fool in the rain

und weiter:

Kapitel 4: The Taste Of Love

~FOOL IN THE RAIN~

Contact Four: // The Taste Of Love \\

Ray war so geschockt, dass sie sich nicht rühren konnte.
Ihre Gedanken überschlugen sich. In ihrem Kopf kreiste nur ein Wort, dass ihr binnen Sekunden heftige Kopfschmerzen bereitete: ALAN?
Seine Lippen auf ihren zu spüren war... ungewohnt. Aber nicht unbedingt überwältigend. Sie hatte sich da mehr versprochen.
Seine Lippen waren kalt und nass, es fühlte sich an, als würde sie einen Hund küssen.
Als seine Zunge dann auch noch über ihre Zähne glitt und sie drängte, ihren Mund zu öffnen, wurde es Ray zuviel.
Mit einem wütenden Schrei stieß sie ihn weg und richtete sich hastig auf, sodass der Waschlappen auf den Boden fiel.
"Hör auf damit!", meinte sie. Er hatte gestern von seiner Ex einen Laufpass gekriegt und schon fing er an, sie zu küssen? Hatte er es denn so nötig?
"Aber..." Er suchte verzweifelt nach Worten. Anscheinend hatte er nicht damit gerechnet, von ihr abgewiesen zu werden.
Ray schaute ihn fragend an.
"Du sahst so süß aus.", meinte er. Ray stockte der Atem. Ja klar, mit ihrem Horn an der Stirn sah sie süß aus. Hätte er sich nicht etwas besseres einfallen lassen können? Trotzdem musste sie ihm verzeihen. Wie er da saß und sie beschämt anschaute, konnte sie gar nicht anders.
"Es tut mir leid.", meinte er. "Ich hätte nicht so weit gehen dürfen."
Er stand auf, ging zur Tür und öffnete sie.
"Ist wohl besser, du gehst jetzt.", flüsterte er und blickte sie entschuldigend an.
Wie? Was? Wo? Nur weil sie ihn nicht küssen wollte, schmiss er sie jetzt raus, oder was? Warum sollte sie jetzt plötzlich gehen?
"Äh...???", sie wusste nicht, was sie dazu sagen sollte, wollte aber nicht aufdringlich sein und ging wie ihr befohlen zur Tür.
"Sorry.", meinte Alan noch, bevor er die Tür hinter ihr schloss. Er hatte sie praktisch ohne jeglichen Grund vor die Tür gesetzt, herausbefördert, rausgeschmissen. Ray stand perplex vor seiner Tür und starrte ins Leere. Sie konnte es nicht fassen. So hatte sie sich ihr erstes Date nicht vorgestellt. Nicht mit dem Mann ihrer Träume, der sie nach einem misslungenen Kuss vor die Tür setzte.
Warum hatte Alan das gemacht?

Verwirrt irrte sie durch die Straßen. Sie konnte sich die Sache nicht erklären. Sehnte er sich nach einem Kuss? War er wirklich in sie verliebt oder nutzte er sie nur aus? Nein, der liebe Alan würde doch niemanden ausnutzen, dazu kannte sie ihn viel zu gut. Wahrscheinlich war noch nicht ganz klar im Kopf wegen seiner Freundin. Diese blöde Kuh! Sie hatte alles durcheinander gebracht!!!
Aber andererseits, wenn sie darüber nachdachte: Es gab immer eine Kehrseite der Medaille und schließlich kannte sie Alan nicht so gut, wie sie es gern gehabt hätte.
Ray surrte der Kopf. Wohin sollte sie gehen? Was sollte sie tun?
Ihre Mutter war heute Abend auf Geschäftsreise, also unterwegs. Sie hatte aber auch keine Lust, den Abend allein zu verbringen, in dem Zustand, in dem sie sich jetzt befand.
Für einen Moment überlegte sie, wieder zu Will und Isaac zu gehen, aber dann entschied sie sich doch dagegen. Sie wollte sich nicht immer bei denen aufdrängen, außerdem war sie sich nicht sicher, ob Isaac ihr schon verziehen hatte, oder nicht.
Tja, wohin bloß?
Nach langem hin und her entschied sie sich dann doch dafür, einfach nach Hause zu gehen. Sie würde sich vor den Fernseher setzten, Liebesschnulzen anschauen und darauf warten, dass Alan anrief. Ray wusste zwar, dass sie warten konnte, bis sie schwarz wurde, aber sie würde sich wahrscheinlich doch neben das Telefon hocken und es keine Millisekunde aus den Augen lassen. Nun war Alan an der Reihe, mal bei ihr anzurufen.

Als sie vor ihrer Haustür ankam, war es schon stockfinster. Ihre Beine taten ihr weh und sie konnte kaum einen Fuß vor den anderen setzten, ohne schmerzhaft ihr Gesicht zu verziehen.
"Verdammt!", nuschelte sie und trappelte hinauf in ihre Wohnung.
Oben machte sie eine Tüte Chips auf, krallte sich das Telefon und schaltete wie erwartet den Fernseher ein. Schon auf dem zweiten Programm, dass sie einschaltete, fand sie das gesuchte: Eine herzzerreißende Liebesgeschichte.
Genau das Richtige für ihr verletztes Herz.
Seufzend ließ sie sich auf der Couch nieder, hüllte sich in eine kuschelige Wolldecke und fieberte mit. Warum gab es so was eigentlich nicht im richtigen Leben?

