Aeruin: Sanktuarium

Graufuchs

Instrument of Destruction
Autor:
Graufuchs

Titel:
Aeruin: Sanktuarium / Sanctuary

Teile:
Mehrere, 12 Kapitel

Genre:
Mix aus Abenteuer, Action, Drama, Erotik, Fantasy, Lime, Science Fiction, Violence etc.

Serie:
FanFic, Mini-Serie

Disclaimer:
Ich weise darauf hin, dass alle in diesem Werk genannten Orte, Personen und Monster geistiges Eigentum des Users Antheon sind. Selbst die von mir entworfenen Kreaturen und Standorte gebe ich mit Freuden in seine Obhut. Lediglich die Charaktere sind mein geistiges Eigentum. Außerdem sind alle Charaktere frei erfunden, und keiner realen Person nachempfunden.

Meine FanFiction schreibe ich, um Antheon zu ehren und hoffe, größere Aufmerksam auf seine definitiv lesenswerten Werke zu lenken. Die Story ist als Spin-Off zu betrachten, mit leichten Prequel-Elementen, die sich aber eher auf das Aeruin-RPG beziehen. Sollte sich hier irgendetwas mit Elementen aus Antheon's Aeruin-Saga oder dem RPG beissen, ist diese Geschichte hier als alternative Realität und auf jedenfall non-canon zu betrachten.

Widmung:
Chris

Legende:
"..." - Direkte Rede
kursive Schrift - Gedanken oder Rückblende


------------------------------------------------------

WARNUNG:

Diese Geschichte enthält unter anderem Szenen mit hohem (explizitem, exzessivem) Gewaltanteil (Gore), beleidigende Ausdrücke und Erotik, die für junge und/oder sensible Leser störend sein können. Sollte dies in irgendeiner Weise auf Sie zutreffen, bitte, überlegen Sie es sich wirklich, ob Sie diese Geschichte lesen wollen!


Naja, viel Spaß beim Lesen!

------------------------------------------------------

Aeruin | Sanktuarium / Sanctuary
Prolog
19. Januar, 1997: Varath
Sie trafen sich um zwölf Uhr mittags an einem überraschend warmen Januarsonntag in einem kleinen Restaurant, in dem man draussen sitzen konnte, ein paar Häuserblocks von der Aircycle-Rennbahn entfernt. Der Telefonanruf in der Nacht zuvor bei einer Geheimnummer im Hauptquartier von AEGIS, der Abteilung zur Eliminierung von Gesetzesbrechern im Interesse der Sicherheit, war knapp und ohne Umschweife gewesen. Der unbekannte Sprecher gab Ort und Zeit an, die Person, die teilnehmen sollte, warnte "keine Tricks" und erwähnte eine unglaubliche Summe Geld und das Versprechen auf viele wertvolle Informationen, die angeblich exakt im Interesse von AEGIS lagen. Aber es war der letzte Satz der Konversation gewesen, der dafür gesorgt hatte, dass das Treffen stattfinden würde. "Wir werden", erklärte die geheimnisvolle Stimme in einem ernsten, Unheil verkündendem Tonfall, "von den Vaishara sprechen."
Major Marston kam zuerst. Er kam zu einem Treffen stets zu früh. Besonders, wenn es sich um ein wichtiges Treffen handelte. Der große, kräftig gebaute Mann Ende fünfzig mit dem kurzen, weißen Haar und dem breiten, ebenso weißen Schnurrbart und den dazu passenden, hellgrauen Augen sah selbst in Straßenkleidung aus wie eine Respektsperson. Wie ein Soldat. Er umgab sich mit einer ruhigen Atmosphäre der Autorität, gleich jemandem, der es gewohnt war, Befehle zu erteilen, denen man besser gehorchte. Major Marston, ein Mann von unerschütterlichem Patriotismus und wilder Entschlossenheit, bewegte sich mit einer absoluten Sicherheit, die von Jahrzehnten der Erfahrung und zahlreichen Gefechten herrührte.

Wie in der telefonischen Botschaft spät nachts verlangt kam er unbewaffnet zu dem Treffen. Nicht, dass ihm das Sorgen machte: Nach mehreren Dekaden im Dienst, zahlreichen Gefechten und unzähliger Erfolge hatten ihm seine Vorgesetzten einige biomechanische Verbesserungen bezahlt. Er hatte einen Reflexbooster im Rückgrat, der ihn mit der Schnelligkeit der Jugend handeln ließ. Blitzschnell würde er reagieren können, falls da jemand ein falsches Spiel spielen wollte. Sein linker Arm war außerdem kybernetisch, seit er das Original bei einem Gefecht vor knapp zehn Jahren verloren hatte. Der Ersatz war mit Synthfleisch überzogen und stark genug, einen echten menschlichen Arm wie einen Zweig zu zerbrechen. Desweiteren gab es fünf andere Agenten von AEGIS im Restaurant, darunter zwei als Schulmädchen getarnte Frauen. Alles in allem hatten sie genug Schusswaffen dabei, um einen ordentlichen Kugelhagel vom Zaun zu brechen. Und obwohl Major Marston seit Jahren eher Befehle gab als wirklich zu schießen oder zu kämpfen, trainierte er noch immer Kampfsport. Als Experte sowohl im Messerkampf als auch im waffenlosen Nahkampf konnte er einen Angreifer auf Dutzende verschiedene Weisen töten.

In Befolgung der genauen Instruktionen bat der Major um einen Tisch für drei Personen im hinteren Bereich des Innenhofs, abseits der hektischen Betriebsamkeit der Küche. Hundert Meter entfernt waren in einem angemieteten Hotelzimmer etliche Richtmikrofone, Kameras und zahlreiche Scharfschützengewehre auf eben diese Stelle gerichtet. Jedes bei diesem Treffen gesprochene Wort würde übertragen und zum späteren Abhören und Analysieren aufgenommen werden. Dank den anderen Agenten vor Ort und den Kameras würde man Mimik deuten können und hätte obendrein die Möglichkeit, die Datenbank von AEGIS nach dem oder den anderen Anwesenden zu durchsuchen. Der Major lächelte und wies den Kellner an, eine Flasche Rotwein zu bringen, jedoch nicht den synthetischen Fusel, der mit echten Trauben nichts mehr gemeinsam hatte. Trotz aller Disziplin und Loyalität musste man sich hin- und wieder auch etwas gönnen.

Er trank gerade sein erstes Glas aus, als ein junges Pärchen seinen Tisch ansteuerte. Einen Moment lang musste der Major an seine verstorbene Frau denken, und daran, wie er selber einst mit ihr so verliebt durch die Welt spaziert war. Nun sorgte der Anblick Liebender für einen schalen Geschmack in seinem Mund. Er hoffte, sie würden sich abwenden und ans andere Ende des Innenhofs setzen. Er verstand das Verhalten der beiden jungen Turteltauben, dennoch waren Gekicher und andere Albernheiten am Nebentisch alles andere als nützlich, wenn es um ernste Gespräche ging. Doch leider sah es nicht so aus, als würden die zwei Verliebten sich für eine andere Ecke des Hofs entscheiden, denn sie setzten sich direkt zu Major Marston an den Tisch. Ein junger Mann und eine junge Frau, etwa zwischen sechzehn und achtzehn Jahre alt. "Major Marston, nehme ich an?" erkundigte sich die junge Frau und nahm ihren weißen Sonnenhut ab und legte ihn auf den Tisch. Es war ein recht zierliches, schlankes Mädchen mit einer weißen Bluse, einem ebenso weißen Rock und langen, roten Haaren und grünen Augen. Sie lächelte den Major freundlich an, doch diesem entging nicht, wie sie sich wachsam umsah, ehe sie entspannt die Hände auf dem Tisch faltete. Der Major sah das Mädchen perplex an und nickte dann, ehe er ihren Begleiter betrachtete. Der junge Mann trug eine schwarze Hose, feine Lederschuhe, ein weißes, ärmelloses Hemd und eine schwarze Krawatte. Er hatte schulterlanges, schwarzes Haar und eisblaue Augen und er nickte dem Major freundlich zu, ehe er den Kellner heran winkte. "Das muss ein Missverständnis sein", stammelte der Major beim Anblick des Pärchens, sah sich dann jedoch genauer um. Vielleicht war das alles nur ein Scherz. Er hatte ganz bestimmt nicht mit zwei Teenagern gerechnet. Sofort wurde er wütend. Doch der junge Mann schüttelte nur den Kopf. "Nein, Major. Sie sehen schon recht. Wir sind hier, um mit Ihnen über Vaishara zu sprechen. Vergessen Sie, was sie vor sich sehen und schieben sie ihre Zweifel beiseite. Dann kann unser Gespräch nämlich endlich beginnen."

Marstons kalte, hellgraue Augen fixierten die eisblauen Augen des Jungen. Nur wenige Menschen konnten Major Marstons durchdringendem Blick länger als einen Augenblick standhalten. Der Bengel jedoch blinzelte nicht einmal. Vielleicht war es bloß die Naivität der Jugend, aber der Knabe erwiderte den Blick des Majors mit einer Heiterkeit, der die grimmige Miene des Majors nichts anhaben konnte. Vor Überraschung und Irritation knurrend unterbrach der ältere Mann schließlich den Blickkontakt. Ein kurzer Schmerz flackerte kurz in der Brust des Majors auf, aber er ignorierte ihn. Ein weiteres Glas Wein würde ihm helfen, sich zu entspannen. Er hatte das plötzliche Gefühl, er würde eine Menge Wein brauchen, ehe der Mittag vorüber war. Während er sich sein Weinglas füllte, bestellten sich das Pärchen Orangensaft und Früchtetee. "Und ihr seid?", fragte der Major als der Kellner davon eilte. Der junge Mann mit dem Schlips saß ihm genau gegenüber, links von sich seine Freundin. Vorsichtig lehnte der Junge mit dem weißen Hemd einen schwarzen Lederkoffer gegen das Tischbein. "Nennen Sie mich Michael", sagte der Junge und grinste kurz. "Wie der Komiker, der immer so gut Grimassen schneidet. Das da ist Arikel", sagte er mit einem Kopfnicken zum Mädchen. "Ich freue mich schon den ganzen Tag auf unser Treffen", sagte der Junge und zupfte an seinem Schlips, "Selten trifft man so ein hochrangiges Mitglied des Militärs, mit so viel Erfahrung und Schneid." Er kicherte ausgelassen. "Oder sagt man das heute nicht mehr? Schneid? Gibt sicher zahlreiche andere, passende Worte. Aber Sie wissen schon, was ich meine..." Er wurde vom Räuspern des Mädchens unterbrochen. Arikel strich sich durch das rote Haar und fixierte ihren Begleiter mit ihren grünen Augen. "Konzentrier du dich auf deine Aufgabe so wie ich mich auf meine, ja?" Der Kellner brachte die bestellten Getränke und Major Marston beobachtete etwas verwirrt, wie der Junge namens Michael sich voller Begeisterung seinen Orangensaft griff und das Glas sofort leerte, während das Mädchen fast angewidert am Tee nippte. "Die Speisekarte bitte", sagte Michael zum Kellner und lächelte freundlich. "Wir sind nicht hergekommen um zu essen", protestierte Major Marston. "Stimmt", sagte Michael und nickte zustimmend. "Aber bei gutem Essen redet es sich besser. Und ich bin hungrig. Wir sind seit Ewigkeiten wach. Und die Bordverpflegung in den U-Tubes mag zwar manchen schmecken, aber mir mundet sie nicht. Ich brauche vernünftige Nahrung." Der Junge kicherte und strich sich sein weißes Hemd glatt. "Und außerdem werden Sie mehr zu sagen haben als wir."

