Sahlene
Sinful Hypocrite...
Hi Leute.
Wieder mal eine Kurzgeschichte von mir. Ich habe dafür ungefähr vierzig Minuten gebraucht, sie war also nicht wirklich arbeitsintensiv. Das liegt vor allem dran, dass die Grundlage dieser Story Realität ist, auch wenn ich das wirklich Geschehene an mancher Stelle etwas ausgeschmückt habe.
Ich wollte eigentlich nur eine Szene aus meinem Leben porträtieren, die mich sehr berührt hat. Ich habe gehofft, durch die literarische Annäherung an dieses Thema meine eigenen Gefühle zu verstehen, auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob mir das gelungen ist. Jedenfalls war es befreiend, alles zu Papier zu bringen.
Ich hoffe, dass das auch manch anderen von euch berührt, selbst wenn das Thema eher harmlos und wohl auch eher selten ist. Ich bete, dass ich die ganze Sache nicht zu subjektiv angegangen bin, weil das äußerst ungerecht wäre allen Beteiligten gegenüber.
Hier ist es:
Ich hörte die wütenden Rufe, den Knall, als sie ihre Zimmertür wütend in die Angeln warf, die verzweifelten Tränen, als sie einfach nicht verstanden wurde oder einfach nicht verstanden werden wollte.
Ich blieb in meinem Zimmer, entschlossen, sie beide zu ignorieren. Es ging mich nichts an. Entweder Mama oder sie würde ich verletzen und ich wollte keins von beidem.
Ich blieb sogar noch in meinem Zimmer, als die Haustür zugeworfen wurde, mit einem lauten Rumms, der das ganze Haus zum Erzittern brachte.
Erst, als Mama in mein Zimmer kam, Tränen der Wut in den Augen, verstand ich, was geschehen war.
Angefangen hatte es harmlos. Sie hatte mit krummen Rücken auf der Fernsehcouch gesessen, eine dämliche Soap gesehen – allein, wie sie es fast immer tat. Mama hatte es bemerkt, sie aufgefordert, sich gerade hinzusetzen. Zweimal. Sie war beide Male ignoriert worden.
Dann war sie laut geworden.
Schließlich war von krummen Rücken nicht mehr die Rede gewesen, dafür aber von Geld, welches Mama ihr angeblich immer noch schuldete. Sie hatte sich in ihr Zimmer zurückgezogen, die Tür zugehalten, damit Mama ihr nicht folgen konnte. Die beiden hatten gestritten. Auf eine unangenehme, unfaire Art und Weise, welche nichts mit einer sachlichen Auseinandersetzung gemein hatte, sondern mehr mit einer Schlammschlacht, in der so tief gegraben wurde, wie es nur ging, um auch einander auch ja die schmutzigsten aller möglichen Gemeinheiten an den Kopf werfen zu können.
Wo war ich mit meinen Gedanken gewesen?
Jetzt war sie weg, lief weinend durch die Nacht. Zuerst war ich wütend, fragte mich, was das sollte. Warum so ein unvernünftiges, unbeherrschtes Verhalten?
Sie hatte eine Freundin eingeladen gehabt. Das Mädchen weinte auch. Sie war unglücklich, allein zurückgelassen in einem Haus voller Fremden. Meine Schwester hatte sich um nichts gekümmert, als sie die Tür hinter sich ins Schloss gezogen hatte. Eine ekelhaft endgültige Geste.
Dann wurde ich nachdenklich, fragte mich nach den Gründen für dieses seltsame Verhalten. Ich rief bei ihrer besten Freundin an, fragte nach ihr. Sie war da, es hieß, sie wäre völlig aufgelöst, was wir denn mit ihr gemacht hätten. Vorwürfe?
Ich bat sie ans Telefon, gab sie ihrer Freundin. Das Mädchen weinte immer noch. Aber sie ließ sich nicht erweichen, meinte, ich sei ja noch da, ich werde mich schon um alles kümmern. Woher plötzlich so viel Vertrauen?
Ich nahm das Telefon wieder in die Hand, bat sie, zurückzukommen, sie sei unverantwortlich und überdreht. Ich hatte meinen Satz noch nicht beendet, da ertönte schon das „leer“-Zeichen im Hörer. Einfach aufgelegt.
<piep> <piep> <piep> <piep> Oh Gott...
Mama versuchte verzweifelt, ihre Freundin zu beruhigen, alles sei kein Problem, sie hätte das schon öfter gemacht und es sei ihr nie was passiert. Man würde alles regeln - es würde schon wieder gut werden.
