Evin (SF-KG)

Yin

this is your story
Autor: Yin
Titel: Evin
Teile: ?
Genre: Science Fiction
Serie (Original oder Fanfiction): Original
Pairing (wenn vorhanden):
Disclaimer: Das Copyright liegt bei mir, die Charas sind frei erfunden, Ähnlichkeiten zu irgendwem sind nicht gewollt.

Tja, ich schon wieder. ^^ Dann lasse ich mal eine weitere meiner KGs auf euch los. ;-)




Das Wasser lief ihm von hinten in den Kragen, tropfte ihm von den Haaren, vom Kinn, durchdrang seinen langen Mantel. Er schloss für einen Moment die Augen, hob den Kopf ein wenig gen Himmel und atmete tief ein.
Langsam zog er einen seiner ledernen Handschuhe aus, ließ den Regen in seine ausgestreckte Hand prasseln, drehte die Handfläche nach unten und betrachtete seine Finger.

Der Himmel war grau, beinahe schwarz. Die Wolken zogen so dick auf, dass sie wie eine Wand aus dunklem Glas aussahen, gleichgültig, kühl, tot. Gelegentliches Grollen ließ sich aus der Ferne vernehmen, aber nie ein ganzes Gewitter. Es war, als würde der Himmel lediglich drohen, als würde er ihnen Angst einjagen wollen. Als wäre er ein sterbendes Tier, das in seinen letzten Atemzügen noch einmal zornig aufbegehrt gegen die Ameisen, die sich um es tummeln. Vielleicht war es Zeit. Vielleicht sollten sie wirklich gehen. Weg von hier. Es gab keine Hoffnung.
Als er sich umsah und das Wasser aus seinen Augen blinzeln musste, kam es ihm vor, als sehe er überall feixende Fratzen. Glänzendes Gestein zu Glasklumpen geschmolzen türmte sich hier, teilweise hunderte von Metern hoch, überall ragten unnatürlich verformte Stahlträger oder Titanverbindungen aus dem Boden auf, knochige Hände, die mitten in der Bewegung erstarrt waren. Umgestürzte Schnellschwebezüge, zusammengekrümmt wie vertrocknete Regenwürmer. Eine riesige Hologrammplattform hing zur Hälfte im eingestürzten Tunnelschacht, der sich einst durch die ganze Stadt erstreckt und täglich tausende Bewohner transportiert hatte.
Hier würde nie wieder etwas leben, wirklich leben, das wurde ihm nun immer klarer. Hier würden keine Bäume mehr wachsen, nicht einmal künstliche. Hier würde voraussichtlich nichteinmal mehr die Sonne hinscheinen, als hätte sie diesen Ort einfach vergessen. Sogar sie hatte also die Hoffnung aufgegeben.
Er hörte träge Schritte die Treppen hinaufkommen, hin und wieder knirschte Glas unter den Schuhen. Mit einem Seufzen stellte sich der Andere einen Augenblick neben ihn, bevor er zu sprechen begann:
„Bist du soweit, Evin? Wir gehen weiter, fort von hier.“
Er ließ sich mit der Antwort Zeit. Nicht dass er noch hätte überlegen müssen – er tat nichts anderes. Ständig zermaterte er sich das Hirn nach Möglichkeiten, Chancen, Wahrscheinlichkeiten. Nein, er kannte seine Antwort bereits, er spürte, dass er sie vom ersten Moment an gewusst hatte. Sein Zögern hatte einen anderen Grund. Er fürchtete sich vor dem, was er vielleicht sagen würde, davor, seine Gedanken auszusprechen, die diesen ganzen Alptraum endgültig wahr werden lassen würden.
„Hier ist alles tot, Vengar.“
Der Jüngere nickte. „Ja, ich weiß.“
Nach einem letzten langen Blick auf das Trümmerfeld von ihm drehte sich Evin um und folgte seinem Begleiter die unförmigen Treppen zum Bahnschacht hinunter, wo sie sich vorübergehend niedergelassen hatten. Als er den Bahnsteig entlangging, wohl so wie es Millionen von Städtern vor ihm getan hatten, spürte er die Blicke der anderen auf sich ruhen. Männer und Frauen, einige von ihnen hatten sich zu dem großen Kreis aus geborstenen, teilweise geschmolzenen Säulen zurückgezogen, der ehemaligen Wartehalle, tuschelten leise. Er gab sich keine Mühe zu verstehen, worüber sie redeten. Andere hatten sich auf Gesteinsbrocken gesetzt und starrten mit leeren Gesichtern in den verschütteten Tunnelschacht. Wieder anderen standen undefinierbare Gefühle ins Gesicht geschrieben. Verhohlene Freude vielleicht, leise Genugtuung. In den dreckverschmierten Mienen wirkten diese Dinge wie ein grausiger Scherz und fast hoffte er, sich zu täuschen.
Aber er wusste es besser. Leider.
Evin kramte in der Manteltasche und zog sich den Handschuh wieder über. Ein großgewachsener, schwarzhaariger Mann trat vor, die Arme vor der Brust verschränkt und sah ihn durchdringend an. Seine tiefblauen Augen waren ruhig wie die Oberfläche eines Sees kurz bevor ein Ungeheuer sie durchbrach. Seine innere Anspannung konnte Evin beinahe körperlich spüren.
„Gorn,“ sagte er halblaut und er hörte selbst, wie müde seine Stimme klang. Diese ewigen Diskussionen schafften ihn fast ebenso sehr wie das Chaos um sie herum.
„Evin,“ erwiderte der Angesprochene mit rauer Stimme. Noch immer sezierte er ihn mit gradenlosem Blick. „Spaziergang beendet?“
„Habt ihr abgestimmt?“
„Ist das wichtig?“ Gorn wies mit dem Kopf in Richtung der anderen. „Frag sie doch, wenn dir ihre Meinung so viel bedeutet.“
Evin wandte sich an Vengar, der schweigend zugehört hatte.
„Würdest du uns einen Moment allein lassen?“
Der junge Mann biss auf seiner Unterlippe herum, nickte aber und entfernte sich ein Stück. Innerlich versuchte Evin Energie für ein weiteres, kräftezehrendes Gespräch mit seinem Gegenüber zu sammeln – er erschrak davor, wie wenig er aufbringen konnte.
„Ihr wollt die Erde also wirklich verlassen,“ griff er das Thema wieder auf.
Gorn verdrehte die Augen. „Hör auf dir etwas vorzumachen. Du kannst mir nicht erzählen, dass du nicht bereits deine Entscheidung getroffen hast. Ich werde nicht versuchen, dich davon abzubringen, keine Angst. Aber du machst einen Fehler...“
Evin senkte den Kopf und massierte sich die Schläfen. „Wie oft, Gorn... wie oft müssen wir das noch besprechen...“
„So oft, wie es nötig ist!“, knurrte der andere wütend und verlor nun auch etwas von seiner gelassenen Haltung. Eine Hand war zur Faust geballt, die andere kramte gewohnheitsmäßig in seiner Jackentasche. Vermutlich suchte sie eine der Zigaretten, die er bereits seit zwei Wochen aufgebraucht hatte. Evin unterdrückte ein Schmunzeln. Dass sich Gorn etwas so Menschliches und eigentlich Unsinniges angewöhnt hatte, amüsierte ihn.
„Wir haben hier nichts mehr verloren. Diese ganze verdammte Gegend ist tot, Evin. Verseucht. Fahr dein Temperaturprogramm mal wieder hoch, dann weißt du, dass es hier kälter ist als im tiefsten Winter in Alaska und zwar vor der globalen Erwärmung. Was hoffst du denn zu finden? Eine kleine grüne Idylle zwischen den Bergen geschmolzenem Stein? Ein paar kultivierte Menschen, die dir deine Entscheidungen abnehmen und dir sagen, was du tun sollst? Nein, mein Freund, die Zeiten sind vorbei.“
Schnaufend gab er seine Suche auf und steckte beide Hände in die Taschen, vielleicht um sich den Anschein zu geben, Ruhe bewahren zu können.
Ruhe – dieses Gefühl hatte er schon lange nicht mehr verspürt. Zwar brauchten sie keinen richtigen Schlaf, aber er hatte so lange unter den Menschen gelebt, dass er sich wirklich wie sie manchmal nach etwas Frieden, etwas Entspannung sehnte. Ein nahezu lächerlicher Wunsch angesichts der Tatsache, dass wohl der halbe Planet tot oder gerade dabei war, elendig zu verenden. Fast schämte er sich für seinen Gedanken.
„Willst du dich denn gar nicht wehren?“, fragte Gorn und lächelte gequält.
Evin öffnete den Mund und wollte etwas sagen, klappte ihn jedoch einige Sekunden später wieder zu. Ihm fiel nichts mehr ein. Nichts, das er nicht zum x-ten Mal wiederholte, das er sich selbst schon nicht mehr sagen hören konnte.
„Hör zu,“ meinte Gorn in versöhnlicherem Ton, „Wir sind keine Feinde. Es ist mir nicht daran gelegen, so lange auf dich einzuhacken, bis du endlich vernünftig wirst. Es hat nur keinen Zweck noch länger hier zu bleiben.“
„Genau.“ Die neu dazugekommene Stimme ließ Evin aufhorchen und einen Moment später trat Sorren zwischen ihn und Gorn. Sie war jung, trug ihre langen schwarzen Haare streng zu einem Zopf zurückgebunden und hatte ein hübsches Gesicht. Ihre Augen jedoch wollten nicht so recht zum Rest ihres Äußeres passen – es waren die einer Raubkatze, scharf, berechnend, intelligent. Und zornig. Vor allem zornig.
„Hauen wir endlich ab von hier. Wir haben getan, was wir konnten, also was soll das noch?“
„Höflich, sich einfach so einzumischen“, bemerkte Gorn säuerlich, aber Sorren ignorierte ihn und starrte weiterhin Evin an.
„Es ist unsere Aufgabe, ihnen zu helfen...“, begann er schwach.
„Es ist unser Fluch. Wir haben uns das niemals ausgesucht. Sie haben es uns einprogrammiert, haben uns abgerichtet wie Hunde. Und nun sind alle Menschen im Umkreis von hundert Meilen oder mehr tot oder nur noch ein Haufen sterbendes Fleisch. Hier ist das Zentrum – wir haben es gefunden. Das Rätsel ist gelüftet, es war eine Bombe. Es muss so heiß gewesen sein, dass alle zu Staub zerfallen sind, Bots wie Menschen, blabla und als kleines Bonbon haben Gift und Strahlung das ganze Land überschwemmt. Ein Glück, dass wir immun sind, eine göttliche Fügung...“
„Sprich nicht so. Es ist schon schlimm genug, dass es unseresgleichen waren, die das hier angerichtet haben!“ Nun spürte auch Evin, wie langsam wieder der Zorn in ihm hoch kochte. Dieses Mädchen hatte keine Ahnung. Ihr Name sagte ihm, dass sie nicht länger als einige Jahrzehnte unter den Menschen lebte, vielleicht weniger. Generationen von Robotern waren erschaffen worden, die Namen der Mitglieder jeder einzelnen Generation begannen gleich. Er stammte aus der fünften, es lief alphabetisch aufwärts. Bei „W“ war die Produktion eingestellt worden, es hatte zu viele Grauzonen gegeben - die erschaffenen K.I.s konnten mit ihren Schöpfern gleichziehen. Sie fühlten. Sie dachten. Sie waren immer schon zu menschlich gewesen. Heftige Diskussionen entbrannten erneut, Gerichtsverfahren, Untersuchungen, Tests. Das ganze Programm, das schon zuvor einige Male durchlaufen worden war. Und letztlich hatte man sie nicht mehr nur als intelligente Arbeitskräfte benutzt, man hatte sie freigelassen. Mit einem Mal hatte er, Evin#5Gen-Crea.-Corp., ein Leben gehabt, über das er selbst bestimmen konnte, von einigen Einschränkungen abgesehen. Er und alle anderen waren dazu verpflichtet, die Aufgabe, zu der sie geschaffen worden waren, weiter zu verfolgen, nämlich dem Menschen in Notsituationen zu helfen. Zivilcourage hätte man das in längst vergangenen Zeiten einmal genannt. Mit dem Unterschied, dass ihr System sie zu dieser Courage zwang.
„So etwas hätte nie geschehen dürfen,“ murmelte Gorn und Evin horchte auf. Sorrens spöttischer Blick verharrte einen Moment auf ihm, jedoch schien sie genug Respekt vor Gorn zu haben, als dass sie es gewagt hätte, etwas Abfälliges dazu zu sagen.
„Wir werden gehen. Vorhin haben wir abgestimmt. Wer bleiben will, der bleibt.“
„Wer hat dich denn zur Anführerin gemacht?“; knurrte Gorn, aber Evin wusste bereits, dass auch er gehen würde. Und er konnte es ihm noch nichteinmal verübeln.
„Und wann?“, fragte er tonlos.
„Noch heute.“
Evin nickte. Gorn betrachtete zähneknirschend seine Schuhe.

