Yin
this is your story
Hello zusammen,
nachdem die Erzählung wohl net so der Reißer ist, lad ich mal eine neue KG hoch. ^^
Viel Spaß!
Autor: Yin
Titel: Der Weg durch den Park
Teile: 1
Genre: Mischmasch
Disclaimer: Meine Charas, Ähnlichkeiten sind zufällig und unbewusst.
Wenn es nicht so teuer wäre, würde sich Melanie zum Mond schießen lassen.
Die Ruhe dort oben wäre sicher wundervoll. Ein bisschen staubig vielleicht, aber immer noch besser als -
Ihr Handy klingelte und anhand der Melodie erkannte sie, dass es ihr Bruder war. Auch das noch. Sicher wollte er sie wieder zum Kaffee einladen, einfach so, weil sie sich ja jetzt lange nicht mehr gesehen hatten. Was am Ende immer darauf hinauslief, dass sie ihn einlud, da er völlig pleite war und sie ihm noch 50 Euro zusteckte, um seinen leidenden Blick nicht länger ertragen zu müssen. Der dankbare danach war jedoch genau so schlimm.
Ihr Bruder war süchtig. Internetsüchtig, doch das sagte sie nie dazu, wenn sie von ihm sprach. Die Leute nahmen es sonst nicht ernst. Hätte sie vor drei Jahren wahrscheinlich auch nicht getan, aber inzwischen wusste sie es besser.
Melanie ging nicht ran und wischte sich im Gehen eine Träne aus dem Augenwinkel. Verstohlen überprüfte sie, ob jemand in der Nähe war, aber der Park schien bei diesem Wetter menschenleer. Nur ein paar Enten quakten auf dem kleinen Flüsschen neben dem Weg. Es war früher Nachmittag, ein feuchter, kalter Wind ging, der einem direkt in die Glieder fuhr.
Melanie hoffte, sich einigermaßen beruhigt zu haben, bis sie die S-Bahn Haltestelle am Ende des Parks erreicht haben würde. Sie würde nach Hause fahren, ein Bad nehmen und dann mit Ben sprechen. Ihre Beziehung machte momentan ein völliges Wrack aus ihr, was ihn jedoch kalt zu lassen schien. Melanie schniefte. Ein Wrack, das mit tränenverschleiertem Blick im Park herumirrte und sich auf den Mond wünschte.
Auf der Parkbank vor ihr saß ein alter Mann und starrte sie an. Nichts Besseres zu tun?, schimpfte sie in Gedanken, bevor ihr sein Gesicht auffiel. In ihm spiegelte sich eine solch tiefe Traurigkeit wider, dass Melanie abrupt stehen blieb.
Der Mann schloss die Augen und machte Anstalten, nach vorn wegzukippen. Schnell lief sie zu ihm und hielt ihn fest.
„Vorsicht!“, sagte sie.
„Ach.“ Der Mann fuhr sich mit einer knotigen Hand über die stoppeligen Wangen und ließ sich von ihr aufrichten. „Verzeihung.“
„Soll ich den Notarzt rufen?“
„Nein“, sagte er kopfschüttelnd. „Das wird nicht nötig sein.“
„Sind Sie sicher?“ Melanie betrachtete den Mann, der nur im kurzen Hemd dasaß. Eine Gänsehaut zog sich über seine weiße Haut und ihm stand trotz der Kälte Schweiß auf der Stirn.
„Ich bin sicher“, erwiderte er mit fester Stimme und sah sie an.
Etwas in seinen blassen, grünen Augen brachte sie dazu, sich neben ihn zu setzen. Vielleicht, weil er genau so einsam aussah, wie sie sich fühlte.
„Ich heiße Melanie“, stellte sie sich vor und legte die Hände in den Schoß.
„Ben“, sagte er und räusperte sich.
„Lustig. So heißt mein Verlobter auch.“
„Kommen Sie von der Arbeit?“, fragte er, ohne sie anzusehen.
