Killuah99
Legendary Gunslinger
Nach "Blessing" (und langer Zeit) endlich mal wieder was von mir.
Lasst euch bitte nicht von der Länge abschrecken, ich bin fast davon überzeugt, es lohnt sich. Ich hab mal ein bisschen mit der Perspektive herumgespielt (OMG, ich schreibe in der Ich-Perspektive oO
- das ändert sich aber nach dem ersten Part wieder. Es bot sich für diesen Teil halt eben an. Fänd's schön, wenn ihr was dazu sagen würdet (ja, ich weiß, ich bin krank ... sagt was anderes ^^') - vor allem die, die meinen alten Kram kennen (erinnert sich der an Blessing? Gute Güte, ich glaub fast mal nicht. Oo").
Das Ganze wird eine längere, zusammenhängende Story und entstand nicht, weil ich gerade mal wieder einigermaßen kreativ war. Ehrlich gesagt kam mir auch erst später die Idee eine Story daraus zu machen. Verarbeitung, sozusagen. Fragt nicht. Fragen zur Entstehung oder Inspiration beantworte ich nicht öffentlich. Ihr werdet ein bisschen was davon vielleicht als "hart" empfinden - aber ... nun ... joah. Okay, okay, ihr habt mich, vielleicht ist es hart, aber ich denke, das passt schon so. Es gehört einfach in die Geschichte. Ich bitte um Verzeihung, wenn ich jemandes guten Geschmack damit verletze, es wird nicht so bleiben oder weitergehen, aber im ersten Part ist es wohl unvermeidbar (wobei ich jetzt keine Stimmen hören will, die munkeln ich sei niveaulos.
"" ).
Enigma /1/
__________
Scheiße, dieser Kerl hat Geld … Die Wohnung ist riesig, die Designermöbel vom Feinsten und die Gemälde die überall an den Wänden hängen sehen nicht gerade aus, als kämen sie günstig vom Flohmarkt. Nicht übel, ehrlich. Warum überhaupt noch feststellen, ob der Kerl in irgendwelche illegalen Kuriositäten verstrickt ist? Niemand - mal abgesehen von Bill Gates – verdient so viel Geld auf die legale Art.
Dennoch, Job ist Job. Wahrscheinlich würden wir mehr abkassieren, wenn wir diesen Kerl gleich an die Polizei weiterreichen würden, aber wir sind nun mal keine beschissenen Kopfgeldjäger, sondern Durchschauer und um uns einen Monat lang ordentlich vom Leben den Arsch küssen zu lassen reicht unser Honorar auch. Wer immer der Kerl war, der wollte, dass wir diesen Snob checken, dem liegt einiges daran, ihn loszuwerden. „Wenn ihr nur Geld wollt, macht mir ein Angebot.“, hat er gesagt. Bitteschön. Michelle war nie zimperlich, wenn es darum ging, unverschämte Summen zu nennen – aber der Kerl war der erste, der sofort eingewilligt hatte, sie zu bezahlen.
Er wollte dafür nur wissen, wie wir vorgehen – hat uns mitgeteilt, dass er sich nicht damit abfinden könnte, wenn wir den Kerl wochenlang beschatten würden um irgendwas raus zu finden. „Sicherlich nicht.“, hab ich gesagt, „Wenn sie so was wollten hätten sie sich auch eher an eine legale Detektei gewandt, oder?“ Eigentlich ist das was wir machen – und die Art WIE wir es machen – mindestens genauso illegal wie das, mit dem der Kerl in dessen Wohnung wir gerade sind, wohl sein Geld verdient.
„Hey, Michelle …“, flüstere ich und schreite auf leisen Sohlen durch das dunkle Wohnzimmer, sehe immer wieder hinter mich um zu prüfen, ob ich keine Spuren hinterlasse.
„Ich schwör’s dir, nenn mich noch mal so und ich bring dich um!“, knurrt sie leise zurück und ich sehe ihr in die Augen. Grün. Irgendwann gab’s mal Zeiten, da mochte ich grüne Augen. Irgendwann gab’s auch mal Zeiten, da war’s mir nicht scheiß egal, wenn ich den Großteil meines Tages mit einem Mädchen verbrachte, das in punkto Attraktivität nur schwer zu übertreffen war. Michelle sieht wirklich gut aus. Würde ich hundert Kerle fragen, wären sie restlos alle bereit für einen Fick mit ihr zu sterben, da bin ich mir sicher. Mich tangieren aber weder ihre Figur noch ihr Gesicht. Sie ist nur meine Partnerin. Nichts weiter.
Als Reaktion auf ihren Satz rolle ich mit den Augen, sie regt das sichtlich auf. Sie zu provozieren ist spielend einfach, obwohl sie der kälteste Mensch ist den ich kenne. Ihr Herz ist am absoluten Nullpunkt erstarrt und nur ich weiß, wie ich sie mühelos zum Kochen bringen kann. Das gefällt mir sogar, aber darüber schweige ich.
Ich komme nicht mehr dazu, etwas zu sagen. Ein Geräusch aus der Küche zieht unsere Aufmerksamkeit aus sich. Bingo.
Stumm nicke ich zur Tür hin. Sie nickt zurück, streit sich mit den Fingern der linken Hand ein paar lange, blonde Haarsträhnen hinter die Ohren. Verdammt, wenn ich es nicht gewusst hätte, wäre ich niemals darauf gekommen, dass sie mit ihren sechzehn Jahren fast ganze zwei Jahre jünger als ich ist.
Wir betreten die Küche. Im Gegensatz zum Parkettboden im Wohnzimmer gibt es auf den Küchenfliesen wenigstens keine Geräusche. Der Snob – er steht am Kühlschrank – bemerkt uns nicht. Das wird ein Kinderspiel. Oder ein Killerspiel, wenn ich Michelle den ersten Spielzug überlasse. Ich schleiche mich an ihn ran, Michelle bleibt stehen. Genau wie ich, als ich nur noch zwei Schritte von ihm entfernt bin. Er schlägt die Tür des Kühlschranks zu, das einzige Licht im Raum verlöscht als sie zufällt. Er dreht sich, erschrickt und stolpert zurück. Mit dem Rücken stößt er gegen den Kühlschrank. Sehe ich so schlimm aus? Naja, es wird wohl eher daran liegen, dass niemand mitten in der Nacht einen schwarz gekleideten Fremden hinter sich haben will.
„W-was wollt ihr?!“, haspelt er und in seinen Augen liegt blankes Entsetzen. Hat da jemand ein schlechtes Gewissen? Allein der Gedanke, dass es so sein könnte zaubert ein abfälliges Lächeln auf mein Gesicht. Schweigend schlage ich ihn nieder, mein Handballen trifft sein Gesicht. Ein leises Krachen verrät mir, dass er wohl für eine Weile Ruhe geben wird.