Der Major nickte, seine Gedanken rasten. Die Sache lief gut. Michaels beiläufige Bemerkung über die U-Tubes spielten AEGIS direkt in die Hände. Major Marston war sich sicher, dass seine Leute am Mikrofon bereits beim Untergrund-Terminal anriefen. Es würde nicht lange dauern, die Untergrund-Bahnen zu überprüfen, die in den letzten Stunden angekommen waren, besonders nicht, wenn die Autorität des Militärs hinter der Bitte stand. Noch vor Ende des Mittagessens würde AEGIS die wahren Namen des Pärchens und ihre Herkunftsorte kennen. Das war alles ganz einfach, wenn man die richtigen Verbindungen hatte und wusste, welche Fäden man ziehen musste. Und AEGIS hatte unzählige Fäden in ganz Elinor in den Händen. "Sie haben das Geld?"
"Direkt hier in diesem Koffer", erwiderte Michael. Er griff nach unten und hob den schwarzen Lederkoffer auf den Tisch. Mittels eines schmalen Schlüssels ließ er das Schloss aufschnappen. Vorsichtig hob er den Deckel des Koffers ein paar Zentimeter. Major Marston keuchte unwillkürlich. Der Koffer war gefüllt mir säuberlich gestapelten Bündeln von Geldscheinen. "Zwanzig Millionen Theni", sagte Michael ruhig. Er schloss und verschloss den Koffer und stellte ihn wieder unter den Tisch. "Und da ist mehr, viel mehr drin, wenn Sie uns ein paar Fragen zufriedenstellend beantworten. Freunde - oder wenigstens Verbündete - kann man doch immer gebrauchen, nicht wahr?"
Der Major versuchte, nicht näher darüber nachzudenken, warum ein merkwürdiges, jugendliches Pärchen hier mit ihm sprach und woher sie so viel Geld hatten. Sicher waren sie nur Mittelsmänner - oder eher Kinder - aber wer schickte denn bitte Teenager vor, um solch wichtige Angelegenheiten zu regeln? "Euch?", hakte der Major nach, in der Hoffnung, mehr zu erfahren, "Oder eurem Auftraggeber?" Er fand es schwer, die beiden richtig einzuschätzen. Der Major hatte sich immer für einen guten Menschenkenner gehalten, doch diese beiden waren undurchschaubar für ihn. Das jugendliche, beinahe kindliche Verhalten biss sich zu stark mit dem Ernst in ihren Augen und der Wachsamkeit in ihrer Körperhaltung. Doch wie hatte Michael vor wenigen Minuten gesagt? Vergessen Sie, was sie vor sich sehen? Major Marston nippte am Weinglas und versuchte, sich nichts von seinen Gedanken anmerken zu lassen.

Michael lächelte nur und sagte nichts. Mit einer Handbewegung rief der junge Mann den Kellner und bestellte einen Teller Nudeln mit Tomatensoße, während seine Begleiterin nur einen großen Salat mit Joghurtdressing orderte. Der Major lehnte höflich ab. Er aß selten zu Mittag. Mahlzeiten um diese Zeit machten ihn immer träge. Er brauchte nur den Rotwein, der den nagenden Schmerz in seiner Brust betäubte. Schnell leerte er das Glas und füllte es wieder. "Welche Fragen?", erkundigte er sich, sobald der Kellner den Tisch verlassen hatte. "Fragen Sie mich, was Sie wollen."
"Die Vaishara", sagte Michael, dessen eisblaue Augen im Sonnenlicht glitzerten. "Die gefürchteten Hexen. Ihre Gruppierung jagt sie mit einer Leidenschaft, die Ihresgleichen sucht. AEGIS weiß doch sicher eine Menge über diese Wesen. Erzählen Sie mir, was sie über die Herolde der Götter wissen."
Der Major verzog das Gesicht. Er hatte nichts anderes erwartet. Aber das bedeutete nicht, dass es ihm deshalb weniger ausmachte. "Es gibt Dinge, die ich nicht enthüllen kann. Nicht ohne Erlaubnis von General Williams. Außerdem... Ich bin nur ein Soldat. Es gibt Fakten, die ich nicht verstehe und noch mehr, die mir erst gar nicht anvertraut werden."
"Ich verstehe", sagte Michael. Er nickte, als der Kellner den Teller mit Nudeln vor ihn stellte und einen Teller mit Salat vor Arikel auf dem Tisch platzierte. Michael bezahlte ihn großzügig. "Reden Sie. Ich werde danach entscheiden, ob ich mehr wissen muss."

Der Major atmete tief ein. "Wo soll ich anfangen? Man muss hier auch sehr zwischen Vermutung, Fakt und Fiktion unterscheiden. Leider ist dies nicht immer ganz einfach. Vaishara ist die Bezeichnung, die man in der Alten Welt den Sendboten der Götter gegeben hat. Angeblich waren das außergewöhnliche Wesen mit der Macht die Realität selbst zu verändern. Im Krieg der Götter sollen sie untergegangen sein, doch steht in den Legenden geschrieben, dass sie sich dereinst aus ihren Gräbern erheben und eine neue Ära einläuten sollen. Man versucht, das Geheimnis der Hexen wissenschaftlich zu ergründen, das Phänomen irgendwie zu verstehen und nachzuvollziehen. Die einzige bestätigte Erkenntnis scheint das Alter der Vaishara zu sein, denn kaum eine Hexe ist älter als achtzehn. Sie werden gejagt, gefoltert und hingerichtet, egal wie alt sie sind."
Der Major machte eine Pause, leerte sein Weinglas und bestellte sich eine weitere Flasche, nachdem er sein Glas noch einmal gefüllt hatte. Es war noch immer sonnig und hell doch für ihn war der Tag ein ganzes Stück kälter und unangenehmer geworden. "Wir jagen die Hexen, weil wir glauben, dass kein sterbliches Wesen so eine Macht besitzen darf. Außerdem glauben viele, dass sie das Ende der Menschheit einläuten und unsere Welt ins Chaos stürzen. Aeruin. Schon von dem Begriff gehört?" Michael und Arikel saßen geduldig da, aßen hin- und wieder ein wenig. Ihre Blicke und Mienen wirkten von den Enthüllungen, die da geäußert wurden, nicht verstört oder überrascht. Als sei das nichts Neues. Zum tausendsten Mal seit letzer Nacht fragte sich Major Marston, mit wem er es hier zu tun hatte. Oder noch wichtiger, wen diese beiden eigentlich repräsentierten.

Michael beugte sich nach vorne, stützte in einem Ausdruck regen Interesses das Kinn auf seine Handfläche. "Aber AEGIS gibt es nicht erst seit dem Auftauchen der Hexen. Ihre Gruppierung jagt Gesetzesbrecher, wo Polizei machtlos und Gerichte zu zimperlich sind, nicht wahr? Wie lange sind Sie schon für AEGIS aktiv? Machen Sie es wegen der Bezahlung oder macht es Ihnen einfach nur Spaß, über dem Gesetz zu stehen und über Leben und Tod der Zielpersonen zu entscheiden? Faszinierend ist auch, wie sich Ihre Gruppierung finanziert. Nicht nur durch großzügige Spenden... Eigentlich müssten Sie sich selber jagen." Der Major riss die Augen erstaunt auf, als ihn dieser junge Teufel mit den hellblauen Augen mit Tatsachen konfrontierte, die er selber auch nur aufgrund seines Alters und seines Ranges wusste. Der plötzliche Themenwechsel irritierte ihn und er nahm einen großen Schluck aus seinem Weinglas und war erleichtert, als der Kellner endlich die zweite Flasche brachte. "Geht es hier nun um AEGIS oder um die Hexen?", fragte er barsch, merkte wie ihm das Blut ins Gesicht schoss und setzte an, um ein verbales Donnerwetter über seine jungen Gegenüber zu entfesseln. Doch er hielt inne, als ihm klar wurde, dass dies Konsequenzen nach sich ziehen würde. Er atmete tief durch und sein Zorn wich Verwirrung, als Michael ihn höflich anlächelte. "Ich sehe es eher so, dass das Schicksal von AEGIS mit dem der Vaishara verknüpft zu sein scheint. Jäger und Gejagte. Opfer und Täter. Gut und Böse, wenn Sie so wollen. Wer nun wer ist, vermag ich jedoch nicht zu sagen." Michael schaute missmutig sein leeres Glas an und nippte dann frech am Früchtetee seiner Begleiterin, erntete sofort einen bösen Blick des zierlichen Mädchens mit den roten Haaren.

"Nur deswegen kam ich kurz vom Thema ab. Ich versuche, zu verstehen. Nur deswegen sind wir hier. Erzählen Sie ruhig weiter, Major." Dieser füllte sein Weinglas und öffnete den obersten Knopf seines Hemds, um besser Luft zu bekommen. Er räusperte sich kurz, ehe er leise weiter sprach. "Egal ob die Hexen nun eine zufällig auftretende Mutation darstellen oder wirklich Abgesandte höherer Wesen darstellen, sie bedeuten nichts Gutes. Ich habe gesehen, wie diese angeblichen Götter ganze Regimenter auslöschten und dabei einen Kugelhagel überstanden, der ganze Stadtviertel um sie herum pulverisierte. Ich bin kein Gelehrter. Ich weiß wenig über die Alte Welt und konzentriere mich lieber auf die Gegenwart, anstatt über alte Schriften, Mythen und Ruinen nachzudenken. Aber wenn mir ein Wesen gegenüber steht, welches Blut an den Händen hat und mächtig genug ist, mich wie ein Haustier zu halten, dann weiß ich, was ich mache: Ich wehre mich! Und egal wie mächtig diese Dinger sind, sie sind immer noch sterblich. Sendboten der Götter? Wenn die Götter so grausam sind, diese Biester zu uns zu schicken, dann glaube ich doch lieber an Wissenschaft, Technik und guten Waffen, die mein Seelenheil und meine Sicherheit festigen. Glaube? Für mich nicht mehr als Schwarzstaub fürs Volk." Der Major spuckte verächtlich auf den Boden, schüttelte den Kopf. Er fühlte sich ein wenig angeschlagen. Zuviel Sonne und zuviel Wein so früh am Tag.