„Ja. Ich musste ein bisschen den Kopf frei kriegen. Normalerweise gehe ich nicht durch den Park, aber Bewegung kann ja nicht schaden“, sagte sie.
„Sie sagen, sie sind verlobt“, meinte er nach einer Weile. „Das ist sehr schön.“
„Naja. Im Moment eher weniger“, gab sie zu. „Wir haben große Probleme und –“ Schon spürte sie, wie die Tränen sich wieder Bahn brachen. „Und … deswegen laufe ich auch so aufgelöst hier rum und jammere ihnen die Ohren voll. Es tut mir Leid.“
„Ich war auch mal verlobt, vor langer Zeit“, sagte der Alte. „Aber manches soll nicht sein und wir fragen uns unser Leben lang, was schief gelaufen ist. Wo der Hebel ist, der alles auslöst.“ Er streckte die dünnen Finger nach diesem imaginären Hebel aus. Seine Lippen formten stumme Worte, bis seine Hand wieder erschlaffte und zurück auf sein Bein sank.
„Wohnen Sie hier in der Nähe?“ Inzwischen bereute sie es, nicht den Notarzt gerufen zu haben. Wahrscheinlich war er verwirrt und fand nicht mehr zurück zu seinem Heim oder seiner Wohnung.
„Oh, nein. Ich wohne hier nicht. Ich werde auch gleich wieder gehen.“
„Nein, das müssen Sie doch nicht. Ich dachte nur, ich könnte Sie vielleicht nach Hause begleiten. Frieren Sie denn gar nicht?“
„Längst nicht mehr“, sagte der Mann mit einer Endgültigkeit, die Melanie frösteln ließ.
„Tja, dann…“, meinte sie etwas hilflos.
„Sie kneten ihre Nase, wenn sie nervös sind“, stellte der Alte fest. Melanie hielt erstaunt inne, bevor ihre Hand die Nase berührte.
„Und Sie sind hilfsbereit. Immer da, wenn Sie jemand braucht. Selbst für Ihren nutzlosen Bruder“, sagte er und sah sie mit einem merkwürdigen Glänzen in den Augen an.
Melanie erstarrte. „Woher wissen Sie von meinem Bruder?“
„Ich kenn ihn gut. Menschen wie er denken nur an sich. Ich war genau so.“
„Aber … Sie kennen mich gar nicht! Wie kommen Sie auf meinen Bruder? Ist er hier irgendwo? “, fragte sie und sah sich nach anderen Menschen um, doch der Park noch genau so leer wie vor einigen Minuten.
„Ich möchte Ihnen keine Angst machen“, begann der Alte und Melanie schnaufte.
„Sie sind gut. Natürlich machen Sie mir Angst, ein Wildfremder, der über meine Familie Bescheid weiß.“
„Die Familie, ja… Manche Menschen gehören zusammen, für immer. Sie können ohne einander nicht leben, Melanie“, sagte er und machte Anstalten, nach ihrer Hand zu greifen.
„Das geht mir jetzt zu weit“, sagte sie und stand auf.
„Bitte bleib, ich habe – ich wollte dich nur ansehen, weiter nichts.“
„Nein, ich gehe jetzt lieber“, sagte Melanie und bereute schon, sich überhaupt zu ihm gesetzt zu haben.
Der Alte seufzte. „Ich beobachte dich so gern im Schlaf.“
Melanie lief es eiskalt den Rücken hinunter. „Sie sind ja verrückt!“, fuhr sie ihn an und wich zurück. Er war klein und alt, konnte ihr also für den Moment nichts anhaben. Oh Gott! War er ein Stalker? Sie musste hier weg!
„Ich wollte es aufgeben, aber jetzt, da ich dich sehe … ich kann dich nicht gehen lassen. Es muss einfach eine Möglichkeit geben, es muss, ich habe noch nicht alles versucht. Ich kann dich einfach nicht gehen lassen“, murmelte er und streckte eine Hand nach ihr aus.