Ich ergreife den Bewusstlosen und schleife ihn ins Wohnzimmer, Michelle kommt nur einen Moment später mit einem der Stühle aus der Küche. Ich setze den Snob darauf ab und fessele ihn mit dem Klebeband, dass Michelle ein paar weitere Augenblicke später in einer Schublade findet. Ganz klassisch, also. Ein kleiner Streifen davon findet den Weg auf seinen Mund – es käme mir ungelegen, wenn er wach würde und gleich rumschreien würde. Jetzt heißt es warten. Michelles Blick verrät mir, dass sie ihn am liebsten gleich wieder wach prügeln würde, sie ist genauso zimperlich mit den Klienten wie mit den Honoraren. „Solche Bastarde können schon was vertragen.“, hat sie mal gesagt. Aber dass er bewusstlos ist, heißt ja nicht, dass man keinen Spaß mit ihm haben kann.
Wir setzen uns. Und schweigen. Wir haben uns eigentlich nie etwas zu sagen, obwohl wir aneinanderhängen wie Symbionten. Wir ziehen jeder unsere persönlichen Vorteile aus dem gemeinsamen Leben, dass wir gewählt haben, aber leiden kann im Endeffekt keiner von uns den anderen. Sie mag mich jedenfalls nicht – ich stehe ihr so neutral gegenüber wie jedem anderen Menschen, womit es fast egal ist, ob ich sie mag oder nicht.
Ich beobachte den Bewusstlos, achte auf seine Augen. Lange wird er nicht mehr schlafen und als ich eine erste Regung hinter seinen Lidern sehe, beuge ich mich zu ihm vor.
„Ich bring dich um.“, flüstere ich leise. Er reagiert nicht, ich ergänze meine Aussagen. „Du wirst sterben. Dir kann niemand helfen.“
„Was machst du da?“, höre ich Michelles Stimme. Sie klingt etwas zögerlich, aber das tut sie rein provokativ. Genau wie jedes Mal, wenn sie mir auf ihre Art verständlich machen will, dass sie denkt, ich hätte nicht mehr alle Tassen im Schrank.
„Wusstest du gar nicht, dass man in einer bestimmten Schlafphase zugänglicher für Einflüsse der Umwelt ist?“, frage ich mit einem kaum sichtbaren Grinsen. Sie versteht, was ich meine, das merke ich ihr an. Wenn der Kerl noch einen beschissenen Traum hat, bevor er aufwacht, fällt die Befragung leichter.
„Dann weck ihn gleich endlich auf.“, sagte Michelle genervt. „Ich hab keine Lust hier die ganze Nacht auf Dornröschen zu warten.“ Die hab ich auch nicht, das gebe ich zu – aber wir wissen beide ganz genau, dass wir für den Batzen Geld den wir von unserem Auftraggeber bekommen, eine ganze Woche warten würden, wenn nötig.
„Na schön, Michelle. Hast gewonnen …“, sage ich und gebe dem Kerl einen sanften Klaps auf die Wange. Er öffnet die Augen, seine Position wird ihm binnen Sekunden bewusst und er beginnt zu zappeln. Bringt ihm aber nicht das Geringste. Er beruhigt sich, als ihm klar wird, dass er bei dieser Sache von vorne herein den Kürzeren gezogen hat und uns lieber nicht verärgert.
Ich werfe meiner Partnerin einen Blick zu, kann sehen, dass sie die Wut über die Anrede mit Mühe herunterschluckt. Ich hab nie erfahren, warum sie ihren Vornamen so sehr hasst, aber ich hab keine Lust, einen Menschen mit dem ich mein Leben verbringe, mit einem Spitznamen anzureden.
Die Angst in den Augen der Menschen, die ich befrage, mag ich ebenso gern wie Michelles Wut. Diese Leute scheißen sich in die Hosen, weil sie uns für Beauftragte halten, die von irgendwem geschickt wurden, den sie sich irgendwann mal zum Feind gemacht haben. Eigentlich stimmt das in den wenigsten Fällen, die Personen die uns beauftragen sind meist selbst nur Mittelsmänner und von uns haben die armen Schweine nichts zu befürchten. Jedenfalls nicht von mir.
„Ich stell dir jetzt ein paar Fragen.“, kündige ich an. Er winselt etwas, hat scheinbar Schwierigkeiten Luft zu bekommen, weil er ja immer noch geknebelt ist. „Wenn ich das Klebeband abziehe und du schreist, bist du tot. Soweit klar?“
Er nickt und winselt wieder etwas, ich reiße das Klebeband unsanft von seinen Lippen. Ich hab das nie selbst erlebt, aber sein gezwungen beherrschtes Gesicht lässt für mich keinen Zweifel offen, dass das ganz widerliche Schmerzen sind. Was mich gar nicht weiter verwundert, als ich mit einem Blick auf die Rückseite des Klebebandes feststelle, wie viele Haare ich ihm mit aus dem Gesicht gerissen habe. „Solche Bastarde können schon was vertragen.“, kommt mir wieder ins Gedächtnis und ich messe diesem Kerl sogar ein wenig Bewunderung für seine Kooperation zu.
„Was wollt ihr?“, fragt er und Pein klingt in seiner Stimme mit.
„Ruhe, ich stelle die Fragen.“ Meine Stimme trifft sein Trommelfell wie ein Gletscher. Keiner kann mich einschätzen, selbst Michelle tut sich schwer damit, raus zu finden, was in mir vorgeht, wenn ich es darauf anlege, sie zu verwirren. Ich hingegen weiß zu jedem Zeitpunkt, was in den Menschen vorgeht – ich würde das sogar mögen, wenn es sich abstellen ließe.
„Und jetzt hör zu … ich will wissen, ob du in irgendwelche illegalen Geschäfte verwickelt bist.“, sage ich und sehe ihm tief in die Augen. Er belügt mich. Beim ersten Mal belügen mich alle. Er ist nicht anders als die anderen, also wird auch er lügen.
„N-nein …“, gibt er, verunsichert von meinem tiefen Blick, zurück.
„Lügner.“, betitele ich ihn. Mein Blick wird so kalt, dass die Luft zwischen uns zu gefrieren scheint. Er sieht aus, als würde ihm schlagartig bewusst, dass er mit dreckigen kleinen Schwindeleien keine Chance hat, mir zu entgehen. Lieber spät als nie – das ist auch der Grund, warum ich immer anfange und nicht Michelle.
„Für wen arbeitest du?“, will ich von ihm wissen.
„Da … ich sag’s euch nicht, er bringt mich um, wenn ich das sage.“, jammert er und mein Blick wird so abschätzig wie mein Lächeln. Er ist ein Mensch wie ich, aber es ist so einfach Leuten das Gefühl zu geben, Dreck zu sein. Wenn er sich für genug Dreck hält, dass er sich selbst zu hassen beginnt, dann hab ich ihn. Wenn ich das schaffe, habe ich jeden.
„Glaubst du, es geht dir besser, wenn du’s mir nicht sagst?“, lächele ich. „Was immer derjenige für den du arbeitest dir antun kann, hier und jetzt gibt es nur mich zu fürchten. Und wenn du’s nicht kannst, muss ich dir eben zeigen, wie man Angst hat.“
Er zuckt zusammen. Es wirkt.