Michael hatte inzwischen seine Nudeln aufgegessen und sah den Major neugierig an. "Viele scheinen die Dinge so zu sehen wie Sie, Major. Da frage ich mich aber, warum die Vaishara nicht längst ausgerottet wurden." Er legte eine Hand auf den Handrücken von Arikels rechter Hand. Seine Begleiterin lächelte ihn zuckersüß an, ehe sie ihren Früchtetee links von sich stellte, außer Reichweite ihres Begleiters. "Hexen sind Meister der Tarnung. Sie sind von Menschen kaum zu unterscheiden. Wir arbeiten noch an Möglichkeiten, sie orten und entlarven zu können. Das Schlimmste jedoch sind Menschen, die sich auf ihre Seite stellen. Verräter", spie Major Marston. "Buhlteufel nennen wir sie, Hexenanbeter. Betrügen Ihresgleichen für diese Kreaturen. Verdammt sind sie wie ihre unheiligen Herren. Sie sehen sich selbst als tolerant. Doch sie setzen das Überleben ihrer Rasse aufs Spiel, wenn sie sich mit diesen Hexen einlassen, ihnen Unterkunft und Hilfe gewähren." Der Major hielt inne und versuchte, sich wieder zu sammeln. "Es gibt Hexen, die sich mit Kultisten umgeben und sich wie Götter anbeten lassen. Gerüchte besagen, dass Vaishara sogar Menschen essen, um ihre Macht zu mehren."

"Gottgleiche Kraft ist beeindruckend. Macht zieht immer Schmeichler an", sagte Michael finster und bedeutete dem Kellner, ihm noch ein Glas Orangensaft zu bringen. "Und Neider", beendete er den Satz mit einem Blick auf den Major. "Noch ein paar Informationen und ich denke, meine Neugier ist gestillt. Erzählen Sie mir von den Motiven der Vaishara. Und von den Rebellen." Der Major schnaubte missmutig. Es war nur noch ein Schluck in seinem Weinglas und den trank er gierig, ehe er nachfüllte. Das ganze Gerede machte ihn durstig. "Es gibt Hexen, die sich eigentlich nie etwas zu Schulden kommen lassen", erklärte er, schwenkte sein Glas und nippte daran. "Wir eliminieren sie dennoch, da wir eine Ausbreitung verhindern wollen. Was die Rebellen betrifft, so operieren diese in mehreren Zellen. Ob es da einen gemeinsamen Anführer gibt ist nicht bekannt. Ob sie sich koordinieren oder gar unterschiedliche Ziele verfolgen ebenfalls nicht. Aber wenigstens haben wir einen Namen und AEGIS lässt nichts unversucht, besagte Person und ihre Zelle dingfest zu machen." Michael bekam nun sein zweites Glas Orangensaft, bezahlte und leerte es erneut in einem Zug. Er schwieg, war zum Hören gekommen, nicht zum Kommentieren. Arikel jedoch beugte sich nach vorne, umspielte ihr langes, rotes Haar mit den schlanken Fingern ihrer linken Hand. "Einen Namen? Welchen denn?" Der Major leerte sein Weinglas und füllte es erneut, wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. "Eigentlich haben wir sogar zwei Namen. Zwei unterschiedliche Zellen, zwei unterschiedliche Anführer. Eine Zelle untersteht einem Mann, den man den Fuchs nennt. Interessanterweise vermeidet der Fuchs allzu aggressives Vorgehen, begnügt sich damit, andere Vaishara zu befreien und in Sicherheit zu bringen. Natürlich kommt es nicht oft vor, dass AEGIS Gefangene macht. Der Fuchs ist so schlau wie das Tier, dem er seinen Namen verdankt. Und im krassen Kontrast dazu steht die Zelle Echidna, die den Namen ihrer Anführerin trägt."

Major Marston lehnte sich zurück, atmete tief ein und strich sich mit der Hand durch das schweißnasse, kurze Haar. War es wirklich so heiß heute? Oder lag es am Wein? Möglicherweise hatte man es in der Wetterkontrollstation der Galiläa - der Schutzkuppel über der Stadt - ein wenig zu gut gemeint. "Echidna?", fragte Arikel und ihre grünen Augen funkelten vor Neugier. "Eine Frau macht so große Schwierigkeiten? Erzählen Sie mir bitte von ihr!" Der Major nickte langsam, nahm einen kleinen Schluck aus seinem Weinglas. Über Echidna konnte er einiges erzählen und der Gedanke an diese Frau ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren. Zu gut konnte er sich an ihr erstes Aufeinandertreffen vor zehn Jahren erinnern. Er hatte Glück gehabt, nur seinen linken Arm verloren zu haben.
"Echidna ist eine Bestie", verkündete er mit heiserer Stimme und nahm noch einen Schluck Wein, da sein Mund knochentrocken geworden war. "Wenn Hexen wirklich Sendboten der Götter sind, dann ist dieses Weib vom dunkelsten Gott selbst geschickt worden, so wütete sie unter meinen Männern. Ich habe noch nie etwas so schnelles und brutales gesehen. Und ihre Augen erst..." Ihm fröstelte und er leerte sein Weinglas, ließ sich den Rotwein auf der Zunge zergehen, ehe er ihn hinunter schluckte. Seine Brust schmerzte nun stärker denn je und der Major atmete einige Male tief ein, während die Bilder der damaligen Schlacht nicht aus seinem Kopf weichen wollten.
"Echidna hasst die Menschen", setzte er fort und schenkte sich nach. "Sie kennt kein Mitleid, keine Reue, keine Furcht. In ihren Augen lodert nur dieser unglaubliche Zorn. Ihre Zelle hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Menschheit da anzugreifen, wo es wirklich weh tut. Wir sprechen hier nicht von Vandalismus oder kleinen Verbrechen zum Zweck der Bereicherung. Echidna ist eine Terroristin und ihre Gruppierung würde die Menschen ausrotten, wenn sie die Chance hätte. AEGIS operiert an vielerlei Orten. Aber Echidna ist unser Primärziel. Wir würden zahlreiche andere Zellen vernachlässigen oder - vorerst - entkommen lassen, wenn es uns ihrer Festnahme oder Eliminierung auch nur ein Stück näher brächte."

Der Major öffnete einen weiteren Knopf seines Hemdes und nippte an seinem Weinglas. Auch Arikel war mit ihrem Salat fertig und gemeinsam mit Michael starrte sie ihn neugierig an, wobei ihre Augenpaare emotionslos und leer blieben. "Glauben Sie wirklich, AEGIS hat eine Chance, diesen Konflikt zu gewinnen?", fragte Michael nach einem langen Moment des Schweigens. "Sie haben ja selber gesagt, dass manche Hexen so mächtig wie ganze Regimenter sind. Warum nicht verhandeln? In anderen Ländern soll es ganz gut klappen, hörte ich." Der Major schnaubte verächtlich. "Hier geht es nicht um Kompromisse, Bürschchen. Vaishara würden die Menschen unterjochen! Sie vielleicht sogar auslöschen! Echidna selbst sagte mir damals, dass ihrer Ansicht nach keiner von uns Menschen das Leben verdiene. Es mag vielleicht welche geben, die anders denken. Aber so wie ich das sehe kämpfen hier zwei Rassen um das Überleben. Um die Vorherrschaft. Um unsere Welt Eneath. Es ist mir egal, wie mächtig manche von denen sind, ich werde meinen Beitrag für die Menschen leisten. Ich glaube nicht an Frieden. Wir können die Dinger ja schlecht alle einfach abschieben. Das Überleben des Stärkeren. So ist nun einmal der Lauf der Dinge. Bedauerlich, ja. Aber notwendig."

Er nahm einen großen Schluck aus seinem Glas, leckte sich über die Lippen und sah das Pärchen vor sich an. Michael lächelte freundlich. "AEGIS wird also einfach nur kämpfen, egal wie aussichtslos die Lage ist und wie unwahrscheinlich ein Endsieg? Oder gibt es da irgendwelche besonderen Pläne? Habt ihr irgendwelche Asse im Ärmel oder hofft ihr einfach, so viele Vaishara mit in den Tod zu reißen?" In den hellblauen Augen des jungen Mannes brannte ein intensives, inneres Feuer. "Gibt es noch irgendwelche wichtigen Informationen, die Sie uns bisher vorenthielten?" Major Marston seufzte, leerte sein Weinglas und goss sich den Rest der zweiten Flasche in sein Glas. Er fühlte sich miserabel und benommen. Er hoffte, das Gespräch wäre bald vorbei und er würde endlich gehen können. Er sehnte sich nach einer kalten Dusche und etwas Schlaf. Doch er hatte auch das Gefühl, antworten zu müssen. Es war für ihn und AEGIS von größter Wichtigkeit, dass er jede Frage Michaels und Arikels beantwortete. Von größter Wichtigkeit.
"Wir forschen an gefangenen Vaishara und wir lassen nichts unversucht, um mit modernster Technik und Wissenschaft die Vorteile der Hexen auszugleichen", erklärte der Major. "Wir haben Mittel, uns selbst den mächtigsten Hexen entgegen zu stellen. Und wir forschen an Methoden, die Grenzen unserer Körper zu überwinden um uns mit den Hexen auf eine Stufe stellen zu können. Und sei es nur für die Dauer eines Kampfes auf Leben und Tod."