Gerade hatte der zweite Film begonnen, da klingelte es plötzlich an der Tür. Ray erschrak, schaltete automatisch den Fernseher leiser und schlich zur Tür. Durch die kleine Linse konnte sie erkennen, wer draußen in voller Montur vor ihrer Tür stand:
Isaac, wer sonst?
Sie bekam so einen Schock, dass sie sich an dem Rest Chipkrümel verschluckte und von einem Hustenanfall in den nächsten glitt.
"So-fort!", quetschte sie hervor und holte sich erst einmal ein Glas Wasser.
Mit Tränen in den Augen, öffnete sie ihm schließlich die Tür. In Schlafanzug und Wolldecke.
Isaac erschrak genauso über ihren Anblick, wie sie eben über seinen, nur dass er sich nicht an einem Chipkrümel verschluckte.
"Äh... hi.", murmelte er und hob zur Begrüßung leicht die Hand. Warum so förmlich?
"Hallo.", meinte Ray und ignorierte seine belustigten Blicke, mit denen er sie und ihren Schlafanzug praktisch aufzuspießen schien. Klar, hätte er in einem rosaroten Schlafanzug mit Teddybären die Tür aufgemacht, hätte sie wahrscheinlich genauso reagiert. Nein, sie hätte lauthals losgeprustet. Aber anscheinend besaß dieser Junge hier vor ihr noch so viel Anstand, dass er das nicht tat, auch wenn ihm wahrscheinlich danach zu Mute war.
"Was ist? Willst du was bestimmtes?", fragte Ray und wunderte sich wirklich, was er so spät noch wollte.
Er druckste ein wenig herum.
"Na ja...", murmelte er und kratzte sich mit der Hand am Kopf.
"Ich dachte, dass du vielleicht Interesse hier dran hast." Er hielt ihr eine CD-ROM unter die Nase, auf die er mit Krakelschrift etwas geschrieben hatte, dass sie nicht auf Anhieb identifizieren konnte.
"Was ist das?", fragte sie und drehte die CD in ihren Händen, um es besser lesen zu können.
"Das ist das neue Kapella-Programm. Du kannst damit Lieder selbst komponieren und gegebenenfalls dazu singen." Ray verstand nur die ersten paar Wörter seines Satzes, doch schon leuchteten ihre Augen auf. Sie strahlte ihn an.
"F-für mich...?", fragte sie ungläubig.
Er nickte.
"Danke! Ehrlich!", meinte sie und konnte sich im letzten Moment davon abhalten, ihm um den Hals zu fallen. Doch er merkte auch so, wie begeistert sie war.
"Kein Problem. Ich wollte mich damit für meine schlechte Laune entschuldigen. Ich habe etwas überreagiert, weißt du? Im Grunde meinte ich es nicht so böse, wie es vielleicht rübergekommen ist." Er senkte den Blick. Ray war wirklich überrascht.
Woher die plötzliche Sinneswandlung?
"Hat Will das alles eingerichtet?", fragte sie.
Er musste lächeln.
"Ja, vielleicht ein bisschen." Also war es Will's Idee gewesen. Na ja, auch gut, das Programm war klasse, was wollte sie mehr?
"Willst du nicht kurz reinkommen?", fragte sie, absichtlich das Wort "kurz" verwendend.
Er überlegte einen Moment, kam dann aber doch mit rein.
Im Hintergrund lief noch der Liebesfilm. OH, GOTT! DER LIEBESFILM!!!!
Ray geriet in Panik, wenn Isaac das sah, würde er sie garantiert auslachen!
Doch bevor sie irgendwie reagieren konnte, war er auch schon im Wohnzimmer verschwunden und schaute belustigt in den Fernseher. Dort laberte gerate ein schmieriger Mann mit türkischem Akzent irgendetwas, was man kaum verstand und sich selbst zusammenreimen musste.
Isaac unterdrückte ein Auflachen.
"Der sollte mal das Sofa aus dem Mund nehmen, bevor er anfängt, so einen Mist zu labern.", kicherte er und setzte sich ungefragt auf die Sofalehne.
Ray wurde rot.
"Ich muss wohl zufällig an die Fernbedienung gekommen sein, ich weiß auch nicht, wie das passiert ist, wirklich!", meinte sie und schaltete schnell auf ein anderes Programm um. Der Horrorfilm war auch nicht besser.
Schließlich schaltete sie den Fernseher aus, was zur Folge hatte, dass Isaac jetzt nicht mehr wie gebannt auf den Fernseher starrte, sondern sie gründlich unter die Lupe nahm.
"Es tut mir, Leid. Ich hatte keinen Besuch erwartet...", murmelte sie entschuldigend und wollte gerade in ihr Zimmer düsen, als er sie noch einmal aufhielt.
"Nein. Es steht dir wirklich gut, diese Teddybären passen hervorragend zu dem Rosa deines Schlafanzuges." Er lächelte. Das war ein Scherz, trotzdem ließ es Rays Herz schneller schlagen. Warum schlug ihr Herz bei diesem Idioten höher als bei Alan's Kuss? Wahrscheinlich war es bei Alan einfach der Schock gewesen, dass ihr Herz nicht so reagierte, wie sie es gerne gehabt hätte. Ja genau, daran musste es gelegen haben.
Plötzlich stiegen ihr unweigerlich die Tränen in die Augen. Alan, verdammt! Warum hatte er sie rausgeschmissen???
Isaac bemerkte, dass mit ihr etwas nicht stimmte. Er wandte ihr sein Gesicht zu und schaute ihr direkt in die Augen.
"Sorry, ich wollte dich nicht beleidigen. Ich... ich find die Teddybären nur etwas... na ja, kindlich sagen wir mal...", er versuchte sich entschuldigen, bemerkte dabei aber nicht, dass es Ray um etwas ganz anderes ging.
"Nein, das ist es nicht. Er... er hat mich erst geküsst und als ich das nicht wollte, hat er mich rausgeschmissen.", sprudelte es plötzlich aus Ray hervor. Sie konnte nicht mehr an sich halten. Schließlich war sonst keiner hier, dem sie ihr Herz hätte ausschütten können, außer vielleicht dem Fernseher. Doch der gab ihr auch nicht die gewünschten Antworten.
Isaac schaute sie mit unverändertem Ausdruck an. Warum schaute er so kühl? Konnte er nicht wenigstens ein bisschen Mitgefühl zeigen?
Ohne eine Vorwarnung fing Ray an, weiter zu erzählen:
"Ich meine, warum kommt er plötzlich auf so eine Idee? Er hat sich den Tag zuvor von seiner Freundin getrennt!!! Da macht man sich doch nicht schon gleich an das nächste Mädchen ran, oder? Und dann auch noch so unvorbereitet! Ich war mit meinen Gedanken ganz wo anders und dann sah ich auch noch so scheiße aus, wegen unserem Zusammenstoß! Außerdem hab ich mir das mit dem Küssen ganz anders vorgestellt! Jawohl, Alan konnte in meinen Träumen immer toll küssen, nicht so mies, schlabberig und nass... !!!!" Ray kriegte sich gar nicht mehr ein. Sie redete und redete und redete... und Isaac schaute sie nur verständnislos an. Er wusste mit den ganzen Vorwürfen an Alan nichts anzufangen. Was hätte er auch dazu sagen sollen? Sie war vollkommen durcheinander. Da er nicht wirklich wusste, was er tun konnte, um sie zu trösten, machte er etwas vollkommen Unerwartetes.
Gerade als Ray anfangen wollte, wieder zu plappern und sich über Gott und die Welt aufzuregen, begann er zu singen.
Er unterbrach sie einfach mitten im Worten. Seine Stimme war so leise und sanft, dass Ray sofort mit Reden aufhörte und sich ganz auf seinen Gesang konzentrierte. Bei seinen Worten jagte ihr ein Schauer über den Rücken und sie bekam Gänsehaut.
"Well there's a light in your eye that keeps shining
Like a star that can't wait for the night
I hate to think I've been blinded baby
Why can't I see you tonight?"
Sie kannte den Text nur zu gut. Es war der Text, an dessen Stelle sie immer stoppte. Isaac sang ihn mit so einer Leidenschaft, dass ihre Augen regelrecht an seinen Lippen hingen. Binnen weniger Sekunden hatte sie Alan und ihre Probleme vollkommen vergessen.
"And the warmth of your smile starts a burning
And the thrill of your touch give me fright
And I'm shaking so much, really yearning
Why don't you show up and make it all right, yeah
It's all right... right...."
Er verstummte langsam wieder und schaute sie an. Ja, er hatte mit Absicht das Lied gewählt, dass sie gesungen hatte, als er einfach in ihr Zimmer gekommen war. Doch es war nicht die richtige Melodie gewesen. Es war ihre Melodie.
Nun war Ray wirklich zu Tränen gerührt. Isaacs lächelndes Gesicht machte es auch nicht unbedingt besser.
Mit einem Schlag drangen die Gedanken von Alan wieder zu ihr durch. Doch nun wollte sie nicht länger drüber reden. Nein, jetzt hatte sie etwas ganz anderes vor. Sie wollte etwas testen. Ray war sich nun ganz sicher, dass sie dadurch die Situation etwas deutlicher sehen würde. Oder auch nicht, es kam auf das Ergebnis ihres Versuchs drauf an.
"Isaac?", fragte sie kleinlaut. Sollte sie es wirklich wagen?
Er nickte stumm, sah sie aber zugleich fragend an. Eine Strähne fiel ihm ins Gesicht.
"Würdest du mir einen Gefallen tun?" Ray wagte es kaum, die Worte auszusprechen. Ihre Handflächen wurden schon jetzt total nass.
Isaac legte die Stirn in Falten und strich sich energisch die Haarsträhne aus dem Gesicht.
"Klar.", meinte er lässig und legte den Kopf schief.
"Könntest du mich küssen?"
Isaac schien sich an der Luft zu verschlucken, die er gerade geatmet hatte. Er hustete ein paar mal und schaute Ray dann ungläubig an.
"Bitte, was?", krächzte er und richtete sich von der Sofalehne wieder auf.
"Na ja, ich meine, stell dir vor, du wärst in mich verliebt. Ich weiß, das ist schwer, aber versuch es wenigstens mal. Stell dir vor, du würdest seit einem Jahr auf diesen Augenblick warten und endlich hättest du eine Chance." Es klang blöd, war aber alles nur Mittel zum Zweck.
"Du kannst wohl nicht genug von mir kriegen, was?", murmelte er und deutete dabei leicht die Sache mit der Geisterbahn an.
Ray lächelte künstlich. Sehr lustig.
"Mit welchem Hintergrund?", fragte er spöttisch und musterte sie direkt
"...muss ich das sagen?", meinte Ray und schaute verlegen zur Seite.
"Wäre vielleicht ganz schön zu wissen. Weißt du, ich knutsch nämlich nicht einfach ohne Grund so in der Gegend rum." Isaac grinste frech. Er machte sich doch tatsächlich über ihre Bitte lustig. Ha, das hatte er sich so gedacht! Sie war bestimmt nicht unbedingt scharf darauf, ihn zu küssen (na ja, vielleicht ein bisschen^^), aber sie musste unbedingt herausfinden, wie viel sie dabei empfand. Bei Alan hatte sie nichts empfunden. Also war sie der Meinung, dass Alan sich vielleicht nicht richtig Mühe gegeben hatte. Und wer sich keine Mühe gibt, ist auch nicht wirklich verliebt. Denn wer einfach jeden küsst, der nicht schnell genug bei Drei auf den Bäumen ist, meint es nicht ernst. Wäre Alan wirklich in sie verliebt, was sie ja stark bezweifelte, dann hätte sein Kuss nicht so gefühllos geschmeckt. So künstlich.
Oder war er einfach nur ein schlechter Küsser? Tja, Ray hatte leider keinen Vergleich zu ihm, da sie sonst noch nie von jemanden außer ihrer Mutter geküsst worden war. Natürlich ohne Zunge, versteht sich.
Und deshalb musste wohl oder übel jemand herhalten, der vielleicht bekloppt genug war, sie zu küssen. Sie wollte nun wirklich wissen, wie viel Alan für sie empfand und ob es mit ihm einen Sinn hatte. Außerdem war sie sich nicht sicher, ob sie vielleicht etwas für Isaac empfand. Mit diesem heiklen Unterfangen würde sie mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen.
Und genau deswegen musst Isaac jetzt dran glauben.
Sie erklärte ihm die Angelegenheit ohne weiter mit der Wimper zu zucken.
Isaac hörte interessiert zu, konnte sich aber ein Lächeln nicht verkneifen. Die kam aber auch auf Ideen!
"Also, bist du dabei?", fragte Ray plötzlich. Sie hatte wieder neuen Mut gefasst.
"Und was springt für mich dabei raus?", fragte Isaac frech und schaute sich im Zimmer um. Tja, das wusste Ray nun auch nicht.
"Was möchtest du denn?" Sie hatte nun wirklich überhaupt keine Ahnung, was sich ein Junge wie er wünschen könnte.
"Also, als erstes wäre da natürlich mein Motorrad. Es müsste dringend mal wieder getankt werden. Und gewaschen. Ich schlage vor, du putzt es einmal gründlich, verpasst ihm eine Dusche, leckst dann mit der Zunge die Reifen sauber... ach ja, und das am besten nackt." Er grinste frech. Ray war für einen Moment geschockt, dann registrierte sie erst, dass das alles nur ein Scherz gewesen war. Erleichtert lächelte sie auf.
"Gibt es da auch noch eine andere Möglichkeit?", fragte sie skeptisch.
"Hmmm.... tja, wenn du mein Motorrad nicht magst, dann wäre da noch mein Zimmer. Du könntest die alte Tapete mit den Fingernägeln von den Wänden kratzen, die Spinnen aus den dunklen Ecken holen und sie mit dem sorgsam archivierten Müll liebevoll vergraben. Was hältst du davon?" Warum konnte der Typ nicht einmal ernst sein?
"Auch nicht.", murmelte sie. Der stellte aber auch Ansprüche!
"Auch nicht? Na dann... bleibt ja nicht mehr viel. Hast du vielleicht Lust, mit mir Übermorgen auf ein Konzert zu gehen?" Das hörte sich doch schon viel passabler an!
"Auf welches denn?", fragte Ray erwartungsvoll, doch Isaac schüttelte den Kopf.
"Überraschung!", murmelte er geheimnisvoll und lächelte selbstzufrieden in sich hinein.
"Geht klar.", meinte sie und schaute ihn an.

