Erster Teil: Erwachen (Part 3)
Sooo, da bin ich wieder! Tut mir leid, dass gestern nichts mehr gekommen ist, aber mein Sender aka Internetprovider meinte, ich solle mir ruhig mal eine Pause gönnen. Aber nun sind wir ja wieder zurück! Und hier ist es, das spannende Finale des Ersten Teils. Die folgenden Handlungen werden das Schicksal aller verändern. Zum Guten? Zum Schlechten? Dies werdet Ihr erfahren ... hier in
AERUIN. ; )
@ Tati:
Interessant, was Du da zusammengeschrieben hast. Danke, dass Du mich an Deinen Gedanken teilhaben lässt! Auf eines möchte ich jedoch eingehen: Morphium, wie in diesem Teil erklärt wird, würde die Geburt ziemlich erschweren. Das ist ja das Dilemma ...
@ Dragonballdreamer:
Hihi, danke. Hoffentlich gefällt Dir auch dieser Teil hier. : )
btw. Sorry, dass 'Characterdata noch nicht raus ist, aber da sich mein Provider schon vorgestern abend (bei meinem Edit ... *grml*) verabschiedet hat, muss ich das nochmal nachholen ... ich hoffe, Ihr könnt mir die Verzögerung nachsehen ...
Euer
Antheon
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»Hey, Sie da! Sofort stehen bleiben!«
Der Soldat musste gerade erst den Wehrdienst abgeschlossen haben, zumindest schätzte Mikael, dass er seine Volljährigkeit erst vor kurzem erlangt hatte.
Verdammt jung, um für die Heimat sein Leben zu geben ... Der Arzt hob die linke Hand zum Gruß und lächelte verschmitzt, als hätte er gerade einen unanständigen Witz erzählt. »Na, Kleiner! So jung und schon beim Militär?«, frug er gut gelaunt. Der Junge versteifte sich sofort und hob das Gewehr in einer drohenden Geste. »Ich wiederhole: Stehen bleiben! Sofort!« Erste Schweißtropfen bildeten sich auf seiner Stirn. Anscheinend war es das erste Mal, dass eine Situation so für ihn hinauslief. Mikael konnte beinahe fühlen, wie der Zeigefinger des Jungen am Abzug zitterte. Die Chancen standen 50:50. Einer Eingebung folgend hob er die Hand erneut, diesmal jedoch beschwichtigend. »Ganz ruhig, Junge! General Gray schickt mich. Ich soll bei der Entbindung helfen.« Sein Gegenüber schien verwirrt, senkte jedoch seine Waffe. »Der General hat nichts dergleichen erwähnt ...«
»Wie ich es vermutet habe ...«, antwortete Mikael sowohl dem Jungen als auch seinem Gedanken mit einem Seufzen.
Dieser Mistkerl! Er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen und lächelte weiter. »Er wusste nicht, dass ich ebenfalls hier war.« Es herrschte eine lange Pause. Der Junge überlegte, was er nun tun sollte, ehe er nach seinem Funkgerät griff. Auf einmal ging es ganz schnell. Der Junge spürte nur einen Luftzug, dann stand Mikael direkt vor ihm und hielt ein Skalpell an seinen Hals. »Unmöglich!«, wisperte der Junge ungläubig, als er ihn aus angsterfüllten Augen anstarrte, »Sie ... Sie sind ... Mazareth ... Mikael Mazareth!« Er betrachtete den Jungen mit einem irren Lächeln, das ihm eine Gänsehaut bereitete.
»Doktor, wenn ich bitten darf.«
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»Zur Hölle mit dir, Mikael!«, brummte Rachel missmutig. Warum machte er das ständig? Warum schloss er sie aus seinem Leben aus, als ginge sie das alles nichts an? Als wäre jede Sekunde der trauten Zweisamkeit eine Gefährdung ihrer Gesundheit! Sie wusste, dass er etwas verheimlichte. Das sah wohl selbst ein Blinder. Doch was war es? Als sie daran dachte, wie er den Soldaten angesehen hatte, fröstelte sie. Dass er sie weggeschickt hatte, mehrte ihre Sorge nur. Aber was würde er schon tun? Den Kreissaal stürmen? Lächerlich. Idiotisch. Das wäre glatter Selbstmord. Ein Zischen entglitt ihrer Kehle, als sie zu rennen begann und die Akte achtlos aus der Hand rutschte.