"Beeindruckend", warf Michael ein. "Höchst beeindruckend. Wo genau wird denn solche Forschung betrieben? Ich bitte um weitere Details." Major Marston überlegte, nahm einen Schluck Wein, ehe er weiter sprach. "AEGIS hat zahlreiche Einrichtungen, sowohl in Ylesia als auch darüber hinaus. Hier in Ylesia sind unsere wichtigsten Forschungseinrichtungen in Tinroth, Iserion, Dalaa und am wichtigsten unser Hauptquartier auf den Pralaia-Inseln..." Nun leuchteten Michaels Augen wie zwei blaue Feuer. "Moment, bitte. Pralaia-Inseln? Nie von gehört. Wo genau liegen die? Wie viele Inseln sind das?" Der Major nippte an seinem Glas, rieb sich erneut die Stirn und hustete kurz. "Die Inseln liegen etwas nördlich von Aylín. Sechs miteinander verbundene, künstliche Inseln, die über einem Riff, einer Felsformation oder einer Sandbank errichtet wurden. Jedes Reich von Elinor sollte eine Insel für sich bekommen und der Ort sollte als neutraler Verhandlungsort dienen. Ein sicherer Treffpunkt, bar jeder Gewalt und Vorurteile. Ein Sanktuarium, wenn man es so nennen möchte. Die Inseln heißen Ashur, Dugar, Isa, Mathur, Vasir und Aesir. Das Projekt begann irgendwann in den Achtziger Jahren, wurde aber aufgrund Geldmangel und Konflikten abgebrochen und vergessen. Heute nutzt AEGIS diese Inseln. So gut wie jeder hat ihre Existenz vergessen. Ich war selber mehr als überrascht, dass so viele Leute das einfach vergessen konnten."

"Glauben Sie mir, es ist interessant, was manche Menschen für Möglichkeiten haben", antwortete Michael mit einem süffisanten Grinsen. Bildete der Major es sich nur ein, oder lag da eine merkwürdige Betonung auf dem Wort Menschen? Er war mehr als irritiert, als sich der junge Mann erhob und seiner Begleiterin galant den Stuhl nach hinten zog und ihr so beim Aufstehen half. "Wir müssen gehen. Sie haben uns alles gesagt, was wir wissen wollten." Er neigte den Kopf und seine Begleiterin machte einen Knicks, setzte sich ihren Sonnenhut wieder auf. "Sie können ruhig sitzen bleiben", erklärte die junge Frau mit glockenklarer Stimme, "Wir finden allein hinaus. Danke für ihre Zeit, Major Marston. Wir wissen die Informationen zu schätzen, die Sie uns gegeben haben. Auch wenn ich glaube, dass ihre Haltung gegenüber den Vaishara ihre Erzählungen und ihre gesunden Menschenverstand zu sehr beeinflussen. Aber das war beim Militär und besonders bei einer Organisation wie AEGIS schon immer das Problem. Sie machen sich zu viele Sorgen um die Absichten anderer anstatt die eigenen Taten zu überdenken." Arikel hakte ihren Arm bei Michael ein. Dieser ergriff nun das Wort. "Tut mir leid, aber Sie dürfen mit niemandem über unsere Unterhaltung sprechen. Besonders nicht mit Ihren Vorgesetzten bei AEGIS. Mögen die Ihnen ach so verhassten Götter Ihnen Frieden schenken."

Kichernd, flirtend und Albernheiten austauschend gingen die beiden davon. Keiner der im Restaurant stationierten Agenten von AEGIS sah Michael oder Arikel gehen. Sie konnten sich danach auch überhaupt nicht daran erinnern, wie beide ausgesehen hatten. Als die Recorder der Richtmikrofone zurück gespult wurden und man sich die Speicherkarten der Kameras ansah stellte man fest, dass sämtliche Datenspeicher völlig leer waren. Keiner der Techniker oder Scharfschützen, die auf Posten waren, konnten sich auch nur eines Wortes der Unterhaltung erinnern, die sie angeblich überwacht hatten, vom Aussehen der beiden geheimnisvollen Gesprächspartner ganz zu schweigen. Auch die Bediensteten konnten sich an nichts erinnern.
Major Marston blieb reglos am Tisch sitzen, bis fünfzehn Minuten vergangen waren und ein neugieriger Kellner herüberkam, der nachsehen wollte, ob alles in Ordnung sei. Zu seinem Entsetzen entdeckte er, dass der Major tot war. Einem von einem Forscherteam von AEGIS erstellten Bericht zufolge war Major Marston an einem schweren Herzanfall gestorben. Einem, den der Major nur wenige Minuten, nachdem er sich zu Mittag hingesetzt hatte, erlitten hatte. Niemand konnte erklären oder versuchte auch nur die Frage zu beantworten, wie es einem Toten gelungen war, zwei Flaschen Wein zu trinken, von den beiden leeren Tellern und Gläsern, auf denen selbst Fingerabdrücke fehlten, ganz abgesehen. Der schwarze Koffer, den man unter dem Tisch fand, war leer.
 
Ich. Liebe. Es.

Ich habe mich schon gefragt, wann ich endlich in den Genuss komme, Deine Geschichte schmökern zu dürfen, und ich muss ja sagen, dass sich das Warten mehr als gelohnt hat. Dieser Part hat mich von Anfang an mitgerissen, hat eine Spannung aufgebaut, die sich bis zum Ende immer stärker aufbaut. Großes Kino, mein alter Freund! Großes Kino! Ich bin schon gespannt, was Michael und Arikel wollen und wie sich alles noch entwickeln wird. Deine Beschreibungen waren klasse und ich hoffe, Du legst schnell einen weiteren Part nach.

Me approves!
 
Heftig. Der letzte Absatz toppt wirklich alles nochmal und lässt ein vertrautes Gänsehaut-Gefühl zurück, wie nach einem Mystery-Thriller.
Man hadert mit sich selbst und möchte eine Lösung finden, steht aber erstmal ahnungslos vor dem Puzzle und ist einfach nur... im Bann dieser Atmosphäre.

Auf alles wahrheitsgemäß zu antworten war also die Taktik Michael und Arikel zu infiltrieren? Hätte er nicht besser ausweichend antworten können oder war AEGIS sich sicher, dass das nicht funktionieren würde? Irgendwie ist dem Major auch gar nicht aufgefallen, dass er keinerlei der versprochenen Informationen von seinem Gegenüber erhielt oder es störte ihn nicht. Oder war er gerade zu sehr beschäftigt sich um sein Wohlergehen Sorgen zu machen... Je mehr ich darüber nachdenke, umso mehr Fragen tun sich mir auf. xD
Einen Toten kratzt es ja schließlich auch eher wenig... Du lässt mich hier wirklich mit einem weirden Gefühl vor dem Bildschirm. ^^
 
@Chris: Da. Bin. Ich. Froh.

Ja, ich habe sehr, sehr lange gebraucht, mir der Richtung meiner FanFic bewusst zu werden. Fast wäre es schon am Namen gescheitert und auf halbem Weg traf mich eine Schreibblockade. Privater Stress ist etwas abschreckend für die Muse. Gestern aber hat sie mich ziemlich geküsst, hab schön 7 Stunden am Stück geschrieben und war zufrieden mit dem Ergebnis. Ich hoffe, das die sechs Pralaia-Inseln nicht Namen mit anderen, von dir entworfenen Orten gemeinsam haben. Okay, Göttingen gibt es auch drei mal, von irgendwelchen US-Orten mal ganz zu schweigen, aber ich hab da echt mit mir gehadert, als ich die Namen fest legte. Gerade, weil ich weiß, dass du auch ganz gern mal was aus alten Sprachen ableitest. Ich bin froh, dass du zufrieden bist und werde mir Mühe geben, mit gleichbleibender Qualität weiter zu machen. Der Prolog sollte Informationen über das Setting, die Fraktionen und anderer wichtiger Elemente der Handlung preis geben und ich glaube, das war recht erfolgreich. Die große Kunst wird, jede der 12 Episoden genau so gut hin zu kriegen. Das hier ist was völlig anderes als Star Wars FF's zu schreiben. George Lucas hat noch nie ne FanFic gelesen und die Expanded Universe-Werke, die er toll findet und überhaupt kennt, kann ich an einer Hand abzählen. Hier liest der Schöpfer direkt mit, daher ist da schon jede Menge Ehrfurcht, Respekt, Vorsicht beim Schreiben dabei. Zum Glück habe ich mir mit 12 Episoden nicht sooo viel vorgenommen - hoffe ich zumindest.

@Rinoa15: Vielen Dank, freut mich, dass es dir gefallen hat.

Tja, verraten werde ich natürlich nichts. Aber klar ist, dass der Major... echt Pech gehabt hat und die Dinge falsch einschätzte. Ein kleiner Gedankengang, den er hinsichtlich des wahrheitsgemäßen Antwortens zeigt, verrät da schon eine Menge über seine Rolle bei dem ganzen Gespräch. Trotz seiner Ansichten kann er einem da schon leid tun. Aber... vielleicht wäre der sonnige Januarsonntag auch ohne dieses mysteriöse Gespräch so unglücklich für ihn ausgegangen. Find ich schön, dass es dich so mulmig zurück lässt. Hoffe, ich kriege das bei den kommenden Episoden noch einmal so gut hin.


Nun denn, weiter geht's!

------------------------------------------------------



01 | Mit donnerndem Applaus
24. Januar, 1997: Tinroth
Ein ölig glänzender Umriss glitt in der Dunkelheit der späten Nacht von Schatten zu Schatten. Er huschte durch die schmalen Straßen und verwinkelten Gassen der Stadt, geräuschlos, stets stadteinwärts, auf den berüchtigten Hexenplatz vor dem Rathaus der Stadt zu. Die Gestalt bewegte sich schnell und blieb niemals stehen oder wurde langsamer, um die schrecklichen Beispiele menschlicher Grausamkeit zu betrachten, die der Stadt den Ruf eingetragen hatten, stets hexenfrei zu sein. Tinroths Urname, Tinan Rotha, bedeutete in etwa blutrote Lande. Und die Stadt machte dem Namen alle Ehre. Die dunkle Gestalt wurde nicht langsamer, als sie die Blutmauer direkt gegenüber dem Rathaus passierte. Keine knallbunten Schmierereien verzierten die Mauer, sondern Einschusslöcher und Blutflecken, die selbst der Regen früh am Abend nicht abzuwaschen vermochte. Die Gestalt raste mit einem Tempo, dem das Auge nicht zu folgen vermochte, über den Hexenplatz hinweg, verschwand am westlichen Ende der Blutmauer, nur um einen Augenblick später beim anderen Ende wieder aufzutauchen. Der Hexenplatz inmitten der Stadt war der berühmteste Ort in Tinroth. Er war von allen Seiten umgeben von berühmten historischen Monumenten. An seiner Nordseite stand das Rathaus, das fast vierhundert Jahre alte Regierungsgebäude. Zahlreiche Risse und Kugeleinschläge zierten die leuchtend weiße Fassade. Ein Zeugnis der zahlreichen Kriege und Konflikte, die die Stadt gesehen hatte.

