Shan'xara
Prodigal Princess
Also, ich bin nicht wirklich der Ansicht, dass die Story hier ein Meisterwerk ist... Aber da sie fertig ist, wird sie eben gepostet
. Die Geschichte basiert lose auf dem Myranor-Setting von DSA - aber wirklich nur lose. Also, es kann durchaus sein, dass das eine oder andere im Widerspruch dazu steht. Ok, dann leg ich mal los... Es ist nur eine Kurzgeschichte, das noch als Info vorweg...
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Prodigal Princess
Verlegen trat die junge Priesterin von einem Fuß auf den anderen. „Euer Erhabenheit, ich…“ Ihre Stimme versagte. „Such keine barmherzige Lüge, mein Kind. Ich weiß ebenso gut wie du, wie es um mich steht.“ Trotz ihrer Krankheit hatte die Hohepriesterin nichts von ihrem Charisma und ihrer beeindruckenden Präsenz verloren. Obwohl sie sich nur durch ein Dutzend Kissen gestützt aufrecht halten konnte und in einem schlichten Nachthemd in ihrem Bett im verdunkelten Zimmer lag, wirkte sie doch immer noch wie eine Königin, die sie ja auch war, da das Inselreich Era’sumu von der Hohepriesterin der Muttergöttin regiert wurde. Das schwarze Haar, das offen über ihre Schultern fiel, zeigte immer noch kein Grau und auch ihr Gesicht war faltenlos. Eine der Gnaden, die die Göttin ihrer Auserwählten erwies – das Alter hinterließ keine Spuren an ihrer Schönheit. Aber auch sie konnte der Sterbenden kein neues Leben verleihen… So war der natürliche Kreislauf, dessen Hüter ihre Priesterinnen nun einmal waren.
„Ich sterbe. Und mit mir wird das Reich sterben, denn ich habe keine Nachfolgerin.“ Ohne Pathos, ohne Selbstmitleid sprach Xian’tara ihre düstere Prognose aus. „Aber, eure Erhabenheit, was ist mit eurer Tochter? Wird die Göttin sie nicht doch rechtzeitig hierher bringen, um Euren Platz einzunehmen?“ Ein bitteres Lachen entrang sich der eingefallenen Brust. „Meine Tochter hat der Göttin abgeschworen. Selbst wenn sie reumütig zurückgekrochen käme, um doch noch ihre Pflicht zu tun, würde ich sie wie einen streunenden Hund mit der Peitsche von meiner Schwelle jagen lassen…“ Entsetzt lauschte das Mädchen den harten Worten. Sie war zu jung, um das Drama miterlebt zu haben, das vor mehr als 40 Jahren das Inselreich erschüttert hatte, aber sie wusste, dass jede der Hohepriesterinnen in ununterbrochener Folge die Tochter der vorhergehenden gewesen war. Und nicht irgendeine Tochter – immer die Älteste. Denn nur die Älteste erbte jeweils die seltene Gabe der Empathie, die Fähigkeit die Gefühle anderer lesen zu können… Die anderen Kinder – egal ob Töchter oder Söhne – taten das niemals. Es war ein Zeichen für die Gunst der Göttin, dass es diese lange Reihe an Herrscherinnen gab. Hätte auch nur eine einzige von ihnen als erstes Kind einen Sohn geboren, dann wäre – da ein Mann niemals Priester der Göttin hätte werden können – das Ende des Reiches eingetreten. Ein Ende, das nun offenbar bevorstand, denn Xian’taras Tod war nur noch eine Frage von Tagen.