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Instinktiv schloss Ray die Augen. Nun war Isaac an der Reihe, sein Versprechen einzulösen. Sie hatte keine Ahnung, was sie erwartete. Sie hatten sich nicht einmal darauf geeinigt, wie er sie denn küssen sollte. So ein Mist aber auch! Was, wenn er jetzt genauso mies küsste, wie Alan? Schon bei dem Gedanken daran wurde ihr schlecht.
Sie spürte Isaacs Nähe nun deutlicher als je zuvor. Da sie die Augen geschlossen hatte, hörte sie jeden seiner Luftzüge und spürte seinen Atem auf ihrer Haut.
Was tat sie hier eigentlich?
Die Spannung zwischen ihnen wurde unerträglicher. Für einen Moment wollte es Ray schon längst hinter sich haben, für einen anderen konnte sie es kaum erwarten. Dann endlich, als sie schon drohte, zu zerreißen, spürte sie seine weichen Lippen auf ihren.
Er berührte sie nur ganz leicht, sodass sie es eigentlich kaum spüren durfte, aber es kam ihr umso intensiver vor. Doch noch wollte sie sich kein Urteil bilden.
Er setzte kurz ab, näherte sich ihr aber wieder und küsste sie dieses Mal noch ein wenig heftiger. Seine Hand legte sich unter ihr Kinn und er zog sie ein Stückchen weiter zu sich heran. Ray gab es nicht gerne zu, aber sie war plötzlich wie eine willenlose Marionette. Sie konnte gar nicht anders, sie musste seiner Handbewegung einfach folgen. Ihre Übelkeit war wie verflogen. Plötzlich spürte sie nichts anderes mehr außer diese Berührung. Ein unbeschreibliches Gefühl zog sich durch ihren Körper.
Gerade als sie dachte, er wollte schon aufhören, setzte er ein weiteres Mal an und kam dann richtig zur Sache. Das passte zu ihm: Wenn er etwas tat, dann richtig.
Ray wusste nicht, wie ihr geschah. Ihr wurde schwindelig, die ganze Welt um sie herum schien sich zu drehen und der Boden unter ihren Füßen schien sich in Luft aufzulösen, als er mit seiner Zunge ihre berührte. Erst nur leicht, dann etwas fordernder. Ja, so hatte sie sich einen Kuss vorgestellt. Überhaupt nicht eklig oder abstoßend, einfach nur schön.
Als Isaac schließlich wieder absetzte und sich cool nach hinten lehnte, schaute Ray ihm fast sehnsüchtig nach.

Dann hörte sie auf ihr Herz. Es überschlug sich fast.

Doch sie ignorierte diese Tatsache und ging von den nackten Tatsachen aus. Alan war ein schlechter Küsser, das stand nun fest. Er hatte sich überhaupt gar keine Mühe gegeben. Demnach war er wohl auch nicht wirklich in sie verliebt... Wollte er wirklich nur jemanden, den er anstatt seiner Freundin küssen konnte, oder wollte er sie? Wollte er wirklich Ray?
Oder war er doch in sie verliebt und hatte nur einen schlechten Tag? Wie sollte sie die Situation nun deuten?
Isaac schaute plötzlich auf die Uhr.
"Verdammter Mist!", murmelte er. "Ich muss los, ich habe Will versprochen, nicht so spät nach Hause zu kommen." Er schaute ein bisschen wehmütig und stand auf. Den Weg zur Tür fand er alleine.
Bevor er ging, fragte er noch:
"Wie ist eigentlich dein Urteil ausgefallen?"
Ray wurde rot. Was ging ihn das an?!
"Hach, positiv.", meinte Ray und überließ es Isaac, diese Antwort zu deuten.
Er drehte sich um und riss die Wohnungstür auf, wobei er sich seinen Helm aufsetzte. Jetzt konnte sie seinen Gesichtsausdruck wahrlich nicht mehr erkennen.
Ray wusste nicht, wie sie sich von ihm verabschieden sollte, also überließ sie ihm das Wort.
"Bis auf den nächsten Kuss!", meinte er mit verzerrter Stimme. Unter dem Helm klang sie wirklich ziemlich hohl.
Ray wusste nicht, was er für ein Gesicht machte.
"Tschüß.", murmelte sie nichtssagend.
Sie glaubte, dass er lächelte.
Kopfschüttelnd machte sie die Tür hinter sich zu. Langsam tappste sie zurück ins Wohnzimmer. Von draußen erklang das Aufheulen seines Motorrads.
Sie konnte nicht anders und musste das Fenster öffnen. Gerade rechtzeitig genug, um noch die Schlusslichter seines Bikes zu sehen.
Nun musste Ray auch lächeln, wenn auch aus anderen Gründen als er.
Noch eine Weile stand sie so da und schaute nach draußen. Kalte Luft schlug ihr entgegen.
Plötzlich fiel ihr ein Tropfen auf die Nase, dann verteilten sich noch weitere auf ihrer Haut.
Sie schloss die Augen.
Es fing an zu regnen.


Contact Four/ End



also bis das nächste mal
 
Der Teil hat mir zwar sehr gut gefallen, aber eins hab ich ein bisschen komisch gefunden.. und zwar, dass sie ihn fragt ob er sie küsst..
Ich meine da fragt man nicht groß, man tut es einfach oder lässt es. :lol2:

Trotzdem gut :remybussi
 
Woha!!! Der Teil war ja lang...
Nicht das ich irgendwas dagegen habe, im Gegenteil, ich freu mich!!!!

Der Teil war ja super klasse.
Deswegen kann ich dazu nur sagen:
SCHNELL WEITER!!!! BITTE; BITTE BITTE!!!
:) :D