Südlich des Hexenplatzes, hinter der Blutmauer, befand sich der Erja Rotha, der scharlachrote Park. Dies war die größte Grünanlage der gesamten Stadt. In Tinroth und Umgebung gab es erstaunlich wenig Vegetation, da sich die Umwelt durch die zahlreichen Konflikte zwischen Ylesia und dem Nachbarreich Aeasis einfach nicht regenerieren konnte. Der Park war eine Ausnahme, trotz aller Konflikte. Nur hier hatte sich ein gewisses Maß an Natur halten können. Doch auch hier wurde deutlich, warum man Tinroth die blutroten Lande nannte. Nicht nur wegen der Hexenverfolgung und den zahlreichen Leichen, die man schon vom Hexenplatz hatte wegbringen lassen. Die Erde und Vegetation hatte hier eine leicht rote Färbung, durch die vergangenen Kriege und vom Blut der Krieger, so erzählte man sich in den alten Sagen der Stadt. Das Gras des Erja Rotha hatte nicht die Farbe saftigen Grüns, sondern wirkte gelblich und verdorrt. Die Blätter der Bäume und Büsche hatten stets eine rote Färbung.

An der Westseite des Hexenplatzes stand die 1860 erbaute Oper der Stadt, die viermal vom Feuer des Krieges verwüstet und nach jedem Brand prächtiger als zuvor wieder aufgebaut worden war. Die schattenhafte Gestalt glitt jedoch auf das Bauwerk an der Ostseite des Platzes zu. Hier befand sich der berühmte Vergeltungsbogen, ein Triumphbogen, der nach einem bedeutenden Sieg gegen Aeasis errichtet worden war. Einst hatte man Spione aus dem Nachbarreich an eben diesem Bogen aufgeknüpft. Damals hatte der Triumphbogen direkt zum Haupteingang des städtischen Gefängnisses geführt. Jetzt waren die Gefangenen fort, und an Stelle des Gefängnisses stand nun ein gewaltiges, schwarzes Hochhaus. Ein Bollwerk aus Glas, Stahl und Beton. Eine Anzahl Stadtbewohner hatte laut und vehement geklagt, als der Plan, das berühmte historische Gebäude einzureisen, erstmals an die Öffentlichkeit gelangte. Die Gegner des gewaltigen Neubauprojekts hatten sich erbittert zur Wehr gesetzt und hatten erklärt, das alte Gefängnis sei eines der kostbarsten Wahrzeichen der Stadt. Wie üblich hatte Geld lauter gesprochen. Die Baubehörde der Stadt hatte die Einsprüche abgewiesen und den Entwurf genehmigt. Bald darauf war eine Anzahl der schärfsten Kritiker aus Tinroth verschwunden. Die Polizeiberichte behaupteten, betreffende Bürger seien verärgert ausgereist, nachdem sie von den Stadtvätern nicht angehört worden waren. Die zynischeren Bewohner der Grenzstadt sagten nichts und fanden sich mit dem neuen Hochhaus ab.

Das vierzigstöckige Gebäude war umgeben von einer drei Meter fünfzig hohen Backsteinmauer. Zwei Tore mit Wachhäuschen führten in den Komplex hinein, eines direkt hinter dem Vergeltungsbogen, das andere auf der anderen Seite des Gebäudes, vom Hexenplatz abgewandt. Offiziell war das Gebäude das östliche Hauptquartier des Versicherungskonzerns Perséus. Doch im Flüsterton erzählte man sich von riesigen Hunden, die Nachts auf dem Gelände herum streunten. Niemand wusste oder ahnte, welche Geheimnisse das Gebäude in seinem Inneren barg. Außer seiner Adresse hatte der Wolkenkratzer keinen Namen. Nicht einmal der Name Perséus war am Gebäude zu finden. Bei den Bewohnern Tinroths war der rechteckige schwarze Riese einfach als Monolith bekannt. Die schattenhafte Gestalt hielt an der Backsteinmauer unweit des Vergeltungsbogens inne. Sie wusste, dass sie das Mauerwerk besser nicht berührte. In die gesamte Mauer waren kleine Wärmefühler eingebaut, die kleinste Temperaturschwankungen - wärmer oder kälter - registrieren würden. Die Mauerkrone war von Tausenden von zweieinhalb Zentimeter hohen Stahlnadeln bedeckt. Sie alle hatten einen gebogenen Widerhaken, der Schutzkleidung oder Haut in Fetzen reißen sollte. Starke Suchscheinwerfer schwenkten alle paar Minuten über den Innenbereich des Komplexes. Es war nicht möglich, anders als durchs die beiden Tore in den Monolithen hinein zu gelangen.

Der Schatten blieb eine Sekunde stehen und schob sich dann an der Wand entlang zu der einsamen Öffnung hinter dem Vergeltungsbogen hin, die eigene Temperatur sorgsam der Umgebung angepasst. Vier Wachen beobachteten den menschenleeren Hexenplatz. Die Augen der großen Männer in den schwarzen, schmucklosen Uniformen leuchteten unnatürlich hell. Jeder hatte kybernetische Implantate, Cyberaugen. Im besten Fall leuchteten sie nur zur Abschreckung, im schlimmsten Fall jedoch hatten sie Restlichtverstärker oder gar Zielsuchsysteme, die direkt mit den Lasergewehren in ihren Händen verknüpft waren. Von dem technischen Firlefanz, der nicht direkt ins Auge stach und unter den Uniformen verborgen war konnte man sich kein Bild machen. Dies jedoch waren die Elitesoldaten der Festung, deren Leben der Aufgabe geweiht war, das Gebäude gegen Eindringlinge zu verteidigen. Zwei der Wachleute waren in den Wachhäuschen stationiert, zwei erhöhten, verglasten Kabinen die einen guten Überblick über den Hexenplatz und die Straße zum Monolithen boten. Sie bedienten ein komplexes Video- und Computernetzwerk, das ihnen sofortigen optischen Zugang zu jeder Stelle auf dem Konzerngelände verschaffte. Ihre Gefährten, die in Hab-Acht-Stellung am Tor standen, trugen ihre Lasergewehre gut sichtbar zur Schau. Zwischen den beiden Wachhäuschen bildete eine dicke Stahldoppeltür ein letztes Hindernis für jeden, der es am Wachquartett vorbei schaffte.

Timing war alles. Die Gestalt wartete und harrte des richtigen Augenblicks. Die Vorgehensweise dieser Nacht war lange und sorgfältig geplant worden und das schattenhafte Etwas war einen Großteil seines Lebens auf eben solche Operationen trainiert worden. Auch mit Cyberaugen musste man blinzeln. Menschliche Sinne konnten solch schnelle Augenbewegungen eigentlich nicht verfolgen, doch der Fleck an der Mauer war kein Mensch. Genau sechzehn Minuten nach seinem Eintreffen am Tor blinzelten alle vier Wachen gleichzeitig. Eine Zeitspanne von durchschnittlich 300 bis 400 Millisekunden. Mehr Zeit brauchte der Fleck aber auch nicht, um durch das Tor zu huschen und sich in den Schatten eines Wachhäuschens zu begeben. Die Blicke der Wachen galten dem vergitterten Haupttor und so konnte der glänzende Fleck unerkannt auf dem regennassen Boden zur Stahltür huschen und durch den dünnen Spalt zwischen Asphalt und Stahl gleiten. Der Fleck erhielt sich genau dieselbe Temperatur wie sein Umfeld und glitt über den Weg. Ohne Geruch oder Gestalt konnten auch die Wachhunde nichts aufspüren. Die Tiere griffen nur an, was sie sehen, riechen oder hören konnten. Sie ignorierten die dahingleitende Nässe, als sie sich den zwei riesigen Glastüren näherte, die ins Innere des Monolithen führten.

In die Glastüren graviert war ein Symbol, welches dem Fleck nur allzu bekannt vorkam. Es war ein Dreiecksschild, ohne Verzierungen oder ausschmückende Worte oder Buchstaben. Das Wappen von AEGIS. Perséus war eines der vielen Tochterunternehmen und unwissender Investor der Abteilung zur Eliminierung von Gesetzesbrechern im Interesse der Sicherheit. Eine einzelne Wache saß in einem Häuschen inmitten der Eingangshalle, ein Dutzend Schritte hinter dem Eingang. Der Fleck glitt unter den Glastüren hindurch, hielt dort inne und formte sich zu einer dünnen Linie aus Feuchtigkeit, die an der Wand entlang glitt, am Kontrollpunkt vorbei und ans andere Ende des Atriums. Überwachungskameras und Sicherheitsteams waren im Gebäude allgegenwärtig, aber der Fleck hatte vor, den ganzen Rest zu umgehen. er wusste genau, wie er sein Ziel im Keller des Hochhauses erreichen wollte. Es war zwar spät in der Nacht, doch der Monolith schlief nie. Der Komplex war voller Angestellter, Wachleute und Wissenschaftler. Es herrschte reges Treiben doch niemand sprach und es ertönte keine Musik. Im ganzen Gebäude herrschte Grabesstille. Der Fleck huschte weiter an der Wand entlang, ein langes, gedehntes Rinnsal aus Nässe. Bald hatte er die Kellertür zum Treppenhaus gefunden. Er wusste, dass dies der richtige Weg war. Er glitt durch den Spalt zwischen Türrahmen und Brandschutztür und die Finsternis des Atriums mit seinen schwarzen Marmorwänden und Bodenplatten wich einem sterilen, kalten Weiß.

Ganz langsam sickerte die Pfütze aus Feuchtigkeit die kalkweißen Stufen hinab. Der nächste Schritt war die Suche nach den Sicherungskästen für den gesamten Komplex. Bisher hatte der Fleck Kameras und Wachen umgehen können, doch würde AEGIS früher oder später auf die Eindringlinge aufmerksam werden. Es galt daher, den Rückzug zu sichern und die Flucht möglichst unproblematisch zu gestalten. Zwar hatte die Forschungsanlage im Keller eine eigene Energieversorgung samt Notstromgenerator, doch war das System vom Rest des Gebäudes getrennt. Es galt, den oberirdischen Teil des Monolithen in Dunkelheit und Verwirrung zu stürzen. Der Monolith war ein faszinierendes Stück Architektur, mit eigener Wasseraufbereitung, Wohnräumen für Wissenschaftler und Soldaten. Kein Fahrzeug durfte auf das Konzerngelände und der Transport von Lebensmitteln oder Forschungsobjekten wurde stets akribisch geplant und sorgsam überwacht. Endlich hatte der Fleck den Generatorraum gefunden, sickerte unter der dicken Stahltür hindurch. Nun galt es, die Sicherungen lahm zu legen und sich anschließend um den Notstromgenerator am anderen Ende des Korridors zu kümmern.