Scheiße, er will den Kreissaal stürmen! Sie hatte zwar nicht den leisesten Hauch einer Ahnung, aus welchen Gründen er dies vorhatte (oder bereits in die Tat umgesetzt hatte), aber es musste etwas mit dieser Frau zu tun haben. Teufel noch mal! Vielleicht war
er ihre verflossene Liebe und er hatte lediglich dick aufgetragen! Oder er täuschte seinen eigenen Tod vor! Oder ... natürlich! Aliens hatten ihn entführt. Bei letzterem wusste sie nicht mehr, ob es triefender Sarkasmus war, oder ob sie es wirklich in Erwägung zog. Mikael umgab eine Aura des Mysteriösen, wenn es um ihn ging, musste man wohl alles in Erwägung ziehen. Aber irgendetwas musste es mit der Frau schon auf sich haben, wenn sogar das Militär an ihr interessiert schien.
Verdammt, kann mir mal einer sagen, was hier gespielt wird? Sie wollte gerade um die nächste Ecke umbiegen, als sie in jemanden hineingelaufen war - oder etwas. Zumindest fühlte es sich an, als wäre sie gegen eine Wand gelaufen, ihre Wange war taub und ihr Hintern schickte Schmerzensstiche ihr Rückgrat empor. Sie rieb sich die schmerzende Stelle und blickte fluchend auf. »Haben Sie sich wehgetan?« Vor ihr baute sich eine Ansammlung von Muskeln auf, die Rachel gerne auf ihre Echtheit prüfen wollte. Ein andermal natürlich. »Scheinbar haben Sie die Begegnung mit mir überlebt!« Der Mann lachte herzhaft und es hörte sich an, als hätte er eine Motorsäge verschluckt. »Sie wollen nicht zufällig zum Kreissaal?«, frug General Gray guter Dinge, »Welch Zufall! Wir wollen auch dorthin.« Rachel hatte keine rationale Erklärung für ihre Angst, aber ihre Instinkte sagten ihr, sie sollte davonlaufen. Sie wäre der Bitte gerne nachgegangen, aber es schien, als hatte sich die Schwerkraft um sie herum verzehnfacht. Verwirrt blickte sie zum General. »Wir?« Der Offizier erwiderte ihren Blick ebenso verdattert wie sie, dann blickte er über seine Schultern und schnalzte verstehend. »Oh, habe ich Ihnen unsere Gesellschaft noch nicht vorgestellt? Wie unhöflich von mir ...« Auf seinen Pfiff folgte das Geräusch von Schritten. Irgendwer kam auf sie zu. Als ob ihr dieser eine da nicht schon genug Angst machte. Ihre Instinkte schrien nun, flehten inständig, sich nicht umzudrehen und wegzulaufen, doch sie wehrte sich dagegen und wandte ihren Blick vom General ab. Zehn Soldaten marschierten über den spiegelnden Fußboden, eine wimmernde Gestalt im Schlepptau. Die Gestalt zappelte, stemmte sich verzweifelt gegen ihre Unterwerfer, doch es hatte keinen Sinn. Einer der Männer drehte sich zur Gestalt um und trat ihr in den Rücken. Ein dumpfer Schrei, der Rachel zusammenzucken ließ. Nun erst erkannte sie, dass es sich bei dieser Person um einen Mann handelte. Die Brille war verbogen und hing an einem Ohr, Blut verschmierte das Glas und tropfte auf das himmelblaue Hemd, das bereits mehrere rote Flecken aufwies. Einige waren schon vertrocknet, aber eine dunkelrote Linie schien den Stoff noch immer in Blut zu tränken. Der Mann begegnete ihrem Blick, doch befand er sich schon im Halbdunkel der Bewusstlosigkeit. Wenn es so weiterging ... »Was haben Sie getan?«, fauchte Rachel und kroch auf den Mann zu, »Er wird noch verbluten! Ich muss ihm sofort helfen. Hey! Lasst mich gehen! Hey!!!« Der General verdrehte die Augen und winkte zwei Männer heran, die Rachel fassten und sie hinter sich herzogen. Rachel wehrte sich so gut es ging, doch sie hatte keine Chance gegen diese Schränke. Also schrie sie um Hilfe, brüllte die Männer an und strampelte im Zorn. Gray seufzte kopfschütteld. »Diese ganze Schreierei macht mich noch wuschelig ...« Rachel verstummte augenblicklich. Sie waren auf dem Weg zum Kreissaal.
Er war wahrscheinlich ebenfalls dort. »Was geht hier vor?«, wisperte Rachel leise.