desibambie
 
und weiter hab zwar auf mer kommis gehoftt macht doch ein wenig werbung büdde




Kapitel 5: Truth

Contact Five: //Truth \\


"Du bist verliebt, ich seh's dir an."
"Bin ich nicht!"
"Doch, über beide Ohren."
"Bin ich nicht!!"
"Ich kenn dich lang genug, schließlich bin ich deine Mutter. So was spür ich einfach! Du bist verliebt, keine Widerrede."
"BIN ICH NICHT!!!"
Ray schrie aus vollem Halse, als sie ihrer Mutter die Tür direkt vor der Nase zuschlug. Krawumm!
Zu war die Tür.
Endlich allein.
Ray schmiss sich genervt auf ihr Bett und vergrub ihren Kopf unter dem Kopfkissen. Die Stimme ihrer Mutter drang nur noch so laut an ihr Ohr wie die verzweifelten Schreie eines sterbenden Flohs, trotzdem nervte es sie weiterhin. Was bildete ihre Mutter sich nur ein? Sie war kaum Zuhause, wusste aber ganz genau, wie ihre Tochter fühlte, oder wie?! Was ging sie ihr Liebesleben an, insofern sie überhaupt eins besaß?
"Ray, nun hör mir doch mal zu. Du brauchst ja nicht immer so sauer sein, ich meine es doch nicht so. Außerdem muss ich noch was Wichtiges mit dir besprechen."
Toll, was Wichtiges besprechen. Worauf lief das nun wieder hinaus?
"Lass mich in Ruhe.", grummelte sie in ihr Kopfkissen hinein und schaltete sie Ohren auf Durchzug. Sollte die Mutter doch reden, bis ihr Mund fusselig wurde.
"Es ist wirklich wichtig. Es geht um dich und deinen Vater."
Ray durchfuhr ein regelrechter Stromschlag. Blitzschnell richtete sie sich auf und blickte ihre Mutter verwirrt an.
"Mein Vater?!", fragte sie entsetzt. Sie war sich nicht sicher, ob sie das, was ihre Mutter ihr zu erzählen hatte, unbedingt hören wollte. Denn eigentlich hatte sie keinen Vater, zumindest aus ihrer Sicht nicht. Biologisch gesehen, klar, da hatte jeder irgendwie einen Vater, aber Ray war aus einer schnellen Affäre heraus entstanden und sie hatte eigentlich nie wirklich erfahren, wer ihr Vater war. Sie hatte zwar ein paar Fotos gesehen, aber wirklich viel erzählt hatte ihr ihre Mutter auch nicht. Na ja, allzu viel zu erzählen gab es da wahrscheinlich auch nicht.
"Ja, Schatz. Alec ist seid ein paar Tagen wieder in der Stadt. Ich dachte, du würdest ihn vielleicht gerne mal kennen lernen.", sagte ihre Mutter sanft und lächelte sie unsicher an.
Rays Gesichtsausdruck erstarrte. Nein, das konnte doch nun wirklich nicht ihr Ernst sein. Wie kam sie auf die blöde Idee, dass sie ihren Erzeuger sehen wollte? Er war in ihrem Leben nie ein Begriff gewesen, also wieso sollte sie sich auf einmal für ihn interessieren?!
"Nein.", meinte Ray kühl, nachdem sie sich wieder einigermaßen gefasst hatte.
"Wirklich nicht? Das ist eine einmalige Chance, also lass sie dir nicht entgehen!" Es sah fast so aus, als wollte sie ihre Mutter dazu drängen, den Kerl zu treffen.
Ray wurde stutzig.
"Läuft da wieder was?", fragte sie düster. Ihre Mutter druckste ein bisschen herum. Also lief da wieder was.
"Du bist echt das Letzte!" Mit diesen Worten schnappte sie sich ihre Jacke und stürmte aus der Wohnung.

Die Welt ist scheiße. Das hatte sie schon immer gewusst, aber jetzt kam es noch einmal deutlich zum Ausdruck. Ja, überdeutlich.
Ray schlenderte durch die Stadt.
Und schon wieder stellte sich die Frage, die sie wohl ihr ganzes Leben lang begleiten würde: Wo sollte sie hin?!
Sie seufzte. Hatte sie überhaupt je ein richtiges Zuhause besessen? Nein, das Haus, was sich zur Zeit ihr "Zuhause" nannte, war doch sowieso immer verlassen. Alleine in einem Zuhause, das man nicht mochte, war doch auch irgendwie Fliegendreck.
Missmutig kramte sie ein bisschen Geld aus ihrem Portmonee und kaufte sich für ein paar Euro einen Hamburger. Genussvoll biss sie hinein und bemühte sich, dabei nicht die Papierverpackung mit zu essen. Das war immer ein heikles Unterfangen, die waren ja auch so scheiße verpackt, dass sich das als fast unmöglich erwies.
In ihrem Kampf mit den Hamburger bemerkte sie nicht, wie sich ein Mann neben sie auf die Bank setzte und sie unentwegt anstarrte. Er schaute ihr sichtlich belustigt zu, verkniff sich aber ein lautes Auflachen, da er sie nicht auf sich aufmerksam machen wollte.
"So eine verdammte...!", murmelte sie und war schon im Begriff, den Hamburger gänzlich mit Papier zu Essen, als der alte Mann ihr dann schließlich das Ding aus der Hand nahm und entpellte.
Ray starrte ihn überrascht an.
"Will? Was machst du denn hier?", fragte sie mit einem freudigen Unterton in der Stimme. Das letzte Mal, als sie ihn gesehen hatte, hatte sie ihn verflucht, dieses Mal freute sie sich aber. Etwas beschämt lächelnd nahm sie den Burger wieder in Empfang.
"Das gleiche könnte ich dich auch fragen.", meinte er und lächelte auch. "Wir treffen uns aber auch immer an den unmöglichsten Stellen!" Da hatte er wohl Recht. Erst im Vergnügungspark und dann hier in der Fußgängerzone auf einer Bank.
Ray biss endlich befreit von ihrem Hamburger ab und schaute ihn interessiert an.
"Was führt dich hierher?"
Will druckste ein bisschen herum, zuckte dann aber mit den Schultern. "Ich war bloß einkaufen.", sagte er gleichgültig und deutete dabei mit der freien Hand auf einen prallvollen Beutel mit Lebensmitteln.
"Und selbst?"
Ray überlegte einen Moment, ob sie Will das mit ihrem Erzeuger erzählen sollte, entschied sich dann aber doch dagegen. Was ging ihn das an? Außerdem wollte sie ihn nicht mit ihren Problemen belasten.
"Och, ich hab bloß ein bisschen Zoff mit meiner Mutter gehabt.", blieb sie schließlich soweit wie möglich an der Wahrheit.
Will lächelte verständnisvoll.
"Ist nicht einfach, wenn man allein mit seiner Mutter lebt, nicht wahr?", meinte er und schaute sie besorgt an. Woher wusste er das denn?
"Woher...?", begann Ray, wurde aber sofort wieder von Will unterbrochen.
"Ich bin zwar alt, aber nicht dumm.", grummelte er. Das klärte die Frage zwar immer noch nicht, aber Will schien sich nicht weiter dazu äußern zu wollen. Na gut, dann eben nicht.
"Ja, es ist nicht einfach. Sogar ziemlich schwer, wenn du es genau wissen willst." Sofort kam in Ray wieder die Wut hoch. Sie wollte ihren Vater nicht kennen lernen, niemals!
"Worüber habt ihr euch denn gestritten, es scheint ja ziemlich heftig gewesen zu sein.", urteilte Will nach ihrem Gesichtsausdruck. Ja, das war es in der Tat.
Schließlich entschied sich Ray doch dafür, ihm alles zu erzählen.
"Meine Mutter ist der Meinung, dass ich meinen Vater kennen lernen sollte. Sie hatte bloß eine kurze Affäre mit ihm, woraus ich dann entstanden bin. Er hatte sich danach nie wirklich um mich gekümmert, auf Deutsch gesagt, ich war ihm wohl scheißegal. Demnach habe ich auch keine Lust, ihn kennen zu lernen. Mir reicht es vollkommen zu wissen, dass es da jemanden gibt, der dazu verholfen hat, dass es mich gibt. Mehr aber auch nicht.", beendete Ray mit einem tiefen Seufzer und lehnte sich zurück.
Will hustete und überlegte einen Moment, was er darauf antworten sollte.
"Das kommt mir bekannt vor. Isaac geht es da auch nicht viel besser. Familienprobleme sind nicht einfach, dass weiß ich. Interessiert es dich nicht ein bisschen, wie dein Vater aussieht und wie er ist?"
"Vielleicht ein bisschen. Aber die Verachtung übersteigt die Neugier.", meinte Ray kühl, knüllte das Papier zusammen und schmiss es in den vollkommen überfüllten Mülleimer neben sich. Mit einem Rascheln fiel es zu Boden.
"Ja, das kann ich verstehen." Wills Ausdruck wurde auch ein wenig härter. Mit der einen Hand klaubte er seine Taschen zusammen und richtete sich schwerfällig auf. Wollte er etwa schon gehen?
"Tut mir Leid für dich Ray, aber ich muss jetzt gehen. Isaac wartet sicher schon auf mich und ich will ihn schließlich nicht verhungern lassen. Der Kerl ist so ein schlechter Koch, dass es mir beim Anblick seiner Gerichte immer kalt den Rücken runterläuft!" Dabei lachte Will laut auf und verschwand mit einem Abschiedsgruß in der Menge der Passanten.
Seine Worte hatten Rays Herz einen Stich versetzt. Isaac... vielleicht hatte es sie doch mehr erwischt, als sie zu diesem Zeitpunkt noch glaubte.