Dann sprach sie ihr ein Hausverbot für das Mädchen aus, mit der Begründung, meine Schwester sei nicht der richtige Umgang für sie. Ich fragte mich, ob ich sie auslachen oder ihr zustimmen sollte.
Dann passierte es.
Ich wusste nicht warum. Aber auf einmal weinte auch ich. Zuerst verstand ich es nicht. Ihr war doch nichts passiert. Sie hatte sich unmöglich benommen, glaubte, im Recht zu sein, indem sie gegangen war und die Diskussion auf diese Weise einfach abgewürgt hatte. Warum betrachte mich das zum Weinen?
Vielleicht, vermutlich sogar, war es der Verlust all meiner Illusionen, der mich zum Weinen gebracht hatte.
Meine kleine Schwester hatte mich schon oft enttäuscht, mich beleidigt, mich aufgeregt. Aber ich hatte es stets vergessen – es war nie so schlimm gewesen, als dass ich es mir hätte merken müssen. Irgendwie hatte ihr süßes Lächeln alles immer wettgemacht.
Aber heute hatte sie ein 12-jähriges Mädchen, drei Jahre jünger als sie selbst, einfach alleine gelassen, aus einer Laune heraus. Eine jähzornige Laune.
Und sie war sich keiner Schuld bewusst. Nein, Mama hatte sie dazu getrieben, sie selbst sei, wie sie nun mal sei, wenn wir sie so nicht mögen, sei das unser Problem, sie jedenfalls werde sich nicht ändern.
Das muss es wohl gewesen sein. Wenn ein Mensch zu keinerlei Selbstkritik fähig ist, dann merkt er nicht, wie sehr er alle Menschen in seiner näheren Umgebung mit seiner Art verletzt.
Und ich war verletzt, weil ich wusste, dass alle anderen verletzt waren und sie es nie bemerken würde.
Möglich, dass auch meine Reaktion überzogen war, übertrieben. Aber ich hatte angst, sie nie wieder zu sehen und sie in dem Glauben zu lassen, sie hätte alles richtig gemacht.
Ich hatte Angst, dass ihr ihre Fehler niemals aufgezeigt würden.
Denn wer sollte das schon tun? Ich etwa? Ihre große Schwester, gerade gut genug, um als Fußabtreter herzuhalten, wenn sie gerade mal wieder fand, ihre schlechte Laune an jemandem auslassen zu müssen? Gerade gut genug, um nicht einmal einen Abschiedsgruß zu empfangen, während sie Hals über Kopf auszog?
Ich bin kein religiöser Mensch. Mein Kopf will nicht akzeptieren, dass wir alle der Willkür eines einzigen höheren Wesens ausgesetzt sein sollen. Aber an diesem Abend betete ich.
Ich betete, Gott möge ihr Selbsterkenntnis schenken.
Ich hatte keine großen Hoffnungen , dass sie sich jemals ändern würde. Aber ein kleiner Schritt in die richtige Richtung wäre schon gewesen, einfach nur zu wissen: Ich bin unbeherrscht. ich muss mich in den Griff bekommen, wenn ich nicht jegliche zwischenmenschlichen Beziehungen mit meinen Bekannten zerstören will.
Sie bewegte sich nicht einen Zentimeter vorwärts.
Sie kam nur noch einmal in unser Haus zurück. Da hatte sie einen Vertreter vom Jugendamt dabei und einen Umzugswagen.
Und bis heute lässt mich die Frage nicht los: War es wirklich ihre charakterliche Schwäche? Oder haben wir als Familie versagt? Es ist so einfach, viel zu einfach, anderen die schuld zu geben. Sie hat dies Zeit ihres Lebens gemacht, und ich zweifle nicht, dass sie es immer noch mit Vorliebe tut. Aber darf ich das gleiche tun? Darf ich sagen: Sie war es – sie hat unsere Familie zerstört?
Nein.
Diese Antwort zu finden, war leicht. Nach ihr zu leben ist schwer.
Ich hoffe, ihr geht mit mir nicht zu hart ins Gericht. Mit der Moral am Ende bin ich etwas unzufrieden, weil sie so gezwungen wirkt, allerdings wäre ein völlig offener Schluss auch sehr unbefriedigend gewesen, zumindest meiner Meinung nach.
Aber bitte, bildet euch eine eigene und schreibt sie mir.
bye, Sahlene
PS: Danke, dass ich meinen Seelenmüll bei euch abladen darf.