Mikael, in welcher Scheiße steckst du bloß?!
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Doktor Davidson hatte schon bessere Tage gehabt. Weitaus bessere. Es war noch nicht so lange her, als der General den 72-jährigen Arzt im Ruhestand aufgesucht hatte. Der Arzt hatte einen ausgezeichneten Leumund, doch war in seiner Akte auch vermerkt, dass er recht unbekümmert und pragmatisch war, wenn es um seine Experimente ging. Sehr milde ausgedrückt.
Diese Kretins von Bürokraten werden nie verstehen, dass es gewisser Opfer bedarf, um die Geheimnisse der Welt zu ergründen! Aber als Gray dem betagten Genforscher den Deal seines Lebens (oder was davon noch übrig geblieben war) machte, hatte er sich nicht vorgestellt, als alter Greis eine Entbindung vornehmen zu müssen. Vor allem nicht mit so einem Schreihals von Frau! Ständig wimmerte sie von ihren Kindern, dann von einem Mikael, ehe sie das Bewusstsein verlor, um nach wenigen Augenblicken wieder von vorne anzufangen. Er seufzte.
Wie soll man da nur arbeiten?! Er drehte sich zu den beiden Soldaten um, Helfer, die ihm mehr im Wege standen, als es ihre Bezeichnung vermuten ließ. »Haltet sie endlich fest, verdammt noch einmal! Man kann ja nicht einen geraden Schnitt machen.« Und das stimmte. Obwohl er alt war, zitterten seine Hände kaum und auch seine Augen bedurften noch keiner Sehhilfe. Und dennoch wirkten die Schnitte auf dem Bauch der Schwangeren wie die surrealistischen Versuche eines betrunkenen Künstlers. Normalerweise hätte er längst eine Narkose eingeleitet, aber unglücklicherweise drohte der Nachwuchs darunter zu sterben. Und das war, wie General Gray betonte, keine Option. Leichter gesagt als getan, denn das Mädchen litt unter einer Präeklampsie. Schlimm genug, dass die schwachen Narkotika nicht wirkten, schienen auch die Antikonvulsiva nicht zu funktionieren. Er wischte sich den Schweiß mit dem Handrücken ab und schnitt weiter.
Hoffentlich lohnt sich der ganze Aufwand überhaupt!
Ohne jegliche Vorwarnung wippte die Türe nach innen und der junge Soldat, der diese zu bewachen hatte, krachte in die Wand, um reglos auf dem Boden zu landen. Seine beiden Kameraden eilten zu ihm. »Tim! Was ist passiert?« Erst jetzt bemerkten sie die Gestalt, die ihrem Freund gefolgt war. Der Mann blieb breitbeinig in der Nähe der Tür stehen und schien auf etwas zu warten. In seiner Linken hielt er ein Skalpell, die andere Hand verweilte in der Tasche seines weißen Arztkittels. Blondbrünettes Haar reichte ihm wellenförmig bis zur Schulter und umspielte einen Drei-Tage-Bart. Giftgrüne Augen schienen die Anwesenden wie Laser zu durchbohren. Sein Blick blieb an der Frau hängen, die unter Schmerzen stöhnte und ihre Umgebung nur noch beschränkt wahrnahm. Blut trat aus etlichen Schnitten am Bauch. Sie zitterte, wisperte seinen Namen. Mikaels Miene war undeutbar und auch sonst schien nichts darauf hinzuweisen, ob er sie angreifen oder lediglich weiter begaffen wollte. Der Junge griff nach der Hand seines Kollegen. »Maza ... reth ...«, wisperte er, ehe er der verlockenden Dunkelheit nachgab. Kaum hatten seine Kameraden das vernommen, versteiften sie sich etwas. Mikael schritt ungerührt an den beiden vorbei und ergriff die Hand der Schwangeren. Ihre Lider öffneten sich, doch unter dem Nebel der Schmerzen konnte sie kaum etwas erkennen. »Mikael?«, wimmerte sie. Er drückte vorsichtig ihre Hand und tätschelte sie. »Ja, ich bin es. Keine Sorge, jetzt wird alles gut, Rena ...« Er küsste ihre Stirn und legte ihre Hand vorsichtig auf das Bett. Sein Blick streifte Davidson, der mit einem Aufschrei auf seinen Hintern fiel, ehe er die Soldaten musterte. Seine Augen waren die eines Wahnsinnigen, eines Irren, der jegliche Menschlichkeit verloren hatte. »Ihr widert mich an ...