Frohen Mutes ging sie zu Alans Apartment. Das zweite Mal diese Woche, im Übrigen. Die Sorge mit ihrem Vater hatte sie verdrängt. Sie wollte ihn nicht sehen und damit basta. Weder ihre Mutter, noch Will, noch sonst wer konnten an dieser Tatsache etwas ändern! Was sie nun von Alan wollte? Eine Entschuldigung, nicht mehr und nicht weniger. Er hatte sich aus ihrer Sicht ziemlich daneben benommen und wenn er genug Anstand besaß, würde er es sicher jetzt bereuen. Vielleicht konnte sie ja wieder Freunde werden?
Mit lautem Gepolter stieg sie die Treppen hinauf. Mit dem Zeigefinger drückte sie fest auf seinen Klingelknopf und wartete, dass seine Tür aufging.
Es ertönte lautes Gepolter und er rief ein paar mal: "Moment, ich komme gleich!" und dann, nach endlosen fünf Minuten machte er die Tür auf. Es verschlug Ray fast die Sprache. Sie hatte ihn noch nie in Bademantel gesehen.
"Oh, hi Ray! Tut mir leid, ich war grad am Duschen, du verstehst?" Ray verstand nicht, sie wollte seine Worte auch gar nicht verstehen. Aber irgendwie kam ihr die Situation bekannt vor. Diese oder eine ähnliche schien sie schon mal erlebt zu haben.
Plock! Plötzlich fiel es ihr wieder ein: Ihre erste Begegnung mit Isaac! Oh nein, die Erinnerung verdrängte sie lieber schnell wieder. Die Sache war ihr immer noch unangenehm, selbst der Gedanke daran ließ sie innerlich erschaudern.
"Jo!", murmelte sie teilnahmslos und blieb vor der Tür stehen. Alan war schon gut gebaut. Innerlich ließ sein Anblick ihr wieder das Herz höher schlagen, wie was das noch? Alte Liebe verjährt nicht? Ja, das stimmte. Nach dem misslungenen Kuss hatte sie sich eigentlich vorgenommen, ihn zu vergessen, aber das ging halt nicht so einfach, wie sie sich das vorgestellt hatte.
"Willst du nicht reinkommen?", fragte er freundlich und ging einen Schritt zur Seite. Ray nickte und ging in sein Apartment. Es war aufgeräumt, wie immer.
Als sie immer noch keinen wirklichen Laut von sich gab, fragte Alan, warum sie gekommen sei. Doch darauf konnte sie genauso wenig antworten. "Hey, Alan! Ich bin gekommen, damit du dich bei mir entschuldigen kannst!", hätte sie ja wohl schlecht sagen können, wie hätte das denn ausgesehen?!
Aber Alan schien sie auch schon ohne Worte zu verstehen. Er holte tief Luft und sagte dann:
"Ray, es tut mir wirklich Leid wegen Gestern. Ich meine, das mit dem Kuss. Ich wollte dich nicht verletzen."
Hast du auch nicht. Es war aber einfach nur widerlich.
Wieder verkniff sie sich die Antwort, die ihr eigentlich auf der Zunge lag.
"Ist schon okay. Ich meine, du hast dich ja entschuldigt." Das hatte sie eigentlich nicht so sagen wollen. Ja, eigentlich hätte Alan auf Knien vor ihr rumrutschen sollen. Aber nun war es mal wieder zu spät.
Alan nickte. War die Sache damit jetzt etwa gegessen?
"Trotzdem: Ich hätte es nicht machen sollen. Ich habe wirklich keine Rücksicht auf dich genommen."
Ray lächelte müde.
"Das hättest du dir vorher überlegen sollen."
Alan schaute bedrückt drein.
"Stimmt."
Sie setzten sich beide aufs Sofa. Es herrschte gedrückte Stimmung. Ray war ihm eigentlich nicht böse, dass er sie geküsst hatte. Sie war ihm böse, dass er sie hinterher ohne jeglichen Grund rausgeschmissen hatte.
Genau das sagte sie ihm.
Alan schaute erstaunt drein.
"Du bist nicht böse wegen dem Kuss?", fragte er überrascht. Ein Hoffnungsschimmer glitt über sein Gesicht.
"Nein." Ray lächelte. Alan sah mal wieder so süß aus, dass sie ins Schwanken geriet. Was war eigentlich so verkehrt daran, ihm noch eine zweite Chance zu geben? Mist, sie musste auf andere Gedanken kommen.
"Was ist eigentlich mit deiner Freundin? Bist du über sie hinweg?", fragte sie scheinheilig.
Alan zuckte mit den Achseln.
"Sie ist eine Zicke, dass ist mir jetzt klar geworden. Sie ist für mich gestrichen. So jemand hat es nicht verdient, von mir geliebt zu werden."
Ray war sich immer noch nicht sicher, ob sie Alan nun vorbehaltlos trauen konnte.
"Warum hast du mich geküsst, obwohl du eigentlich noch deiner Freundin nachgetrauert hast?"
Alan überlegte einen Moment.
"Ich weiß es nicht. Aber als ich dich da so liegen gesehen hab, ist mir einiges klar geworden. Die, die meine Liebe verdient hat, bist du Ray. Du hast dich immer so lieb um mich gekümmert und ich Trottel hab es einfach nicht bemerkt! Ich wünschte, ich könnte alles rückgängig machen, aber das geht wohl jetzt nicht mehr." Er schaute betrübt zur Seite.
Was hatte er da gerade gesagt? Ray hatte seine Liebe verdient? Sie traute ihren Ohren nicht. Das hatte sie sich doch so lange gewünscht zu hören! Die Röte stieg ihr ins Gesicht.
"Aber... Alan...", stotterte sie. Wenn sie jetzt gewusst hätte, was sie sagen sollte, hätte sie dafür ihr ganzes Sparschwein geschlachtet.
"Es hat mich getroffen wie ein Schlag! Als würde mit dieser Kuh auch die Blindheit von mir abfallen, die mich die ganze Zeit befallen hatte..." Seine Worte waren rührend.
Wie war das noch mit der zweiten Chance? Nicht umsonst war sie so lange in ihn verliebt gewesen. Das war ihr Alan, so wie sie sich ihn immer vorgestellt hatte!
Sie konnte gar nicht anders. Wie ein Magnet rutschte sie noch ein kleines Stückchen näher an ihn heran, schlang ihre Arme um seinen Hals und flüsterte:
"Hier hast du eine zweite Chance."
Wenn er jetzt der Alan war, für den sie ihn immer gehalten hatte, würde er sie jetzt so küssen, dass es sie schier vom Hocker haute. Wie Isaac, schoss es ihr durch den Kopf. Aber den Gedanken verdrängte sie lieber schnell.
Und Alan küsste sie auch. Nicht mehr ganz so eklig wie das erste Mal, aber immerhin so, dass ihr das Blut in den Kopf schoss. Egal, ob Alan nun gut küssen konnte oder nicht, das würde sie ihm zur Not schon noch beibringen.
Mit einem Seufzer ließen sie sich auf das Sofa zurücksinken. Die ganze Welt um sie herum schien sich zu drehen, als Alan anfing, ihren Hals mit Küssen zu bedecken. Sie löste seinen Bademantel soweit, das sein Oberkörper frei war und drückte sich fest an ihn. Ja, das war ihr Alan. Und niemandem sonst würde er je gehören.

Isaac schaute sich prüfend um. Beleuchtung war okay, Lautsprecher und Nebelmaschinen funktionierten und das Mikrophon stand an der richtigen Stelle. Was konnte jetzt noch schief gehen?
Nicht mehr viel, dachte er und vergrub seine Hände in den Hosentaschen. Außer natürlich er würde wieder... schnell verdrängte er den Gedanken. An so etwas durfte er gar nicht denken. Hier war Optimismus gefragt!
"Hey, Isaac! Bei dir da drüben alles klar?", ertönte die Stimme seines Kumpels von unten. Isaac schwang sich von der Bühne herunter und lehnte sich lässig an ein Gerüst.
"Jo.", meinte er und überflog alles noch einmal mit Blicken.
"Wen hast du denn eingeladen?", fragte sein Kumpel mit unverhohlener Neugier. Isaac lächelte schief.
"Ich wüsste nicht, was dich das anginge.", meinte er und ging langsam in Richtung Ausgang.
"Na hör mal! Ich bin doch dein Kumpel! Ist es die Kleine, die seit Tagen bei euch ein und aus geht? Die, die Will so ans Herz gewachsen ist?" Sein Kumpel konnte es nicht lassen.
Isaac schnaubte.
"Und wenn?"
"Herzlichen Glückwunsch!"

Ray zog Alan in eine noch tiefere Umarmung, als plötzlich seine Wohnungstür aufging. Sie schreckten hoch und saßen blitzartig schnurgerade auf dem Sofa.
"Äh... hi, Dad.", meinte Alan mit kratziger Stimme. Seine Wangen waren leicht gerötet und sein Haar verstrubbelt.
Ray blickte den Mann, der gerade zur Tür hereingekommen war, erstaunt an. Das war also Alans Vater! Aha, sehr interessant. Was wollte er hier?
"Guten Tag.", begrüßte er die beiden Ertappten freundlich. Als er Ray genauer unter die Lupe nahm, erstarrte etwas in seinem Blick. Ray wusste diese Veränderung nicht zu deuten und deshalb beließ sie es bei einem seltsamen Blick zurück.
Alan sprang auf und lief zu seinem Vater, der gerade damit beschäftigt war, seine Jacke aufzuhängen. Vollkommen überrumpelt zerrte er diesen mit in die Küche, sodass Ray mal wieder nichts mitbekam.
"Warte kurz, Ray. Ich muss ganz schnell mal was mit ihm besprechen, ich bin gleich wieder da.", meinte Alan entschuldigend und schlug schnell die Tür hinter sich zu. Der hatte es aber plötzlich eilig. Was konnte das nur Wichtiges sein?
Leises Gemurmel drang an ihr Ohr.
Irgendwie fühlte sie sich unwohl. Sie war sich ganz sicher, dass sie diesen Mann schon mal irgendwo gesehen hatte. Doch so sehr sie ihre grauen Zellen auch anstrengte, zu einem wirklichen Ergebnis kam sie nicht.
Schließlich huschte sie zu der Jacke des Vaters. Wenn sie wissen wollte, wer er war, musste sie es wohl selbst herausfinden.
Mit spitzen Fingern wühlte sie nach einem Portmonee, wo dann ja auch sicherlich ein Personalausweis oder so was in der Art drin sein musste.
Verzweifelt durchsuchte sie die letzte Tasche, als sie endlich ein hartes Portmonee hervorkramte. Gespannt suchte sie seinen Ausweis und als sie ihn endlich in den Händen hielt, konnte sie es vor Erwartung kaum aushalten. Wo hatte sie diesen Mann schon einmal gesehen?!
Gespannt las sie den Namen:
"Alec G. Lice." Ray stockte der Atem. Sie musste sich an der Garderobe festhalten, damit sie nicht umfiel, denn ihre Beine waren auf einmal so weich, dass sie Mühe hatte zu stehen. Das Portmonee glitt ihr aus den Händen und fiel mit einem dumpfen Geräusch zu Boden.
Alec G. Lice. Alec G. Lice. Alec G. Lice...
Dieser Name schwirrte in ihrem Kopf herum wie ein Schwarm Bienen auf der Suche nach neuen Blüten. Ihr Herz schnürte sich zusammen.
Alan, du Arschloch!
Alec G. Lice war ihr Vater.
Und demnach war Alan ihr Halbbruder.