Die Pfütze zog sich zusammen, absorbierte Luftfeuchtigkeit aus ihrer Umgebung und gewann langsam an Substanz, verdickte sich. Wenige Sekunden später schien es, als würde eine Statue aus Glas im trüben Rotlicht des Generatorraums stehen. Transparente Flüssigkeit wurde zu Fleisch und Blut, bildete Kleidung und sogar festes Material. Wo es wenige Sekunden zuvor nur einen nassen Fleck auf dem Betonboden gegeben hatte, stand nun eine junge, zierliche Frau Mitte 20 mit langen, blonden Haaren und schwarzem, eng anliegenden Catsuit. An ihrem Hals baumelte eine dünne Kette mit einer Erkennungsmarke aus Metall. Vier Buchstaben prangten auf der Marke und daraus leitete sich ihr Name ab. KASS - Kategorie Aquakinese, Sicherheitsstufe Schwer. Man hatte ihr erst nach ihrer Rettung aus einem ähnlichem Komplex wie dem Monolithen den Namen Kassandra gegeben. Die junge Frau streckte sich, sah sich kurz um und lächelte wissend. Dann konzentrierte sie sich, streckte eine Hand aus und in einer nahen Wand erschien ein Riss, als sie die Wasserleitung erspürt und manipuliert hatte. Wasser spritzte in den Raum und Kassandra lenkte das Wasser fort von ihren Füßen, ehe sich zahlreiche Tropfen vom Boden lösten und sich in ihrer Hand zu einer durchsichtigen Kugel vereinten. Ganz langsam formte Kassandra diese glasartige Kugel zu einer Scheibe, brachte sie langsam ins Rotieren und schleuderte sie dann einem Diskus gleich auf die Generatoren und Sicherungskästen. Wie eine Kreissäge fräste sich die Scheibe durch die komplexe Anlage, ehe sie sich in Wasserdampf auflöste. Ein lautes Krachen, ein greller Funkenregen und der Monolith wurde so finster wie die Nacht um ihn herum.

Kassandra verließ den Generatorraum und trat auf den Korridor. Grelles Licht, welches von weißen Wänden und Bodenplatten reflektiert worden war, war einem dunkelroten Zwielicht gewichen. Schnell setzte sie sich in Bewegung und das Hallen ihrer Stiefel war vergleichbar mit dem Pochen ihres Herzens. Auf halbem Wege zum Notstromreaktor stellten sich ihr zwei Wachleute in den Weg, richteten ihre Lasergewehre auf sie. Geschickt bewegte sie sich im Zickzack weiter. Eine Salve verfehlte sie knapp, die andere traf ihre linke Schulter und weißer Dampf zischte, während sie einen Fluch ausstieß. Man hatte ihr gesagt, sie solle es vermeiden, Menschen zu töten, selbst wenn es aus Notwehr wäre. Sie hatte es versprochen. Kassandra erschuf zwei kristallklare Kugeln aus Wasser in ihren Händen und schleuderte sie im Sprint auf die beiden Wachmänner, traf beide mitten ins Gesicht, schickte sie ohnmächtig zu Boden. Sie hätte beide mühelos töten können, doch beide würden irgendwann mit starken Kopfschmerzen zu sich kommen und sich fühlen, als seien sie mit dem Gesicht voran gegen eine Betonmauer gelaufen. Die junge Frau rannte weiter und als sie den Raum mit dem Notstromgenerator erreicht hatte, erschuf sie einen langen, zackigen Speer aus Eis in ihren Händen und schleuderte ihn in den Raum hinein. Der Speer durchbohrte den Generator und zerschellte, sandte scharfe Eissplitter in alle Richtungen.

Nun war der Monolith unweigerlich ins Dunkel gestürzt worden. Leider würde nun sämtliche Aufmerksamkeit der Sicherheitskräfte auf den Kellerebenen ruhen. Bald würde es hier vor Wachen nur so wimmeln. Es galt, möglichst schnell den Grund dieser Selbstmordaktion zu finden und schleunigst wieder zu verschwinden. Kassandra eilte ins Treppenhaus und weiter nach unten, in die Tiefen des Komplexes. Sie nahm mehrere Stufen auf einmal, ehe sie in zwei weitere Wachen lief. Lasersalven schossen an ihr vorbei, so knapp, dass sie die Hitze auf ihrem Körper spüren konnte. Beton wurde aus den Wänden gesprengt und Kassandra wollte sich besser nicht ausmalen, was ein direkter Treffer bei ihr bewirken würde. Mit beiden Händen packte sie das Treppengeländer, nutzte ihren Schwung und sprang über das Geländer, wobei sie erst einem, dann dem anderen Wachmann einen Fuß ins Gesicht rammte. Elegant wie eine Katze landete sie, wirbelte herum und trat beiden am Boden liegenden Männern noch einmal ins Gesicht, um sie außer Gefecht zu setzen. Hastig eilte Kassandra weiter, ehe sie plötzlich vor einer dicken, weißen Sicherheitstür stand. Nun jedoch wusste sie, dass sie nicht weiter konnte. Denn hier war der Eingang der eigentlichen Forschungseinrichtung. Die Forschungsanlagen von AEGIS galten als einbruchssicher, da man fünf Sicherheitschecks durchgehen musste, um durchgelassen zu werden: Stimmerkennung, Retinascan, Blutbild, Ganzkörperanalyse und Manahcheck. Zwar würde sie mit roher Gewalt mühelos an der Sicherheitstür vorbei kommen, doch konnte sie ja auch nicht ahnen, was sich dahinter befand. Kurz sah sie auf die Uhr, ehe sie über sich hastige Schritte durchs Treppenhaus hallen hörte.

Sofort erschuf sie zwei rotierende Wasserscheiben in ihren Händen und hielt sich bereit, den Besuch gebührend zu empfangen und sich den Angreifern vorbereitet entgegen zu stellen. Doch zu ihrer Überraschung tauchten nicht die erwarteten, schwarzen Uniformen der Wachen in ihrem Blickfeld auf. Zuerst erblickte sie den abgetragenen, langen grauen Mantel und erleichtert senkte sie die Hände und absorbierte die Wasserscheiben wieder. Der Mann im grauen Mantel grinste, drückte sie kurz an sich, so dass sich Kassandras Gesicht in seinen langen, schwarzen Haaren vergrub, die ihm über die Schultern fielen. Nicht einmal das graue Stirnband vermochten seine Haare zu bändigen und obwohl sich bereits einige graue Strähnen in seinem Haar fanden und der Fuchs bereits über vierzig Jahre alt war, leuchteten seine grauen Augen mit einer Jugend und List, die Ihresgleichen suchte. Hinter dem Fuchs lehnte sich ein junger Mann mit kurzen blonden Haaren und einem orangefarbenen Hemd mit roten Verzierungen und einer schwarzen Jeans an die Wand des Treppenhauses. "Wollt ihr euch noch ewig so drücken oder können wir zur Sache kommen, unsere Beute schnappen und wieder abhauen?" Der junge Mann, etwa in Kassandras Alter, klang mürrisch, lächelte jedoch. Der Fuchs schmunzelte, ließ Kassandra los und sah seinen jüngeren Kameraden mit einem Schulterzucken an. "Das war Kassandras erste Operation. Ich muss gestehen, ich habe mir Sorgen gemacht."

Kassandra verzog das Gesicht. "Warum konnte ich nicht einfach mit euch beiden mitkommen? Ihr seid doch relativ einfach hier rein gekommen, oder?" Der Fuchs schüttelte mit dem Kopf. "Du hast den Monolithen lahm gelegt. Ich hätte das nicht so einfach vermocht. Ohne deine Vorarbeit wären wir sehr viel schwieriger hier rein gekommen. Du hast uns viel Mühe erspart. Kraft, die wir noch bei unserem Rückweg brauchen werden, da bin ich sicher." Der blonde Mann seufzte, trat auf die Sicherheitstür zu und betrachtete sie eingehend. "Genug der vielen Worte, uns rennt die Zeit davon. Wie kommen wir hier rein? Soll ich...?" Er sprach den Satz nicht zu Ende, denn der Fuchs legte ihm die Hand auf die Schulter, schüttelte den Kopf und legte eine Hand auf das kühle, weiße Metall der Sicherheitstür. "Lass mich das machen, Phönix. Konzentriere du dich auf unsere Rückendeckung. Und denk daran: Lass die armen Kerle leben, die sind einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort." Der junge Mann namens Phönix schnitt eine Grimasse. "Ich denke eher, sie sind beim falschen Arbeitgeber. Aber gut, ich reiße mich zusammen." Der Fuchs schien ihn längst nicht mehr zu hören, konzentrierte sich voll und ganz auf die dicke Sicherheitstür vor sich. Plötzlich schlug das Metall Wellen, wie die Oberfläche eines Sees, in den man einen Stein geworfen hatte. Von seinen Händen aus breiteten sich die Wellen aus und plötzlich schlug das Metall wie Wasser über den Türrahmen, als sich ein kreisrundes Loch in der Sicherheitstür bildete. Nun ahnte Kassandra auch, wie der Fuchs und Phönix in den Monolithen eindringen konnten. Der Fuchs trat durch das Loch in der Sicherheitstür, strich sich den grauen Mantel glatt und seufzte. "Wenn es doch immer so einfach wäre..." Mit einem theatralischen, schweren Ausatmen wandte er sich den fünf wartenden Sicherheitsmännern am anderen Ende des freigelegten Korridors zu.
 
So, kriegst auch mal ein Kommi von mir.

Der Prolog hat mir ganz gut gefallen, weil du eine gewisse Spannung aufbaust und dabei Personen, Gruppierungen und Orte nennst, die wohl in der ganzen Geschichte eine Rolle spielen werden. Du machst Hunger auf mehr, obwohl das Ende des Prologs echt viele Fragen offen lässt. Aber so gehört sich das ja auch. Dein Schreibstil gefiel mir da recht gut. Das erste Kapitel beginnt auch recht interessant und auch hier gefiel mir, was du daraus gemacht hast. Die Charaktere und ihre Kräfte sind ganz gut beschrieben, aber gibt auch ein paar Stellen, da hätte ich mir mehr Details gewünscht. Aber das sind Kleinigkeiten. Ich bin gespannt, wie es weiter geht.
 