„Weißt du, ich bin sehr kreativ … ich glaub nicht, dass du öfter Besuch bekommst und wenn du mir nicht sagst, was ich wissen will, dann kneble ich dich wieder und sehe morgen noch mal vorbei. Mal sehen, wie lange du es aushältst, ohne was zu trinken.“
Er zittert. Dieser Kerl kennt wenigstens die Palette die jemand wie ich sehen will, wenn er sich in etwas hineinsteigert. Drohen macht erst so richtig Spaß, wenn das Opfer sich einnässt. Er kann sich die peinliche Lage ja sparen, wenn er sich früh genug dafür entscheidet, zu reden. Und wenn er sich dagegen entscheidet, gibt’s ja immer noch Michelle.
„Du hast keine Ahnung, was er alles machen kann! Ihm gehört diese Stadt praktisch!“, sagt er mit fester Stimme um mich davon zu überzeugen, dass es besser wäre, wieder abzuziehen. Bringt ihm auch nichts. Was soll schon passieren? Er kennt unsere Namen nicht und er würde der letzte sein, der sich wagt, sie auszusprechen, wenn er sie doch kennen würde.
„Hör zu …“, sage ich. „Mir ist scheiß egal, was der Mann kann. Ich frage dich jetzt das letzte Mal. Wenn du nicht antwortest, übergebe ich an meine Partnerin.“
Er sieht zu Michelle rüber, genau wie ich. Sie sitzt auf dem Ledersofa und die Kälte in dem Blick, den sie erwiedert spiegelt ihre Seele wieder. Wer immer mir je gesagt hat, ich sei gestört, der kennt sie nicht.
„In diesem Land sterben wirklich viele Menschen an den unterschiedlichsten Dingen …“, erkläre ich ihm mit einem nonchalanten Lächeln. „Glaub mir, wenn du dich immer noch sperrst, wirst du heute Abend das ärmste Schwein von allen sein.“
Er erwiedert nichts mehr, außer einem ungläubigen Blick. Ich gebe ihm noch ein bisschen Zeit – drei, zwo, eins – und wende mich zu meiner Partnerin um.
„Michelle …“, sage ich und setze mich wieder.
„Du kriegst nichts aus ihm raus?“, fragt sie, klingt etwas verwundert.
„Keine Chance … den haben sie hypnotisiert oder so was.“, sage ich. „Er gehört dir.“
„Na endlich.“, sagt sie und bewegt die Fingerspitzen, wohl um sich zu lockern. Verdammt, warum hören so wenige auf mich? Ich meine, wer bricht schon in eine Wohnung ein, schlägt jemanden nieder, warnt vor seiner Partnerin und meint es nicht ernst? Missmutig entscheide ich mich dafür, mich der Show auszusetzen, die Michelle mir bieten wird. Langsam tritt sie vor ihn hin und stemmt die Hand in die Seite. Dominant und herrisch wirkt es – sie wird ihren Spaß an ihm haben.
Sie schweigt ihn an, wartet nur ab. Er wird ungeduldig, nervös … seine Körpersprache erzählt mir mehr als man je in ein Buch schreiben könnte. Er würde wahnsinnig werden, seine Angst ist grenzenlos. Er weiß nicht, ob er diese Nacht noch übersteht und allein mir und meiner Manipulation verdankt er, dass die Hölle in die Michelle ihn hinab stoßen wird so tief ist wie noch keine zuvor.
„… was …“, höre ich ihn flüstern, vielleicht sollte es mal ein „Was wird nun?“ werden, aber dazu lässt Michelle es nicht kommen. Sie holt aus und schlägt ihm mit der flachen Hand ins Gesicht.
Natürlich verstummt er. Ich bekomme sogar mit, dass er etwas Blut auf den Boden spuckt. Michelles Rechte ist nicht zu verachten.
„Hab ich gesagt, du sollst sprechen?“, fragt sie und bringt die Hölle zum Gefrieren. Er begreift, dass meine Warnungen nicht umsonst waren und wirft mir einen verängstigten Blick zu. Ich sehe ihn auch an, aber ich schweige, lege keinerlei Aussage in meine Augen. Selbst Schuld.
Michelles linke Hand trifft ihn an der anderen Wange, sein Kopf wird auf die andere Seite geschleudert.
„Sieh mich gefälligst an, Abschaum!“, herrscht sie ihn an und etwas benommen wirft er ihr einen Blick zu. Jetzt hat er wirklich verschissen.
Sie beugt sich zu ihm vor und legt die rechte Hand an seine Wange. „Ich frag dich dasselbe wie mein Partner eben. Für wen arbeitest du?“
Der Kerl ist zäh. Er antwortet nicht – und das liegt beim besten Willen nicht daran, dass er nicht mehr dazu in der Lage ist. Michelle quittiert das mit einem sanften Lächeln, ehe sie ihre Hand nach vorn zieht und ihm tiefe Kratzer in die Wange reißt. Er blutet sofort, stöhnt leise vor Schmerz auf, während Michelle sich mit den Fingern der anderen Hand die Hautreste unter ihren Fingernägeln wegkratzt. Sie weiß genau so gut wie ich, wie sie Widerstände brechen kann. Nur eben auf eine andere Art.
„Bild dir ja nicht ein, dass Schweigen dir hilft.“, sagt sie leise, so leise dass ich es selbst kaum verstehe. „Ich mach dich so fertig, dass du vor Schmerzen deinen eigenen Namen vergisst … und glaub nicht, dass dann die Erlösung kommt.“
„Ihr … ihr versteht das nicht …“, lässt der Kerl vernehmen.
„Nein, du verstehst nicht.“, lächelt sie ihn herrisch an. „Aber ich werd dir schon zeigen, was ich meine.“ Sie schlägt ihm ein weiteres Mal ins Gesicht, auf die frischen Kratzwunden. Sein Gesicht zeugt von allen Höllen dieser Welt. Der Schlag wird ebenso das Seine dazu getan haben, wie der salzige Schweiß, der von seiner Stirn herab rinnt.
„Und wir haben viel Zeit.“, erweitert sie ihre Aussage und greift nach seinem Hals, ihre Fingernägel so tief wie möglich in sein Fleisch schlagend. Blut rinnt aus jeder der Wunden. Michelle scheint sich entschlossen zu haben, diesem Kerl erstmal die sanfte Tour zukommen zu lassen.
Ich höre ein ersticktes Gurgeln aus der Kehle des Kerls, ihr Griff dauert an. Erst nach satten dreißig Sekunden – ich zähle dabei immer mit – lässt sie von ihm ab, er keucht schwer und ringt nach Luft.
Sie wiederholt die Worte, die in den letzten Minuten schon so oft gefallen sind. „Für wen arbeitest du?“ Er schüttelt den Kopf.
Michelle zieht nach Luft und zieht etwas aus der rechten Tasche ihrer Jeans. Ein Messer. Sie kann mit diesem Ding umgehen, möchte ich sagen, sie ist eine regelrechte Akrobatin mit diesem Instrument.
„Holst du mir Essig aus der Küche?“, fragt sie an mich gewandt. Der Kerl zuckt zusammen, erhöht seine Anstrengung, frei zu kommen, doch Michelle unterbindet jedes Muskelzucken, in dem sie ihm erneut ins Gesicht schlägt.
