Sahlene
Sinful Hypocrite...
Ich habe mich mal wieder von meinen Launen leiten lassen und ein wenig geschrieben. Auch keine glückliche Geschichte, obwohl sie, wie ich finde, auch etwas groteskes hat. Übrigens: Nein, keine Fantasy, keine SciFi. Nur ein ganz normaler Mensch. Fast ganz normaler Mensch.
Würde mich freuen, wenn ihr etwas ähnliches fühlt wie ich, nachdem ihr das hier gelesen habt.
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Erstes und letztes Kapitel - Leben
„Schule war scheiße.“
„Das sagst du bloß, weil du schlechte Noten bekommen hast, nicht wahr? Wenn man irgendetwas nicht kann, ist es immer ungeliebt.“
„Hör auf mich zu analysieren. Ich hab’ einfach einen schlechten Tag.“
„Siehst du? Schon wieder. Du denkst, du kannst mich abspeisen mit einer unwahren Erklärung, obwohl du weißt, dass ich darauf nicht hereinfalle. Das nennt man Verdrängung. Du verdrängst Tatsachen, mein Kind. Genauso ist es mit der Schule. Du verdrängst deine schlechten Leistungen, damit du die Schuld auf die Schule schieben kannst. Darum ist Schule für dich ‚scheiße’.“
„Ich sagte, du sollst aufhören, mich zu analysieren!“
„Jetzt fällt dir nichts mehr ein und du fängst an rumzuschreien. Typisch. Du solltest Argumente, wenn du denn welche hast, ruhig und klar rüberbringen und auf dieses emotionale Köpfeeinschlagen verzichten. Davon hat niemand etwas. Wirklich, ich wünschte, du kämst einmal zu mir in die Praxis. Da könnten wir ungestört über deine Probleme reden -“
„Langsam glaub’ ich echt, du bist selber gestört. Ich gehe doch nicht zu meinem Vater in die Praxis, um mich therapieren zu lassen!“
„Das ist unreif. Man muss persönliche Vorlieben manchmal außen vor lassen -“
„Halt die Klappe!“
Mit einem lauten Rumms ging die weiß gestrichene Holztür des Zimmers des jungen Mädchens zu. Herr Gräf blickte sich kurz um, schüttelte den Kopf über den Lärm, den seine Tochter täglich veranstaltete, und wandte sich wieder seiner Zeitung zu, die in Miniaturschrift verkündete, soeben hätten die Gewerkschafter der IG Metall ihren Streik beendet und 1,5 % mehr Lohn erkämpft. Ein kurzer, abschätzender Blick in sein Portemonnaie sagte ihm, dass auch er einer Gewerkschaft beitreten sollte. Schon allein, um die riesigen Mengen an Geld zu beschaffen, die Frau Gräf für ihren täglichen Blumeneinkauf benötigte.
„Sind sie nicht wunderschön? Ich habe dieses helle blau gewählt, weil es so hervorragend mit den Vorhängen im Gästezimmer harmoniert.“
„Haben wir im Gästezimmer überhaupt Platz für dieses Monstrum von Pflanze?“
„Das ist kein Monstrum!“
„Ja, natürlich, du hast sicher recht.“
„Also, denkst du nicht, es wäre angebracht, dieses zarte Gewächs dorthin zu stellen? Auf die Kommode? Wir müssten nur diesen seltsamen nackten Mann -“
„Das ist eine Davidsstatuette. Von Leonardo da Vinci.“
„Hm. Also, wir müssten nur diesen seltsamen nackten Mann irgendwo anders hinstellen, dann würde das wunderbar hinkommen.“
„Mit anderen Worten: ich muss jetzt aufstehen und das Ding wegtragen, einen anderen Ort finden, der noch kein Moos oder irgendein anderes Grünzeug angesetzt hat, die Statuette dort abstellen, und dann dieses hellblaue Teil da hinstellen, obwohl es eigentlich mit dem Gästezimmer harmoniert?“
„Sprich nicht so lapidar mit mir.“
„Weißt du überhaupt, was das bedeutet? Ich bin weder kurz angebunden noch in Stein gehauen.“
„Du weißt doch, wie ich das meine. Nun fang am besten gleich an, während ich mich erst mal von meinem anstrengenden Tag ausruhe.“
Mit diesen Worten verschwand der dicke Hintern von Frau Gräf hinter der Tür zum Schlafzimmer, während Herr Gräf sich ernsthaft fragte, ob die Kommode unter dem Gewicht dieses ausgewachsenen Pflanzenmonsters nicht eher zusammenbrechen würde. Nachdem er selbst sich einen Bruch gehoben hatte, möglicherweise noch die Hüfte verrenkt und einen Finger beim Abstellen der Davidsstatuette verstaucht hatte, ließ er sich zurück auf die Couch fallen, wo er erneut seine Zeitung aufschlug und sich in den Bericht über die neusten Erkenntnisse über Quantenmechanik durchlas. Als er das nächste Mal vor dem Computer seines Sohnes saß und verzweifelt einen Virus zu löschen versuchte, fiel ihm wieder ein, wie nützlich sie ihm hätte sein können.