@Quinn:

Ich danke auch dir für deinen Kommentar. Das Schreiben ist nicht so einfach und mir ist bewusst, dass manche Absätze eben auch Schwächen haben, egal wie viel Mühe ich mir auch gebe. Dennoch hoffe ich, die von mir geplante Geschichte detailliert und interessant schildern zu können. Oft bin ich schon beim Verfassen nicht zufrieden und kurz davor, alles zu löschen und noch mal von vorne anzufangen. Aber ich möchte ja auch irgendwann fertig werden. Ich versuche, an meinen erzähltechnischen Schwächen zu feilen, aber auch ich bin froh, wenn ein von mir geposteter Part wenigstens zu 90% meinen Vorstellungen entspricht. Ist eben nicht leicht, Leser zu interessieren und "am Haken zu halten". Aber ich gebe mir größte Mühe. Man kann es mit Details allerdings auch übertreiben und wozu Dialoge schreiben, die keinen Sinn haben? Daher ist folgender Part auch recht kurz, dennoch bin ich aber zufrieden. Was gesagt werden musste, wurde gesagt und was beschrieben werde musste, wurde beschrieben. Es mag vielleicht besser gehen, aber ich bin auch nur ein Mensch. Solange ich den von mir geplanten Inhalt eines Beitrags gut rüber bringe bin ich zufrieden. Überall steckt eine Intention dahinter, die ich erfüllen möchte. Auch wenn ich mal nicht so zufrieden bin und selber auch weiß, dass es besser geht... ich sag mir dann einfach, dass der nächste Part wieder besser wird und dass es vermutlich auch schlechter hätte ausfallen können.


Viel Spaß beim Lesen!

------------------------------------------------------



Yasemin Fayar sah ungeduldig auf die Uhr. Es war dreiundzwanzig Uhr fünfundfünfzig. Im Brief hatte es geheißen: "Mitternacht, Freitag den vierundzwanzigsten Januar, Tinroth im scharlachroten Park". Die Zeit rückte näher. Es gab jedoch kein Zeichen von ihrem mysteriösen Auftraggeber.
Yasemin, eine große, drahtige Frau mit ebenholzfarbener Haut, langen schwarzen Haaren und einem bittersüßem Lächeln, erregte außer bei Obdachlosen, die gelegentlich um Kleingeld baten, kaum Aufmerksamkeit. Auch nicht bei den Streunern, die hofften, die attraktive Frau hinter ein Gebüsch zerren zu können um sich mit ihr zu vergnügen. Ein Blick aus ihren fast pechschwarzen Augen genügte, um sie auf Abstand zu halten. Wer diese Warnung ignorierte, würde es bereuen. Die patrouillierenden Polizisten, die nur darauf aus waren, ohne Zwischenfälle durch die Nachtschicht zu kommen, behandelten sie, als sei sie unsichtbar. Jedes Mal, wenn einer von ihnen die Parkbank, auf der sie saß, passierte, lächelte Yasemin liebenswürdig und intonierte mit glockenklarer, schnurrender Stimme: "Guten Abend, Officer. Ich warte hier auf eine Freundin. Schönen Abend noch, Officer."
Die Bullen nickten und gingen weiter Streife. Manchmal hingen viele Penner und Unruhestifter im Erja Rotha herum. Es gab nur wenige Lampen und die Büsche und Bäume boten eine gute Deckung für verschiedene Aktivitäten, die besser unbeobachtet blieben. Yasemin hatte sich jedoch eine Bank am Rande des Parks ausgesucht, mit Nähe zur Straße und Blick auf den Hexenplatz, die Blutmauer und das Rathaus dahinter, auf den Haupteingang der Oper und auf den Vergeltungsbogen und den Monolithen.

Sie fühlte sich verhältnismäßig sicher. Pro Woche gab es im scharlachroten Park nicht mehr als ein oder zwei Morde, was ihn zu einer der sichersten Gegenden von Tinroth machte. Die Stadt bildete einen Grenzwall zu dem von Vaishara geführten Reich Aeasis. Zahlreiche Schlachten waren hier ausgefochten worden. Die fünf riesigen Wälle um Tinroth, die sogenannten Invictus, schützten die Stadt vor Eindringlingen aus dem Nebel, der tödlichen Wolke, die die Städte voneinander trennte. Außerdem hielt sie Angreifer aus Aeasis fern. Die Route durch die Stadt war der einzige Weg, nach Aeasis zu gelangen oder von Aeasis nach Ylesia. Niemand war dumm genug, den Schutz der Wälle zu verlassen und zu versuchen, durch den Nebel über die mächtigen Gebirge ins Nachbarreich zu gelangen. In der Stadt wimmelte es vor Spionen der Vaishara. Außerdem versuchten zahlreiche Hexen, über Tinroth ins Nachbarreich zu entkommen. Die Präsenz von Polizisten und Soldaten war sehr hoch. Das Militär hatte die Stadt fest im Griff und erbarmungslos wurde jeder gefasste Vaishara binnen drei Stunden nach Festnahme auf dem Hexenplatz hingerichtet.

Dennoch hielten sich Gerüchte über Widerstandsnester und Untergrundbewegungen. Erst in der letzten Woche hatte ein Terrorist versucht, eine Bombe im Rathaus zu zünden. Yasemin konnte diese sinnlosen Aufstände nicht verstehen. Wenn man es geschickt anstellte, konnte man auch als Hexe ein normales Leben führen. Rebellen, Terroristen und Menschenjäger, die sich sinnlos gegen die Regierung und gegen das Militär stellten, ekelten sie an. Sie benahmen sich wie Tiere, wie Motten, die ins Licht flogen um zu vergehen. Wie sie mit ihren Gewehren und Rohrbomben versuchten, Änderungen herbei zu führen - lachhaft. Mord erforderte Stil, sorgfältige Planung. Yasemin sah sich selbst als Künstlerin, was das Auslöschen betraf. Die meisten Menschen lebten für Geld, Karriere, Familie. Yasemin lebte für die höchste Kunst von allen, für den Mord. Sie sah sich als eine der besten Auftragsmörder in ganz Elinor. Noch vor fünfzehn Jahren war sie hauptsächlich in ihrer Heimat Tanua aktiv gewesen, einem Wüstengebiet zwischen den zwei Reichen Iordall und Tarisia. Bei den zahlreichen Kämpfen der verfeindeten Wüstenstämme war ihr Können immer wieder auf die Probe gestellt worden. Heute kannte man ihren Namen in ganz Elinor, wenn auch nur in bestimmten Kreisen. In Aeasis hatte sie jahrelang gegen das Vaishara-Regime gearbeitet. Dutzende mächtige Hexen waren ihr zum Opfer gefallen, ohne auch nur zu ahnen, was sie überhaupt erwischt hatte. Sie hatte dies nicht für die Unmengen an Geld getan, auch nicht weil sie etwas gegen die Vaishara hatte. Es war für sie die Leidenschaft für ihr Handwerk gewesen. Jedes einzelne ihrer Opfer war in einer spektakulären Explosion vergangen. Am Ende musste sich Yasemin jedoch zurück ziehen, als eine intensive Jagd auf sie ausgerufen wurde und mehrere sehr mächtige Vaishara ihre Spur aufgenommen hatten.

Einige Jahre hatte sie in Iordall gelebt, dem Reich nördlich von Ylesia. Eher einer Laune nach hatte sie sich hier gegen die Regierung, nicht gegen die Hexen gestellt. Ihre Dienste hatte sie dabei den Vaishara angeboten, obwohl es hauptsächlich ihrem persönlichen Vergnügen gedient hatte, angeblich einbruchsichere Kasernen zu infiltrieren und dabei dutzende Soldaten auszuschalten. Ein monatelanges Katz-und-Maus-Spiel war die Folge gewesen, in dessen Verlauf sie immer wieder dem Zugriff ihrer Verfolger entrinnen konnte und dabei ganze Militärbasen einebnete. Yasemin kannte keine Loyalität, kannte auch keine Geldgier mehr, denn längst hatte sie ein kleines Vermögen angehäuft. So hatte sie sogar zugestimmt, als ein mächtiger Konzern ihr Geld bot, um ihren eigenen Stamm auszulöschen, damit sie auf eben ihrem Territorium Rohstoffe für Tarisia abbauen konnte. Es ging ihr nicht ums Geld, sondern wieder um die Herausforderung. Sehr subtil hatte Yasemin mehrere Stämme angegriffen und absichtlich die Spuren so gelegt, dass sich die ohnehin schon verfeindeten Wüstenstämme gegenseitig die Schuld gaben. Am Ende war der Konflikt, den man in den Geschichtsbüchern "Tanua-Fehde" nannte, ganz allein ihre Schuld gewesen. Erneut war sie nicht erwischt worden und die geschwächten Stämme mussten dem ausbeuterischen Vanir-Konzern weichen. Yasemins Stamm hatte sich von den Verlusten nicht erholen können und zerfiel kurz nach der Krise. Mit einem Großteil ihres Territoriums von Vanir beschlagnahmt und hohen Verlusten nach den Konflikten mit den anderen Stämmen war der Stamm der Fayar am Ende einfach ausgerottet worden.

Der Vanir-Konzern jedoch hatte sich schließlich geweigert, den letzten Teil des Honorars auf Yasemins Konto zu überweisen. Außerdem hatte der Konzern ein Geschäft mit der Regierung Tarisias geschlossen, laut dem man die Ressourcen von Tanua großzügig im Sinne der Militarisierung abbauen würde. Und eben diese Regierung hetzte nun Kopfgeldjäger und andere Elitekämpfer auf Yasemin. Es war die günstigere Alternative, hatte man im Führungsstab von Vanir offenbar beschlossen. Yasemin wurde quer durch Tarisia gehetzt und kam mehrere Male nur knapp mit ihrem Leben davon. Sie beendete den Verrat von Vanir schließlich, indem sie drei der nagelneuen Raffinerien am Rande von Tanua sprengte. Die schützende Kuppel über der Industrieanlage bekam ein großes Leck und wer dem einströmenden Nebel nicht zum Opfer fiel, der starb in den Flammen oder an schweren Vergiftungen. Mehrere Hundert Arbeiter kamen ums Leben und sofort rief Vanir sämtliche Söldner zurück. Der Vorstoß des Konzerns in der Wüstenregion kam abrupt zum Erliegen und ironischerweise rissen sich die Wüstenstämme schnell das ehemalige Territorium vom Stamm Fayar unter den Nagel. Profitgier und Verrat hatte dem Konzern Millionen gekostet. Doch Yasemin hatte eine klare Botschaft übermittelt: Heuert mich an und ich erledige meine Arbeit. Betrügt ihr mich, müsst ihr mit den Konsequenzen leben. Obwohl sie sich Regierungen oftmals zu Feinden machte, gab es auch zahlreiche Aufträge, in denen sie sich wieder gut mit dem Militär stellte. Sehr oft hatte sie ihre Kunst benutzt, um Verbrecherorganisationen oder Drogenkartelle zu zerschlagen. Sie bereute keine ihrer Taten der vergangenen fünfzehn Jahre. Es waren spannende Herausforderungen gewesen. Doch noch immer suchte sie nach neuen Möglichkeiten, ihre Kunst auszuleben.

