseren Rücken? Die Frau Barth hat mir da letztens erst was erzählt...'
Herr Vogel spürte schon wieder dieses sich ausbreitende Stechen im Kopf und begann, sich die Schläfen zu massieren.
Sehnsüchtig dachte er an die alte Staffelei in seinem Keller und ihm wurde das Herz ganz schwer, als er an die millimeterdicke Staubschicht dachte, die das ihm so teure Holzgestell und den dazugehörigen Karton mit den Farben, Pinseln, Spateln und Mischpaletten inzwischen schon unter sich begraben hatte.
Er wollte keine neue Küche. Er fühlte sich noch immer wohl in der kleinen Sitzecke mit dem schweren, so gemütlich wirkenden Holztisch und der bequemen Eckbank. Kühlschrank, Spüle, Gasherd und diverse kleine, neuere Küchengeräte, die zu kaufen er sich seiner Frau zu liebe nicht im geringsten gesperrt hatte – all dies war in einem einwandfreien Zustand, ebenso, wie die gefließte Wand in der Kochnische und der mit Laminat ausgelegte Boden sich wunderbar reinhalten ließen.
Er wollte auch kein neues Auto. Den TÜV hatte sein alter Ford erst letzten Monat noch mit Bravour bestanden und dieses tiefe, volle Brummen, welches er jedes mal beim Anfahren von sich gab, hatte ihn nie gestört. Im Gegenteil, er mochte es!
Ja, er verdiente gut in diesem Beruf. Um ehrlich zu sein, hatte er noch nie in seinem Leben soviel Geld verdient und jedesmal, wenn er mürrisch von der Arbeit kam oder seine Unlust äußerte, um die Vormittagszeit die Wohnung zu verlassen, tadelte seine Frau ihn, wie dankbar er doch eigentlich zu sein hatte, dass sie ihn zu diesem Beruf gedrängt hatte. Doch trotz des beachtlichen Kontostandes, hatte er sich noch nie in seinem Leben unglücklicher gefühlt. Er wollte das viele Geld nicht, ebenso wenig, wie er die neuen Sachen und die bequemen Touristenurlaube wollte, von denen seine Frau so sehr schwärmte. Er wollte seine Staffelei wieder auf dem Balkon aufstellen. Wieder den Abend malen in seiner kaum einzufangenden Schönheit. Mit verträumten Augen dachte er an die Zeit zurück, da er mit stiller Ergriffenheit über die Wolken gestaunt hatte. Dieses gräuliche Blau, so unglaublich zart von einem leisen Rot-Orange durchsetzt, dass wohl kaum ein Künstler diesen Ton würde nachmischen können. Damals war seine Frau noch voller Entzücken gewesen für die romantischen Eigenheiten ihres Mannes...damals.
Es reichte! Eine Idee nahm in seinem Kopf Gestalt an, erst nur definiert durch grobe Konturen und Formen und schließlich durchzogen mit buntesten und schillerndsten Farben und phantastischsten Details, ganz wie eines seiner Bilder. Er würde kündigen. Er würde einen anderen Job finden, etwas kreatives. Vielleicht irgendwo Plakate oder Flyer entwerfen, Karikaturen zeichnen oder so etwas. Irgendetwas musste sich ihm doch bieten. Ja, dachte er und begann sich immer mehr für seine Idee zu begeistern, so bald wie möglich werde ich es tun, am besten gleich -
Eine Wohnung über den Vogels hätte Martin Richter seiner Nachbarin Frau Heuer vielleicht zuwinken können, hätte nicht so ziemlich jeder Bewohner des Hauses zu beiden Seiten seines Balkons je einen Sichtschutz aus dünnem Stoff an der Brüstung befestigt, um vom Leben seiner Mitmenschen möglichst wenig behelligt zu werden. Doch er wäre für einen nachbarschaftlichen Gruß ohnehin kaum empfänglich gewesen. Denn so, wie sein Blick unbeirrbar auf den fernen Ball aus flammendem Rot gerichtet war, der sein Licht über jenes flache Meer aus Wolken ergoss, das den Horizont einnahm, waren seine Gedanken in gleichem Maße unlösbar an eine Person gebunden, die ihn seit Tagen weder essen, schlafen, noch klar denken ließ. Bei dieser Person handelte es sich um eine wunderschöne Frau namens Jessica. Sie war die Frau eines Arbeitskollegen Martins, weshalb er es möglichst vermied, an ihren Nachnamen zu denken. Doch sowieso waren das glatte, dunkelbraune Haar, die türkisen Augen und diese kleinen Grübchen, die sich um ihren filigranen Mund bildeten, wenn sie eines ihrer unbeschreiblichen Lächeln preisgab, viel erwähnenswerter, als der vergängliche und so nichts sagende Klang eines Familiennamens – fand Martin.