„Da steht aber ‚delay’.“
„Das sehe ich selber.“
„Du wirkst so gereizt. Hattest du einen schlechten Tag?“
„Bitte, ich bin hier der Psychiater, nicht du.“
„Ich dachte, ich soll in deine Fußstapfen treten.“
„Bloß nicht. Noch so eine Frau wie deine Mutter in der Familie überlebe ich nicht.“
„Das meinte ich gar nicht.“
„Sondern?“
„Den Beruf. Psychiater werden.“
„Genau das meinte ich aber. Du wirst sehen, dass Psychiater für das weibliche Geschlecht nur wenig Anziehungskraft haben. Da muss man sich begnügen mit dem, was man bekommt.“
„Soll ich ihr das sagen?“
„Willst du mir drohen?“
„Du weichst aus, Vater.“
„Das weiß ich. Ich bin Psychiater, schon vergessen?“
„Du musst da drauf drücken.“
„Wenn du alles so gut kannst, warum sitze ich dann hier? Bring’ deinen Computer doch selber wieder in Schuss.“
„Nein! Tu mir das nicht an!“
„Werden wir jetzt melodramatisch? Diese Tour zieht bei mir nicht.“
„Man kann’s ja mal versuchen.“
„Aber doch nicht 16mal.“
„Du hast gezählt?“
„Das ist mein Job.“
„Na gut. Ich glaube sowieso, du kannst mir hier nicht mehr helfen.“
„Hatte ich auch nicht wirklich erwartet.“
„Warum bist du dann gekommen?“
„Das ist so ein Vater-Sohn-Ding, meinst du nicht?“
„Nein.“
„Oh.“
„Also dann...“
„Warum hast du -“
„Du bist doch der Psychiater. Find`s raus.“
„... Ich mach die Tür hinter mir zu.“
Herr Gräf schloss die Zimmertür, die ihn von seinem Sohn trennte und setzte sich wieder auf das grüne Sofa, wo noch immer seine Zeitung lag. Resigniert blätterte er die Todesanzeigen durch. Und überlegte sich, wie es wohl wäre, wenn am nächsten Tag er selbst darinstünde...
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Ich finde die Story irgendwie bedrückend. Ich würde mich auf jeden Fall über Kommentare freuen.
Bye
Sahlene 
Würde mich freuen, wenn ihr etwas ähnliches fühlt wie ich, nachdem ihr das hier gelesen habt.
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Erstes und letztes Kapitel - Leben
„Schule war scheiße.“
„Das sagst du bloß, weil du schlechte Noten bekommen hast, nicht wahr? Wenn man irgendetwas nicht kann, ist es immer ungeliebt.“
„Hör auf mich zu analysieren. Ich hab’ einfach einen schlechten Tag.“
„Siehst du? Schon wieder. Du denkst, du kannst mich abspeisen mit einer unwahren Erklärung, obwohl du weißt, dass ich darauf nicht hereinfalle. Das nennt man Verdrängung. Du verdrängst Tatsachen, mein Kind. Genauso ist es mit der Schule. Du verdrängst deine schlechten Leistungen, damit du die Schuld auf die Schule schieben kannst. Darum ist Schule für dich ‚scheiße’.“
„Ich sagte, du sollst aufhören, mich zu analysieren!“
„Jetzt fällt dir nichts mehr ein und du fängst an rumzuschreien. Typisch. Du solltest Argumente, wenn du denn welche hast, ruhig und klar rüberbringen und auf dieses emotionale Köpfeeinschlagen verzichten. Davon hat niemand etwas. Wirklich, ich wünschte, du kämst einmal zu mir in die Praxis. Da könnten wir ungestört über deine Probleme reden -“
„Langsam glaub’ ich echt, du bist selber gestört. Ich gehe doch nicht zu meinem Vater in die Praxis, um mich therapieren zu lassen!“
„Das ist unreif. Man muss persönliche Vorlieben manchmal außen vor lassen -“
„Halt die Klappe!“
Mit einem lauten Rumms ging die weiß gestrichene Holztür des Zimmers des jungen Mädchens zu. Herr Gräf blickte sich kurz um, schüttelte den Kopf über den Lärm, den seine Tochter täglich veranstaltete, und wandte sich wieder seiner Zeitung zu, die in Miniaturschrift verkündete, soeben hätten die Gewerkschafter der IG Metall ihren Streik beendet und 1,5 % mehr Lohn erkämpft. Ein kurzer, abschätzender Blick in sein Portemonnaie sagte ihm, dass auch er einer Gewerkschaft beitreten sollte. Schon allein, um die riesigen Mengen an Geld zu beschaffen, die Frau Gräf für ihren täglichen Blumeneinkauf benötigte.