«, sprach er leise. Die beiden Soldaten sahen sich um, doch sie erkannten schnell, dass das einzige Gewehr - Tims Gewehr - von Mikael wahrscheinlich entsorgt wurde. Sie knurrten wütend und zogen ihre Messer, dann griff der größere der beiden an, versuchte einen horizontalen Hieb auf Bauchhöhe, doch Mikael bückte sich darunter hinweg und schnitt ihm mit dem Skalpell ins Handgelenk. Der Soldat wich fluchend zurück und versuchte nach ihm zu treten, aber auch diesem Angriff wich der Arzt in einer schnellen und eleganten Drehung aus, während er mit dem Chirurgenmesser über seinen Oberschenkel fuhr. Sein Gegner fiel aufheulend um, und presste seine Hand gegen die stark blutende Wunde. Zur selben Zeit stach der andere nach Mikaels Rücken, doch er hatte nicht erwartet, dass dieser so schnell herumwirbeln konnte. Er ergriff sein Handgelenk, zog ihn zu sich und riss ihn mit einem Fußfeger zu Boden. Das Handgelenk ließ er jedoch nicht los, sondern schulterte den Ellbogen des Fallenden und zog den Unterarm in einer schnellen Bewegung abwärts. Es machte ein gut hörbares Knackgeräusch, gefolgt vom Schrei des Soldaten. Er ließ das Messer los, welches Mikael sofort ergriff und in eine Ecke warf, dann ließ er ihn achtlos liegen. Innerhalb weniger Augenblicke hatte sich der Mann seiner Widersacher entledigt. Davidson stand die Furcht ins Gesicht geschrieben. Er kroch auf allen Vieren nach hinten und drückte sich gegen die Wand. Wer auch immer das war, er musste der leibhaftige Teufel sein!
Bei den Göttern! Das ist mein Ende!
Mikael schritt langsam auf Davidson zu, dann packte er ihn am Kragen und hievte ihn hoch, knallte ihn mit nur einer Hand gegen die Wand, dass ihm für einen Moment die Luft wegblieb. Davidson fand, dass der Blick des Mannes einer wilden Bestie gleichkam, die soeben ihrem Mittagessen begegnet war. »Du hast ihr das angetan?«, frug er leise. Davidson runzelte die Stirn. Wie? Was? Als er keine Antwort bekam, hielt er ihn in der Luft und rammte ihn gegen die Wand. Es knackte leise und Davidson keuchte. Seine Augen sahen den Mann mit Entsetzen an, doch dieser knurrte nur leise. »Hast du ihr das angetan, du alter Drecksack?!« Dieser Mann schien ihn im nächsten Augenblick zerreißen zu wollen, doch unerwartet hielt er inne, dann riss er Davidson und sich zur Seite. Keine Sekunde später steckte ein Messer an jener Stelle, an der Davidson sein Herz vermutete. Mikael wandte seinen Blick um. Der Soldat mit den tiefen Wunden schien bereits verblutet zu sein, der andere jedoch, dessen Arm in einer sehr widernatürlichen und Schmerz versprechenden Haltung neben ihm lag, war noch bei Bewusstsein. Schweiß war auf seiner Stirn und sein Atem kam rasselnd, doch wie sich herausstellte, konnte er mit beiden Armen sehr gut mit Messern umgehen. Mikael kniff die Augen zusammen, dann bemerkte er das kleine Rinnsal, das sich an seiner Wange gebildet hatte. Er zog das Messer aus der Wand und betrachtete sein Blut auf der Klinge. Sein ganzes Auftreten hatte plötzlich etwas Raubtierhaftes, als er, den Blick nicht von ihm wendend, mit der Zunge über die Schneide des Messers fuhr. Er wippte mit dem Kopf auf die eine und dann auf die andere Seite. »Nicht schlecht ... Wirklich! Alle Achtung!« Dann schickte er das Messer zurück zum Absender. Es bohrte sich durch die gesunde Hand des Mannes und blieb im Boden stecken. Ein weiterer Schrei hallte durch den Raum. Doch Mikael beachtete ihn nicht weiter, sondern betrachtete Davidson wieder neugierig. »Wo waren wir stehen geblieben? Genau ... Die Frau ...« Davidson befürchtete bereits das Schlimmste, doch zu seiner Überraschung weitete sich der Blick des Mannes und er ließ ihn los. Statt den Alten nun zu vermöbeln, rollte er sich zurück, um einem Schuss auszuweichen. Er verharrte hockend und sah gemeinsam mit Davidson zur sich öffnenden Tür. Das Herz des alten Mannes setzte einen Schlag aus.