Ich winke ab. „Es wird so gehen.“, sage ich und schnaufe. Der Kerl hat sie schneller gereizt als die meisten zuvor. Mich berührt das etwas in meinem Stolz, schließlich will nur ich die Möglichkeit haben, sie so aufzuwühlen. „Mach einfach weiter, Michelle.“, sage ich.
„Verdammt, nenn mich nicht so, du Dreckskerl!“, schreit sie mir entgegen und entlädt ihre Wut mit einer Ohrfeige, die klatschend das Gesicht des Kerls trifft.
„Okay, hör mir zu, du Hurensohn.“ Michelle beugt sich zu ihm runter, hält ihm das Messer vor die Augen. „Du weißt, was man damit machen und wie lange man es ziehen kann. Sag mir was ich wissen will, oder du wirst wirklich leiden.“
„… er … ich darf nicht …“
Michelle fügt ihm eine lange Schnittwunde über den gesamten Oberkörper zu, eine Wunde die geradezu nach kritischem Blutverlust schreit. In ihrem Zorn schlägt sie ein weiteres Mal zu und verleit der Wunde das Aussehen eines Kreuzes.
„Sag es!“, knurrt sie und wartet nicht ab, ob er es tatsächlich tut. Mit kleinen, präzisen Schnitten ergänzt sie das Bild auf seinem Brustkorb und lässt das Kreuz zu einem mit Blut verschmierten Fadenkreuz werden. Der Kerl kreischt auf, Tränen lösen sich aus seinen Augen. Es überrascht mich, dass er es geschafft hat, sie so lange zurückzuhalten. Manche flennen schon nach der ersten Ohrfeige. Gratulation. Bringt ihm trotzdem nichts. Gegen Michelles Gnadenlosigkeit ist kein Meter Boden zu gewinnen.
Sie gibt ihm ein paar Sekunden, um es sich anders zu überlegen. Er schluchzt nur, heult unter Schmerzen.
Michelle sieht sich um. Ich mag den Part, in dem sie ihre Umwelt in die Folter mit einbezieht gern … mich fasziniert jedoch weniger die verstörende Show, die sie einem damit bietet, sondern die Kreativität. Sie kann mit allem etwas anfangen, wenn es darum geht, Schmerzen zu verursachen. Mir kommt ein Fall, in den Sinn, als sie einmal einen Kerl hat Kühlschrankmagneten verschlucken lassen und sofort erinnere ich mich wieder an: „Solche Bastarde können schon was vertragen.“ Dieser Satz stärkt mein Gewissen jedes Mal, wenn ich ihr zusehe, wie sie ihren Spaß hat. Warum auch immer.
Sie entdeckt einen Nagelklipser, wahrscheinlich haben wir das Ding gleichzeitig gesehen, und nimmt es in die Hand – gerade so, als sei sie eine Schwertkämpferin und müsse prüfen, ob ihre Klinge gut zu führen ist. Ich überdenke ihre Möglichkeiten mit diesem Ding. „Solche Bastarde können schon was vertragen. Solche Bastarde können schon was vertragen. Solche Bastarde können schon was vertragen.“, sage ich mir. Diesmal hilft es nur wenig.
Michelle rückt näher an ihn heran. Ganz nah sogar, so nah, dass sie ihre Wange an seinem Hals reiben kann. Nicht nur ‚kann’, sie tut es.
„Dein Herz schlägt so schnell …“, sagt sie ganz leise. Ihr Körper verdeckt mir die Sicht auf das, was sie tut. Sie verzieht das Gesicht und weicht sofort von ihm zurück.
Uh … ich wende den Blick ein paar Grad ab, ehe ich doch wieder hinsehe. Die linke Brust des Kerls ist blutig, seine Brustwarze fehlt … verdammt, ich hatte an vieles gedacht, aber Michelle ist kreativer als ich dachte. Kreativer und gestörter.
Der Kerl schreit auf, etwas verzögert vielleicht, weil die für Schmerz zuständigen Nerven in seiner Brust schon mit den Schnittwunden kämpfen. Michelle bringt ihn mit einem Hagel von Schlägen zum Schweigen. Sieben, acht, neun … erst beim zehnten Schlag flennt der Kerl nur noch, aber die Schmerzen müssen unerträglich sein. Ich für meinen Teil würde mir in seiner Position jetzt jedenfalls den Tod wünschen. Mehr als alles andere.
„Du willst immer noch nicht reden …“, keucht Michelle und wischt sich ein paar Schweißtropfen der nur wenige Sekunden zurückliegenden Anstrengung von der Stirn. „Hey Analyze …“
Sie sieht mich an. Ich erwiedere den Blick.
„Vielleicht versteht er uns ja gar nicht … oder er hört einfach nur schlecht. Versuchen wir’s doch mal von Stereo in Mono …“, sagt sie und ich blicke sofort, was sie vor hat.
„Michelle …“, versuche ich ihr Einhalt zu gebieten.
„Halt dein Maul …“, keucht sie und erst jetzt bemerke ich, wie ekstatisch das klingt. Sie wirft den Nagelklipser weg und streicht sich mit der Hand in der sie ihn hielt über die Brust hinab. Blut bleibt an ihrer Kleidung haften und mir fällt auf, dass ihre Brustwarzen hart unter ihren Kleidern hervortreten. Sie hat mehr als nur ihren Spaß an dieser Sache.
Langsam führt ihre Hand das Messer hinter sein rechtes Ohr, sie hält es schief und dreht die Klinge zu sich, mit dem Daumen auf sein Ohr drückend.
„Für wen arbeitest du …?“, will sie wissen und ihre Augen nehmen einen undefinierbaren Ausdruck an. Jedenfalls für mich. Frustrierend. Eigentlich dachte ich, es gäbe keine Dinge mehr, in die ich nichts hineindeuten könnte.
Der Kerl sagt nichts, schluchzt nur und beißt sie auf die Zähne. Mich würde es wundern, wenn er noch in der Lage wäre, überhaupt noch etwas zu sagen. Ich glaube, wir haben ihm sogar schon die Möglichkeit genommen, um seinen Tod zu betteln. Ich sollte …
Sie reißt den Arm nach vorne, trennt das Ohr vom Schädel des Kerls fast vollständig ab. Etwas Blut spritzt mit, ein paar Tropfen auf mein Shirt und ich drehe den Kopf endgültig weg. Ich habe den härtesten Magen den ich kenne, aber sie hat es gerade geschafft, ihn mir umzudrehen. Ich atme tief durch, um einen möglichen Brechreiz schon vor dem Auftreten unterdrücken zu können und stehe auf, wobei ich erfolgreich nach ihrem Handgelenk greife.
„Es reicht.“, sage ich, „Ich übernehme wieder.“
Sie ist nicht begeistert, aber sie kennt meinen Ernst, tritt einen Schritt zurück.
„Hör zu …“, sage ich noch einmal, aber ich verzichte darauf, den guten Samariter, der nicht in mir steckt, in meiner Stimme mitklingen zu lassen. „… sag uns, was wir wissen wollen, dann ist alles vorbei.“
Diesmal braucht er nicht mehr so lange zum Überlegen. Er öffnet den Mund, haspelt unter Tränen einen Namen, während sein Körper unter den Schmerzen bebt, die Michelle ihm in ihrem Wahn zugefügt hat.