Kennengelernt hatte er sie auf der bürointernen Weihnachtsfeier. Allein und offenbar gelangweilt von der ganzen Veranstaltung, hatte sie neben dem Buffet gestanden, während ihr Mann sich bei einigen Kollegen aufgehalten und lautstark über irgendeinen – zweifellos miserablen – Witz gelacht hatte. Er erinnerte sich noch genau daran, wie ihn ihr Anblick vom ersten Moment an verzaubert hatte. Trotz ihrer Verlorenheit war es vor allem der entrückte Hauch von Würde und Erhabenheit gewesen, der sie in Martins Augen umweht hatte. Die folgenden drei Stunden waren für ihn wie ein wundervoller Traum gewesen. Nachdem er sie angesprochen und in ein zunächst belangloses Gespräch verwickelt hatte, waren sie bald darauf in eine fesselnde und immer persönlich werdendere Unterhaltung vertieft gewesen, welche ihnen mehr und mehr ihrer erstaunlichen Gemeinsamkeiten vor Augen geführt hatte.
Seit dem fieberte Martin jeder Firmenveranstaltung entgegen, auf der er Jessica wieder begegnen würde, hatte er sich an jenem Abend doch unsterblich in sie verliebt.
Ein trauriger Glanz trat in seine Augen, während sich um sein Herz, das, der untergehenden Sonne gleich, in sengenden Flammen stand, wieder die inzwischen allzu vertraute Faust schloss und erbarmungslos zudrückte.
Warum nur hatte er ihr nicht einige Jahre vorher begegnen können? Sie wären zusammen glücklich geworden. Dessen war er sich umso sicherer, desto öfter er dieses Szenario in seinem Kopf und seinem Herzen durchspielte. Jedes mal in prächtigeren Farben und phantastischeren Formen. So aber war sie an diesen unsäglichen Schwachkopf geraten, hatte mit ihm den heiligen Bund der Ehe geschlossen und war für Martin nun unerreichbar. In stummer Verzweiflung schloss er die Augen und ließ das Gesicht in seine Hände sinken. Bei dem Gedanken, dass sie niemals würden vereint sein können, stockte ihm der Atem, schien sein Herz sich selbst zerfleischen zu wollen, vor lauter Schmerzen.
Nein, das war unmöglich! Sie waren für einander bestimmt, dies spürte er mit jeder Faser seines Körpers. Sie würden vereint sein, denn was stand schon zwischen ihnen? Dieser andere, falsche Mann und ein wertloses Stück Papier, machtlos gegen die wahre Liebe. Nun atmete Martin tief durch, straffte sich, zwang Zuversicht in sein blutendes Herz.
Er würde sie nicht so schnell aufgeben, würde ihr alles gestehen. Er würde ihr einen Brief schreiben, in dem alles stehen sollte. Seine tiefe Liebe zu ihr, die Überzeugung, dass sie beide nur vereint das Glück würden finden können, die Aufforderung, ihren Mann, diesen bedauerlichen Fehlgriff, sofort zu verlassen.
Ja, dachte Martin feierlich und sah mit erhobenen Kinn hinaus in den Abend, Ich werde es tun! Gleich -
-Morgen! Weder Isabella Heuer, noch Herr Vogel, noch Martin Richter konnten ahnen, dass ihnen in genau diesem Augenblick allen das selbe Wort wie ein gleißender, alles erhellender und jeden anderen Gedanken gleichsam in den Schatten stellender Blitz durch den Kopf schoss. Ein jeder von ihnen, auch, wenn sie voneinander so gut wie gar nichts wussten, teilte in diesem Moment die gleiche Zuversicht und Entschlossenheit und sah im Ende dieses Tages den Beginn einer neuen, besseren Zukunft.
Wie all die Abende davor ging nun auch heute die Sonne unter und hinterließ für einige Zeit noch einen träumerischen, rötlichen Abglanz am dunkler werdenden Himmel. Genau das gleiche Schauspiel würde am morgigen Tag wieder zu beobachten sein; und wie all die Tage davor, würde sich auch sonst nichts verändert haben.
Ende.