„Das werden Sie aber!“, rief Melanie zitternd. „Kommen Sie mir bloß nicht zu nah!“ Die ersten Schritte ging sie rückwärts von ihm weg.
„Ich brauche nur mehr Zeit, noch mehr und die - die …“ Er flüsterte jetzt und seine Augen zuckten hin und her. „Es gibt so viele Variablen, die ich noch ändern könnte, ich hasse sie, ich hasse diese Frau, es ist immer sie!“ Wie von Sinnen schlug er mit der Faust auf sein Bein und Speichel tropfte von seinen wutverzerrten Lippen.
Das war der Moment, in dem Melanie sich herum warf und losrannte.
„Ich liebe dich, Melanie!“, hörte sie ihn rufen. „Du bist meinetwegen durch den Park gegangen, es tut mir so Leid!“
Ihr Hinterkopf prickelte, als sie über den Schotterweg hetzte und betete, er möge ihr nicht folgen! In was für einen Wahnsinn war sie da hinein geraten? Sie schluchzte ungehalten bei dem Gedanken daran, wie dieser alte Kerl sich vor ihrer Erdgeschosswohnung herumdrückte und in das Schlafzimmerfenster schielte, während er an weiß Gott was dachte!
Erst, als die Haltestelle nur noch wenige Schritte entfernt war, wurde sie langsamer. Ihr schlug das Herz bis zum Hals und sie wagte einen Blick über die Schulter. Der Mann war ebenfalls aufgestanden, starrte nun in ihre Richtung. Hektisch legte sie die letzten Meter zurück und sah auf den Fahrplan. In einer Minute kam die Bahn! Eine Minute, okay, ruhig bleiben, das wird schon ...
Melanie blickte sich noch einmal um. Der Mann starrte auf seine Armbanduhr und schlug eine Hand vor das Gesicht. Dann knickten seine Knie weg und er -
Das Auto erfasste Melanies Körper in voller Fahrt und schleuderte sie einige Meter durch die Luft, bevor sie mit gebrochener Wirbelsäule auf dem nassen Asphalt liegen blieb. Ein Mal atmete sie noch aus, anklagend und verständnislos, bevor ihr Herz aufhörte zu schlagen.
16:14 Uhr. Wie jedes Mal.
Ben hieb mit der Faust auf den steinigen Boden. Die betrunkene Frau, die den Todeswagen fuhr, setzte ihr Auto vom Gehsteig auf die Straße zurück und rauschte mit quietschenden Reifen davon. Bens Finger zitterten, als er das längliche Gerät aus seiner Hosentasche zog, das es ihm ermöglichte, durch die Zeit zu gehen. Er hatte sich geschworen, es nie wieder zu versuchen. Sie noch ein Mal im Vorbeilaufen zu beobachten und sie dann gehen zu lassen. Aber er konnte es einfach nicht!
Tausende Male hatte er seine Verlobte auf diese oder andere Weise sterben sehen. Jedes Mal hatte die betrunkene Frau im Auto ihren Tod zu verschulden! Er hatte alles probiert, dieses Weib sogar zu töten versucht, doch nie war es ihm gelungen. Am Ende war Melanie immer gestorben.
Doch diesmal würde es anders laufen. Sicher hatte er etwas übersehen, sicher konnte er es verhindern, wenn er nur ... Vielleicht, wenn er drei Monate zurückging, an dem Tag hatte er Melanie eine Idiotin genannt, nachdem sie ihrem Bruder wieder Geld geschenkt hatte. Ja, ja möglich, dass damit ihr Streit begonnen hatte. Sie wäre nie durch den Park gegangen, wenn sie sich nicht so elend gefühlt hätte wegen der ewigen Auseinandersetzungen.
„Ich werde dich retten“, flüsterte Ben, während im Hintergrund die Sirenen des Krankenwagens ertönten, der wie immer zu spät kam. Er stellte das Datum ein, drückte den blauen Knopf seines Zeitschiebers und verschwand.
nachdem die Erzählung wohl net so der Reißer ist, lad ich mal eine neue KG hoch. ^^
Viel Spaß!