Wieder mal eine Kurzgeschichte von mir. Ich habe dafür ungefähr vierzig Minuten gebraucht, sie war also nicht wirklich arbeitsintensiv. Das liegt vor allem dran, dass die Grundlage dieser Story Realität ist, auch wenn ich das wirklich Geschehene an mancher Stelle etwas ausgeschmückt habe.
Ich wollte eigentlich nur eine Szene aus meinem Leben porträtieren, die mich sehr berührt hat. Ich habe gehofft, durch die literarische Annäherung an dieses Thema meine eigenen Gefühle zu verstehen, auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob mir das gelungen ist. Jedenfalls war es befreiend, alles zu Papier zu bringen.
Ich hoffe, dass das auch manch anderen von euch berührt, selbst wenn das Thema eher harmlos und wohl auch eher selten ist. Ich bete, dass ich die ganze Sache nicht zu subjektiv angegangen bin, weil das äußerst ungerecht wäre allen Beteiligten gegenüber.
Hier ist es:
Der Riss
Ich hörte die wütenden Rufe, den Knall, als sie ihre Zimmertür wütend in die Angeln warf, die verzweifelten Tränen, als sie einfach nicht verstanden wurde oder einfach nicht verstanden werden wollte.
Ich blieb in meinem Zimmer, entschlossen, sie beide zu ignorieren. Es ging mich nichts an. Entweder Mama oder sie würde ich verletzen und ich wollte keins von beidem.
Ich blieb sogar noch in meinem Zimmer, als die Haustür zugeworfen wurde, mit einem lauten Rumms, der das ganze Haus zum Erzittern brachte.
Erst, als Mama in mein Zimmer kam, Tränen der Wut in den Augen, verstand ich, was geschehen war.
Angefangen hatte es harmlos. Sie hatte mit krummen Rücken auf der Fernsehcouch gesessen, eine dämliche Soap gesehen – allein, wie sie es fast immer tat. Mama hatte es bemerkt, sie aufgefordert, sich gerade hinzusetzen. Zweimal. Sie war beide Male ignoriert worden.
Dann war sie laut geworden.
Schließlich war von krummen Rücken nicht mehr die Rede gewesen, dafür aber von Geld, welches Mama ihr angeblich immer noch schuldete. Sie hatte sich in ihr Zimmer zurückgezogen, die Tür zugehalten, damit Mama ihr nicht folgen konnte. Die beiden hatten gestritten. Auf eine unangenehme, unfaire Art und Weise, welche nichts mit einer sachlichen Auseinandersetzung gemein hatte, sondern mehr mit einer Schlammschlacht, in der so tief gegraben wurde, wie es nur ging, um auch einander auch ja die schmutzigsten aller möglichen Gemeinheiten an den Kopf werfen zu können.
Wo war ich mit meinen Gedanken gewesen?
Jetzt war sie weg, lief weinend durch die Nacht. Zuerst war ich wütend, fragte mich, was das sollte. Warum so ein unvernünftiges, unbeherrschtes Verhalten?
Sie hatte eine Freundin eingeladen gehabt. Das Mädchen weinte auch. Sie war unglücklich, allein zurückgelassen in einem Haus voller Fremden. Meine Schwester hatte sich um nichts gekümmert, als sie die Tür hinter sich ins Schloss gezogen hatte. Eine ekelhaft endgültige Geste.
Dann wurde ich nachdenklich, fragte mich nach den Gründen für dieses seltsame Verhalten. Ich rief bei ihrer besten Freundin an, fragte nach ihr. Sie war da, es hieß, sie wäre völlig aufgelöst, was wir denn mit ihr gemacht hätten. Vorwürfe?
Ich bat sie ans Telefon, gab sie ihrer Freundin. Das Mädchen weinte immer noch. Aber sie ließ sich nicht erweichen, meinte, ich sei ja noch da, ich werde mich schon um alles kümmern. Woher plötzlich so viel Vertrauen?
Ich nahm das Telefon wieder in die Hand, bat sie, zurückzukommen, sie sei unverantwortlich und überdreht. Ich hatte meinen Satz noch nicht beendet, da ertönte schon das „leer“-Zeichen im Hörer. Einfach aufgelegt.
<piep> <piep> <piep> <piep> Oh Gott...
Mama versuchte verzweifelt, ihre Freundin zu beruhigen, alles sei kein Problem, sie hätte das schon öfter gemacht und es sei ihr nie was passiert. Man würde alles regeln - es würde schon wieder gut werden.