Ein leises, trauriges Lächeln legte sich um den Mund der alten Frau. „Du bist zu jung. Du hast es nicht miterlebt, du verstehst es nicht… Meine Tochter hat ihr Erbe verraten, hat ihr Volk im Stich gelassen und mir Schande bereitet – selbst, wenn sie bereuen würde, könnte sie nicht mehr zurück.“ Ermutigt von dieser Erklärung, wagte es die junge Priesterin, nun endlich die Frage zu stellen, deren Beantwortung ihr alle älteren Mitglieder des Ordens bisher immer verweigert hatten. „Euer Erhabenheit, was hat sie getan?“ Erschreckt über ihre eigene Kühnheit biss sie sich auf die Lippen, senkte den Kopf und erwartete den unvermeidlichen Tadel. Doch er erfolgte nicht. Stattdessen erklang erneut die leise Stimme der Sterbenden. „Shan’xara wurde mit all meinen Hoffnungen geboren, doch sie hat sie nicht erfüllt. Ein rebellischer Geist war ihr, wie vielen anderen Frauen, mit auf den Weg gegeben worden. Das allein wäre noch kein Verbrechen gewesen, doch sie weigerte sich, den Erwartungen zu entsprechen. Statt ins Kloster einzutreten wie ihre jüngeren Schwestern, wählte sie den Pfad einer Kriegerin, obwohl das doch für eine Empathin nahezu unmöglich sein müsste… Dennoch hätte das allein noch nicht ausgereicht, um sie von der Erbfolge auszuschließen. Aber sie erfüllte ihre Pflichten nicht, nein, sie ging sogar in eines der Klöster des Lev’thas, um ihre Fähigkeiten zu perfektionieren – anstatt der Göttin folgte sie dem Gott und verriet damit ihr Geschlecht.“
Die Bitterkeit, die diese Erinnerung mit sich brachte, schaffte, was Alter und Krankheit nicht gelungen war. Tiefe Linien gruben sich in das Gesicht Xian’taras und ließen sie plötzlich wirklich hinfällig aussehen. Enttäuschung und Schmerz sprachen auch aus ihrer Stimme, als sie fortfuhr: „Ich gab sie noch nicht verloren. Ich dachte, eine Lektion darüber, warum unser Land in Frieden und Harmonie leben kann, und welche Opfer das von einzelnen nun einmal fordert, würde ihr ihren Irrtum aufzeigen. Du weißt, dass wir dem Imperium als Preis für unsere Unabhängigkeit einmal alle 5 Jahre eine Gruppe unserer Lev’thas-Krieger schicken. Als dieser Tribut wieder fällig wurde, ließ ich die Einheit meiner Tochter ins Imperium schicken. Sie sollte sehen, wie glücklich wir hier waren – und dass das Verlassen ihres Weges ein geringer Preis für dieses Glück sein würde. Doch es war ein Fehler. Ein schlimmer, nicht wieder gut zu machender Fehler. Und heute, im Wissen um die Konsequenzen dieses Fehlers kann ich eingestehen, dass es wohl auch meine Schuld ist, wenn meine Ahnenreihe mit mir zugrunde geht… Ob aus Trotz, oder aus einem anderen Grund, meine Tochter nahm das Urteil nicht hin. Sie ging ins Imperium, doch nach weniger als einem Jahr im Dienst der imperialen Myrmidonen beging sie Fahnenflucht. Man jagte sie, setzte Kopfgeldjäger auf sie an und drohte sogar mir, für den Fall, dass ich sie verstecken würde.“
Mit morbider Faszination beobachtete das Mädchen, wie der aufflackernde Zorn die Züge der Hohepriesterin wieder glättete. Es konnte sich vorstellen, was für eine unglaubliche Enttäuschung die Flucht ihrer Tochter für Ihre Erhabenheit bedeutet haben musste. Era’sumier wurden zum Pflichtbewusstsein erzogen. Ihre Pflicht gegenüber Eltern, Göttin und dem Reich zu erfüllen, war das Höchste, ein Drücken gab es nicht. Und das Desertieren aus dem imperialen Dienst stellte genau das dar. Auch wenn keiner der Krieger sich gern auf die 20 Jahre Dienstzeit einließ, so war es doch seine Pflicht. Und die musste erfüllt werden. Natürlich waren auch die Bewohner des Inselreichs noch immer Menschen und trotz jahrtausendelanger kontrollierter Fortpflanzung gab es immer wieder einmal das eine oder andere asoziale Element. Aber dass es ein solches in der der Göttin am nächsten stehende Familie gab, das musste ein unwahrscheinlicher Schlag gewesen sein. Kein Wunder, dass niemand mehr den Namen Shan’xaras in den Mund nahm, dass man versuchte, sie zu vergessen.