Das Wasser lief ihm von hinten in den Kragen, tropfte ihm von den Haaren, vom Kinn, durchdrang seinen langen Mantel. Er schloss für einen Moment die Augen, hob den Kopf ein wenig gen Himmel und atmete tief ein.
Langsam zog er einen seiner ledernen Handschuhe aus, ließ den Regen in seine ausgestreckte Hand prasseln, drehte die Handfläche nach unten und betrachtete seine Finger.
Dann setzte sich Evin#5Gen-Crea.-Corp. auf den Boden, aktivierte seine Sensoren und wartete.
 
Hallo!

Hm. Ein interessanter Ansatzpunkt. Alle Menschen tot und nur die von ihnen erschaffenen Roboter leben weiter, führen ein menschenähnliches Dasein, haben ihre Väter sozusagen abgelöst.

Die Atmosphäre hat mir auch gut gefallen. Anfangs dachte ich noch, der Regen wäre etwas kitschig, aber als dann klar wurde, dass da vor kurzem eine Atombombe explodiert ist, war's ja offensichtlich, wieso es regnet...

Ich fand richtig schön, dass die Roboter wirklich wie Menschen sind, dass sie Konflikte austragen, Meinungsverschiedenheiten haben, dass sie eigentlich zu menschlich sind.

Schon komisch, aber diese Geschichte hat mir ein richtig gutes Gefühl gegeben : ) Evin war mir gleich richtig sympathisch und die Tristesse der Erde, dieses wirklich, echte Vorbei, das kam toll rüber.

Schade nur, dass es so wenig war. Diese Idee wäre, wie ich finde, ein schöner Ansatzpunkt für eine Kurzgeschichtenreihe oder eine etwas längere Story über Evin und seine Suche nach den letzten "echten" Menschen...

Wie auch immer: Daumen hoch, ich habe gar keinen Kritikpunkt. Jetzt hast du's geschafft, ich bin offiziell dein Fan *g*

Bis zur nächsten Geschichte!
 
Hmm.... um ehrlich zu sein, weiß ich nicht so recht, ob mir diese Geschichte von dir nun gefällt oder nicht.

Dein Schreibstil ist ausgezeichnet. Rechtschreib- und Grammatikfehler, die beim Lesen stören, konnte ich keine finden. Und auch die Art, wie du die Personen handeln lässt, gefällt mir.
Und doch.. ich war kurzzeitig irgendwie etwas verwirrt. Ich muss dazu sagen, dass ich gestern Nacht schon angefangen hatte die Geschichte zu lesen, dann aber doch zu müde war und das fertig Lesen auf heute morgen verschob. Vielleicht hab ich durch die Unterbrechung die Stimmung der Geschichte nicht richtig mitgekriegt.
Beim Gespräch von Evin und Gorn wusste ich zwischenzeitlich nicht, wer denn jetzt der vom Anfang war. Der Schlusssatz klärte mich jedoch auf.

Mir gefällt diese Wiederholung am Ende übrigens sehr gut. Aber ich muss auch Sahlene zustimmen. Irgendwie habe ich mehr erwartet.
Richtig abgeschlossen ist diese kurze SF-KG noch nicht, finde ich jedenfalls. Es wirkt eher wie ein Prolog, in dem Sinne, als das er aus der Mitte der Geschichte herausgegriffen ist. Ich hoffe du weißt, wie ich das meine ^^'

Mehr habe ich grade auch eigentlich nicht mehr zu sagen, bis auf das, dass ich eigentlich keine Science Fiction Sachen mag. In dem Sinne also herzlichen Glückwunsch. Da ich schon 2 andere Kg's von dir gelesen hatte, hab ich mir diese auch durchgelesen und wurde meinen Erwartungen an dich entsprechend auch dafür belohnt! =))

*aufhör zu schleimen* ^^
 
Hey Sahlene,

freut mich, dass die Stimmung rübergekommen ist. Und vieeeelen Dank für das Lob und deinen ausführlichen Kommentar. :D
Interessant, dass ihr beide dasselbe kritisiert habt, nämlich dass da nicht noch mehr kam. ^^ Eigentlich war die Geschichte nämlich auch gar nicht als KG gedacht, sondern als Erzählung. Den ersten Teil bis auf die letzte drei, vier Zeilen habe ich vor etwa 2 Jahren geschrieben, sie vor ein paar Tagen wieder gefunden und ziemlich schnell zuende geschrieben. Den Mittelteil habe ich praktisch weggelassen, bzw. noch gar nicht geschrieben.
Aber wenn von eurer Seite Interesse besteht, dann führe ich sie vielleicht doch so zuende, wie ich es geplant hatte. Mal sehen. :rolleyes:
THX nochmal, ich freue mich wirklich riesig über jede Meinung - und über dich als meinen ersten offiziellen Fan. *lach*

Hallo Tyrande,

auch so viel Lob - ganz doll dankeschön erstmal. ^^
Ja, ich weiß, was du meinst. Oben in der Antwort an Sahlene habe ich die Erklärung dafür geschrieben. Ich habe einige KGs einfach so unfertig herumliegen und mir war danach, dieser ein Ende zu geben... aber noch ist ja nix verloren. Sobald ich Zeit finde, setze ich mich nochmal dran.
Ich mag Sci-Fi eigentlich auch nicht besonders. *lach* ABer solange sich die Laserballerei und die Raumschiffschlachten in Grenzen halten, bin ich dafür auch gern zu haben. :laugh:

Dickes Dankeschön nochmal an euch beide und bis bald,
.K.
 
Yo,

also ich bin ein ziemlich großer Sci-Fi -Fan und auch von gut gemachter Endzeit - Stimmung sehr angetan.
Ich muss auch sagen, dass ich den Regen am Anfang auch etwas kitschig fand, bis sich aufklärte warum.
Der weitere Aufbau ist echt sehr gelungen, die Atmosphäre war wirklich sehr authentisch und kam gut rüber. Ein wenig musste ich natürlich an "I, Robot" denken, aber Deine Protagonisten sind da ja schon einige Generationen weiter.

Dieses menschliche macht das Ganze erst richtig interessant, denn mit echten Menschen, wäre es wahrscheinlich schon wieder etwas zu abgegriffen, aber dieser Ansatz ist echt viel interessanter.

Hätte auch noch weiter gelesen, denn der Schluss lässt ja wirklich alles offen... Ich finde Deine Geschichten irgendwie immer gut!