Es blitzte, als Ray die Straße zu ihrem Haus hinunterlief. Ein dunkles Grollen über ihr verhieß nichts Gutes, ein Gewitter stand vor der Tür.
Sie beschleunigte ihr Tempo noch einmal und stürmte durch die Haustür, gerade noch rechtzeitig. Denn kaum hatte sie die Tür hinter sich geschlossen, kamen auch schon die ersten Regentropfen mit Lichtgeschwindigkeit vom Himmel geprasselt, gerade so, als ob sie darauf gewartet hätten, dass Ray in ihrem Haus verschwand.
Erleichtert, dass sie trocken zu Hause angekommen war, schlich sie in ihr Zimmer und schloss die Tür ab.
Sie wollte jetzt niemanden sehen.
Verzweifelt schmiss sie sich auf ihr Bett und wartete darauf, dass ihr die Tränen kamen. Doch so sehr sie sich auch anstrengte, die begehrten kleinen Tröpfen blieben hinter ihren Augen und wollten einfach nicht zum Vorschein treten. Dabei hätte Weinen sie jetzt auf eine grausame Art und Weise entlastet. Doch anscheinend wurde ihr nicht mal das gegönnt.
Das Gesicht im Kopfkissen vergraben, dachte sie nach.
Ob wohl ihre Mutter davon wusste, dass ihre Tochter einen Halbbruder hatte? Wahrscheinlich nicht, so kurzfristig, wie sie mit Alec Kontakt gehabt hatte. War auch besser so, es war schlimm genug, dass Ray es wusste.
Deprimiert hielt sie sich die Hand vor Augen, um das Unwetter, dass draußen tobte, nicht sehen zu müssen. Da draußen ging das gleiche vor, wie in ihrem Inneren. Verwüstung, Durcheinander, Wut.
Toll, Ray, das hast du mal wieder super hinbekommen., redete sie sich selbst ein. Sie hatte nicht nur ein Verhältnis mit ihrem besten Freund angefangen, nein, dieser Freund war auch noch ihr Halbbruder. Gar nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn sie beide... mein Gott, das wäre ja total die Inzucht geworden!
Aber warum hatte Alan sich trotzdem an sie rangemacht, obwohl er es gewusst hatte? Oder hatte er sich gerade deswegen die ganze Zeit zurückgehalten und das mit seiner Freundin abgezogen, weil er sich seinen Gefühlen zu ihr nicht hingeben konnte?!
Ray brummte der Schädel. Das war zu viel für sie, zu viel auf einmal.
Die Regentropfen, die gegen ihre Fensterscheibe prasselten, waren ziemlich laut, aber sie beruhigten sie irgendwie.
Plötzlich musste sie an Isaac und Will denken. Hätte es an diesem schicksalhaften Tag nicht geregnet, wäre sie ihnen wahrscheinlich nie begegnet. Was für ein Zufall. Dieses nasskalte Wetter hielt sich schon seit Tagen am Himmel, es war eine Seltenheit, dass mal die Sonne hinauskam.
Isaac, was er wohl gerade machte? War er wohl wieder am Singen? Plötzlich fiel ihr ein, dass sie ja noch eine mehr oder weniger Verabredung mit ihm hatte. Er hatte sie ja auf ein Konzert eingeladen, komisch, sie hatte gar nicht gewusst, dass in den nächsten Tagen hier irgendwo eine Band spielte. Er hatte ja nicht mal gesagt, wann er sich mit ihr Treffen wollte. Tja, half alle nichts, sie musste wohl oder übel auf ihn warten, bis er kam und sie abholte. Vielleicht rief er ja auch noch mal an.
Einem plötzlichen Impuls folgend ging sie auf ihren Computer zu, schaltete ihn ein und warf das Kapellaprogramm ein.
Ray nahm ihr Mikrophon zur Hand, drückte auf Aufnahme und schmetterte:

"Now I will stand in the rain on the corner
I watch the people go shuffling downtown
Another ten minutes no longer
And then I'm turning around 'round
And the clock on the wall's moving slower
Oh, my heart it sinks to the ground
And the storm that I thought would blow over
Clouds the light of the love that I found."

Ray erstarrte. Sie hatte es tatsächlich gesungen. Erstaunt wiederholte sie:
"Clouds the light of the love that I found... the light of the love that I found..."
Sie sang einfach weiter, ohne aufzuhören.
Die Regentropfen prasselten nun so laut gegen ihre Fensterscheibe, dass nur sie allein ihre Worte verstand.
"The Love that I found."
Ray lächelte. Was hatte das nun wieder zu bedeuten? Wieso konnte sie diese Textstelle auf einmal wieder singen? Was war plötzlich los mit ihr?
Die Liebe, die sie fand?
Ohne länger drüber nachzudenken, kam ihr sofort Isaac in den Sinn.
Tränen schossen ihr in die Augen.
Plötzlich konnte sie wieder weinen.

===================================================================
bbb :remybussi
 
es geht weiter ich finds zwar schade das ich so wenig kommis hab und das meine lady nicht mehr schreibt :((((((