Ich sehe sie kurz an, dann drehe ich mich um, wende mich der Tür zu, die zum Flur führt.
Der Traum verblasst vor meinen Augen.
__________
Enigma /1/ - Ende
Killuah99


Das Ganze wird eine längere, zusammenhängende Story und entstand nicht, weil ich gerade mal wieder einigermaßen kreativ war. Ehrlich gesagt kam mir auch erst später die Idee eine Story daraus zu machen. Verarbeitung, sozusagen. Fragt nicht. Fragen zur Entstehung oder Inspiration beantworte ich nicht öffentlich. Ihr werdet ein bisschen was davon vielleicht als "hart" empfinden - aber ... nun ... joah. Okay, okay, ihr habt mich, vielleicht ist es hart, aber ich denke, das passt schon so. Es gehört einfach in die Geschichte. Ich bitte um Verzeihung, wenn ich jemandes guten Geschmack damit verletze, es wird nicht so bleiben oder weitergehen, aber im ersten Part ist es wohl unvermeidbar (wobei ich jetzt keine Stimmen hören will, die munkeln ich sei niveaulos.

Enigma /1/
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Scheiße, dieser Kerl hat Geld … Die Wohnung ist riesig, die Designermöbel vom Feinsten und die Gemälde die überall an den Wänden hängen sehen nicht gerade aus, als kämen sie günstig vom Flohmarkt. Nicht übel, ehrlich. Warum überhaupt noch feststellen, ob der Kerl in irgendwelche illegalen Kuriositäten verstrickt ist? Niemand - mal abgesehen von Bill Gates – verdient so viel Geld auf die legale Art.
Dennoch, Job ist Job. Wahrscheinlich würden wir mehr abkassieren, wenn wir diesen Kerl gleich an die Polizei weiterreichen würden, aber wir sind nun mal keine beschissenen Kopfgeldjäger, sondern Durchschauer und um uns einen Monat lang ordentlich vom Leben den Arsch küssen zu lassen reicht unser Honorar auch. Wer immer der Kerl war, der wollte, dass wir diesen Snob checken, dem liegt einiges daran, ihn loszuwerden. „Wenn ihr nur Geld wollt, macht mir ein Angebot.“, hat er gesagt. Bitteschön. Michelle war nie zimperlich, wenn es darum ging, unverschämte Summen zu nennen – aber der Kerl war der erste, der sofort eingewilligt hatte, sie zu bezahlen.
Er wollte dafür nur wissen, wie wir vorgehen – hat uns mitgeteilt, dass er sich nicht damit abfinden könnte, wenn wir den Kerl wochenlang beschatten würden um irgendwas raus zu finden. „Sicherlich nicht.“, hab ich gesagt, „Wenn sie so was wollten hätten sie sich auch eher an eine legale Detektei gewandt, oder?“ Eigentlich ist das was wir machen – und die Art WIE wir es machen – mindestens genauso illegal wie das, mit dem der Kerl in dessen Wohnung wir gerade sind, wohl sein Geld verdient.
„Hey, Michelle …“, flüstere ich und schreite auf leisen Sohlen durch das dunkle Wohnzimmer, sehe immer wieder hinter mich um zu prüfen, ob ich keine Spuren hinterlasse.
„Ich schwör’s dir, nenn mich noch mal so und ich bring dich um!“, knurrt sie leise zurück und ich sehe ihr in die Augen. Grün. Irgendwann gab’s mal Zeiten, da mochte ich grüne Augen. Irgendwann gab’s auch mal Zeiten, da war’s mir nicht scheiß egal, wenn ich den Großteil meines Tages mit einem Mädchen verbrachte, das in punkto Attraktivität nur schwer zu übertreffen war. Michelle sieht wirklich gut aus. Würde ich hundert Kerle fragen, wären sie restlos alle bereit für einen Fick mit ihr zu sterben, da bin ich mir sicher. Mich tangieren aber weder ihre Figur noch ihr Gesicht. Sie ist nur meine Partnerin. Nichts weiter.
Als Reaktion auf ihren Satz rolle ich mit den Augen, sie regt das sichtlich auf. Sie zu provozieren ist spielend einfach, obwohl sie der kälteste Mensch ist den ich kenne. Ihr Herz ist am absoluten Nullpunkt erstarrt und nur ich weiß, wie ich sie mühelos zum Kochen bringen kann. Das gefällt mir sogar, aber darüber schweige ich.
Ich komme nicht mehr dazu, etwas zu sagen. Ein Geräusch aus der Küche zieht unsere Aufmerksamkeit aus sich. Bingo.
Stumm nicke ich zur Tür hin. Sie nickt zurück, streit sich mit den Fingern der linken Hand ein paar lange, blonde Haarsträhnen hinter die Ohren. Verdammt, wenn ich es nicht gewusst hätte, wäre ich niemals darauf gekommen, dass sie mit ihren sechzehn Jahren fast ganze zwei Jahre jünger als ich ist.
Wir betreten die Küche. Im Gegensatz zum Parkettboden im Wohnzimmer gibt es auf den Küchenfliesen wenigstens keine Geräusche. Der Snob – er steht am Kühlschrank – bemerkt uns nicht. Das wird ein Kinderspiel. Oder ein Killerspiel, wenn ich Michelle den ersten Spielzug überlasse. Ich schleiche mich an ihn ran, Michelle bleibt stehen. Genau wie ich, als ich nur noch zwei Schritte von ihm entfernt bin. Er schlägt die Tür des Kühlschranks zu, das einzige Licht im Raum verlöscht als sie zufällt. Er dreht sich, erschrickt und stolpert zurück. Mit dem Rücken stößt er gegen den Kühlschrank. Sehe ich so schlimm aus? Naja, es wird wohl eher daran liegen, dass niemand mitten in der Nacht einen schwarz gekleideten Fremden hinter sich haben will.
„W-was wollt ihr?!“, haspelt er und in seinen Augen liegt blankes Entsetzen. Hat da jemand ein schlechtes Gewissen? Allein der Gedanke, dass es so sein könnte zaubert ein abfälliges Lächeln auf mein Gesicht. Schweigend schlage ich ihn nieder, mein Handballen trifft sein Gesicht. Ein leises Krachen verrät mir, dass er wohl für eine Weile Ruhe geben wird.
Ich ergreife den Bewusstlosen und schleife ihn ins Wohnzimmer, Michelle kommt nur einen Moment später mit einem der Stühle aus der Küche. Ich setze den Snob darauf ab und fessele ihn mit dem Klebeband, dass Michelle ein paar weitere Augenblicke später in einer Schublade findet. Ganz klassisch, also. Ein kleiner Streifen davon findet den Weg auf seinen Mund – es käme mir ungelegen, wenn er wach würde und gleich rumschreien würde. Jetzt heißt es warten. Michelles Blick verrät mir, dass sie ihn am liebsten gleich wieder wach prügeln würde, sie ist genauso zimperlich mit den Klienten wie mit den Honoraren. „Solche Bastarde können schon was vertragen.“, hat sie mal gesagt. Aber dass er bewusstlos ist, heißt ja nicht, dass man keinen Spaß mit ihm haben kann.