Smarti
 
Ich fänd's richtig klasse, wenn da noch etwas mehr käme. Also, wenn du die Zeit und die Ideen dafür hast, von meiner Seite her besteht garantiert Interesse und ich gebe eine 99%-ige Garantie, dass du hinter jedem Post dieser Art einen Kommentar von mir finden würdest :)

Liebe Grüße,
-lene
 
Ah, Smarti, deinen Kommie hab ich ganz übersehen. ^^ THX erstmal, freue mich sehr, dass auch diese Geschichte dir wieder gefallen hat. :rolleyes:
Jo, das stimmt. Aber man muss auch bei jeder Fantasy-Story an Herr der Ringe denken. ^^ Andererseits hat mich I-Robot auch sehr begeistert und vielleicht ist mir die Idee zu dieser Story deshalb gekommen. Und natürlich wegen "Blade Runner"...
So, jetzt muss ich euch was beichten... der Regen war keine Absicht. lol An die Atombombe hab ich gar nicht gedacht, als ich das geschrieben hab - passt aber wunderbar. ^^
Also, freue mich riesig, so viel Feedback hier zu bekommen und bis zur nächsten Story. :D

Sobald ich Lust und Zeit hab, setz ich mich dran, Sahlene. ^^
 
mann mann...jetz wolltich hier bestimmt scho 3 ma posten un habs doch immer wieder vergessen :rolleyes:
aber jetze^^
deine kurzgeschichten sind wirklich immer wieder eine kleine sensation
die charaktere, die atmosphäre, originellen metaphern, und der schluss, der einen
jedesmal mehr oder weniger nachdenklich hinterlässt (ich geb zu, bei dieser geschichte mal etwas weniger, aber das mögen andere ganz anders empfinden)
es stimmt einfach meist alles im großen un ganzen

auch mit dieser geschichte hast du wieder ein sehr beeindruckendes bild gemalt, wobei ich sagen muss, dass mich diese ganzen endzeit szenerien schon immer fasziniert haben (un ich warte immernoch :D )
vl solltest du dir einfach mal eine deiner kurzgeschichten schnappen und sie zu einer richtigen geschichte ausbauen, ich denke mal, den leserstamm, der nötig is, damit die story nich einfach im sediment der hinteren seiten verschwindet, hast du schon dicke um dich geschart

in diesem sinne also auf ein baldiges wiederlesen

der toffel
 
Hey zusammen. ^^

@ dark-toffel: Vielen Dank für deinen lieben Kommentar. Nachdem ich ihn gelesen hatte, hab ich mir endgültig in den Hintern getreten und weitergeschrieben. Zwar nur ein bisschen, aber im Groben ist die Story fertig - zumindest im Kopf und im Notizbuch.

Danke an euch alle für die Zeit und das Interesse. ;-) Hier kommt der nächste Teil, auch wenn der dritten noch etwas dauern könnte...

Denkt euch den letzten Absatz weg, es knüpft nahtlos an.



„Und wann?“, fragte er tonlos.
„Noch heute.“
Evin nickte. Gorn betrachtete zähneknirschend seine Schuhe.
„Wie wollt ihr das anstellten?“
Ein triumphierendes Lächeln trat auf Sorrens Gesicht, das jedoch ihre Augen nie erreichte. Auf diese Frage hatte sie wohl gewartet.
„Lyce hat in Vandenberg gedient. Es ist Raven gelungen, seinen Z-Speicher zu reaktivieren, er wird uns also problemlos zu jeder Kolonie fliegen können, die wir auswählen. Und bevor du fragst,“ unterbrach sie sich und Evin schloss den Mund wieder, „der Garland-Spaceport müsste weit genug vom Explosionsherd entfernt liegen. Es sollte kein Ding sein, zumindest ein intaktes Shuttle dort zu finden.“
„Danke, Sorren,“ brummte Gorn von oben. Doch sie wusste bereits, dass sie gewonnen hatte und zog sich wortlos und mit einem Nicken zurück – jedoch nicht ohne vorher Evins Gesicht auf eine Reaktion hin zu untersuchen. Dieser ließ sich auch beinahe dazu hinreißen und wurde nur durch den sanften Druck von Gorns Hand auf seiner Schulter daran gehindert.
„Komm, wir gehen ein Stück.“
„Ich dachte, du hasst Spaziergänge,“ scherzte Evin halbherzig, ließ sich jedoch von dem Größeren wegführen und sah Sorren hinterher.
„Es gibt einiges, das ich hasse und trotzdem tun muss, also kommt es darauf auch nicht mehr an.“
Sie gingen den Bahnsteig entlang – oder die Erhöhung, die irgendwann mal ein Bahnsteig gewesen war – und verfielen in nachdenkliches Schweigen. Evin spürte nun deutlich die Blicke ihrer Gruppe auf sich und war froh, als Gorn ihn hinter eine Trümmerwand führte. Die Decke war hier beinahe völlig herabgestürzt und schützte sie so vor den Augen der anderen. Feiner Sprühregen benetzte Evins Gesicht. Er mochte Regen... oder er hatte ihn gemocht, bevor das hier geschehen war, so war es wohl richtig. Blinzelnd sah er nach oben.
„Ich werde euch begleiten,“ sagte er bedächtig. Gorn brauchte einige Sekunden, um zu antworten.
„Was? Ich glaub, ich hab was am Ohr-“
„Bis zu diesem Spaceport werde ich euch begleiten. Und wenn ihr dort kein Shuttle findet, suchen wir woanders, bis ihr etwas Passendes gefunden habt.“
Seine Worte wirkten ernüchternd auf Gorn, dessen Schultern wieder ein Stück herabsanken.
„Für deinen Sturschädel müssen die ein anderes Material genommen haben, mein Freund.“ Er schüttelte resigniert den Kopf als wäre Evin ein Kind, der seine Lektion nach Wochen noch immer nicht gelernt hatte. Irgendwie kamen ihm die letzten Tage tatsächlich wie Wochen vor. Evin zwang sich zu einem schmalen Lächeln, obwohl ihm gar nicht danach zumute war.
„Eben habe ich für einen Moment wirklich gedacht, du hättest Vernunft angenommen,“ fuhr Gorn fort und strich sich mit der Hand durch die pechschwarzen Haare. Die Geste hatte etwas Müdes an sich und zum ersten Mal fragte sich Evin, ob der andere nicht vielleicht ebenso sehr unter dieser Situation litt wie er selbst. Jeder hatte eine andere Art, damit umzugehen. Gorns linke Hand tastete wieder geistesabwesend in seiner Tasche herum.
„Mag sein,“ murmelte Evin.
„Und wieso willst du uns begleiten?“
Evin kickte teilnahmslos nach einem Brocken. Das Ding holperte träge über den unebenen Boden und blieb liegen.
„Hier lebt mit Sicherheit nichts mehr. Vielleicht nie wieder. Ich habe bessere Chancen, Überlebende zu finden, wenn ich mich von diesem Ort entferne.“
„Was, wenn es nicht die einzige Bombe war?“, warf Gorn mit unnatürlicher Zurückhaltung ein. Sowieso wunderte sich Evin über das einfühlsame Verhalten seines Gegenübers.
„Daran habe ich auch schon gedacht,“ räumte er ein. Erst wollte er noch etwas hinzufügen, ließ es jedoch bleiben. Die Vorstellung, dass nicht nur hier eine solche „Katastrophe“ geschehen war, schnürte ihm die Kehle zu. Und leider schien die andere Möglichkeit nur mehr als logisch. „Neue Generation“, nannte sich die Gruppe, die das angerichtet hatte. Evin fragte sich, ob dieser makabere Witz von Anfang an geplant gewesen war.
Gorn sah ihn noch eine Weile prüfend an und machte dann Anstalten zu gehen, auch wenn es nicht sehr entschlossen aussah.
„Sag mir nur eins,“ bat Evin. „Würdest du bleiben, wenn die Chancen besser stehen würden? Wenn wir Menschen finden würden? Wenn... eine Zukunft in Sicht wäre?“
Lange blickte ihm Gorn in die Augen. Stahlblau, undurchschaubar. Nur an seinen mahlenden Kiefern erkannte Evin, dass er nachdachte.
„Nein.“ Obwohl er mit dieser Antwort gerechnet hatte, war er enttäuscht. „Für mich gibt es hier keine Zukunft.“
Dann wandte sich Gorn ab und wanderte mit langsamen Schritten, die Hände wieder in den Taschen vergraben, den Weg zurück.
Ruhe, ging es Evin wieder durch den Kopf, während er erneut nach oben in den düsteren Himmel schaute. Was würde ich geben für ein wenig Ruhe...
 
Ich weiß ja, man darf eigentlich keine Doppelpost machen... Aber ich erlaube mir jetzt einfach mal diese Frechheit und hänge noch ein bisschen Text hinten dran. ^^