Die alte Frau riss die Priesterin aus ihren Überlegungen: „Halb hatte ich erwartet, dass sie zurück kommen würde und um mich um Schutz zu bitten. Doch sie tat es nicht – offensichtlich hatte sie zumindest meinen Stolz geerbt. Das Imperium konnte sie nicht fassen, jedenfalls habe ich nichts davon gehört. Allerdings erreichten mich hin und wieder Nachrichten über ihren weiteren Weg, die mir deutlich machten, dass sie die Gunst der Göttin verloren und alles verraten hatte, was für uns hier eine Bedeutung hat. Sie gebar einem Barbarenschamanen ein Kind – einen Sohn. EINEN SOHN! Keine Tochter. Sie kümmerte sich nicht darum, ob der Vater irgendwelche erhaltenswerten Anlagen hatte, sie dachte wohl nur an ihr Vergnügen… Und die Göttin strafte sie, indem sie die Linie durchbrach. Die Gabe ging an einen Mann verloren, und es gibt keine weiteren Erben mehr. Später hörte ich, dass sie mit einem Tiermenschen, einem verstoßenen Leonir zusammenlebte – selbst die Gesetze der Natur hat sie gebrochen, denn sie ließ sich mit einer anderen, ja sogar mit einer minderwertigen, tierhaften Spezies ein. Sie kämpfte in den Arenen der Zitadelle und tötete für Geld und Ruhm. Nicht einmal das Leben, das für uns heilig ist, bedeutete ihr mehr etwas. Das Letzte, was ich vernahm, war, dass sie in die Hände der Draydal fiel. Das war vor 20 Jahren. Seither ist mir nichts mehr zu Ohren gekommen – ich vermute, sie wurde von den Anhängern des Goldenen getötet. Und selbst, wenn sie noch leben sollte – es ist für mich ohne Bedeutung. Sie ist nicht mehr mein Kind, nicht einmal mehr Teil unseres Volkes. Schon lange habe ich sie verstoßen – selbst wenn sie käme, ließe man sie nicht mehr ins Land.“ Erschöpft ließ sich Xian’tara in ihre Kissen zurücksinken, das Adrenalin, dass sie ihre Geschichte hatte erzählen lassen, schwand rapide. „Nun kennst du die Wahrheit. Nun weißt du, warum nach mir niemand mehr folgen kann, warum das Imperium das Land der Mutter nun endlich in Besitz nehmen wird können. Lass mich allein.“ Mit einer ungeduldigen Handbewegung wies sie zur Tür.
„Ja, Euer Erhabenheit.“ Mit gesenktem Kopf verließ die junge Frau das Zimmer. Xian’taras Worte hatten sie erschüttert. Soviel Enttäuschung und Bitterkeit hatte daraus gesprochen, fast Hass. Das erschreckte sie. Wie konnte eine Mutter ihre Tochter hassen? Egal, was sie getan hatte, sie war doch immer noch ihr Fleisch und Blut… Und doch war es für sie verständlich, denn die Taten Shan’xaras waren für sie nicht nachvollziehbar. Die moralischen Prinzipien, die dadurch verletzt worden waren, akzeptierte auch die Priesterin, ohne diese in Frage zu stellen. Doch ihr war klar, dass hinter all dem eine Tragödie stand. Die Tragödie einer Mutter, einer verlorenen Tochter – und einer gefallenen Prinzessin…
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Vergebt mir den Schlusssatz... Ich hoffe, es gefällt - Kommies bitte!

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Prodigal Princess
Verlegen trat die junge Priesterin von einem Fuß auf den anderen. „Euer Erhabenheit, ich…“ Ihre Stimme versagte. „Such keine barmherzige Lüge, mein Kind. Ich weiß ebenso gut wie du, wie es um mich steht.“ Trotz ihrer Krankheit hatte die Hohepriesterin nichts von ihrem Charisma und ihrer beeindruckenden Präsenz verloren. Obwohl sie sich nur durch ein Dutzend Kissen gestützt aufrecht halten konnte und in einem schlichten Nachthemd in ihrem Bett im verdunkelten Zimmer lag, wirkte sie doch immer noch wie eine Königin, die sie ja auch war, da das Inselreich Era’sumu von der Hohepriesterin der Muttergöttin regiert wurde. Das schwarze Haar, das offen über ihre Schultern fiel, zeigte immer noch kein Grau und auch ihr Gesicht war faltenlos. Eine der Gnaden, die die Göttin ihrer Auserwählten erwies – das Alter hinterließ keine Spuren an ihrer Schönheit. Aber auch sie konnte der Sterbenden kein neues Leben verleihen… So war der natürliche Kreislauf, dessen Hüter ihre Priesterinnen nun einmal waren.