Wir setzen uns. Und schweigen. Wir haben uns eigentlich nie etwas zu sagen, obwohl wir aneinanderhängen wie Symbionten. Wir ziehen jeder unsere persönlichen Vorteile aus dem gemeinsamen Leben, dass wir gewählt haben, aber leiden kann im Endeffekt keiner von uns den anderen. Sie mag mich jedenfalls nicht – ich stehe ihr so neutral gegenüber wie jedem anderen Menschen, womit es fast egal ist, ob ich sie mag oder nicht.
Ich beobachte den Bewusstlos, achte auf seine Augen. Lange wird er nicht mehr schlafen und als ich eine erste Regung hinter seinen Lidern sehe, beuge ich mich zu ihm vor.
„Ich bring dich um.“, flüstere ich leise. Er reagiert nicht, ich ergänze meine Aussagen. „Du wirst sterben. Dir kann niemand helfen.“
„Was machst du da?“, höre ich Michelles Stimme. Sie klingt etwas zögerlich, aber das tut sie rein provokativ. Genau wie jedes Mal, wenn sie mir auf ihre Art verständlich machen will, dass sie denkt, ich hätte nicht mehr alle Tassen im Schrank.
„Wusstest du gar nicht, dass man in einer bestimmten Schlafphase zugänglicher für Einflüsse der Umwelt ist?“, frage ich mit einem kaum sichtbaren Grinsen. Sie versteht, was ich meine, das merke ich ihr an. Wenn der Kerl noch einen beschissenen Traum hat, bevor er aufwacht, fällt die Befragung leichter.
„Dann weck ihn gleich endlich auf.“, sagte Michelle genervt. „Ich hab keine Lust hier die ganze Nacht auf Dornröschen zu warten.“ Die hab ich auch nicht, das gebe ich zu – aber wir wissen beide ganz genau, dass wir für den Batzen Geld den wir von unserem Auftraggeber bekommen, eine ganze Woche warten würden, wenn nötig.
„Na schön, Michelle. Hast gewonnen …“, sage ich und gebe dem Kerl einen sanften Klaps auf die Wange. Er öffnet die Augen, seine Position wird ihm binnen Sekunden bewusst und er beginnt zu zappeln. Bringt ihm aber nicht das Geringste. Er beruhigt sich, als ihm klar wird, dass er bei dieser Sache von vorne herein den Kürzeren gezogen hat und uns lieber nicht verärgert.
Ich werfe meiner Partnerin einen Blick zu, kann sehen, dass sie die Wut über die Anrede mit Mühe herunterschluckt. Ich hab nie erfahren, warum sie ihren Vornamen so sehr hasst, aber ich hab keine Lust, einen Menschen mit dem ich mein Leben verbringe, mit einem Spitznamen anzureden.
Die Angst in den Augen der Menschen, die ich befrage, mag ich ebenso gern wie Michelles Wut. Diese Leute scheißen sich in die Hosen, weil sie uns für Beauftragte halten, die von irgendwem geschickt wurden, den sie sich irgendwann mal zum Feind gemacht haben. Eigentlich stimmt das in den wenigsten Fällen, die Personen die uns beauftragen sind meist selbst nur Mittelsmänner und von uns haben die armen Schweine nichts zu befürchten. Jedenfalls nicht von mir.
„Ich stell dir jetzt ein paar Fragen.“, kündige ich an. Er winselt etwas, hat scheinbar Schwierigkeiten Luft zu bekommen, weil er ja immer noch geknebelt ist. „Wenn ich das Klebeband abziehe und du schreist, bist du tot. Soweit klar?“
Er nickt und winselt wieder etwas, ich reiße das Klebeband unsanft von seinen Lippen. Ich hab das nie selbst erlebt, aber sein gezwungen beherrschtes Gesicht lässt für mich keinen Zweifel offen, dass das ganz widerliche Schmerzen sind. Was mich gar nicht weiter verwundert, als ich mit einem Blick auf die Rückseite des Klebebandes feststelle, wie viele Haare ich ihm mit aus dem Gesicht gerissen habe. „Solche Bastarde können schon was vertragen.“, kommt mir wieder ins Gedächtnis und ich messe diesem Kerl sogar ein wenig Bewunderung für seine Kooperation zu.
„Was wollt ihr?“, fragt er und Pein klingt in seiner Stimme mit.
„Ruhe, ich stelle die Fragen.“ Meine Stimme trifft sein Trommelfell wie ein Gletscher. Keiner kann mich einschätzen, selbst Michelle tut sich schwer damit, raus zu finden, was in mir vorgeht, wenn ich es darauf anlege, sie zu verwirren. Ich hingegen weiß zu jedem Zeitpunkt, was in den Menschen vorgeht – ich würde das sogar mögen, wenn es sich abstellen ließe.
„Und jetzt hör zu … ich will wissen, ob du in irgendwelche illegalen Geschäfte verwickelt bist.“, sage ich und sehe ihm tief in die Augen. Er belügt mich. Beim ersten Mal belügen mich alle. Er ist nicht anders als die anderen, also wird auch er lügen.
„N-nein …“, gibt er, verunsichert von meinem tiefen Blick, zurück.
„Lügner.“, betitele ich ihn. Mein Blick wird so kalt, dass die Luft zwischen uns zu gefrieren scheint. Er sieht aus, als würde ihm schlagartig bewusst, dass er mit dreckigen kleinen Schwindeleien keine Chance hat, mir zu entgehen. Lieber spät als nie – das ist auch der Grund, warum ich immer anfange und nicht Michelle.
„Für wen arbeitest du?“, will ich von ihm wissen.
„Da … ich sag’s euch nicht, er bringt mich um, wenn ich das sage.“, jammert er und mein Blick wird so abschätzig wie mein Lächeln. Er ist ein Mensch wie ich, aber es ist so einfach Leuten das Gefühl zu geben, Dreck zu sein. Wenn er sich für genug Dreck hält, dass er sich selbst zu hassen beginnt, dann hab ich ihn. Wenn ich das schaffe, habe ich jeden.
„Glaubst du, es geht dir besser, wenn du’s mir nicht sagst?“, lächele ich. „Was immer derjenige für den du arbeitest dir antun kann, hier und jetzt gibt es nur mich zu fürchten. Und wenn du’s nicht kannst, muss ich dir eben zeigen, wie man Angst hat.“
Er zuckt zusammen. Es wirkt.
„Weißt du, ich bin sehr kreativ … ich glaub nicht, dass du öfter Besuch bekommst und wenn du mir nicht sagst, was ich wissen will, dann kneble ich dich wieder und sehe morgen noch mal vorbei. Mal sehen, wie lange du es aushältst, ohne was zu trinken.“
Er zittert. Dieser Kerl kennt wenigstens die Palette die jemand wie ich sehen will, wenn er sich in etwas hineinsteigert. Drohen macht erst so richtig Spaß, wenn das Opfer sich einnässt. Er kann sich die peinliche Lage ja sparen, wenn er sich früh genug dafür entscheidet, zu reden. Und wenn er sich dagegen entscheidet, gibt’s ja immer noch Michelle.