Vengar lief nun seit drei Stunden neben ihm her. Sie liefen tatsächlich, um nicht unnötig viel Zeit zu verlieren. Immer wieder drehte der Jüngere den Kopf in Evins Richtung, öffnete den Mund, schloss ihn wieder und wandte sich ab. Seit der letzten halben Stunde starrte er nunmehr auf seine Schuhspitzen, als fasziniere ihn die Bewegung.
Das alles sah Evin natürlich. Und irgendwo in seinem Inneren, das sich ausgebrannt und wund anfühlte, spürte er auch einen kleinen Stich.
Mach es dem Jungen doch nicht so schwer. Sag endlich was.
Es blieb bei dem Gedanken. Zu sehr quälten ihn seine eigenen Probleme, zu sehr verbitterten ihn diese nur zu menschlichen Tuschelein einiger anderer Bots über ihn und sein Verhalten. Wussten sie denn nicht, dass er sie verstand? Oder wollten sie gerade das? Und sollte es ihn überhaupt kümmern, was sie über ihn dachten?
Angestrengt konzentrierte er sich auf die Umgebung, blendete ihre Stimmen aus. Schwarz war alles um ihn herum. Schwarz war der Himmel, schwarz war das Glas, schwarz wie krebskranke Nacktschnecken, die sich im Sterben auf verseuchtem Boden wälzten. Als er aus bedrückender Neugier die Temperatur maß, fühlte er sich wie jemand, der von einer Brücke sprang um herauszufinden, ob man wirklich dabei starb. – 43 °C. Ein Schaudern überlief seinen Körper, und gleichzeitig wusste er schmerzhaft genau, dass ihm seine Attozellen und die ganzen anderen künstlichen Spielereien dies lediglich vorgaukelten. Zum wiederholten Male stellte er sich die Frage, ob er wirklich fühlte. Fühlte er die Temperatur oder war er auf seine Wahrnehmungssensoren angewiesen und wusste ganz einfach, dass es kalt war? Dachte er so, wie er es tat, weil er Evin war oder weil man es ihm so einprogrammiert hatte? Und war das, was ihn antrieb, seine eigene Entscheidung oder das Verhalten eines Sklaven, der nicht ohne seinen Meister leben konnte?
Unbehaglich schob er diese Gedanken beiseite. Es brachte ihn jedes Mal völlig durcheinander, wenn er sich darüber den Kopf zerbrach. Als hätten seine „Schöpfer“ nie vorgesehen, dass er sich solche Fragen stellte. Alles lief dann aus der Bahn und er konnte nicht mehr klar denken, alles verlor seine feste Form und seinen gewohnten Platz.
Vielleicht wirst du verrückt, alter Junge. Vielleicht kriegst du eine von diesen menschlichen Verstandskrankheiten und drehst durch. Dann wäre das hier zumindest einfacher zu ertragen.
Darüber musste er leise lachen, versteckte es jedoch so gut es ging hinter vorgehaltener Hand. Vengar sah ihn trotzdem fragend an. Wenn er so weitermachte, dann dachte man bestimmt wirklich bald, dass er wahnsinnig wurde, wie die Menschen es so abschätzig nannten.
„Evin, ich will gern mit dir reden,“ begann Vengar überraschend ernst. Sein besorgtes Gesicht jedoch ließ ihn sehr viel jünger und ängstlicher wirken, als er ihm vermutlich bewusst war. Wieder spürte Evin diesen Stich, heftiger als zuvor und unterdrückte das Bedürfnis, sich an die Brust zu fassen, wo dieser irrationale Schmerz saß.
„Worüber?“ Du kannst Fragen stellen, Blechkopf... Worüber wohl?
„Na wenn du das nicht weißt...“ Der junge Mann lächelte gequält.
„Es ist schon gut, Vengar. Geh mit ihnen.“ Plötzlich verspürte Evin das Bedürfnis, dieses Gespräch möglichst bald hinter sich zu bringen. Wieder hatte er das Gefühl, seit Tagen nichts anderes zu tun als zu reden und zu reden. Er redete sich die Zunge lahm, ohne auch nur das geringste zu erreichen. Das entlockte ihm ein müdes Seufzen.
„Und was wird dann aus dir?“
„Es ist meine Entscheidung. Kümmere dich nicht darum. Wenn ihr erst einmal unterwegs seid, werdet ihr eure eigenen Probleme haben.“
„Dafür wird Sorren schon sorgen,“ bemerkte Vengar missmutig. „Es wäre mir wirklich lieber, wenn du mitkommen würdest, Evin. Die Gruppe braucht dich. Ich brauche dich.“
Diese Ehrlichkeit rührte ihn. „Die Gruppe braucht mich nicht mehr. Sie haben jetzt ihren eigenen Weg und Sorren ist nicht dumm. Außerdem wird Gorn schon dafür sorgen, dass sie auf dem Teppich bleibt.“
„Was ist denn das schon wieder für eine alte Redensart? Auf dem Teppich bleiben?“
Schmunzelnd schüttelte Evin den Kopf. „Du kennst das nicht?“
„Noch nie gehört.“
„Naja“, begann er, „es heißt einfach, dass man nicht übermütig wird. Nichts Unbedachtes tut.“
„Und wer sorgt dafür, dass du `auf dem Teppich bleibst`?“, fragte Vengar und konnte dabei eine gewisse Verzweiflung in seiner Stimme nicht verbergen. Wieder spürte Evin diesen Schmerz. Er saß so tief, dass es ihn beinahe zerriss. Verdammt, warum sagte ihm niemand, was richtig und was falsch war? Wie konnte er auf eine innere Stimme hören, die in einem Moment sagte, er solle bleiben und ihn im nächsten zum Gehen drängte?
Als er schwieg, senkte der Jüngere den Kopf.
„Entschuldige.“
„Die Menschen...“ Es gelang ihm nicht, einen Einstieg zu finden und Evin wurde wieder still. Doch Vengar ließ ihm die Zeit.
„Ich kann nicht gehen und vergessen, was hier geschehen ist. Mittlerweile lebe ich so lange unter den Menschen, dass ich mich wie einer von ihnen fühle – mehr wie einer von ihnen als einer von euch.“
Es folgte eine lange Pause. Vengar schien über seine Worte angestrengt nachzudenken, während Evin sie schon fast wieder bereute.
„Ich verstehe,“ sagte der junge Bot schließlich ruhig. „Dann kann ich deine Meinung also nicht ändern.“
Irrwitziger Weise wünschte sich Evin, dass es der Junge weiter versuchte. Erschreckend, wie ihm sein Verstand außer Kontrolle geriet...
„Nein, das kannst du nicht.“
Gerade wollte er noch etwas hinzufügen, als er sah, wie einige der Bots plötzlich stehen blieben und sich suchend umsahen. Sogleich reagierten auch seine Sensoren und Evin bremste seine Schritte abrupt ab. Hielt einen Moment inne. Lauschte. Scannte.
Zedrick und Lyce drehten sich so langsam zu ihm um, als fürchteten sie, der Kopf könne ihnen von den Schultern fallen. Furcht und Fassungslosigkeit sprach aus ihren Mienen.
Was er seit der ersten Millisekunde geahnt hatte, bestätigte sich einige Augenblicke später. Evin spürte, wie seine Hände zitterten und sich dann zu Fäusten ballten. Wie durch einen Tunnel nahm er Gorn wahr, der sich ebenfalls zu ihm herumgedreht hatte. Sein Gesicht war zu einer emotionslosen Maske erstarrt. Neben sich hörte er Vengar erschrocken aufkeuchen.
Es gab keinen Zweifel.
Sie hatten einen Menschen gefunden.
 
Doppelpost, was denn für ein Doppelpost? Hab keinen gesehen, wo denn? ;)

Dafür aber doch noch eine Fortsetzung, was ich schon sehr viel besser finde!
Also mit dem Wissen um die "Herkunft" Deiner Protagonisten, ist es irgendwie ein ganz anderes Lesen, als beim ersten Teil, wo der Überraschungseffekt größer war. So hatte ich irgendwie immer im Hinterkopf, dass es keine Menschen sind und habe jede "Gefühlregung" hinterfragt, da sie eben so menschlich sind.
Das ist aber nicht negativ gemeint, eher finde ich die Gratwanderung interessant, die Du da gewagt hast.

Das Ende fand ich auch gut, es lässt alles offen, beendet aber trotzdem diesen Handlungsstrang. Ich würde natürlich wieder weiterlesen, Deine Bots sind sympathisch!

Smarti
 
Mir hat's auch gefallen. Ich freu mich, dass da noch was gekommen ist!

Wie Smarti auch musste ich jetzt, wo klar ist, dass es alles Roboter sind, diese allzu menschlichen Gefühlsregungen eher... sagen wir, skeptisch betrachten. Ich fand's total klasse, dass Evin sich dieser Paradoxie selbst bewusst ist und dass du damit in der Geschichte offensiv umgegangen bist, statt (wie manche Autoren das ja gerne machen) das Problem totzuschweigen und zu hoffen, dass es keiner mitkriegt : )

Jetzt bin ich aber auch auf diesen Menschen gespannt. Der dürfte ja in eher schlechtem Zustand sein. Also, ich hoffe, das war noch nicht das Ende...

Außerdem scheinen die Umstände, unter denen diese Atombombe gezündet wurde, hochpolitisch zu sein, das finde ich interessant, darüber würde ich auch gerne mehr lesen.

Also dann,

liebe Grüße und bis bald!
 
Hai hai.

@ Smarti: Sowas, jetzt seh ich ihn plötzlich auch nicht mehr. ^^
Danke fürs Lesen und Kommentieren. Ja, das ist ne Gratwanderung... und es fällt mir immer schwerer. ^^ Schwierig, sie nicht zu menschlich und nicht zu unmenschlich darzustellen. Kann gut sein, dass ich mal in ein Extrem abrutsche, aber dann schrei einfach und ich gucke, dass ich es ändere. Soviel Zeit muss sein. :)

@ Sahlene: Schön, dass du auch noch dabei bist. *g*
Jaa, dieses Totschweigen ist die einfachste Methode - zumindest vorübergehend. Irgendwann stellt man sich diese Fragen selbst und dann ist es meistens zu spät. Also immer raus damit. Aber wie schon bei Smarti gesagt, melde dich, wenn dir eine Reaktion meiner Bots nicht gefällt oder unpassend vorkommt. Ich werde mich bemühen, auf eure Kritik einzugehen. Dieser Text ist schließlich fast ne Rohfassung und hat mit Sicherheit Überarbeitung nötig.


So, dann ma weita.



