nun... leben nach dem tod? mal überlegen...
ah, hier hab ich nen text:
Interview mit dem Tod
Tod: Hallo!
Journalist: Verdammt! Ich war so nah dran! Ich hätte die beste Story überhaupt bekommen können!
Tod: Tja...
Journalist: Nur einen Zentimeter weiter vor und ich wäre wahrscheinlich über den Rand des Daches gefallen! Meine Güte, war ich nah dran!
Tod: Nun, um die Wahrheit zu sagen... du warst wirklich ziemlich nah dran. Man könnte sogar sagen, dass du das Feuer aus der nächsten Nähe überhaupt gesehen hast.
Journalist: Ich... oh. Dann bist du vermutlich...
Tod: Tod.
Journalist: Ah. Wenn's dir nichts ausmacht... ich müsste hier noch irgendwo... ah, hier ist mein Aufnahmegerät! Und meine Kamera!
Tod: ?
Journalist: Dürfte ich dich interviewen? Ich meine, so eine Gelegenheit bekomme ich nie wieder! Kein Mensch hat bisher ein Interview mit dem TOD führen können!
Tod: Oh, ähm... ich bin nicht sicher... ich glaube nicht, dass ich außerordentlich fotogen bin...
Journalist: Das macht nichts, die Leute stehen heutzutage nicht mehr auf Ästhetik! Sie wollen blankes Entsetzen und Horrormeldungen.
Tod: Aber ich zweifle meine Zitatfähigkeit gründlich an...
Journalist: Keine Sorge, ich schneide das schon so um, dass es sendefähig ist... Überlass die ganzen Formalitäten einfach mir!
Tod: Wir bewegen uns hier auf wirklich unbekanntem Gebiet für mich...
Journalist: Mir geht's nicht anders. Also legen wir los, okay?
Tod: Okay.
Journalist: Du bist also der Tod?
Tod: Ja.
Journalist: Hast du viel Abwechslung in deinem Job?
Tod: Ach, es geht. Manchmal gibt es tatsächlich ein paar wirklich ausgefallene Todesarten, aber normalerweise tun es Krankheiten, Autounfälle, Kriege oder einfach Altersschwäche. Obwohl, neulich, da war dieser Mann mit der Drahtweste und der Käsereibe, der—
Journalist: Ah, Danke! Wir sollten es nicht übertreiben! Jetzt zu einer Frage, die die Menschheit seit jeher interessiert: Gibt es ein Leben nach dem Tod?
Tod: Natürlich.
Journalist: Wie ist es?
Tod: Seltsame Frage... du weißt doch, wie es ist.
Journalist: Wie bitte?
Tod: Du hast es doch die letzten 32 Jahre gelebt!
Journalist: Das war das Leben nach dem Tod?
Tod: Als was würdest du es denn bezeichnen? Erst warst du tot, und dann schenkt dir plötzlich jemand Leben...
Journalist: Ich dachte immer, es gebe ein Leben... nun, nach dem Leben...
Tod: Seltsam. Das denken die meisten Leute. Dabei sehen sie gar nicht, dass sie sich bereits im Leben nach dem Tod befinden. Sie sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht. Oder anders ausgedrückt: Das Paradies vor lauter Schönheit.
Journalist: Dieses Leben soll das Paradies gewesen sein?
Tod: Natürlich.
Journalist: Aber ich dachte, im Paradies würde man alles bekommen, was man will... es würde alles geben, was man sich immer gewünscht hat und man würde ewig leben.
Tod: Das nennst du Paradies? Ich würde so etwas Gefängnis nennen. Du könntest nichts mehr erreichen und innerhalb von einer Stunde würde dir stinklangweilig werden. Wohingegen du in euerer Welt tatsächlich alles erreichen kannst, aber dennoch den Spaß hast, darauf hin zu arbeiten.
Journalist: Und wo bleibt das ewige Leben?
Tod: Das ist ja nun wirklich nicht erstrebenswert! Wenn einer von euch Menschen wirklich ewig leben würde, wüsste er gar nichts damit anzufangen. Aber so könnt ihr wenigstens auf etwas hinarbeiten.
Journalist: Von dieser Seite habe ich es noch gar nicht betrachtet...
Tod: Hätte es dir vielleicht Spaß gemacht, dich in lebensgefährliche Situationen zu begeben, um unglaubliche Fotos zu schießen, wenn du nicht hättest sterben können?
Journalist: Es wäre vollkommen unnütz gewesen, weil das dann doch jeder hätte tun können! Oh...
Tod: Eben.
Journalist: Aber was ist denn nun? Ich meine... wie wird es mit mir weitergehen? Was machst du mit Menschen, die gestorben sind?
Tod: Was soll ich mit ihnen machen? Ich bleibe einfach bei Ihnen, bis der letzte Rest von ihnen verschwunden ist.
Journalist: Du meinst die Seele?
Tod: Ich arbeite nun schon wirklich lange in diesem Beruf, aber so etwas wie eine Seele ist mir bisher noch nie untergekommen. Was sollte so ein Teil denn auch bringen?