»Was machst du hier, Frischling? Ich dachte, du wärst tot.«, lachte Gray, als er eintrat. Davidson war verwirrt. Mikael lachte nun ebenfalls, wenngleich es mehr ein Knurren war, das tief in seiner Brust wiederhallte, und erhob sich. »Scheinst ja gar nicht überrascht zu sein.« Die eisgrauen Augen des Offiziers betrachteten ihn. »Wie ich dir schon vor Jahren gesagt habe: Die Todgeglaubten leben länger. Aber es gibt da zwei, die sicher erstaunt wären, wie sehr sie sich in dir getäuscht haben!« Mit einem Wink wurden zwei Gestalten hereingeschubst und fielen auf die Knie. Mikaels Gesicht zeigte keine Regung. Wie auf Grays Zeichen zuckte ein Blitz zur Erde hernieder, gefolgt von donnernden Trommelwirbeln, dann begann es wie aus Kübeln zu schütten. Caims geschwollene Augen weiteten sich ungläubig. »Wie?«, war alles, was er sagen konnte. Mikael lächelte schwach, doch es erreichte seine Augen nicht. »Lange nicht gesehen, kleiner Bruder.« Auch Rachel war sprachlos, was aber wohl davon herrührte, dass er zwischen einer Leiche und einem Krüppel inmitten einer Blutlacke stand. Doch Mikael selbst schien beinahe unverletzt zu sein. Ein Seufzer der Erleichterung entwich ihr, all dem Horror zum Trotz. Etwas anderes erregte ihre Aufmerksamkeit. In ihrer Verwirrung vermochte sie es zunächst nicht zu erkennen, doch dann begriff sie, dass es sich dabei um die Messgeräte der Schwangeren handelte. Puls und Blutdruck waren weit über der Norm und es glich einem Wunder, dass sie immer noch bei Bewusstsein und somit am Leben war. Der Mann neben ihr gab ein verlorenes Schluchzen von sich und Mikael sah zwischen Serena und dem General hin und her. Diesem ging das Piepsen auf die Nerven, also gab er Davidson zu verstehen, sich endlich zu beeilen. Mikael schritt zwischen die beiden. Der Genforscher gefror zur Statue. Würde er weitermachen, würde der Kerl ihn umbringen, wenn er zurückging, war es der General, der ihm das Genick brach.
Definitiv bessere Tage!, wiederholte er in Gedanken und setzte seine Arbeit fort. Gray würde schon dafür Sorge tragen, dass ihm nichts zustieß. Das hoffte er zumindest. Blondie schien das alles sehr zu missfallen, doch er knurrte nur leise. »Was hast du vor, Lucien?«, frug er den General. Dieser zuckte mit den Schultern und lachte. »Die Regierung schickt mich. Und ich habe den Auftrag, den Müll hier zu verräumen!« Als die Männer näher kamen, blickte Mikael kurz zu Serena, dann zu Rachel. Er stieß einen lautlosen Flucht aus. Noch ehe er etwas tun konnte, eröffneten die Soldaten das Feuer. Unzählige Kugeln fanden ihr Ziel und gruben sich tief in sein Fleisch. Rachels Schreie gingen im Kugelhagel unter, ebenso das heisere Flüstern der Schwangeren. Dann fiel der leblose Körper durch die Fensterscheibe. Die Männer eilten zum zerschossenen Fenster und waren mit einem Sprung durch dieses verschwunden. Rachel hielt sich den Kopf, die Augen starr vor Schock, wiegte sich vor und zurück und war zu einem Heulkrampf übergegangen. Caim schien nichts mehr mitzubekommen und Gray lachte verächtlich. Plötzlich ertönte ein unheilvolles Piepen. »Die Patientin ist tot.«, sprach Davidson ungerührt und holte das erste Baby aus dem Mutterleib. Er klopfte ihm auf den Rücken, sah es sich näher an, doch es gab keinen Laut von sich. »Der ist ebenfalls hinüber.« Grays Miene wirkte zum ersten Mal angespannt und ließ den Arzt frösteln. Wenn das andere auch tot war, war das wahrlich sein Ende. Irgendwo am Rande seines Bewusstseins nahm er wahr, dass sich der Gefesselte, der Vater, auf einmal schreiend wand. Doch das kümmerte Davidson einen feuchten Dreck! Sein Herz raste, als er das kleine Ding herausholte und er hielt den Atem an. Das Baby schrie! Die Erkenntnis ließ ihn dankbar seufzen. »Das hier lebt.«, sagte er unnötigerweise, »Es ist ein Junge.« Gray nickte ebenfalls erleichtert. Der Arzt kappte die Nabelschnur und sah das Kleinkind lachend an.