Evin fühlte sich merkwürdig leicht, als er loslief. Vengar folgte ihm wie ein Schatten. Aus dem Augenwinkel bemerkte er, dass sich die meisten Bots um Sorren scharten, als hätte jemand von ihnen verlangt, Position zu beziehen. Die übrigen hatten angefangen, das Gebiet zu durchkämmen, Steinbrocken beiseite zu heben oder hinter Metallstreben nach dem Menschen zu suchen.
Evin war noch nicht einmal bei ihnen angekommen, da hörte er schon jemanden rufen:
„Hier ist er!“
Plötzlich war Gorn neben ihm und zusammen eilten sie über das unwegsame Gelände. Beinahe ehrfürchtig wichen die Bots vor ihm zurück, betrachteten ihn mit einer Mischung aus Unglauben und Verwirrung.
Tja, Freunde, dachte er bissig und schämte sich einen Moment später bereits dafür, ihr hättet nicht gedacht, dass ich den Gral finde, was?
Keiner wagte sich näher als einen Meter an das schmutzige Bündel auf dem Boden heran, als hätte es eine ansteckende Krankheit. Wer wusste schon mit Sicherheit, welche Erreger letztendlich wirklich in diesem Sprengkörper gewesen waren? Auf sie konnte er jedenfalls nicht übergehen.
Menschlich, schoss es ihm durch den Kopf. Ihr verhaltet euch wie Menschen.
Evin ging neben dem bebenden Körper in die Knie wie ein Gläubiger vor seinem Gott. Vorsichtig streckte er eine Hand nach der Seite aus, wo er den Hals vermutete, tastete sich an dem Stoff vorbei und suchte den Puls. Die Haut war feucht. Da. Bum. Bum. Bum. Zwar schwach, aber immerhin vorhanden.
„Er lebt,“ sagte er atemlos.
„Natürlich lebt er,“ knurrte Gorn, „wie hätten wir ihn sonst orten können?“
Ohne auf den Kommentar einzugehen, machte sich Evin daran, den Menschen auf die Seite zu drehen. Der Körper zuckte unter seiner Berührung zusammen, ein ersticktes Gluckern war zu hören und er zog hastig die Hände zurück. Der Mensch krümmte sich ächzend zusammen wie ein Fötus.
„Was ist mit ihm?“, hörte er Vengar schüchtern fragen.
„Das wird die Strahlung sein. Oder er hat sich irgendwo verletzt.“ Evin startete einen neuen Versuch, diesmal sanfter. Mina ging an ihm vorbei und kniete sich ebenfalls hin.
„Hey,“ flüsterte sie und fasste den Menschen an der Schulter. Dieser schnaufte wie ein Pferd, danach war ein kehliges Knurren zu hören, das in ein Gurgeln überging.
„Ich weiß nicht, Leute,“ begann Zedrick, „der sieht mir schon halb tot aus.“
„Es kann sein, dass er weiß, wo sich weitere Überlebende befinden,“ bemerkte Evin, während er den Menschen sachte und Zentimeter für Zentimeter herumdrehte.
„Ja schon, aber wenn mich mein Speicher nicht ihm Stich lässt, dann können Menschen so eine hohe Strahlung gar nicht überleben.“
„Kommt drauf an, wo sie sich aufgehalten haben,“ murmelte Evin.
„Kannst du mich hören?“, versuchte es Mina weiter. Die anderen Bots waren nun näher heran gekommen. Kurz warf er einen Blick zu Sorren, die mit Rizz die Köpfe zusammen steckte. Ein gefährliches Duo hatte sich da gesucht und gefunden. Aber das war nicht mehr sein Problem.
Mittlerweile hatte Evin ihn so weit herumgedreht, dass das Gesicht sichtbar wurde. Die Haut war stark gerötet, schälte sich an einigen Stellen bereits ab und eiterte stark. In der linken Wange klaffte ein Loch, als hätten sich Maden ins Fleisch gefressen. Darunter blitzten die Zähne hervor, so weiß, dass es beinahe makaber wirkte. Naja. Man warb damit, dass diese Kunstzähne ewig hielten. Etwas Wahres schien an der Sache dran zu sein, so unpassend sein Gedanke auch sein mochte.
„Der sieht fertig aus,“ stellte Lyce fest. Evin musste sich zurückhalten, nicht herumzufahren und einem nach dem anderen zwischen die Beine zu treten. Gorn übernahm für ihn und forderte die Bots auf, zur Seite zu treten. Die meisten schienen froh darüber zu sein und entfernten sich. Vengar zögerte einen Moment, schloss sich ihnen dann jedoch an.
Der Mensch stöhnte und stieß dann einige unartikulierte Laute aus. Sein glasiger Blick fiel auf Evin, die Augen weiteten sich und er versuchte ungelenk, davon zu robben.
„Keine Angst,“ versuchte Evin ihn zu beruhigen, erreichte jedoch nur das Gegenteil. Auch Mina war zurückgetreten und verfolgte die Szene mit nervös ineinander gekrallten Händen. Der Mensch wimmerte und keuchte, seine Hände (an einer befanden sich nur noch drei Finger) tasteten nach etwas in seiner Kleidung. Gorn hatte die Arme vor der Brust verschränkt und starrte vor sich hin.
„Ist es das, was du gesucht hast, Evin?“, fragte er düster.
„Wir müssen ihm Zeit lassen. Er ist desorientiert, verwirrt...“
„Er ist mehr tot als lebendig, das ist er. Sieh ihn dir doch an, deinen Menschen. Er steht mit einem Fuß bereits in der Hölle.“
„Da ist es zumindest wärmer als in dieser Hölle hier,“ gab Evin bitter zurück.
„Und was willst du jetzt mit ihm machen?“ Der Mensch knurrte wie ein Tier, glotzte mit weißen Augen immer wieder über seine Schulter zu ihnen und riss an seiner zerfetzten Jacke.
„Willst du ihn ins nächste Krankenhaus bringen? Ihn mit deinen überragenden, medizinischen Kenntnissen gesund pflegen? Ihm vielleicht die Hand auflegen?“
„Ich weiß es nicht!“, rief Evin aus, stand ruckartig auf und funkelte Gorn an. Dieser wich einen kleinen Schritt zurück, überwand seine Überraschung jedoch schnell.
„Toller Plan,“ bemerkte er frostig. Evin wandte sich knurrend ab und beugte sich wieder zu dem Menschen hinunter. Wenn er ihm nur irgendwie helfen könnte! Er war mit dem Kopf kaum mehr als einen halben Meter entfernt, da riss der Mann mit einem triumphierenden Schrei etwas hervor. Den Bruchteil einer Sekunde starrte Evin in den Lauf der Waffe, sein Gesicht erschlaffte in fassungslosem Entsetzen. Dann drückte der Mensch ab.
Als hätte ihn ein Skycar in voller Fahrt gerammt, wurde Evin zurückgeschleudert und landete hart auf dem Rücken. Ein spitzer Felsbrocken bohrte sich in seine Schulter, doch viel schlimmer war der krächzende Alarm in seinem Schädel. Er lag auf dem Boden wie ein Käfer, hörte, wie Gorn mit dem Menschen um dessen Waffe rang. Die Welt wurde zweidimensional, dann flackerten Farben vor seinem rechten Auge auf, hell, viel zu fröhlich, bevor die Phosphene für immer erloschen.
Material wird abgestoßen!, warnte sein System, bevor der künstliche Augapfel als der Höhle gedrückt wurde und auf seine Brust kullerte. Vengar war plötzlich über ihm und seinem verbliebenen Auge, rief etwas zu ihm herab, vielleicht seinen Namen, vielleicht etwas anderes. Der Alarm dröhnte nur für ihn hörbar, sein Hals war wie zugeschnürt, sein Gesicht prickelte. Dann schwebte Gorns Kopf über ihm, schüttelte ihn, nein, Gorns Hände schüttelten ihn, Evins Auge rollte von seiner Brust hinunter.
Falsch!, schrie sein Verstand, Falsch! Das hätte nicht geschehen dürfen! Wieso hat er das getan?
Von einer Sekunde auf die andere wurde es still um ihn herum und er fuhr hoch wie eines dieser alten Stehaufmännchen. Beinahe wäre er mit Gorn zusammengestoßen, der erschrocken den Kopf zurückriss und Evin an den Schultern packte.
„Shix,“ zischte er und betrachtete eindringlich die glänzende Augenhöhle. „Das hast du davon, du Samariter.“
„Was soll ich... damit machen, Gorn?“ Vengar hielt entgeistert Evins Auge in der Hand und betrachtete es wie einen ungewöhnlich geformten Stein.
„Gib es mir,“ murmelte Evin schwach und streckte die Hand aus.
„Du kannst es nicht einfach wieder reinsetzen.“
„Ich weiß, Gorn.“ Er ließ es geistesabwesend in seine Jackentasche gleiten und betastete sein Gesicht. Das System informierte ihn beinahe anklagend darüber, dass die Regeneration der Hautzellen nun einsetzte.
„Hier haben wir nicht die Mittel, um dein Sehvermögen völlig wiederherzustellen.“
„Sein Auge ist draußen...“, sprach Vengar kopfschüttelnd vor sich hin.
„Ich sehe gut mit einem Auge.“ Wie um seine Behauptung zu untermauern machte Evin einen Schritt vorwärts und spähte an Gorns breiten Schultern vorbei. Der Mensch lag zusammengekrümmt da, atmete flach. Ob ihn jemand k.o. geschlagen oder er sich einfach überanstrengt hatte, war nicht ersichtlich.
Zuerst wollte er sich dem Menschen erneut nähern. Mit ihm reden. Ihm alles erklären. Aber seine Füße bewegten sich nicht. Er spürte Gorns bohrenden Blick auf sich, den Mund hatte zu einem ernsten Strich zusammen gepresst. Dann machte Evin doch zwei Schritte und ließ sich in sicherem Abstand zu dem Verletzten auf dem Boden nieder. Die Feuchtigkeit drang bereits nach einigen Sekunden durch seinen Hosenboden. Etwas Regenwasser lief ihm von der Stirn in die leere Augenhöhle und von dort aus weiter die Wange hinunter.
„Das darf doch nicht wahr sein!,“ schimpfte Gorn.
„Evin-“ Vengar kam auf ihn zu, aber er wollte nicht mit ihm sprechen.
„Geht weiter. Ich bleibe.“
„Aber du kannst doch nicht hier bleiben! Hier ist doch... nichts!“
„Ich sagte, ich begleite euch, bis ich einen Überlebenden finde.“ Kraftlos drehte er halb den Kopf zu dem jungen Bot herum. „Geht weiter.“
Eine Pause folgte. Vengars Fassungslosigkeit wandelte sich zu trauriger Resignation.
„Ist das wirklich dein letztes Wort?“
Evin nickte wortlos, da er seiner Stimme nicht traute. Wieder drohte ihn diese tiefe Müdigkeit zu übermannen, der beinahe übermächtige Wunsch nach Ruhe.
Geht endlich und lasst mich zufrieden, dachte er und war sich bewusst, wie egoistisch und verbittert dieser Wunsch war. Aber er hatte keine Kraft mehr, auf die anderen zu achten. Er verfolgte seinen Weg und sie den ihren. Ab hier konnten sie nicht mehr gemeinsam gehen.
Schritte entfernten sich schlurfend. Evin kämpfte das Bedürfnis nieder, dem Jungen noch etwas zum Abschied hinterher zu rufen. Stattdessen legte er den Kopf in den Nacken und schloss das Auge.
Schwarz. Wie der Himmel. Wie die Erde.
Wie der Tod. Zumindest sagten das die Menschen.
Die letzte Ruhe... wie er sich nach Ruhe sehnte.
 
brav.^^
ja, die fortsetzung der geschichte hat mir schon mehr stoff zum nachdenken gegeben. schon seltsam, ein roboter, dem gegeben ist, menschlich zu sein und der sich am ende nur noch nach dem tod sehnt.
und den gefundenen menschen könnte man fast als symbol für den zustand der gesamten menschheit in deinem szenario betrachten, verstümmelt, enstellt, ängstlich und trotzdem nicht bereit von der sinnlosen gewalt abzulassen.
auch das mit- und gegeinander der figuren hast du schön weitergeführt.
es ist keine ganz leichte sache, wenn man ein zuvor abgeschlossenes werk doch noch weiterführt, da is die gefahr groß, dass es vl krampfhaft und erzwungen wirkt, in diesem fall aber, wirkt es noch sehr viel runder und vollkommener.
irgendwie hat man das gefühl, als hätte genau das zuvor gefehlt^^
vl durchstöberst du ja nochmal deine anderen kurzgeschichten, möglicherweise schreit ja noch eine danach, weitergeführt zu werden...uns würde es freuen

der toffel
 
Na klar, wenn Du ins Spähren wie Casshern abgleitest, schreie ich ganz laut!