„Ich sterbe. Und mit mir wird das Reich sterben, denn ich habe keine Nachfolgerin.“ Ohne Pathos, ohne Selbstmitleid sprach Xian’tara ihre düstere Prognose aus. „Aber, eure Erhabenheit, was ist mit eurer Tochter? Wird die Göttin sie nicht doch rechtzeitig hierher bringen, um Euren Platz einzunehmen?“ Ein bitteres Lachen entrang sich der eingefallenen Brust. „Meine Tochter hat der Göttin abgeschworen. Selbst wenn sie reumütig zurückgekrochen käme, um doch noch ihre Pflicht zu tun, würde ich sie wie einen streunenden Hund mit der Peitsche von meiner Schwelle jagen lassen…“ Entsetzt lauschte das Mädchen den harten Worten. Sie war zu jung, um das Drama miterlebt zu haben, das vor mehr als 40 Jahren das Inselreich erschüttert hatte, aber sie wusste, dass jede der Hohepriesterinnen in ununterbrochener Folge die Tochter der vorhergehenden gewesen war. Und nicht irgendeine Tochter – immer die Älteste. Denn nur die Älteste erbte jeweils die seltene Gabe der Empathie, die Fähigkeit die Gefühle anderer lesen zu können… Die anderen Kinder – egal ob Töchter oder Söhne – taten das niemals. Es war ein Zeichen für die Gunst der Göttin, dass es diese lange Reihe an Herrscherinnen gab. Hätte auch nur eine einzige von ihnen als erstes Kind einen Sohn geboren, dann wäre – da ein Mann niemals Priester der Göttin hätte werden können – das Ende des Reiches eingetreten. Ein Ende, das nun offenbar bevorstand, denn Xian’taras Tod war nur noch eine Frage von Tagen.
Ein leises, trauriges Lächeln legte sich um den Mund der alten Frau. „Du bist zu jung. Du hast es nicht miterlebt, du verstehst es nicht… Meine Tochter hat ihr Erbe verraten, hat ihr Volk im Stich gelassen und mir Schande bereitet – selbst, wenn sie bereuen würde, könnte sie nicht mehr zurück.“ Ermutigt von dieser Erklärung, wagte es die junge Priesterin, nun endlich die Frage zu stellen, deren Beantwortung ihr alle älteren Mitglieder des Ordens bisher immer verweigert hatten. „Euer Erhabenheit, was hat sie getan?“ Erschreckt über ihre eigene Kühnheit biss sie sich auf die Lippen, senkte den Kopf und erwartete den unvermeidlichen Tadel. Doch er erfolgte nicht. Stattdessen erklang erneut die leise Stimme der Sterbenden. „Shan’xara wurde mit all meinen Hoffnungen geboren, doch sie hat sie nicht erfüllt. Ein rebellischer Geist war ihr, wie vielen anderen Frauen, mit auf den Weg gegeben worden. Das allein wäre noch kein Verbrechen gewesen, doch sie weigerte sich, den Erwartungen zu entsprechen. Statt ins Kloster einzutreten wie ihre jüngeren Schwestern, wählte sie den Pfad einer Kriegerin, obwohl das doch für eine Empathin nahezu unmöglich sein müsste… Dennoch hätte das allein noch nicht ausgereicht, um sie von der Erbfolge auszuschließen. Aber sie erfüllte ihre Pflichten nicht, nein, sie ging sogar in eines der Klöster des Lev’thas, um ihre Fähigkeiten zu perfektionieren – anstatt der Göttin folgte sie dem Gott und verriet damit ihr Geschlecht.“
Die Bitterkeit, die diese Erinnerung mit sich brachte, schaffte, was Alter und Krankheit nicht gelungen war. Tiefe Linien gruben sich in das Gesicht Xian’taras und ließen sie plötzlich wirklich hinfällig aussehen. Enttäuschung und Schmerz sprachen auch aus ihrer Stimme, als sie fortfuhr: „Ich gab sie noch nicht verloren. Ich dachte, eine Lektion darüber, warum unser Land in Frieden und Harmonie leben kann, und welche Opfer das von einzelnen nun einmal fordert, würde ihr ihren Irrtum aufzeigen. Du weißt, dass wir dem Imperium als Preis für unsere Unabhängigkeit einmal alle 5 Jahre eine Gruppe unserer Lev’thas-Krieger schicken. Als dieser Tribut wieder fällig wurde, ließ ich die Einheit meiner Tochter ins Imperium schicken. Sie sollte sehen, wie glücklich wir hier waren – und dass das Verlassen ihres Weges ein geringer Preis für dieses Glück sein würde. Doch es war ein Fehler. Ein schlimmer, nicht wieder gut zu machender Fehler. Und heute, im Wissen um die Konsequenzen dieses Fehlers kann ich eingestehen, dass es wohl auch meine Schuld ist, wenn meine Ahnenreihe mit mir zugrunde geht… Ob aus Trotz, oder aus einem anderen Grund, meine Tochter nahm das Urteil nicht hin. Sie ging ins Imperium, doch nach weniger als einem Jahr im Dienst der imperialen Myrmidonen beging sie Fahnenflucht. Man jagte sie, setzte Kopfgeldjäger auf sie an und drohte sogar mir, für den Fall, dass ich sie verstecken würde.“
Mit morbider Faszination beobachtete das Mädchen, wie der aufflackernde Zorn die Züge der Hohepriesterin wieder glättete. Es konnte sich vorstellen, was für eine unglaubliche Enttäuschung die Flucht ihrer Tochter für Ihre Erhabenheit bedeutet haben musste. Era’sumier wurden zum Pflichtbewusstsein erzogen. Ihre Pflicht gegenüber Eltern, Göttin und dem Reich zu erfüllen, war das Höchste, ein Drücken gab es nicht. Und das Desertieren aus dem imperialen Dienst stellte genau das dar. Auch wenn keiner der Krieger sich gern auf die 20 Jahre Dienstzeit einließ, so war es doch seine Pflicht. Und die musste erfüllt werden. Natürlich waren auch die Bewohner des Inselreichs noch immer Menschen und trotz jahrtausendelanger kontrollierter Fortpflanzung gab es immer wieder einmal das eine oder andere asoziale Element. Aber dass es ein solches in der der Göttin am nächsten stehende Familie gab, das musste ein unwahrscheinlicher Schlag gewesen sein. Kein Wunder, dass niemand mehr den Namen Shan’xaras in den Mund nahm, dass man versuchte, sie zu vergessen.