„Sind sie nicht wunderschön? Ich habe dieses helle blau gewählt, weil es so hervorragend mit den Vorhängen im Gästezimmer harmoniert.“
„Haben wir im Gästezimmer überhaupt Platz für dieses Monstrum von Pflanze?“
„Das ist kein Monstrum!“
„Ja, natürlich, du hast sicher recht.“
„Also, denkst du nicht, es wäre angebracht, dieses zarte Gewächs dorthin zu stellen? Auf die Kommode? Wir müssten nur diesen seltsamen nackten Mann -“
„Das ist eine Davidsstatuette. Von Leonardo da Vinci.“
„Hm. Also, wir müssten nur diesen seltsamen nackten Mann irgendwo anders hinstellen, dann würde das wunderbar hinkommen.“
„Mit anderen Worten: ich muss jetzt aufstehen und das Ding wegtragen, einen anderen Ort finden, der noch kein Moos oder irgendein anderes Grünzeug angesetzt hat, die Statuette dort abstellen, und dann dieses hellblaue Teil da hinstellen, obwohl es eigentlich mit dem Gästezimmer harmoniert?“
„Sprich nicht so lapidar mit mir.“
„Weißt du überhaupt, was das bedeutet? Ich bin weder kurz angebunden noch in Stein gehauen.“
„Du weißt doch, wie ich das meine. Nun fang am besten gleich an, während ich mich erst mal von meinem anstrengenden Tag ausruhe.“
Mit diesen Worten verschwand der dicke Hintern von Frau Gräf hinter der Tür zum Schlafzimmer, während Herr Gräf sich ernsthaft fragte, ob die Kommode unter dem Gewicht dieses ausgewachsenen Pflanzenmonsters nicht eher zusammenbrechen würde. Nachdem er selbst sich einen Bruch gehoben hatte, möglicherweise noch die Hüfte verrenkt und einen Finger beim Abstellen der Davidsstatuette verstaucht hatte, ließ er sich zurück auf die Couch fallen, wo er erneut seine Zeitung aufschlug und sich in den Bericht über die neusten Erkenntnisse über Quantenmechanik durchlas. Als er das nächste Mal vor dem Computer seines Sohnes saß und verzweifelt einen Virus zu löschen versuchte, fiel ihm wieder ein, wie nützlich sie ihm hätte sein können.
„Da steht aber ‚delay’.“
„Das sehe ich selber.“
„Du wirkst so gereizt. Hattest du einen schlechten Tag?“
„Bitte, ich bin hier der Psychiater, nicht du.“
„Ich dachte, ich soll in deine Fußstapfen treten.“
„Bloß nicht. Noch so eine Frau wie deine Mutter in der Familie überlebe ich nicht.“
„Das meinte ich gar nicht.“
„Sondern?“
„Den Beruf. Psychiater werden.“
„Genau das meinte ich aber. Du wirst sehen, dass Psychiater für das weibliche Geschlecht nur wenig Anziehungskraft haben. Da muss man sich begnügen mit dem, was man bekommt.“
„Soll ich ihr das sagen?“
„Willst du mir drohen?“
„Du weichst aus, Vater.“
„Das weiß ich. Ich bin Psychiater, schon vergessen?“
„Du musst da drauf drücken.“
„Wenn du alles so gut kannst, warum sitze ich dann hier? Bring’ deinen Computer doch selber wieder in Schuss.“
„Nein! Tu mir das nicht an!“
„Werden wir jetzt melodramatisch? Diese Tour zieht bei mir nicht.“
„Man kann’s ja mal versuchen.“
„Aber doch nicht 16mal.“
„Du hast gezählt?“
„Das ist mein Job.“
„Na gut. Ich glaube sowieso, du kannst mir hier nicht mehr helfen.“
„Hatte ich auch nicht wirklich erwartet.“
„Warum bist du dann gekommen?“
„Das ist so ein Vater-Sohn-Ding, meinst du nicht?“
„Nein.“
„Oh.“
„Also dann...“
„Warum hast du -“
„Du bist doch der Psychiater. Find`s raus.“
„... Ich mach die Tür hinter mir zu.“
Herr Gräf schloss die Zimmertür, die ihn von seinem Sohn trennte und setzte sich wieder auf das grüne Sofa, wo noch immer seine Zeitung lag. Resigniert blätterte er die Todesanzeigen durch. Und überlegte sich, wie es wohl wäre, wenn am nächsten Tag er selbst darinstünde...
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Ich finde die Story irgendwie bedrückend. Ich würde mich auf jeden Fall über Kommentare freuen.
Bye

