Der letzte Besuch

Wings of Melancholy

Everything has wings...
Autor: Wings of Melancholy
Titel: Der letzte Besuch
Teile: 1
Genre: eigentlich Alltag, aber keine allzu alltägliche Situation...
Serie (Original oder Fanfiction): Original
Pairing (wenn vorhanden): -
Disclaimer: Von einem Disclaimer halte ich nicht viel. Aber wenn ihr darauf besteht... Ich verzichte auf alle Rechte, die ich mit dieser Geschichte haben könnte. Ihr könnt mit ihr so ziemlich alles tun, was ihr wollt.



Der letzte Besuch


„Ist es nicht irgendwie tragisch?“
„Natürlich ist es, aber mach dir doch nicht so viele Gedanken!“
„Hört auf, ihr Beiden! Ihr habt euch die letzten 10 Minuten darüber unterhalten, wessen Schuld es ist, ob es zu verhindern gewesen wäre und wie wir jetzt damit klarkommen sollen. Jetzt sind wir schon im Krankenhaus und ihr wollt immer noch nicht aufhören. Gebt euch doch in seinen letzten Momenten auf Erden nicht gegenseitig die Schuld!“
„Musst du gerade sagen!“
„Hier ist sein Zimmer. Wie gesagt, ihr habt nicht mehr viel Zeit, er wird nicht mehr lange unter uns weihen.“
„Danke, Schwester.“

Sie betraten langsam sein Zimmer. Es war ziemlich schäbig, als ob er sich nichts besseres leisten könnte. Aber er tut nur so, ist er doch eigentlich ein Geizkragen. Die Vorhänge sind zu, das Fenster auch. Er war schon immer gut darin theatralisch zu sein. Dazu noch dieses gekünstelte Aussehen. Hätte er nicht noch blasser sein können? Ach, das waren schon immer Dinge, die ihm wenige Freunde bescherten. Wären es nicht wir drei, hätte er allein sterben. Er hatte keine Verwandten mehr, auf jeden Fall keine, die er sich nicht zum Todfeind gemacht hat. Und auch noch die Krankenschwester! Er hat sie wahrscheinlich bestochen, damit sie so melancholisch aussieht, sich so still verhält und es so dramatisch wirken lässt.

Wie haben es die Beiden geschafft, mich zu überreden mit ihnen zu kommen. Hoffentlich stirbt er bald und ich muss es nicht so lange mit ihm aushalten. Ach, woran denke ich da gerade? Hoffentlich stirbt er bald, vergiss diese unmenschlichen Gedanken. Er stirbt, wenn er stirbt, und dann bin ich ihn los. Endlich!

Der Arme, bald stirbt er. Wenn ein Mensch kurz vor dem Sterben ist, vergibt man ihm alles. Oder war es danach? Vergib ihm diese schrecklichen Dinge, die er zu Lebzeiten von sich gab oder tat. Er hat sie sicherlich nicht so gemeint. Hoffentlich nicht.

Gequält, oder wenigstens gequält klingend, sprach er: „Thomas, Mary, Lou, wie schön es ist, euch zu sehen! Bitte, setzt euch doch. Wie froh ich doch bin in meinen letzten Momenten bekannte zu sehen.“ Langsam schritten sie auf die in der Ecke stehenden Stühle zu. „Wie könnten wir denn einen guten Freund im Stich lassen, insbesondere im wichtigsten aller Augenblicke!“ Wie kaltherzig Lou das ausgesprochen hat, dachte sich Mary. Auch wenn es nicht so sein musste, wusste sie, dass es kaltherzig gemeint war. Augenblick, wahrscheinlich hofft er darauf, dass es nur ein Augenblick ist. Sie setzen sich langsam auf die Stühle. Thomas fühlte sich von dieser Stille leicht bedrängt, da sogar das Hinsetzen keine Geräusche verursacht hat, war jedoch erleichtert, als Roger das Wort ergriff.

„Meine Freunde, die besten, die ich nur haben konnte, die besten, die ich jemals hatte, die wenigen die ich jemals hatte -“, er schaffte es nicht einmal, den Satz zu beenden, als Thomas in den Raum warf, „Die einzigen, die du jemals hattest!“. Schockiert antwortete Mary, „Wie kannst du nur?!“, als Lou sagte: „Falls du uns deine Freunde nennen kannst!“. Diese Worte hallten durch den Raum. Wie grausam sie doch klangen, dache Mary. Wie wahr sie doch sind, merkte Thomas.

„Wie es denn auch sein mag. So will ich eure kostbare Zeit nicht mehr lange beanspruchen. Schon bald werde ich sterben. Ich spüre schon die Schwäche, den Tod, wie er die Kontrolle über mich übernimmt. Wie er mich langsam erwürgt. Langsam. Und so ist meine Zeit gekommen.“

Wie er die Worte stetig aussprach, merkte man ihm an, wie schwer es ihm fiel, sie auszusprechen. Auch wenn Thomas, Mary und Lou an ihm etwas nicht ausstehen konnten, an ihm nichts ausstehen können, so teilten sie einen Gedanken: Er klang überraschend glaubwürdig. Jetzt erinnerte sich Lou, wie ihn die anderen überreden konnten, mit ihnen zu kommen. Sie haben es gar nicht getan. Er hat es in Erinnerung an Rogers hypnotische Aura gedacht, eine Aura der man nicht widerstehen konnte. Ein Vampir!

In Trauer um den Tod ihres Freundes senkten die Drei ihren Kopf.

„Ja, meine Zeit ist gekommen. Die letzten Momente, die ich auf diesem mühsamen Planeten verbringen werde.“

Mary war von diesem überraschenden Satz schockiert, Thomas stockte der Atem. Ein gequältes Lächeln. Das war die einzige Reaktion, die Lou zeigte, den Kopf immer noch gesenkt. Er hätte es doch erwarten können, dass er am Ende noch einmal so etwas tut. Sein Lächeln wurde breiter, als er an die Schadenfreude, die Roger wahrscheinlich empfand, dachte. Ironisch.

„So soll dies meine letzte Bitte sein, die ich auf Erden ausspreche: Bitte, vergebt mir für meine Sünden.“ Als er das aussprach, senkte sich auch sein Kopf, langsam sank diese Kreatur auf seinem Totenbett in sich zusammen.

Minuten vergingen, aber die Stille blieb. Die Drei machten sich schon bereit zu gehen.

„Bitte, vergebt mir!“ Die Drei erstarrten. Wann stirbt er endlich, dachte Thomas.

„So werde ich schon bald von euch gehen. Sterben.“

Sie wussten, dass er noch nicht tot war, aber die Stille blieb. Was sollte jetzt gesagt werden.

So fuhr Roger fort: „Und, wie war euer Tag?“
„Gut, sehr gut.“, sagten sie gemeinsam.
„Gut, das freut mich. Sonst ist bei euch nichts passiert?“

Fin
 
Gefällt mir sehr diese Geschichte.
Ein tragisches Thema gepart mit bitterböser Ironie und Sarkasmus. Genau so, wie es der schwarze Teil meiner Seele ab und an mal braucht.
Sher interessant, wie sich die Geschichte Faden so langsam entspinnt.

Leider bringt einen der Wechsel zwischen den Zeitformen ein wenig ins stolpern.
 
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