Dieser Vergleich des Menschen mit dem Heiligen Gral fand ich schon ziemlich bezeichnend für ihre Situation, das stach gleich heraus! Allerdings war das Ergebnis ja wirklich erschreckend und auch wirklich unerwartet.
Hast Du gut dargestellt, wäre ja auch etwas unrealistisch gewesen, hätte der Mensch nur ein paar Schrammen abbekommen. Wenn ich mir den Anblick allerdings so vorstelle, hab ich keinen Hunger mehr.
Den Teil mit der Waffe finde ich auch irgendwie wieder bezeichnend für die Beziehnung der Menschen zu ihren kybernetischen Mitmenschen, jedenfalls in Deiner Geschichte.
Komme so langsam richtig in Leselaune, mach ruhig noch mal weiter!

Smarti
 
Auch dieser Teil, da kann ich mich nur anschließen, sehr gelungen. So in der Art hatte ich mir den Menschen doch vorgestellt - durch die Katastrophe, so wie man das ja auch in der Realität schon oft hat sehen können, auf animalische Instinkte reduziert: Schmerz, Angst, Hass.

Das, und vor allem die erschrockene Reaktion der Bots, hast du ganz toll gezeigt. Und ich kann nur allen zustimmen, die meinen, der Vergleich des Überlebenden mit dem Heiligen Gral sei passend gewählt. Genau wie die Suche nach dem Gral die Menschen in die Irre führt, so hat wohl auch die Suche nach Überlebenden die Bots auf einen falschen Weg geführt. Wer von ihnen es möchte, der kann seine Vorurteile nun bestätigt sehen.

Die fortschreitende Isolierung von Evin ist auch gut gezeigt, wobei sein Wunsch nach dem Tod ein eher tragischer Höhepunkt ist. Da hat die Menschheit die Roboter so menschlich gemacht, dass ihnen das "Leben" zur Qual wird.



Barmherziger wäre es wohl, sie als Maschinen zu belassen, nicht?



Damit viele Grüße und bis bald hoffentlich!
-lene
 
Hallo zusammen,

@ dark-toffel: Jo, das stimmt. Er steckt in einem Teufelskreis fest und irgendwie scheint jeder Weg eine Sackgasse zu sein. Er will helfen, will sich von denen abheben, die die Menschen bekämpfen, doch das Opfer will nicht gerettet werden und schon gar nicht von einem Bot.
Das freut mich. Das hier ist die zweite KG, die ich weiterführe und ich hoffe, dass ich sie auch zuende bringen kann. Bisher ist mir das nur recht selten gelungen. Kurzgeschichten schreibt man runter und sie sind fertig. Bei längeren Sachen habe ich eine Schlussangst und höre meistens auf, ohne sie zu beenden. Blöd, ich weiß. Aber hier wird mir das nicht passieren. ^^

@ Smarti: Casshern kam doch erst letztens im TV, oder? Ich wollts mir anschauen, habs aber dann verpasst.
Tja, ich hab wahrscheinlich zu viel Stephen King gelesen in letzter Zeit. Der haut mit seinen Beschreibungen auch immer ziemlich rein, das ist schon manchmal zu eklig, finde ich. ^^ Aber wie du schon gesagt hast, wäre der Mensch nur leicht angeschlagen, wärs ja Unsinn. Bei so einer Katastrophe...
Freut mich, dass dir die Story noch immer Spaß macht. *gg* Ich bin schon fleißig am Weitertippen.

@ Sahlene: Danke für dein Lob. Mir fällt es recht schwer, so viele Charas auf einmal in eine Szene zu stopfen, da hab ich immer Angst, dass es hölzern wirkt. Freut mich umso mehr, dass es mir scheinbar gelungen ist, den Teil lebendig zu gestalten. ^^
Das stimmt. Ich hab mich mal im Net schlau gemacht und diese Ki-Forschung ist ja schon recht weit fortgeschritten. Natürlich bei weitem nicht so wie in meiner Story, aber wer weiß, was in einigen Jahren ist? Wozu braucht man Roboter, wieso sollen sie immer intelligenter und menschenähnlicher sein, wenn man sie doch nie wie Menschen behandeln würde? Das ist ziemlich paradox und ich schätze, dass es irgendwann genau so diskutiert werden wird wie das Klonen. Naja. Abwarten. *gg*


Soooo, dann mal weiter im Text.



„Also.“
Die Stimme schien von weit her zu kommen. Evin brauchte einige Sekunden, um sie Gorn zuzuordnen. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er die ganze Zeit den Menschen angestarrt hatte – Minuten? Stunden? Im Grunde war es völlig egal. Wenn es etwas gab, das sie hatten, dann war das Zeit.
Fragte sich nur, wie viel der Mensch noch davon besaß.
„Also was?“, erwiderte er einfallslos. Gorn ließ sich schwer neben ihm nieder und legte die Unterarme auf die Knie, sodass seine Hände dazwischen baumelten.
„´Also` heißt: Sie sind weg.“
„Ich wusste gar nicht, dass `also` sowas bedeuten kann.“
„Man lernt nie aus.“
„Gorn, was soll das heißen, sie sind weg?“
Der Größere verdrehte die Augen. „Mann, Evin. Was heißt das wohl? Sie – sind – weiter – gegangen.“
„Und du?“
„Ich bin hier.“
„Ja,“ stöhnte Evin und drehte sich schwerfällig zu seinem Gesprächspartner herum, „das seh ich. Aber wieso? Gorn, du wolltest nie bleiben! Du wolltest hier weg, vielleicht vor allen anderen!“
„Dein Auge sieht schon wieder etwas besser aus. Kam noch eine Warnmeldung?“
Evin schüttelte den Kopf. „Wann sind sie los?“
„Vor etwa zehn Minuten.“ Mit dem Fuß kratze Gorn im Schmutz herum und warf dann einen beinahe verstohlenen Blick auf den Menschen.
„Ich verstehe dich nicht. Ich meine, wenn Vengar geblieben wäre, dann-“
„Wollte er. Ich konnte es ihm ausreden.“
„Ach ja? Toll.“
Es kam giftiger heraus, als er beabsichtigt hatte und er beeilte sich, etwas hinzuzufügen.
„Warum befolgst du nicht deinen eigenen Rat und gehst auch, Gorn? Es war meine Entscheidung, hier zu bleiben.“
„Und es ist meine Entscheidung, bei dir zu bleiben,“ sagte Gorn finster. Da war wieder dieser Blick, dieses Befehlende in seinen Augen, das Evin durch Mark und Bein ging.
„Ich werde meine Meinung aber nicht ändern,“ erklärte er und klang dabei erschreckend unsicher, selbst in seinen Ohren.
„Ich weiß,“ meinte Gorn, als gäbe es nichts Selbstverständlicheres.
Dann schwiegen sie sich an. Evin wusste nicht, was er noch sagen konnte, denn es kam ihm so vor, als hätte er bereits alles gesagt, was es gab. Mit einem Mal fühlte er sich wieder unglaublich müde, aber es war plötzlich eine andere Art von Müdigkeit. Nicht diese erdrückende Hoffnungslosigkeit von vor wenigen Augenblicken. Nicht die Last der selbst aufgebürdeten Mission, die überlebenden Menschen zu retten. Was ihn so ermüdete waren Zweifel. Klein und leise fragte eine Stimme in seinem Kopf, ob er das Richtige tat.
Du Narr... weiß du eigentlich, was du willst? Zuerst setzt du alles daran, die Gruppe für dein Vorhaben zu gewinnen und wenn der größte Zweifler sich dir anschließt, stellst du alles in Frage. Unglaublich... Die müssen bei deiner Konstruktion irgendwas in deinen neuronalen Netzen angekokelt haben.
Evin massierte sich die Stirn. So oder so ähnlich mussten sich wohl Kopfschmerzen anfühlen. Der Mensch regte sich und zog augenblicklich ihrer beider Aufmerksamkeit auf sich. Der Mann wimmerte und wälzte sich umständlich auf die Seite. Gorn betrachtete ihn mit kalter Faszination, wie manch einer ein halbtotes Tier betrachten würde, das er angefahren hatte.
„Er wird sterben.“ Die Endgültigkeit seiner Worte schnürte Evin die Kehle zu. Eilig stemmte er sich in die Höhe und machte erneut einige Schritte auf den Verletzten zu. Dann warf er noch einmal einen Blick über die Schulter.
„Wo ist seine Waffe?“
Gorn sah ihn lange an, die Augen wie blaugraue Spiegel.
„Sorren,“ sagte er schließlich.
„Du hast sie ihr gegeben? Warum?“ Verständnislos schüttelte Evin den Kopf.
„Wir haben einen langen Weg vor uns. Ich habe nicht vor, ewig hier zu bleiben, wenn du das vielleicht denkst, Evin. Und bis ich wieder zu ihnen stoße, wird Sorren mit dem Ding keinen allzu großen Schaden angerichtet haben.“
Ohne ein weiteres Wort wandte sich Evin ab. Der Mensch glotze zu ihm hoch. Mittlerweile hatte er sich auf den Rücken gedreht und nuschelte etwas vor sich hin, das er nicht verstand. Evin hob die Handflächen nach oben, um zu zeigen, dass er ihm nichts tun wollte, doch das schien den Mann nicht sonderlich zu beruhigen. Er grunzte, rutschte auf dem Hinterteil ein Stück von ihm fort und kämpfte sich dann in eine halb sitzende Position.
„Haiff Pods“, murmelte er dann. Evin runzelte die Stirn.
„Kannst du das wiederholen? Ich habe dich nicht verstanden.“ Er sprach so langsam und deutlich, wie er konnte. Wer wusste schon, wie es um die Hörfähigkeit seines Gegenübers stand?
„Ammde Gerle!“, rief der Mann aus, die Lippen zu einem grotesken Grinsen verzogen. Im nächsten Moment wurde Evin allerdings klar, dass der Mensch weinte oder es zumindest versuchte. Als er merkte, dass es ihm nicht gelang, erschlaffte sein Gesicht und wirkte wie eine amateurhafte Halloween-Maske.
„Verstehst du, was er sagt?“, fragte er Gorn. Dieser war plötzlich neben ihm, antwortete jedoch nicht.
„Fadamde Misgerle!“, stieß der Mensch hervor und streckte ihnen seine verkrüppelte Hand entgegen, als wolle er sich damit von sich wegstoßen.
„Ich glaube, er beleidigt uns,“ bemerkte Gorn.
„Wir wollen dir nichts tun.“ Evin ging langsam in die Knie. Sie mussten riesig für den Menschen wirken. Die meisten Bots waren körperlich größer als ihre Vorbilder aus Fleisch und Blut und dass sie ihn dermaßen überragten war bestimmt nicht gerade förderlich in dieser Situation. Er bedeutete Gorn mit einem Blick, es ihm gleichzutun, und dieser kam der Aufforderung widerwillig knurrend nach. Eine drängende Unruhe beschlich ihn. Was hatte er noch zu Vengar gesagt? Dass er sich mehr wie ein Mensch fühlte?
Diese grausame Karikatur eines Menschen dort zu seinen Füßen ließen seine eigenen Worte wie das dumme Geschwätz eines Kindes erscheinen.
Sieh es ein, Pinocchio. Du bist eben doch kein richtiger Junge.
„Keh weg! Fa... Verdamde Bots!“
„Ich bezweifle, dass er mit uns reden will,“ stellte Gorn fest. Glaubte er wirklich, dass er so schnell aufgab? Gerade Gorn sollte ihn doch besser kennen.
„Wir wollen dir nur helfen. Niemand tut dir was,“ versuchte er es erneut. Mit großen Augen stierte der Mensch zu ihm hoch, blieb jedoch still. Dann bewegten sich seine rissigen Lippen wie in einem stummen Gebet, sodass sich Evin noch näher heranbeugen musste, um etwas zu verstehen.
„Komm ihm lieber nicht zu nah,“ warnte Gorn. Mit einer Handbewegung brachte er ihn zum Schweigen und war selbst überrascht, dass es ihm gelang.
Doch auch, als er mit dem Ohr fast am Mund des Menschen hing, konnte er aus dem wirren Gebrabbel nichts Bedeutendes heraushören. Dann holte der Mann rasselnd Luft und spuckte ihm blutigen Speichel ins Gesicht. Er lachte gurgelnd, begann dann wieder zu schluchzen wie ein defekter Tedddy und krümmte sich zusammen.
Evin schloss die Augen. Langsam wischte er sich mit den Fingern die klebrige Flüssigkeit ab und zog anschließend den Handschuh aus. Einen erschreckenden Augenblick lang verspürte er das Bedürfnis, dem Menschen das Leder um die Ohren zu schlagen, immer wieder, bis er ihm zuhörte, wirklich verstand, was er sagte. Starben diese Wesen denn alle so? Verbittert, bösartig, abweisend, von unendlichem Gram erfüllt, dass ihre Zeit um war? Nie zuvor hatte er einen Menschen in seinen letzten Minuten gesehen, nie in die wie ihm Wahn glitzernden Augen geschaut, die Hass und Angst versprühten wie eine Schlange ihr Gift.
Als der Drang schwächer wurde, warf er den Handschuh davon. Er landete auf dem Schutt wie eine Krähe, die im Flug gestorben war.
 