Dann sprach sie ihr ein Hausverbot für das Mädchen aus, mit der Begründung, meine Schwester sei nicht der richtige Umgang für sie. Ich fragte mich, ob ich sie auslachen oder ihr zustimmen sollte.
Dann passierte es.
Ich wusste nicht warum. Aber auf einmal weinte auch ich. Zuerst verstand ich es nicht. Ihr war doch nichts passiert. Sie hatte sich unmöglich benommen, glaubte, im Recht zu sein, indem sie gegangen war und die Diskussion auf diese Weise einfach abgewürgt hatte. Warum betrachte mich das zum Weinen?
Vielleicht, vermutlich sogar, war es der Verlust all meiner Illusionen, der mich zum Weinen gebracht hatte.
Meine kleine Schwester hatte mich schon oft enttäuscht, mich beleidigt, mich aufgeregt. Aber ich hatte es stets vergessen – es war nie so schlimm gewesen, als dass ich es mir hätte merken müssen. Irgendwie hatte ihr süßes Lächeln alles immer wettgemacht.
Aber heute hatte sie ein 12-jähriges Mädchen, drei Jahre jünger als sie selbst, einfach alleine gelassen, aus einer Laune heraus. Eine jähzornige Laune.
Und sie war sich keiner Schuld bewusst. Nein, Mama hatte sie dazu getrieben, sie selbst sei, wie sie nun mal sei, wenn wir sie so nicht mögen, sei das unser Problem, sie jedenfalls werde sich nicht ändern.
Das muss es wohl gewesen sein. Wenn ein Mensch zu keinerlei Selbstkritik fähig ist, dann merkt er nicht, wie sehr er alle Menschen in seiner näheren Umgebung mit seiner Art verletzt.
Und ich war verletzt, weil ich wusste, dass alle anderen verletzt waren und sie es nie bemerken würde.
Möglich, dass auch meine Reaktion überzogen war, übertrieben. Aber ich hatte angst, sie nie wieder zu sehen und sie in dem Glauben zu lassen, sie hätte alles richtig gemacht.
Ich hatte Angst, dass ihr ihre Fehler niemals aufgezeigt würden.
Denn wer sollte das schon tun? Ich etwa? Ihre große Schwester, gerade gut genug, um als Fußabtreter herzuhalten, wenn sie gerade mal wieder fand, ihre schlechte Laune an jemandem auslassen zu müssen? Gerade gut genug, um nicht einmal einen Abschiedsgruß zu empfangen, während sie Hals über Kopf auszog?
Ich bin kein religiöser Mensch. Mein Kopf will nicht akzeptieren, dass wir alle der Willkür eines einzigen höheren Wesens ausgesetzt sein sollen. Aber an diesem Abend betete ich.
Ich betete, Gott möge ihr Selbsterkenntnis schenken.
Ich hatte keine großen Hoffnungen , dass sie sich jemals ändern würde. Aber ein kleiner Schritt in die richtige Richtung wäre schon gewesen, einfach nur zu wissen: Ich bin unbeherrscht. ich muss mich in den Griff bekommen, wenn ich nicht jegliche zwischenmenschlichen Beziehungen mit meinen Bekannten zerstören will.
Sie bewegte sich nicht einen Zentimeter vorwärts.
Sie kam nur noch einmal in unser Haus zurück. Da hatte sie einen Vertreter vom Jugendamt dabei und einen Umzugswagen.
Und bis heute lässt mich die Frage nicht los: War es wirklich ihre charakterliche Schwäche? Oder haben wir als Familie versagt? Es ist so einfach, viel zu einfach, anderen die schuld zu geben. Sie hat dies Zeit ihres Lebens gemacht, und ich zweifle nicht, dass sie es immer noch mit Vorliebe tut. Aber darf ich das gleiche tun? Darf ich sagen: Sie war es – sie hat unsere Familie zerstört?
Nein.
Diese Antwort zu finden, war leicht. Nach ihr zu leben ist schwer.
Ende
Ich hoffe, ihr geht mit mir nicht zu hart ins Gericht. Mit der Moral am Ende bin ich etwas unzufrieden, weil sie so gezwungen wirkt, allerdings wäre ein völlig offener Schluss auch sehr unbefriedigend gewesen, zumindest meiner Meinung nach.
Aber bitte, bildet euch eine eigene und schreibt sie mir.
bye, Sahlene
PS: Danke, dass ich meinen Seelenmüll bei euch abladen darf.