aber trotzdem den anderen zu leibe


Kapitel 6: Endless Rain


Contact Six: // Endless Rain \\
~(Only You)~


Ray bestrich sich kampfeslustig ihren Toast und klatschte ein paar Scheiben Käse drauf. Dabei summte sie die Melodie von "Only You" (Elvis Presley), die gerade lautstark irgendeine penetrante Kaffeewerbung unterstützt hatte. Das war aber auch ein Ohrwurm!
Mit dem Messer, dass sie sich gerade eben aus einer der zahllosen Schubladen gegrapscht hatte, stach sie genüsslich in eine Tomate und stellte sich vor, dass es sich um Alan handelte. Ja, brutal. Ihr Alan, den sie geschworen hatte mit niemandem mehr zu teilen. Ihr Alan, der es nicht für nötig gehalten hatte, sich in der letzten Woche auch nur einmal zu melden!!!
Bei dem Gedanken daran wurde sie wieder furchtbar aggressiv und sie holte einmal weit aus, um dann mit vielen kleinen Schnitten die Tomate klein zu häckseln.
Sie bemerkte nicht, dass ihre Mutter gewohnt verpennt am Türrahmen lehnte und sie schon eine geraume Zeit lang beobachtete.
"Ray?", fragte diese nach einiger Zeit, in der sie sich still über das Verhalten ihrer Tochter gewundert hatte.
Ray zuckte zusammen und fuhr blitzartig herum. Sie hatte gedacht, dass sie alleine war.
"Du sollst beim Aufschneiden einer Tomate kein Gemüseattentat veranstalten."
Ray zuckte nur mit den Axeln und legte die Tomatenstückchen auf ihr Käsetoast. Herzhaft biss sie hinein. Komischerweise schmeckte es ihr besser als sonst.
Ihre Mutter schüttelte mit dem Kopf.
"Wie kannst du den Brei noch essen? Also, du kannst mir erzählen, was du willst, aber Käse mit Tomaten ist einfach widerlich."
Tomaten mit Käse schmeckte, fand Ray. Schließlich war ja nichts anderes auf einer Pizza drauf und komischerweise schmeckte diese ihrer Mutter dann wieder.
Demonstrativ holte sie eine Flasche Tomatenketchup heraus. Ihre Mutter verzog nun gänzlich angeekelt das Gesicht und verschwand kopfschüttelnd aus der Küche.
Gut, dann eben nicht. Ray stellte den Ketchup wieder zurück in den Kühlschrank. Das war immer ihr letztes Mittel, ihre Mutter zu vertreiben. Die mochte Ketchup nämlich überhaupt nicht.
Ray schlurfte mit dem Toast in ihrer Hand lässig in Richtung eigenes Zimmer und wippte mit dem Kopf leicht im Takt des Liedes, von dem sie immer noch einen Ohrwurm hatte.
Mit einem Ohr bekam sie mit, wie es an der Tür klingelte. Wollte nicht heute ein Geschäftspartner ihrer Mutter vorbeikommen? Sie sah kurz auf die Uhr. Ja, das musst er sein.
"Mum, dein Geschäftspartner ist da.", rief sie durch die Wohnung und stopfte sich einen weiteren Bissen Toast in den Hals.
"Geh du mal grad bitte! Ich muss noch meine Haare machen!", fluchte ihre Mutter voller Panik und schon hörte man im Badezimmer ein paar Schranktüren knallen.
In diesem Moment konnte Ray es nicht mehr aushalten. Mit voller Wucht schmetterte sie:
"Only youuuuuuu...."
Dabei griff sie mit einer Hand zur Türklinge und stieß die Tür schwungvoll auf.
"...Can make my world seeeeeem riight!!!"
Ray erstarrte.
Scheiße.
So eine verdammte Scheiße.
Ein gutaussehender, blonder Typ mit dem hübschesten Gesicht der ganzen Stadt stand vor der Tür und lächelte sie an. Allerdings nicht mit diesem Zahnpastalächeln von Werbungen, nein, aus seinem Lächeln vernahm man unverhohlene Belustigung.
"Yeah, but the tone was wrong, baby!", grinste Isaac und deutete damit auf ihren vollkommen schiefen Schlussakkord hin. Ray hätte sich selbst Ohrfeigen können. DAS WAR SO PEINLICH!!! Warum tat sich nicht der Boden vor ihr auf oder die Decke stürzte auf sie nieder? Warum? Warum?? Warum???
Sie senkte den Blick und schaute mit hochroter Birne zu Boden. Innerlich starb sie tausend Tode und er grinste sich einen zusammen...!
"Heute mal nicht in Schlafanzug?", stichelte Isaac noch ein bisschen weiter und zwang sie, ihren Blick zu heben.
"Idiot!!!", zischte Ray und funkelte ihn böse an. Dieser gemeine Kerl, ihre peinliche Situation so schamlos auszunutzen!
Sie schauten sich eine Weile lang schweigend an, dann mussten sie beide lachen. So was musste ja aber auch immer Ray passieren.
"Nein, heute nicht.", lächelte sie jetzt ein bisschen milder. Sie war eigentlich nicht auf Isaac, sondern auf sich selbst sauer. Na ja, ein bisschen auch wegen ihm, weil er immer zur falschen Zeit am falschen Ort war.
Er lehnte sich gegen das Treppengeländer und setzte einen Gesichtsausdruck auf, den sie nicht so recht zu deuten wusste.
"Ich komme wegen dem Konzert. Hast du heute Zeit?"
Ray war ein wenig überrumpelt.
"Jetzt? Hier? Gleich?", murmelte sie und schaute panisch in den Spiegel. Sie sah aus wie eine Vogelscheuche.
"Irgendwelche Einwände?", fragte Isaac und bekam einen besorgten Blick.
"Nein, eigentlich nicht. Ich... ich mach mich nur grad ein bisschen frisch, okay?" Mit diesen Worten huschte sie weiter in die Wohnung hinein und bedeutete Isaac mit einem Blick, dass er reinkommen und auf sie warten könne.
Ohne große Umschweife schmiss sie ihre Mutter aus dem Bad, schloss die Tür hinter sich ab und lehnte sich gegen eine Wand.
Ihr Kopf war immer noch hochrot. Ihr Herz klopfte, als wollte es Rekordzeiten aufstellen und ihr Atem ging so schnell wie nach einem 100m-Sprint.
Doch nun vollbrachte sie wahre Rekordleistungen: Innerhalb von Sieben Minuten schaffte sie es, sich schnell ein wenig Shampoo über den Kopf zu kippen, die Zähne zu putzen, das Gesicht zu waschen und die Beine zu rasieren. Als sie sich schließlich ganz außer Atem ein wenig Lippenstift auf die Lippen schmierte und die Augen mit dem Eye-Liner nachzog, hörte sie im Hintergrund ein wenig Musik. Komisch, hatte Mutter schon das Radio repariert? Es war vor ein paar Tagen samt Anlage kaputtgegangen und eigentlich sollte der Techniker erst in ein paar Tagen kommen. Na ja, je schneller, desto besser.
Prüfend warf sie noch einen Blick in den Spiegel, zog sich schnell noch den schwarzen Rock an, der auf er Wäschetrommel lag und huschte wieder aus dem Bad.
"Fertig!", murmelte sie glücklich und stolzierte zurück in den Flur, an dessen Tür Isaac immer noch lässig lehnte. Die Musik war weg. Warum hatte Mutter das Radio denn jetzt schon wieder ausgeschaltet? Irgendwie verwirrend.
Isaacs Blick blieb eine Weile an ihr hängen, was sie sichtlich genoss, doch dann fragte er:
"Möchtest du das Toast etwa mitnehmen?" Toast? Hä?
Ray blickte an sich herunter. Ohne dass sie es bemerkt hatte, hatte sie das angegessene Ding mit ins Badezimmer genommen und auch schließlich wieder mit herausgebracht.
"Oh!", entfuhr es ihr und sie steckte sich schnell den Rest in den Mund. Großartig. Wer war so bescheuert, ein Toast mit aufs Klo zu nehmen?
"Natürlich nicht! Wir können jetzt los, wenn du willst!", vertuschte sie diese weitere Peinlichkeit. Wie schaffte Isaac es immer nur, so gelassen zu bleiben???



Die Konzerthalle war brechend voll. Die Luft war zum Schneiden dick und Ray hatte Mühe, nicht jedem Zweiten auf die Füße zu treten.
"Entschuldigung! Dürfte ich mal durch?", fragte Isaac bestimmt und zerrte Ray hinter sich her. Es war ziemlich laut hier drin. Was war das wohl für ein Konzert?
In kaum einer Minute hatte sich Isaac an die Spitze gekämpft. Ray begann sich zu wundern, warum ihn die Leute so bereitwillig durchließen. Einige Mädels starrten ihm verwundert hinterher und tuschelten. Sie wurde ohne ihr zutun mächtig eifersüchtig. Die sollten bloß ihre Finger von ihm lassen! Isaac war schon reserviert. Allerdings ohne dass er was davon wusste.
Als die Mädchen immer noch starrten, griff sie zaghaft nach seiner Hand. Sie war ganz warm und überhaupt nicht verschwitzt wie ihre. Sie drückte leicht zu und er erwiderte den Druck. Und obwohl sie nur seinen Rücken sah, wusste sie, dass sich ein kleines Lächeln auf seinem Gesicht breit gemacht hatte.
"Da wär'n wir.", meinte Isaac und blieb stehen. Sie waren direkt vor der Bühne gelandet. Wie hatte er das denn nun schon wieder geschafft?! Ray staunte nicht schlecht. Hier vorne war absolut der beste Platz, den man sich hätte wünschen können. Er drehte sich zu ihr um, so dass er mit dem Rücken zur Bühne stand.
Wieder machte sich ein Lächeln auf seinem Gesicht breit. Warum strahlte er denn so?
"Willst du vielleicht was trinken?"
Ray überlegte einen Moment und nickte dann.
"In Anbetracht der Hitze hier drin gar keine so schlechte Idee.", murmelte sie.
"Okay. Ich bin sofort wieder da.", gab Isaac zurück und verschwand in der Menge. Zu gern hätte sie sich noch einen Moment mit ihn unterhalten. Warum hatten es Jungs eigentlich immer so eilig?!
Geistesabwesend schaute sie auf die Bühne. Es war noch kein einziges Bandmitglied zu sehen, nur ein paar Gitarren und ein Schlagzeug türmten sich bereits ein paar Meter vor ihr.
Ein paar Stimmen neben ihr wurden laut.
"Gleich fängt es an. Siehst du, da kommt schon der Schlagzeuger!" Eine hysterische, fette Frau hatte diese Bemerkung in einer kaum überhörbaren Tonlage gemacht, sodass Ray sie wohl oder übel hatte mitkriegen müssen. Was, es fing jetzt an?
Isaac sollte sich mit den Getränken gefälligst beeilen, wenn er nicht das beste verpassen wollte. Isaac? Wo war er bloß so lange?
Plötzlich ging im ganzen Saal das Licht aus. Es war so stockfinster, dass man seinen eigene Hand vor Augen nicht mehr erkennen konnte. Ray beschlich Panik. Isaac?
Ein dumpfes Zischen ertönte von links und rechts und ein schwaches blaues Licht schien die Bühne einzuhüllen. Das dumpfe Zischen enthüllte sich als Nebelmaschine. In dem schwachen blauen Licht stand ein mittelgroßer Mann mit gesenktem Kopf. Dem Anschein nach hatte er eine Gitarre in der Hand und begann, ein paar leise Töne zu zupfen. Die Fanmenge schien den Atem anzuhalten.
Ray nahm sich die Gestalt noch ein mal ein wenig näher unter die Lupe. Er schien eine schwarze Hose anzuhaben, an der unzählige Bänder hingen und mindestens ein Dutzend Taschen. Seinen Oberkörper bedeckte ein hellweißes T-Shirt, dass in dem Licht neonblau leuchtete. An den Händen befanden sich schwarze Netzhandschuhe. Als ihr Blick auf die verstrubbelten Haare glitt, ging mit einem Mal mehrere Strahler auf einmal an und machten aus der ganzen Bühne ein Lichtspektakel der Extraklasse. Zudem wurde es auch ohrenbetäubend laut, da nun auch die Schlagzeuger und E-Gitarristen in Fahrt kamen. Und dann endlich erkannte sie den Blondschopf.
"Isaac!", entfuhr es ihr. Was machte der denn da auf der Bühne???
Er griff zu dem Mikrophon, dass an einem langen Ständer befestigt war und gab den ersten Ton von sich.
Seine Stimmgewalt riss den ganzen Saal einfach vom Hocker. Ray hatte noch nie so eine Stimme gehört, sie war warm und kalt zu gleich. Genauso sanft wie kratzig und mindestens so hoch wie tief. Ja, sie fand in ihrer ganzen Verwirrtheit keinen Ausdruck für sie.
Nach den ersten paar Strophen rief Isaac plötzlich ins Mikrophon:
"Ich und meine Band freuen uns, euch alle hier heute Abend begrüßen zu dürfen! Ich hoffe, es gefällt euch!" Das war eine besonders lange Ansprache, aber sie tat ihren Dienst. Die Fans tobten und auch Ray konnte sich nicht mehr halten. Das sie nicht schon früher auf die Idee gekommen war, dass es sein Konzert hätte sein können. Für sie war das alles eine große Überraschung, mit der sie im Leben nicht gerechnet hätte.