»Na, du kleiner Racker! Hättest mich fast das Leben ...«
Eine Blutfontäne ergoss sich an der Stelle, an der Davidson vor einer Sekunde noch seinen Kopf gehabt hatte. Mit einem
Pflatsch! explodierte dieser förmlich, dann sank Davidson leblos zu Boden. Ein Soldat eilte zu ihm, doch ehe er ihn auch nur erreichen konnte, hatte etwas seinen Oberschenkel sauber abgetrennt. Bevor er aber verbluten konnte, drehte sich sein Kopf um 360 Grad, um schließlich vom Körper gerissen zu werden. »Das Kind ... das muss das Kind sein!«, schrie einer. Eben besagtes lag in den Händen des toten Genforschers auf dem Krankenbett. Es weinte fürchterlich. »Wie ist das möglich?«, wisperte Gray geschockt. Nach kurzer Überlegung erwog er zweierlei Dinge. »Betäuben Sie es!«, sagte er einem Soldaten. Obwohl es diesem nicht behagte, folgte er seiner Order. Er berührte noch nicht einmal den Abzug, da wurden seine Finger in Scheiben geschnitten. Dann bildete sich ein gewaltiger Druck und seine Knochen brachen wie ein Kartenhaus zusammen. Rachels Schreie mischten sich mit dem Weinen des Säuglings. Gray griff nach den langen Haaren der Brünetten und zog daran. Er kam ihrem Ohr nahe. »Wir binden dich los. Dann gehst du zum Baby und nimmst es, verstanden?« Rachels Schultern bebten, doch sie nickte. Vielleicht hatte sie Glück, und dieses Kiind beendete ihre Qualen ... Man löste ihre Fesseln und schubste sie in Richtung des Massakers. Die junge Frau wimmerte leise. Sie wusste nicht, was hier gespielt wurde, und verlor langsam ihren Verstand. Der Tag hatte doch so gut begonnen! Dann das Blut. Soviel Blut! Die Frau, das Ungeborene, die Soldaten, alle tot! Und Mikael ... er war wahrscheinlich auch tot ... Tränen flossen ungehindert, ihr Gesicht war so bleich. Rachel schlang die Arme um sich und blickte zu Gray, der ungeduldig nickte. Zögernd griff sie nach dem Säugling. Alles war besser als weiterzuleben ... Doch zu aller Anwesenden Überraschung geschah ihr nichts. Sie starrte das Kleinkind fassungslos an, dann ergab sie sich ihren Tränen, sank auf die Knie und drückte es an sich. »Warum? Warum bringst du mich nicht auch um?«
Es herrschte Stille. Alle, selbst General Gray, mussten das, was sie soeben gesehen hatten, erst einmal verdauen. Nach einer Minute hatte er sich aber wieder gefasst und räusperte sich. Die übrig gebliebenen Soldaten sahen ihn mit Entsetzen an. Er kratzte sich am Kinn und zündete eine Zigarette an. »Thomas! Leo! Macht die Schweinerei weg! Frank! John!« Er wartete, dass sie ihm Aufmerksamkeit schenkten. Sie strafften sich und erwarteten seine Befehle. »Wenn ihr wieder fit seid ...«, erwiderte Gray, zeigte auf die Kindsleiche, den Säugling und die Gefangenen, dann lachte er leise. Welch ein Erwachen! Er war soeben Zeuge unvorstellbarer Macht geworden. Eine Macht, die nun in den richtigen Händen war. Grund genug, zu lachen. Mit gemächlichen Schritten entfernte er sich vom Kreissaal, schirmte seine Augen ab und blickte zur herauslugenden Sonne.
»Eintüten und mitnehmen!«
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Die Zahnräder des Schicksals sind nun im Gange. Doch welche Folgen wird all ihr Handeln haben? Welche Zukunft wird sie alle ereilen? Wer weiß, welch schreckliche Ereignisse sie heraufbeschwört haben? Die Zukunft ist ungewiss, nur eines scheint sicher: Nichts wird wieder sein, wie es einmal war ...
Nächstes Mal in
AERUIN: (K)Ein Leben in Utopia ...