„Du hast keine Ahnung, was er alles machen kann! Ihm gehört diese Stadt praktisch!“, sagt er mit fester Stimme um mich davon zu überzeugen, dass es besser wäre, wieder abzuziehen. Bringt ihm auch nichts. Was soll schon passieren? Er kennt unsere Namen nicht und er würde der letzte sein, der sich wagt, sie auszusprechen, wenn er sie doch kennen würde.
„Hör zu …“, sage ich. „Mir ist scheiß egal, was der Mann kann. Ich frage dich jetzt das letzte Mal. Wenn du nicht antwortest, übergebe ich an meine Partnerin.“
Er sieht zu Michelle rüber, genau wie ich. Sie sitzt auf dem Ledersofa und die Kälte in dem Blick, den sie erwiedert spiegelt ihre Seele wieder. Wer immer mir je gesagt hat, ich sei gestört, der kennt sie nicht.
„In diesem Land sterben wirklich viele Menschen an den unterschiedlichsten Dingen …“, erkläre ich ihm mit einem nonchalanten Lächeln. „Glaub mir, wenn du dich immer noch sperrst, wirst du heute Abend das ärmste Schwein von allen sein.“
Er erwiedert nichts mehr, außer einem ungläubigen Blick. Ich gebe ihm noch ein bisschen Zeit – drei, zwo, eins – und wende mich zu meiner Partnerin um.
„Michelle …“, sage ich und setze mich wieder.
„Du kriegst nichts aus ihm raus?“, fragt sie, klingt etwas verwundert.
„Keine Chance … den haben sie hypnotisiert oder so was.“, sage ich. „Er gehört dir.“
„Na endlich.“, sagt sie und bewegt die Fingerspitzen, wohl um sich zu lockern. Verdammt, warum hören so wenige auf mich? Ich meine, wer bricht schon in eine Wohnung ein, schlägt jemanden nieder, warnt vor seiner Partnerin und meint es nicht ernst? Missmutig entscheide ich mich dafür, mich der Show auszusetzen, die Michelle mir bieten wird. Langsam tritt sie vor ihn hin und stemmt die Hand in die Seite. Dominant und herrisch wirkt es – sie wird ihren Spaß an ihm haben.
Sie schweigt ihn an, wartet nur ab. Er wird ungeduldig, nervös … seine Körpersprache erzählt mir mehr als man je in ein Buch schreiben könnte. Er würde wahnsinnig werden, seine Angst ist grenzenlos. Er weiß nicht, ob er diese Nacht noch übersteht und allein mir und meiner Manipulation verdankt er, dass die Hölle in die Michelle ihn hinab stoßen wird so tief ist wie noch keine zuvor.
„… was …“, höre ich ihn flüstern, vielleicht sollte es mal ein „Was wird nun?“ werden, aber dazu lässt Michelle es nicht kommen. Sie holt aus und schlägt ihm mit der flachen Hand ins Gesicht.
Natürlich verstummt er. Ich bekomme sogar mit, dass er etwas Blut auf den Boden spuckt. Michelles Rechte ist nicht zu verachten.
„Hab ich gesagt, du sollst sprechen?“, fragt sie und bringt die Hölle zum Gefrieren. Er begreift, dass meine Warnungen nicht umsonst waren und wirft mir einen verängstigten Blick zu. Ich sehe ihn auch an, aber ich schweige, lege keinerlei Aussage in meine Augen. Selbst Schuld.
Michelles linke Hand trifft ihn an der anderen Wange, sein Kopf wird auf die andere Seite geschleudert.
„Sieh mich gefälligst an, Abschaum!“, herrscht sie ihn an und etwas benommen wirft er ihr einen Blick zu. Jetzt hat er wirklich verschissen.
Sie beugt sich zu ihm vor und legt die rechte Hand an seine Wange. „Ich frag dich dasselbe wie mein Partner eben. Für wen arbeitest du?“
Der Kerl ist zäh. Er antwortet nicht – und das liegt beim besten Willen nicht daran, dass er nicht mehr dazu in der Lage ist. Michelle quittiert das mit einem sanften Lächeln, ehe sie ihre Hand nach vorn zieht und ihm tiefe Kratzer in die Wange reißt. Er blutet sofort, stöhnt leise vor Schmerz auf, während Michelle sich mit den Fingern der anderen Hand die Hautreste unter ihren Fingernägeln wegkratzt. Sie weiß genau so gut wie ich, wie sie Widerstände brechen kann. Nur eben auf eine andere Art.
„Bild dir ja nicht ein, dass Schweigen dir hilft.“, sagt sie leise, so leise dass ich es selbst kaum verstehe. „Ich mach dich so fertig, dass du vor Schmerzen deinen eigenen Namen vergisst … und glaub nicht, dass dann die Erlösung kommt.“
„Ihr … ihr versteht das nicht …“, lässt der Kerl vernehmen.
„Nein, du verstehst nicht.“, lächelt sie ihn herrisch an. „Aber ich werd dir schon zeigen, was ich meine.“ Sie schlägt ihm ein weiteres Mal ins Gesicht, auf die frischen Kratzwunden. Sein Gesicht zeugt von allen Höllen dieser Welt. Der Schlag wird ebenso das Seine dazu getan haben, wie der salzige Schweiß, der von seiner Stirn herab rinnt.
„Und wir haben viel Zeit.“, erweitert sie ihre Aussage und greift nach seinem Hals, ihre Fingernägel so tief wie möglich in sein Fleisch schlagend. Blut rinnt aus jeder der Wunden. Michelle scheint sich entschlossen zu haben, diesem Kerl erstmal die sanfte Tour zukommen zu lassen.
Ich höre ein ersticktes Gurgeln aus der Kehle des Kerls, ihr Griff dauert an. Erst nach satten dreißig Sekunden – ich zähle dabei immer mit – lässt sie von ihm ab, er keucht schwer und ringt nach Luft.
Sie wiederholt die Worte, die in den letzten Minuten schon so oft gefallen sind. „Für wen arbeitest du?“ Er schüttelt den Kopf.
Michelle zieht nach Luft und zieht etwas aus der rechten Tasche ihrer Jeans. Ein Messer. Sie kann mit diesem Ding umgehen, möchte ich sagen, sie ist eine regelrechte Akrobatin mit diesem Instrument.
„Holst du mir Essig aus der Küche?“, fragt sie an mich gewandt. Der Kerl zuckt zusammen, erhöht seine Anstrengung, frei zu kommen, doch Michelle unterbindet jedes Muskelzucken, in dem sie ihm erneut ins Gesicht schlägt.
Ich winke ab. „Es wird so gehen.“, sage ich und schnaufe. Der Kerl hat sie schneller gereizt als die meisten zuvor. Mich berührt das etwas in meinem Stolz, schließlich will nur ich die Möglichkeit haben, sie so aufzuwühlen. „Mach einfach weiter, Michelle.“, sage ich.