Die alte Frau riss die Priesterin aus ihren Überlegungen: „Halb hatte ich erwartet, dass sie zurück kommen würde und um mich um Schutz zu bitten. Doch sie tat es nicht – offensichtlich hatte sie zumindest meinen Stolz geerbt. Das Imperium konnte sie nicht fassen, jedenfalls habe ich nichts davon gehört. Allerdings erreichten mich hin und wieder Nachrichten über ihren weiteren Weg, die mir deutlich machten, dass sie die Gunst der Göttin verloren und alles verraten hatte, was für uns hier eine Bedeutung hat. Sie gebar einem Barbarenschamanen ein Kind – einen Sohn. EINEN SOHN! Keine Tochter. Sie kümmerte sich nicht darum, ob der Vater irgendwelche erhaltenswerten Anlagen hatte, sie dachte wohl nur an ihr Vergnügen… Und die Göttin strafte sie, indem sie die Linie durchbrach. Die Gabe ging an einen Mann verloren, und es gibt keine weiteren Erben mehr. Später hörte ich, dass sie mit einem Tiermenschen, einem verstoßenen Leonir zusammenlebte – selbst die Gesetze der Natur hat sie gebrochen, denn sie ließ sich mit einer anderen, ja sogar mit einer minderwertigen, tierhaften Spezies ein. Sie kämpfte in den Arenen der Zitadelle und tötete für Geld und Ruhm. Nicht einmal das Leben, das für uns heilig ist, bedeutete ihr mehr etwas. Das Letzte, was ich vernahm, war, dass sie in die Hände der Draydal fiel. Das war vor 20 Jahren. Seither ist mir nichts mehr zu Ohren gekommen – ich vermute, sie wurde von den Anhängern des Goldenen getötet. Und selbst, wenn sie noch leben sollte – es ist für mich ohne Bedeutung. Sie ist nicht mehr mein Kind, nicht einmal mehr Teil unseres Volkes. Schon lange habe ich sie verstoßen – selbst wenn sie käme, ließe man sie nicht mehr ins Land.“ Erschöpft ließ sich Xian’tara in ihre Kissen zurücksinken, das Adrenalin, dass sie ihre Geschichte hatte erzählen lassen, schwand rapide. „Nun kennst du die Wahrheit. Nun weißt du, warum nach mir niemand mehr folgen kann, warum das Imperium das Land der Mutter nun endlich in Besitz nehmen wird können. Lass mich allein.“ Mit einer ungeduldigen Handbewegung wies sie zur Tür.
„Ja, Euer Erhabenheit.“ Mit gesenktem Kopf verließ die junge Frau das Zimmer. Xian’taras Worte hatten sie erschüttert. Soviel Enttäuschung und Bitterkeit hatte daraus gesprochen, fast Hass. Das erschreckte sie. Wie konnte eine Mutter ihre Tochter hassen? Egal, was sie getan hatte, sie war doch immer noch ihr Fleisch und Blut… Und doch war es für sie verständlich, denn die Taten Shan’xaras waren für sie nicht nachvollziehbar. Die moralischen Prinzipien, die dadurch verletzt worden waren, akzeptierte auch die Priesterin, ohne diese in Frage zu stellen. Doch ihr war klar, dass hinter all dem eine Tragödie stand. Die Tragödie einer Mutter, einer verlorenen Tochter – und einer gefallenen Prinzessin…
The End
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Vergebt mir den Schlusssatz... Ich hoffe, es gefällt - Kommies bitte!