Der Abend entwickelte sich zum absoluten Highlight. Viele Lieder waren zwar nur Coverversionen, aber Ray konnte ohne schlechtes Gewissen sagen, dass sie um Längen besser waren als die Originale. Das Meiste fiel dabei auf Isaac zurück. Ohne ihn wäre die ganze Sache nur halb so gut gewesen.
Er konnte es sich zwischendurch nicht verkneifen, vollkommen außer Atem noch ein paar Witze zu machen, wenn noch Zeit war. Bei den passenden Gelegenheiten schmiss er sich zu einem Gitarrensolo auf den Boden und spielte, dass es der Teufel nicht hätte besser machen können. Die Fans waren begeistert.
Ray war so nahe an der Bühne, dass sie jede seiner Bewegungen genau beobachten konnte. Wie er sich seine wirren Haare aus dem Gesicht strich, um ihr einmal kurz in die Augen zu blicken, wie sein vor Schweiß glänzender Körper es verstand, sie mit kleinen Muskelbewegungen regelrecht verrückt zu machen. Er war ein Gott, so wie er da oben in dem ganzen Licht stand und die Show über die Bühne zog.
Ray schloss für einen kurzen Moment die Augen und fasste sich an die Stelle, an der ihr Herz saß. Es schien dem Rhythmus des Liedes zu folgen, das er gerade sang.

Der Abend neigte sich dem Ende, ohne dass jemand es bemerkte. Doch auch Isaacs Kräfte waren nicht unerschöpflich und schließlich entschuldigte er sich bei seinem Publikum, dass sie jetzt den letzten Song für heute spielen würden.
Lauter enttäuschte Rufe drangen nach vorne, es schien, als wollten sie noch ewig weiterhören.
Isaac lächelte und legte seine Gitarre ab, die sich er fast die ganze Zeit um die Schulter gehangen hatte. Mit beiden Händen umklammerte er das Mikrophon und vollkommen außer Atem verkündete er:
"Das letzte Lied möchte ich gerne jemandem widmen."
Ray sank das Herz in die Hose. Sie war sich nicht ganz sicher, doch glaubte sie zu wissen, wen er damit meinte.
"Ich hatte eine ziemlich seltsame Abmachung mit ihr." Er verschnaufte kurz. Nun hatte Ray keine Zweifel mehr, wen er gemeint hatte.
"Aber ich denke, dass ich ihr für meinen Teil viel mehr geboten habe, als eigentlich abgemacht war. Deshalb möchte ich diese Person bitte, einmal kurz zu mir auf die Bühne zu kommen." Ihr Atem stockte. Auf die Bühne? Jetzt? Hier? Vor so vielen Menschen?
Die Scheinwerfer richteten sich allesamt auf sie. Isaac, dieser gemeine Kerl, hatte den Technikern doch tatsächlich gesagt, wo sie stand. Das würde er noch zurückbekommen, da konnte er sich sicher sein.
Ray zögerte kurz, kletterte dann aber doch auf die Bühne und warf ihm einen verzweifelten Blick zu. Hier oben zu stehen war ein gigantisches Gefühl. Die Massen jubelten so laut, dass sie ihr eigenes Wort nicht mehr verstand. Für einen Moment wurde ihr schwindelig, sie fing sich dann aber doch wieder und stand fest auf beiden Beinen.
Isaac warf ihr ein zweites Mikrophon zu und flüsterte ihr ins Ohr: "'Music was my first love', tu es für mich." Ray starrte ihn entsetzt an. Sie sollte singen???!!!
Doch schon setzten die ersten Takte ein.
"Das kannst du nicht machen!!!", murmelte sie, doch er ignorierte sie schlichtweg. Ihre Hände begannen zu zittern. Das konnte doch nur alles ein böser Traum sein. Sie konnte doch unmöglich vor den ganzen Leuten hier einen Ton rausbringen. So begabt, um sich das zu trauen, war sie wirklich nicht! Das Mikrophon drohte ihr aus der Hand zu rutschen.
Isaac setzte an.
"Music was my first love... and it will be my last..." Mit einem Kopfnicken bedeutete er ihr, den zweiten Satz zu übernehmen.
Ray schüttelte heftig den Kopf, zwang sich dann aber doch, zaghaft in das Mikrophon zu singen:
"Music of the future... and music of the past..." Die Reaktion der Zuschauer schien ganz human zu sein. Einige jubelten und so traute sich Ray, bei ihrem nächsten Part noch ein bisschen lauter zu singen.
Doch erst mal war wieder Isaac dran:
"To live without my music... would be impossible to do..."
Dann wieder sie:
"... in this world of troubles... my music pulls me through." Ein paar schnellere Takte setzten ein und Isaac ergriff sie einfach bei der Hand und tanzte mit ihr ein paar schnelle Schritte. Nun waren die Fans außer Rand und Band. Einige kreischten so laut, dass Ray sich schon wunderte, dass sie überhaupt noch Stimme hatten.
Sie sangen das Stück fast bis zu Ende. Bei einer schnellen Drehung landete sie versehentlich an seiner Brust, doch anstatt sie wegzuschieben, drückte er sie zaghaft an sich. Sie spürte seine Hände plötzlich deutlich an ihrer Taille. Wie kleine, züngelnde Flammen stieg ein warmes Gefühl in ihr empor, wartete auf den richtigen Zeitpunkt, bis es Oberhand übernahm. Als die nächste langsame Passage kam, sang er plötzlich:
"Music was my first love..."
Ray spürte seinen warmen Atem in ihrem Gesicht und bekam deutlich mit, wie seine Brust sich auf und ab hebte.
"... And you will be my last..."
Ihr Atem stockte. Was... sollte das denn?
Isaac lächelte sie sanft an. Dieser Scherzkeks! Er sollte sich doch keinen Spaß mit ihr erlauben, nicht einen von dieser Sorte! Das war gemein!
Doch bevor sie irgendetwas auf diese überaus süße, aber bestimmt nicht ernst gemeinte Anmache erwidern konnte, passierte plötzlich das, was aus dem Programmheft getrost gestrichen werden konnte. Das, was Isaac schon vermutet hatte.

Von einer Sekunde auf die andere fielen ihm die Augen zu. All seine Kraft wich aus seinem Körper und er fiel einfach nach vorne. Wie von Geisterhand schien er das Bewusstsein verloren zu haben.
Ray unterdrückte einen Schreckensschrei und konnte den Sturz gerade noch mit einer Hand dämpfen. Er landete hart auf dem Bühnenboden und schlug sich den Kopf.
"Isaac?", kreischte sie entsetzt. Was war plötzlich mit ihm los?! Das Publikum hatte den Atem angehalten, die anderen Bandmitglieder hatten aufgehört zu spielen und starrten ebenso entsetzt in ihre Richtung, zu geschockt, um sich zu rühren.



bb :remybussi
 
Ne nicht nur desi liest :laugh: Ich bin ja auch noch da um ab und zu rein zu schauen ^^
Naja was soll ich dazu noch sagen?? Klasse oder Supertoll?? Die Story wird wirklich von mal zu mal besser und dramatischer :rolleyes:
Bin mal gespannt was jetzt mit Isaac passiert oder ob Ray nun wieder gesund wird :lol2:

Schreib schnell weiter !!!!!!
 
Sorry, dass ich erst jetzt schreibe...
Hatte vorher keine Zeit :)

Hoffentlich wird Ray wirder gesund, wäre schlimm wenn net, ist ja schließlich ne Hauptperson :)

Der Teil war voll geil
Schreib bittöööö schnell weiter.

desibambie
 
Zurück
Oben Unten