Autor: Yin
Titel: Der Weg durch den Park
Teile: 1
Genre: Mischmasch
Disclaimer: Meine Charas, Ähnlichkeiten sind zufällig und unbewusst.
Wenn es nicht so teuer wäre, würde sich Melanie zum Mond schießen lassen.
Die Ruhe dort oben wäre sicher wundervoll. Ein bisschen staubig vielleicht, aber immer noch besser als -
Ihr Handy klingelte und anhand der Melodie erkannte sie, dass es ihr Bruder war. Auch das noch. Sicher wollte er sie wieder zum Kaffee einladen, einfach so, weil sie sich ja jetzt lange nicht mehr gesehen hatten. Was am Ende immer darauf hinauslief, dass sie ihn einlud, da er völlig pleite war und sie ihm noch 50 Euro zusteckte, um seinen leidenden Blick nicht länger ertragen zu müssen. Der dankbare danach war jedoch genau so schlimm.
Ihr Bruder war süchtig. Internetsüchtig, doch das sagte sie nie dazu, wenn sie von ihm sprach. Die Leute nahmen es sonst nicht ernst. Hätte sie vor drei Jahren wahrscheinlich auch nicht getan, aber inzwischen wusste sie es besser.
Melanie ging nicht ran und wischte sich im Gehen eine Träne aus dem Augenwinkel. Verstohlen überprüfte sie, ob jemand in der Nähe war, aber der Park schien bei diesem Wetter menschenleer. Nur ein paar Enten quakten auf dem kleinen Flüsschen neben dem Weg. Es war früher Nachmittag, ein feuchter, kalter Wind ging, der einem direkt in die Glieder fuhr.
Melanie hoffte, sich einigermaßen beruhigt zu haben, bis sie die S-Bahn Haltestelle am Ende des Parks erreicht haben würde. Sie würde nach Hause fahren, ein Bad nehmen und dann mit Ben sprechen. Ihre Beziehung machte momentan ein völliges Wrack aus ihr, was ihn jedoch kalt zu lassen schien. Melanie schniefte. Ein Wrack, das mit tränenverschleiertem Blick im Park herumirrte und sich auf den Mond wünschte.
Auf der Parkbank vor ihr saß ein alter Mann und starrte sie an. Nichts Besseres zu tun?, schimpfte sie in Gedanken, bevor ihr sein Gesicht auffiel. In ihm spiegelte sich eine solch tiefe Traurigkeit wider, dass Melanie abrupt stehen blieb.
Der Mann schloss die Augen und machte Anstalten, nach vorn wegzukippen. Schnell lief sie zu ihm und hielt ihn fest.
„Vorsicht!“, sagte sie.
„Ach.“ Der Mann fuhr sich mit einer knotigen Hand über die stoppeligen Wangen und ließ sich von ihr aufrichten. „Verzeihung.“
„Soll ich den Notarzt rufen?“
„Nein“, sagte er kopfschüttelnd. „Das wird nicht nötig sein.“
„Sind Sie sicher?“ Melanie betrachtete den Mann, der nur im kurzen Hemd dasaß. Eine Gänsehaut zog sich über seine weiße Haut und ihm stand trotz der Kälte Schweiß auf der Stirn.
„Ich bin sicher“, erwiderte er mit fester Stimme und sah sie an.
Etwas in seinen blassen, grünen Augen brachte sie dazu, sich neben ihn zu setzen. Vielleicht, weil er genau so einsam aussah, wie sie sich fühlte.
„Ich heiße Melanie“, stellte sie sich vor und legte die Hände in den Schoß.
„Ben“, sagte er und räusperte sich.
„Lustig. So heißt mein Verlobter auch.“
„Kommen Sie von der Arbeit?“, fragte er, ohne sie anzusehen.