Journalist: Es ist angeblich in jedem Menschen, der—
Tod: Und in jedem Tier?
Journalist: Nein. Nein, das denke ich nicht. Nur Menschen besitzen Seelen.
Tod: Warum sollten denn Tiere keine besitzen, wenn Menschen es tun?
Journalist: Sind Menschen denn nichts besonderes?
Tod: Ehrlich gesagt... ich fand schon immer, dass ihr eine ziemlich langweilige Spezies seid. Außerdem gibt es euch erst seit so kurzer Zeit, dass ich mir über euch noch nicht so richtig Gedanken gemacht habe. Ich warte meist erst ein paar Millionen Jahre, bevor ich ein Urteil fälle.
Journalist: Ein paar Millionen Jahre?
Tod: Ich weiß, manche werden sagen, ich bin voreilig und handle unüberlegt... aber ich habe ja auch schon einige Erfahrung darin, deswegen halte ich ein paar Millionen Jahre durchaus für angemessen.
Journalist: Findest du nicht, dass die Menschen etwas besonderes sind? Immerhin haben wir es geschafft, in den Weltraum zu fliegen...
Tod: Na und? Viele Dinosaurier lebten mehrere hundert Millionen Jahre, und einige haben es sogar geschafft, bis in die heutige Zeit zu überleben... man denke nur an das Krokodil oder den Komodo-Waran... meine Güte, das sind noch echte Überlebenskünstler...
Journalist: Aber sie konnten nicht einmal denken!
Tod: Soweit mir bekannt ist, können das 80 % eurer Art ebenfalls nicht.
Journalist: Aber... aber...
Tod: Natürlich, du denkst, du bist was besonderes, weil du zwischen Gut und Böse nicht nur unterscheiden kannst, sondern es dir sogar selbst definierst. Aber letztendlich gibt es doch gar kein Gut oder Böse, nur Fressen und Gefressen werden. Und das ist es, worauf es ankommt: das Überleben.
Journalist: Und das sagst du? Der Tod?
Tod: Je besser eine Rasse im Überleben ist, desto mehr gibt es davon. Und je mehr es davon gibt, desto mehr sterben auch. Alles rein logisch.
Journalist: Also ist der Mensch nichts weiter als ein Tier? Ohne jegliche Seele?
Tod: In meiner Erfahrung legen nur die Menschen wert auf eine Seele, die es in ihrem Leben nicht schaffen, wirklich glücklich zu sein. Sie hoffen auf ein anderes Leben und merken gar nicht, dass ihnen alle Möglichkeiten offen stehen, in diesem Leben glücklich zu werden.
Journalist: Aber die Seele... und Gott...
Tod: Gott! Gott! Wenn ich das schon höre, wird mir schlecht. Weißt du eigentlich, wie viele verschiedene Gottesbilder die Menschheit sich im Laufe der Jahrtausende zurechtgelegt hat? Wenn Gott tatsächlich gelebt hätte, wäre er wahrscheinlich vor Scham gestorben. Immerhin haben die Menschen wegen ihm mehr Morde begangen als für irgendeinen anderen sonst. Wenn ich zynisch veranlagt wäre, würde ich sagen, dass das Wort "Gott" sich ursprünglich wahrscheinlich am besten mit "Diktator" oder "Tyrann" übersetzen ließe...
Journalist: Meine Güte, ein Glück, dass du nicht sarkastisch bist.
Tod: Es wäre ja auch sowieso egal...
Journalist: Also nochmal zu der Frage, wie es nun weitergeht, nachdem ich gestorben bin: Da ich ja keine Seele habe, was passiert mit mir?
Tod: Du verschwindest.
Journalist: Wohin?
Tod: Ins Nichts. Du bist einfach nicht mehr existent. Das, was du gerade eben bist, sind noch die Phantom-Nachwirkungen deines Lebens. Als wenn dir ein Arm amputiert würde, den du trotzdem noch spüren kannst.
Journalist: Und wann verschwinde ich ins Nichts?
Tod: Sobald diese Phantom-Nachwirkungen sich damit abgefunden haben, dass tatsächlich kein Körper mehr vorhanden ist. Normalerweise so nach ein oder zwei Stunden, manchmal jedoch bleiben Leute auf ewig in diesem Zustand.
Journalist: Könntest du mich vielleicht wieder zurückbringen? Ich muss dieses Interview schließlich noch meinem Sender geben...
Tod: Tut mir leid, dafür bin ich nicht zuständig. Ich bin einfach nur da, solange du dich noch im Zwiespalt mit der Welt und dem Nichts befindest.
Journalist: Das also nennt man Tod.
Tod: Ja.
Journalist: Ich glaube, dann bin ich jetzt mit dem Umstand vertraut, dass ich nicht mehr existiere. Irgendwie hat mir dieses Interview dabei geholfen, mich damit abzufinden.
Tod: Dafür bin ich da. Ich bin sozusagen die Hilfsbereitschaft in Person.
Journalist: Nun, dann mache ich mich jetzt auf den Weg.
Tod: Viel Glück.
Journalist: Danke, und auf Wiedersehen.
Tod: Das bezweifle ich...