Yo, ich zuerst!

Ja, Casshern kam letztes WE und hat mich mal wieder um gut drei Stunden Schlaf gebracht und bestimmt auch für ein paar graue Haare gesorgt. Keine Sorge, da bist Du noch weit genug entfernt, bleib lieber bei S.King, das ist viel interessanter.

Also...*g* Das erstaunt mich jetzt auch ein wenig, dass Gorn geblieben ist, allerdings wäre ohne ihn ja auch nur noch eine eingeschränkte Handlung möglich, denn der Mensch machts ja wirklich nicht mehr lange. Die Nuschelei ist Dir übrigens gut gelungen, musste auch einmal raten, was es heißen könnte.
Evins Sorge um den Verbleib der Waffe fand ich auch sehr spannend, da es ja einen tieferen Einblick in das soziale Gefüge der Bots erlaubt. Menschlich, aber irgendwie logischer und überlegter, da er sicherlich nicht daran gedacht hat, durch die Waffe einen Vorteil zu erlangen, sondern eher darüber nachdenkt, welchen Schaden sie in falschen Händen anrichten könnte.
Das war jetzt sehr interpretativ, aber kürzer ging es nicht.
Das er den Drang ihn zu schlagen unterdrückt hat, war gut denn so grenzt Du sie wieder vom "normalen" Menschen ab, der impulsiv gehandelt hätte.

*wart*

Smarti
 
Hi hi


@ Smarti: Steven King ist auch wirklich interessant. Eigentlich hab ich ihn in den letzten Jahren erst entdeckt. Meine Mutter hat immer schon gerne Bücher von ihm gelesen, aber damals hab ich die nie verstanden. ^^ "Sie" von ihm ist genial oder "Dolores". Im Moment sitze ich an "Der Schwarze Turm" Reihe, aber ich stecke im vierten Band fest...

Das ist ein Grund. ^^ Der andere ist, dass ich Gorn mag. Und ihm kommt auch noch eine Rolle in dieser Geschichte zu.
Gerne, interpretier nur weiter. :) Ich bin froh, wenn es so wirkt. Vor allem in den letzten zwei Teilen hatte ich Bedenken, dass es zu menschlich geworden ist... Es fällt mir ehrlich gesagt immer schwerer.

Dann mach ich mal wieder weiter.




Evin griff vorsichtig, aber nachdrücklich nach der Kleidung des Menschen und zog ihn testweise ein Stück zu sich her. Der Stoff hielt, die Proteste des Mannes ignorierte er schlicht. Dann hob er das gurgelnde, krächzende Wesen mit ausgestreckten Armen hoch, drehte sich mit ihm um und steuerte auf eine Ruine zu, die er ihm einigermaßen geschützt erschien. Ungelenk schlug der Mensch auf seine Arme ein, doch es wirkte bizarr, so kraftlos waren seine Versuche, ihn zu verletzen.
„Ich bringe ihn aus dem Regen raus,“ erklärte Evin über die Schulter hinweg, da er Gorns kalte Augen im Rücken spürte. Seinem System gelang es recht gut, seine momentanen visuellen Probleme auszugleichen, sodass er sich fast normal orientieren konnte.
Der Schwarzhaarige sparte sich die Antwort. Evin manövrierte sich und das aufgebrachte Bündel unter einer Titanverstrebung hindurch und entdeckte etwas erhöht eine beinahe ebene Fläche. Die Decke in diesem Chaos, das einst ein Wolkenkratzer gewesen sein konnte oder nur ein einstöckiges Gebäude, bildete eine Masse aus Glas, Metall und Gestein, das sich beinahe künstlerisch ineinander gefressen hatte, als hätte es sich mit aller Kraft gegen die Explosion stemmen wollen.
Im Inneren war es weitgehend trocken, nur einige Tropfen sickerten durch unsichtbare Ritzen. Es gelang ihm, den Menschen auf die glatte Fläche zu legen. Dann zog er seinen Mantel aus und deckte ihn damit zu. Wimmernd wehrte sich der Mann, stieß den Mantel immer wieder von sich weg, trat danach, sodass Evin ihn jedes Mal aufs Neue zurecht rücken musste, damit er seinen Zweck erfüllte. Nach einigen Minuten hatte der Mensch wohl erkannt, dass Evin den längeren Atem hatte und er gab sich seufzend geschlagen. Sein Atem ging stoßweise wie der eines Pferdes, wobei die meiste Luft durch das Loch in seiner Wange hinauspfiff.
Es war ungerecht. Ungerecht, dass er derjenige sein musste, der diesem Menschen erklärte, wieso er sterben würde, dass er ihm in die Augen sehen und zugeben musste, dass seine Art Schuld am Elend der Menschheit war. Die Neue Generation schrecke ja noch nichteinmal davor zurück, andere Bots zu opfern, um ihre Botschaft zu verbreiten: Die Menschen haben die längste Zeit die Erde beherrscht. Sie waren es, die sagten, dass nur der Stärkste überleben kann. Wir haben eine Bombe gezündet, und wer steht noch aufrecht? Wer ist nun der Stärkere? Die Erde dreht sich auch ohne euch weiter.
„Du... du weißt, dass nicht alle Bots – nicht alle hassen die Menschen. Nicht alle sind Schuld an dem, was geschehen ist.“
Suchst du Vergebung, Evin? Ist es das? Suchst du Vergebung bei einem Todgeweihten, willst du so lange auf ihn einreden, bis er dir gibt, was du verlangst?
„Es gibt da eine Gruppe. Du hast sicher schon von ihr gehört.“ Evin ließ sich in die Hocke nieder, um etwa auf gleicher Höhe mit dem Mann zu sein.
„Seit Jahren schon. Sie nennen sich Neue Generation. Anfangs kämpften sie noch für Gleichstellung und Anerkennung. Ihnen haben wir es zum Beispiel zu verdanken, dass die Nummern von unseren Identitätskarten verschwunden sind. Das war ein großer Erfolg damals.“
Zwar konnte Evin nicht genau sagen, ob der Mensch ihm zuhörte oder nicht, aber zumindest machte er keine Anstalten, ihn anzugreifen. Er lag nur da und starrte nach oben. Sogar das Schnaufen war leiser geworden.
„Später dann, ihre Mitgliederzahl war rapide angewachsen, begannen sie sich paramilitärisch zu organisieren. Sie verurteilten kriminelle Handlungen, wenn einer ihrer Mitglieder auffällig wurde, dann gingen sie an die Öffentlichkeit und verstießen ihn. Ihre militärischen Strukturen dienten der Selbstverteidigung, hieß es, denn von allen Seiten wurden die Bots angefeindet. Und tatsächlich hörte man lange Zeit nichts von ihnen. Die Situation in den Großstädten entspannte sich sogar, es gar nur noch wenige rassenfeindliche Übergriffe. Die Neue Generation steckte Grenzen ab. Lasst uns in Ruhe und wir lassen euch in Ruhe. Anfangs klang das für mich nicht sehr einleuchtend, da damit nur der Graben zwischen unseren Arten breiter werden könnte. Das dachte ich zumindest. Aber es half. Sie ließen keine Gelegenheit aus, um ihre friedlichen Absichten zu beweisen. Trotzdem wurden sie natürlich von der Polizei und den Geheimdiensten strengstens überwacht. Aber nicht ein Mal konnte ihnen ein Verbrechen nachgewiesen werden. Nicht ein Mal.“
Sein System meldete, dass es bereit für die Neueinsetzung einer visuellen Einheit sei, aber Evin schaltete die Meldung ab. Noch immer stierte der Mann an die Decke. Ein Tropfen landete auf seiner Stirn und lief seine Wange hinab.
„Aber irgendwann... irgendwo auf ihrem Weg müssen sie sich verlaufen haben. Vielleicht war ein neuer Anführer Schuld daran. Ich habe mal sowas gehört, auch wenn es hieß, dass ein Rat der Kopf ihrer Organisation sei. Wer weiß das schon so genau. Jedenfalls stellten sie wieder Forderungen. Abwegige Forderungen von Quoten und Bevorzugungen. Davon, dass ärztliche Tauglichkeitsuntersuchungen über die Eignung entscheiden sollten, denn jeder Bot würde besser als ein Mensch abschneiden und wäre somit von vornherein für jegliche Art von Arbeit geeigneter. Sie verlangten, dass Bots der Weg in die Politik geöffnet wurde, dass sie Parteien gründen durften. Es gab auch viele Menschen, die in dasselbe Horn bliesen, die lauthals nach mehr Rechten für die Bots schrieen. Im Net tauchten immer öfter Hetzschriften auf, Videobotschaften unterbrachen das TV-Programm. Während sich die Gruppe anfangs noch von diesen Aktionen distanzierte, nahm die Aggression in der Bevölkerung wieder zu. Ich selbst bin zwei Mal innerhalb von drei Monaten auf offener Straße angegriffen worden. Einem Arbeitskollegen wurde der Kopf entfernt und zerschlagen. Sein K.I.-Chip konnte nicht mehr gerettet werden und somit war seine Persönlichkeit verloren. Aber du weißt sicher, was das bedeutet.“
Evin ertappte sich dabei, wie er auf eine Antwort wartete. Tatsächlich drehte der Mensch den Kopf etwas in seine Richtung. Die Augen hefteten sich auf sein Gesicht.
„Nicht alle hassen die Menschen,“ wiederholte er und hatte gleichzeitig das Gefühl, es nicht oft genug sagen zu können. „Viele wollen ein Zusammenleben. In den letzten Jahren wurde ich nicht schlecht behandelt, nicht so wie zu Anfang. Man zollte mir Respekt und mehr verlange ich nicht. Ich bin kein Mensch, das ist mir klar. Aber wir sind denkende, fühlende Wesen wie ihr. Genau wie ihr.“
„Wie wir,“ flüsterte der Mensch.
„Ja.“ Evin nickte langsam.
„Enau wie wir.“ Der Mensch verzog die Lippen, die Augen wurden schmaler. „N´darum... darum lebt ihr, `nd wir farreckn. Weil... ihr enau seid i wir.“
Einen Moment schwieg Evin, weil er wusste, dass es keinen Zweck hatte, zu widersprechen. Er hatte sich hinreißen lassen. Er hatte sich hinreißen lassen und war nun in der Position, einen Fehler eingestehen zu müssen.
Ein richtiger Junge stirbt an radioaktiver Strahlung, während du fröhlich in der Sonne tanzt. Pass bloß mit deiner verdammten Nase auf, so lang ist sie noch nie gewesen...
 