„Ja. Ich musste ein bisschen den Kopf frei kriegen. Normalerweise gehe ich nicht durch den Park, aber Bewegung kann ja nicht schaden“, sagte sie.
„Sie sagen, sie sind verlobt“, meinte er nach einer Weile. „Das ist sehr schön.“
„Naja. Im Moment eher weniger“, gab sie zu. „Wir haben große Probleme und –“ Schon spürte sie, wie die Tränen sich wieder Bahn brachen. „Und … deswegen laufe ich auch so aufgelöst hier rum und jammere ihnen die Ohren voll. Es tut mir Leid.“
„Ich war auch mal verlobt, vor langer Zeit“, sagte der Alte. „Aber manches soll nicht sein und wir fragen uns unser Leben lang, was schief gelaufen ist. Wo der Hebel ist, der alles auslöst.“ Er streckte die dünnen Finger nach diesem imaginären Hebel aus. Seine Lippen formten stumme Worte, bis seine Hand wieder erschlaffte und zurück auf sein Bein sank.
„Wohnen Sie hier in der Nähe?“ Inzwischen bereute sie es, nicht den Notarzt gerufen zu haben. Wahrscheinlich war er verwirrt und fand nicht mehr zurück zu seinem Heim oder seiner Wohnung.
„Oh, nein. Ich wohne hier nicht. Ich werde auch gleich wieder gehen.“
„Nein, das müssen Sie doch nicht. Ich dachte nur, ich könnte Sie vielleicht nach Hause begleiten. Frieren Sie denn gar nicht?“
„Längst nicht mehr“, sagte der Mann mit einer Endgültigkeit, die Melanie frösteln ließ.
„Tja, dann…“, meinte sie etwas hilflos.
„Sie kneten ihre Nase, wenn sie nervös sind“, stellte der Alte fest. Melanie hielt erstaunt inne, bevor ihre Hand die Nase berührte.
„Und Sie sind hilfsbereit. Immer da, wenn Sie jemand braucht. Selbst für Ihren nutzlosen Bruder“, sagte er und sah sie mit einem merkwürdigen Glänzen in den Augen an.
Melanie erstarrte. „Woher wissen Sie von meinem Bruder?“
„Ich kenn ihn gut. Menschen wie er denken nur an sich. Ich war genau so.“
„Aber … Sie kennen mich gar nicht! Wie kommen Sie auf meinen Bruder? Ist er hier irgendwo? “, fragte sie und sah sich nach anderen Menschen um, doch der Park noch genau so leer wie vor einigen Minuten.
„Ich möchte Ihnen keine Angst machen“, begann der Alte und Melanie schnaufte.
„Sie sind gut. Natürlich machen Sie mir Angst, ein Wildfremder, der über meine Familie Bescheid weiß.“
„Die Familie, ja… Manche Menschen gehören zusammen, für immer. Sie können ohne einander nicht leben, Melanie“, sagte er und machte Anstalten, nach ihrer Hand zu greifen.
„Das geht mir jetzt zu weit“, sagte sie und stand auf.
„Bitte bleib, ich habe – ich wollte dich nur ansehen, weiter nichts.“
„Nein, ich gehe jetzt lieber“, sagte Melanie und bereute schon, sich überhaupt zu ihm gesetzt zu haben.
Der Alte seufzte. „Ich beobachte dich so gern im Schlaf.“
Melanie lief es eiskalt den Rücken hinunter. „Sie sind ja verrückt!“, fuhr sie ihn an und wich zurück. Er war klein und alt, konnte ihr also für den Moment nichts anhaben. Oh Gott! War er ein Stalker? Sie musste hier weg!
„Ich wollte es aufgeben, aber jetzt, da ich dich sehe … ich kann dich nicht gehen lassen. Es muss einfach eine Möglichkeit geben, es muss, ich habe noch nicht alles versucht. Ich kann dich einfach nicht gehen lassen“, murmelte er und streckte eine Hand nach ihr aus.