„Verdammt, nenn mich nicht so, du Dreckskerl!“, schreit sie mir entgegen und entlädt ihre Wut mit einer Ohrfeige, die klatschend das Gesicht des Kerls trifft.
„Okay, hör mir zu, du Hurensohn.“ Michelle beugt sich zu ihm runter, hält ihm das Messer vor die Augen. „Du weißt, was man damit machen und wie lange man es ziehen kann. Sag mir was ich wissen will, oder du wirst wirklich leiden.“
„… er … ich darf nicht …“
Michelle fügt ihm eine lange Schnittwunde über den gesamten Oberkörper zu, eine Wunde die geradezu nach kritischem Blutverlust schreit. In ihrem Zorn schlägt sie ein weiteres Mal zu und verleit der Wunde das Aussehen eines Kreuzes.
„Sag es!“, knurrt sie und wartet nicht ab, ob er es tatsächlich tut. Mit kleinen, präzisen Schnitten ergänzt sie das Bild auf seinem Brustkorb und lässt das Kreuz zu einem mit Blut verschmierten Fadenkreuz werden. Der Kerl kreischt auf, Tränen lösen sich aus seinen Augen. Es überrascht mich, dass er es geschafft hat, sie so lange zurückzuhalten. Manche flennen schon nach der ersten Ohrfeige. Gratulation. Bringt ihm trotzdem nichts. Gegen Michelles Gnadenlosigkeit ist kein Meter Boden zu gewinnen.
Sie gibt ihm ein paar Sekunden, um es sich anders zu überlegen. Er schluchzt nur, heult unter Schmerzen.
Michelle sieht sich um. Ich mag den Part, in dem sie ihre Umwelt in die Folter mit einbezieht gern … mich fasziniert jedoch weniger die verstörende Show, die sie einem damit bietet, sondern die Kreativität. Sie kann mit allem etwas anfangen, wenn es darum geht, Schmerzen zu verursachen. Mir kommt ein Fall, in den Sinn, als sie einmal einen Kerl hat Kühlschrankmagneten verschlucken lassen und sofort erinnere ich mich wieder an: „Solche Bastarde können schon was vertragen.“ Dieser Satz stärkt mein Gewissen jedes Mal, wenn ich ihr zusehe, wie sie ihren Spaß hat. Warum auch immer.
Sie entdeckt einen Nagelklipser, wahrscheinlich haben wir das Ding gleichzeitig gesehen, und nimmt es in die Hand – gerade so, als sei sie eine Schwertkämpferin und müsse prüfen, ob ihre Klinge gut zu führen ist. Ich überdenke ihre Möglichkeiten mit diesem Ding. „Solche Bastarde können schon was vertragen. Solche Bastarde können schon was vertragen. Solche Bastarde können schon was vertragen.“, sage ich mir. Diesmal hilft es nur wenig.
Michelle rückt näher an ihn heran. Ganz nah sogar, so nah, dass sie ihre Wange an seinem Hals reiben kann. Nicht nur ‚kann’, sie tut es.
„Dein Herz schlägt so schnell …“, sagt sie ganz leise. Ihr Körper verdeckt mir die Sicht auf das, was sie tut. Sie verzieht das Gesicht und weicht sofort von ihm zurück.
Uh … ich wende den Blick ein paar Grad ab, ehe ich doch wieder hinsehe. Die linke Brust des Kerls ist blutig, seine Brustwarze fehlt … verdammt, ich hatte an vieles gedacht, aber Michelle ist kreativer als ich dachte. Kreativer und gestörter.
Der Kerl schreit auf, etwas verzögert vielleicht, weil die für Schmerz zuständigen Nerven in seiner Brust schon mit den Schnittwunden kämpfen. Michelle bringt ihn mit einem Hagel von Schlägen zum Schweigen. Sieben, acht, neun … erst beim zehnten Schlag flennt der Kerl nur noch, aber die Schmerzen müssen unerträglich sein. Ich für meinen Teil würde mir in seiner Position jetzt jedenfalls den Tod wünschen. Mehr als alles andere.
„Du willst immer noch nicht reden …“, keucht Michelle und wischt sich ein paar Schweißtropfen der nur wenige Sekunden zurückliegenden Anstrengung von der Stirn. „Hey Analyze …“
Sie sieht mich an. Ich erwiedere den Blick.
„Vielleicht versteht er uns ja gar nicht … oder er hört einfach nur schlecht. Versuchen wir’s doch mal von Stereo in Mono …“, sagt sie und ich blicke sofort, was sie vor hat.
„Michelle …“, versuche ich ihr Einhalt zu gebieten.
„Halt dein Maul …“, keucht sie und erst jetzt bemerke ich, wie ekstatisch das klingt. Sie wirft den Nagelklipser weg und streicht sich mit der Hand in der sie ihn hielt über die Brust hinab. Blut bleibt an ihrer Kleidung haften und mir fällt auf, dass ihre Brustwarzen hart unter ihren Kleidern hervortreten. Sie hat mehr als nur ihren Spaß an dieser Sache.
Langsam führt ihre Hand das Messer hinter sein rechtes Ohr, sie hält es schief und dreht die Klinge zu sich, mit dem Daumen auf sein Ohr drückend.
„Für wen arbeitest du …?“, will sie wissen und ihre Augen nehmen einen undefinierbaren Ausdruck an. Jedenfalls für mich. Frustrierend. Eigentlich dachte ich, es gäbe keine Dinge mehr, in die ich nichts hineindeuten könnte.
Der Kerl sagt nichts, schluchzt nur und beißt sie auf die Zähne. Mich würde es wundern, wenn er noch in der Lage wäre, überhaupt noch etwas zu sagen. Ich glaube, wir haben ihm sogar schon die Möglichkeit genommen, um seinen Tod zu betteln. Ich sollte …
Sie reißt den Arm nach vorne, trennt das Ohr vom Schädel des Kerls fast vollständig ab. Etwas Blut spritzt mit, ein paar Tropfen auf mein Shirt und ich drehe den Kopf endgültig weg. Ich habe den härtesten Magen den ich kenne, aber sie hat es gerade geschafft, ihn mir umzudrehen. Ich atme tief durch, um einen möglichen Brechreiz schon vor dem Auftreten unterdrücken zu können und stehe auf, wobei ich erfolgreich nach ihrem Handgelenk greife.
„Es reicht.“, sage ich, „Ich übernehme wieder.“
Sie ist nicht begeistert, aber sie kennt meinen Ernst, tritt einen Schritt zurück.
„Hör zu …“, sage ich noch einmal, aber ich verzichte darauf, den guten Samariter, der nicht in mir steckt, in meiner Stimme mitklingen zu lassen. „… sag uns, was wir wissen wollen, dann ist alles vorbei.“
Diesmal braucht er nicht mehr so lange zum Überlegen. Er öffnet den Mund, haspelt unter Tränen einen Namen, während sein Körper unter den Schmerzen bebt, die Michelle ihm in ihrem Wahn zugefügt hat.
Ich sehe sie kurz an, dann drehe ich mich um, wende mich der Tür zu, die zum Flur führt.
Der Traum verblasst vor meinen Augen.
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Enigma /1/ - Ende
Killuah99