Diesmal leider ohne Feedback, aber es geht trotzdem weiter - falls noch jemand liest...




Mit nun gesenktem Kopf fuhr er fort:
„Die Explosion im Spencer-Zentrum war nur ein Test. Zwar haben die Behörden nicht viel verlauten lassen, und die Informationen waren widersprüchlich, aber man hätte ahnen können, dass da noch mehr kommt. Die Neue Generation hatte sich zurückgezogen. Und vor einigen Tagen dann...“ Tatsächlich wusste Evin nicht mehr genau, wann sie losgezogen waren und musste nachsehen: „Vor drei Tagen, ich war im Äußeren Bezirk unterwegs, da passierte es plötzlich. Es war wie ein Sturm, der über die ganze Stadt fegte und sie niederriss, alle auslöschte, Bots wie Menschen. Die eigenen Mitglieder werden sie gewarnt haben, denke ich, aber für sie sind alle, die nicht auf ihrer Seite stehen, wohl nicht die Mühe wert.
Und nicht nur hier sieht es so aus, fürchte ich. Diesmal haben sie Ernst gemacht. Ihr Masterplan, ihre Rache. Wenn ich nur daran denke, wo auf der Welt die Neue Generation überall Niederlassungen hat...“
Es auszusprechen, machte die Sache nicht besser. Als wäre ein Schleier vor seinem Gesicht weggezogen werden, der ihm die ganze Zeit die Sicht geraubt hatte, wurde Evin das ganze Ausmaß der Katastrophe bewusst. Wenn auch nur in allen Weltstädten eine dieser Bomben hochgegangen war... und dies hier war kein Weltstadt gewesen. Eine völlige Neuverteilung, ach, was sagte er, eine völlige Neuordnung der Welt! Reset, alles zurück auf Null. Über die Leichen der gesamten Menschheit.
Nur mit Mühe beherrschte er sich und lenkte seine Aufmerksamkeit auf den Verletzten.
Dieser atmete flach und langsam. Seine Hände zuckten wie Fische auf dem Trocknen. Trotzdem machte er keine Anstalten, etwas zu Evin Geschichte zu sagen.
Selbst fühlte er sich so ausgelaugt wie schon lange nicht mehr. Nachdem er alles erzählt hatte, was er sagen wollte, alles so gut es ging erklärt hatte, kam er sich leer und machtlos vor.
Und jetzt? Was passiert jetzt?
Darüber hatte er sich bisher keine Gedanken gemacht. Was, wenn der Mensch nichts von anderen Überlebenden wusste? Wenn es gar keine anderen Überlebenden gab?
Dann musste er weitersuchen. Weg von hier, wo die Hoffnung kein versengter, verstrahlter Haufen Fleisch war, der ihn anspuckte und ihm ein Auge herausschoss.
Vielleicht hast du genau das verdient.
Nein, hatte er nicht!
„Tas... macht sie auch nich mehr lebendig.“ Der Mensch stöhnte, als hätte ihm dieser doch recht deutlich gesprochene Satz immense Energie gekostet.
„Das stimmt.“ Etwas von seinem inneren Feuer war unwiederbringlich erloschen und hatte lediglich einen Funken zurückgelassen, der ihn noch antrieb.
„Alle tot... alle.“
Evin nickte schwach. Was konnte er anderes tun als das? Er wollte die Menschen retten und alles, was ihm nun übrig blieb war, einem von ihnen das Sterben zu erleichtern.
Dann lachte der Mann wieder rasselnd.
„Wir hättn – euch nie kons...druirn dürfen. Blechhaufn.“
Diesmal erwiderte Evin nichts. Es widerstrebte ihm, sich selbst zu verleugnen und wenn er sich noch so sehr mit den Menschen verbunden fühlte.
Für den zu seinen Füßen zumindest schien die Unterhaltung damit beendet zu sein, denn er hatte den Kopf wieder zur Seite gedreht und murmelte vor sich hin. Evin blieb noch eine Weile bei ihm. Immer wieder überkamen den Menschen heftige Krämpfe, er hustete Blut, schlief zwischendrin aber auch ein, was ihm gut zu tun schien.
Gerade als Evin draußen nach Gorn sehen wollte, rollte der Kopf des Mannes doch noch einmal zu ihm herum, das Gesicht ausdrucksloser denn je. Zuerst dachte Evin, dass es nun endgültig zuende ging und eine tiefempfundene Trauer stieg in ihm auf, die sowohl dem Menschen, als auch allen anderen galt, die in den letzten Tagen gestorben waren oder noch sterben würden. Aber der Mann holte vorsichtig Luft, der Blick flackerte.
„Bringes zuende.“
Evin war zu einer Antwort nicht fähig und starrte den anderen lediglich an. Dieses schwer verletzte Wesen, das mehr tot war als lebendig und sich niemals wieder erholen würde, nicht mit den heutigen medizinischen Möglichkeiten und schon gar nicht hier zwischen diesen tropfenden Steinen... Es war ein Wunder, oder wie man es auch immer bezeichnen mochte, dass es der Menschen überhaupt geschafft hatte, bis hierher zu kriechen. Ein Wunder, das er gesucht und gefunden hatte.
„Bring es zu... zuende.“
Scheinbar wandte der Mensch seine letzten Kraftreserven auf, denn sein Blick wurde einen kurzen Moment wieder klar. Und fordernd. Es war ein Befehl, wurde Evin plötzlich bewusst. Ein Befehl von einem hochgestellten an ein niederes Wesen und keine Bitte unter Gleichen. Eigentlich hätte ihn diese Tatsache treffen sollen, aber er spürte nichts, außer vielleicht dem leisen Zerplatzen seiner letzten Illusionen, von deren Existenz er selbst schon gar nichts mehr gewusst hatte.
Bewegungslos stand er da. Sah sich selbst, wie er dem Menschen die Kehle zudrückte, nur wenige Sekunden lang, doch es würde reichen. Sein schwerfälliger Atem würde versiegen, sein Körper würde sich entspannen. Es wäre ein Gefallen.
Ein Gefallen, den er ihm unmöglich erweisen konnte.
Beinahe fluchtartig stürzte Evin aus dem provisorischen Unterstand, fuhr sich mit einer Hand über das Gesicht und ging einige Schritte. Er glaubte, die Augen des Menschen auf dem Hinterkopf zu spüren und begab sich außer Sichtweite.
Das konnte er nicht. Er würde kein Mörder sein, nicht nach all der Gewalt und dem rücksichtslosen Morden! Niemals.
Dann begann er zu laufen. Planlos, menschlich, einfach nur um etwas zu tun. Schnee rieselte auf ihn nieder, zum ersten Mal seit Stunden. Den Boden bedeckte bereits eine dünne, weiße Schicht, ein wenig Farbe in dieser schwarzen Welt. Und er lief weiter, immer geradeaus, ohne sich umzusehen. Lief, weil er helfen wollte, weil er Unrecht wieder gut machen wollte.
Und das Einzige, was er zu tun gebeten wurde, war ihm unmöglich.
 
Zurück
Oben Unten