„Das werden Sie aber!“, rief Melanie zitternd. „Kommen Sie mir bloß nicht zu nah!“ Die ersten Schritte ging sie rückwärts von ihm weg.
„Ich brauche nur mehr Zeit, noch mehr und die - die …“ Er flüsterte jetzt und seine Augen zuckten hin und her. „Es gibt so viele Variablen, die ich noch ändern könnte, ich hasse sie, ich hasse diese Frau, es ist immer sie!“ Wie von Sinnen schlug er mit der Faust auf sein Bein und Speichel tropfte von seinen wutverzerrten Lippen.
Das war der Moment, in dem Melanie sich herum warf und losrannte.
„Ich liebe dich, Melanie!“, hörte sie ihn rufen. „Du bist meinetwegen durch den Park gegangen, es tut mir so Leid!“
Ihr Hinterkopf prickelte, als sie über den Schotterweg hetzte und betete, er möge ihr nicht folgen! In was für einen Wahnsinn war sie da hinein geraten? Sie schluchzte ungehalten bei dem Gedanken daran, wie dieser alte Kerl sich vor ihrer Erdgeschosswohnung herumdrückte und in das Schlafzimmerfenster schielte, während er an weiß Gott was dachte!
Erst, als die Haltestelle nur noch wenige Schritte entfernt war, wurde sie langsamer. Ihr schlug das Herz bis zum Hals und sie wagte einen Blick über die Schulter. Der Mann war ebenfalls aufgestanden, starrte nun in ihre Richtung. Hektisch legte sie die letzten Meter zurück und sah auf den Fahrplan. In einer Minute kam die Bahn! Eine Minute, okay, ruhig bleiben, das wird schon ...
Melanie blickte sich noch einmal um. Der Mann starrte auf seine Armbanduhr und schlug eine Hand vor das Gesicht. Dann knickten seine Knie weg und er -
Das Auto erfasste Melanies Körper in voller Fahrt und schleuderte sie einige Meter durch die Luft, bevor sie mit gebrochener Wirbelsäule auf dem nassen Asphalt liegen blieb. Ein Mal atmete sie noch aus, anklagend und verständnislos, bevor ihr Herz aufhörte zu schlagen.
16:14 Uhr. Wie jedes Mal.
Ben hieb mit der Faust auf den steinigen Boden. Die betrunkene Frau, die den Todeswagen fuhr, setzte ihr Auto vom Gehsteig auf die Straße zurück und rauschte mit quietschenden Reifen davon. Bens Finger zitterten, als er das längliche Gerät aus seiner Hosentasche zog, das es ihm ermöglichte, durch die Zeit zu gehen. Er hatte sich geschworen, es nie wieder zu versuchen. Sie noch ein Mal im Vorbeilaufen zu beobachten und sie dann gehen zu lassen. Aber er konnte es einfach nicht!
Tausende Male hatte er seine Verlobte auf diese oder andere Weise sterben sehen. Jedes Mal hatte die betrunkene Frau im Auto ihren Tod zu verschulden! Er hatte alles probiert, dieses Weib sogar zu töten versucht, doch nie war es ihm gelungen. Am Ende war Melanie immer gestorben.
Doch diesmal würde es anders laufen. Sicher hatte er etwas übersehen, sicher konnte er es verhindern, wenn er nur ... Vielleicht, wenn er drei Monate zurückging, an dem Tag hatte er Melanie eine Idiotin genannt, nachdem sie ihrem Bruder wieder Geld geschenkt hatte. Ja, ja möglich, dass damit ihr Streit begonnen hatte. Sie wäre nie durch den Park gegangen, wenn sie sich nicht so elend gefühlt hätte wegen der ewigen Auseinandersetzungen.
„Ich werde dich retten“, flüsterte Ben, während im Hintergrund die Sirenen des Krankenwagens ertönten, der wie immer zu spät kam. Er stellte das Datum ein, drückte den blauen Knopf seines Zeitschiebers und verschwand.