"Ich nehme an, Sie warten auf mich?", fragte eine Stimme direkt neben der Parkbank. Es war Punkt Mitternacht. Überrascht wandte sich die Auftragsmörderin zur Seite. Von Natur aus vorsichtig hatte sie immer ihre Umgebung im Auge. Doch im Schatten eines Baumes, wo vor Sekunden noch niemand gestanden hatte, stand jetzt ein Fremder.
Das süffisante Lächeln der hochgewachsenen Gestalt im schwarzen Mantel mit der schwarzen Kapuze, die den Großteil des Gesichts verbarg, zeigte, dass er Yasemins Überraschung amüsant fand. Er trat aus dem Schatten hervor und winkte Yasemin mit einer Hand zu sich. "Gehen wir ein Stück. Wir müssen über Ihre Arbeit reden und der Park bietet eine unvergleichliche Privatsphäre zu dieser Uhrzeit." Yasemin bemerkte nun die verspiegelte Sonnenbrille ihres Gegenübers, durch welche sie kurz glaubte, boshafte bronzefarbene Augen sehen zu können. Im nächsten Moment jedoch sah sie wieder ihr Spiegelbild im blassen Licht der Straßenlaterne. Langsam schlenderten sie tiefer in den Park hinein, wobei Yasemin stets wachsam blieb und ihren Begleiter nicht aus den Augen ließ. Zu dieser Nachtzeit war der Park bis auf die wenigen Huren, Streuner und Polizisten nahezu ausgestorben. Das Flackern einer defekten Laterne warf lange Schatten, die vor ihnen her in der Dunkelheit huschten. "Sie haben bereits meine ersten Instruktionen befolgt?" fragte der Fremde nach einigen Schritten und sah Yasemin kurz über den Rand seiner Brille hinweg an. Nun bemerkte sie, dass der Mann dunkelrote Augen hatte. Langes, schwarzes Haar quoll unter der Kapuze hervor. Die Haut des Mannes war bleich wie das Mondlicht. "Ich habe Ihre Anweisungen wortgenau befolgt", antwortete Yasemin.

"Drei Männer habe ich gestern nach Aril geschickt. Zwei weitere nach Iserion und vier nach Dalaa. Jeder von ihnen glaubt, alleine zu arbeiten. Sie erhielten die Hälfte ihres Geldes im Voraus, die andere Hälfte bei Erfüllung ihres Auftrags. Sie werden beobachten und etwas Nachforschung betreiben. Wenn sie lange genug überleben, um Informationen zu liefern, dürfte es Ihnen ziemlich entgegen kommen." Yasemin sprach leise, in neutral moduliertem Tonfall. Die Gestalt neben ihr verzog nicht einmal eine Miene. "Ich erwarte nicht, dass irgendjemand von ihnen lange überlebt. Wenn sie vor ihrem Ableben auch nur ein wenig nützliche Informationen liefern, haben sie ihren Zweck jedoch erfüllt. Haben Sie mein Geheiß für heute Nacht erfüllt?" Yasemin nickte knapp, während sie weiter durch die Dunkelheit des Erja Rotha schritten. "Ich habe meine Ausrüstung dabei und bin voll einsatzbereit."
"Exzellent", antwortete der Fremde. "Ich hatte aber auch nicht weniger erwartet. Ich habe viel von Ihnen gehört, Miss Fayar. Sie zählen zu den Besten, kosten jedoch viel für die Dienste, die Sie anbieten." Yasemin gönnte sich ein breites, perlweißes Lächeln. "Ich berechne, was ich wert bin", antwortete sie gelassen, "Wenn Sie sich richtig informiert haben, wissen Sie wozu ich fähig bin und dass ihr Geld daher kaum besser investiert werden kann." Der Mann mit den schwarzen Haaren und den roten Augen lächelte sardonisch. "In ein paar Minuten werden wir sehen, ob Ihre Fähigkeiten Ihre Arroganz rechtfertigen und ob Sie ihr Honorar wirklich verdienen." Sie hatten nun eine Weggabelung mitten im Park erreicht und bogen nach links ab, gingen vorbei an einem kleinen, dunklen See. "Sie sind jemand, dem weder Geld noch Loyalität viel bedeutet", ließ sich der Fremde vernehmen. Es war mehr eine Feststellung als eine Frage.

"Mein Stamm hat mich verstoßen", erklärte Yasemin abwehrend. "So viele Feinde schaltete ich aus und am Ende wurde ich fort gejagt. Es hieß, ich würde mit den Traditionen brechen. Als ich Mitglieder der anderen Stämme in Stücke sprengte und damit meinen eigenen Stamm rettete, hat sich noch niemand über mein Vorgehen beklagt." Yasemin hatte die Hände zu Fäusten geballt, die Finsternis ihrer Augen stellte selbst die sie umgebende Nacht in den Schatten. "Bei meinem Volk ist es wichtig, dass die Körper der Verstorbenen die gebührenden Begräbnisrituale bekommen. In die Erde gehen wir im Tod, und doch geht auch Leben aus ihr hervor. Ist keine Leiche mehr vorhanden, ist das ein großes Unrecht gegenüber dem Toten. Mein Stamm glaubt, wenn der Körper nicht eins mit der Erde wird, kann auch die Seele nicht richtig ruhen. Es macht eine Wiedergeburt unmöglich. Mit der völligen Annihilierung unserer Feinde habe ich mir am Ende meinen eigenen Stamm zum Feind gemacht. Sie hatten Angst vor mir."
"Haben Sie deshalb auf Geheiß von Vanir die Stämme von Tanua gegeneinander ausgespielt?", fragte der Fremde leise, "Um Rache an Ihrem Stamm zu nehmen?" Die Meuchelmörderin hielt inne, hob eine Augenbraue. "Sie sind wirklich gut über mich informiert", bemerkte sie in höflichem Tonfall. "Aber Emotionen haben bei meiner Arbeit keinen Platz. Statt Loyalität bekommen meine Arbeitgeber absolute Effizienz. Ich sehe meine Arbeit als Kunst und über Gefühle wie Reue, Gnade und Zorn bin ich seit Jahren erhaben. Ich habe mir meinen Ruf und mein Gehalt verdient. Ich werde Sie überzeugen. Sie verlangten eine Demonstration?"

"Meine Pläne betreffen sowohl die Abteilung zur Eliminierung von Gesetzesbrechern im Interesse der Sicherheit als auch die verschiedenen Fraktionen der Vaishara", erläuterte der Fremde. "AEGIS und das Militär beanspruchen diese Stadt zwar für sich, aber es gibt hier in Tinroth auch einige Hexen. Ich brauche jemanden, der keiner Seite gegenüber loyal ist. Sie sind die Beste, die ich kriegen kann." Der Mann mit dem schwarzen Mantel blieb stehen. Sie hatten den östlichen Ausgang des scharlachroten Parks erreicht.
"Ich fühle mich geehrt", antwortete Yasemin mit leichtem Kopfnicken. "Ich werde mir Mühe geben, um Ihr Vertrauen in mich zu rechtfertigen." Während sie sich unterhielten, hatten sie den Park durchquert und nun schlenderte der Fremde auf dem Gehweg in Richtung Norden, wo der Monolith wie funkelnder Obsidian über allen anderen Gebäuden aufragte. Plötzlich jedoch gingen sämtliche Lichter des östlichen Hauptquartiers des Versicherungskonzerns Perséus aus. "Der Monolith ist in Wahrheit der hiesige Sitz von AEGIS", erklärte der Fremde und schien nicht überrascht über das plötzliche Energieproblem des riesigen Gebäudes. "Er enthält eine unterirdische Forschungseinrichtung und genau jetzt befinden sich mehrere Vaishara im Gebäude. Ich wünsche, dass du ihren Rückzug ein wenig erschwerst. Wenn du ihren Anführer ausschalten könntest, würde es dir einen beträchtlichen Bonus einbringen. Der Fuchs muss lernen, was Angst bedeutet. Du wirst sie nicht alle ausschalten und bis zu ihrem Versteck wirst du sie auch nicht verfolgen. Das erwarte ich allerdings auch nicht. Dezimiere sie und bleib am Leben. Denn bedenke, dass die Bluthunde von AEGIS dir ebenfalls gefährlich werden können."

"Ich werde mich bemühen, einen starken Eindruck zu hinterlassen", antwortete Yasemin, während sich der Fremde an eine Straßenlaterne lehnte und auf drei schnelle Mittelklassewagen deutete, die am Straßenrand gegenüber des Monolithen parkten. Yasemin wunderte sich, warum der Fremde so gut informiert war, stellte jedoch keine Fragen. "Ich werde zuschlagen, sobald die anderen Hexen das Gebäude verlassen", erklärte sie und sah zu ihrem Auftraggeber. Doch dieser war verschwunden. Unter der flackernden Straßenlaterne war keine Spur mehr von dem hochgewachsenen Fremden mit dem schwarzen Mantel und den blutroten Augen. Sie beschloss, vorsichtig zu sein. Ihr Auftraggeber war ihr nicht geheuer. Zwar befolgte sie Befehle, solange ihr Preis bezahlt wurde und der Job Herausforderungen und die Möglichkeit bot, ihre Kunst auszuleben. Doch sie war nicht zu ihrem Ruf gekommen, weil sie leichtgläubig, unvorsichtig und dumm war. Schon vorher hatten Auftraggeber versucht, sich ihrer zu entledigen. Dem Fremden traute sie das ebenfalls zu. Die Bezahlung war da eigentlich egal, doch gab es hin- und wieder auch Auftraggeber, die sie als potentielle Mitwisserin ebenfalls ausschalten wollten. Zwar hatte der Fremde ihr noch keine Einzelheiten seiner Pläne verraten, doch würde sie trotzdem gut auf sich aufpassen. Nun jedoch galt es, ihre Arbeit zu erledigen. Wie ein dunkler Schatten setzte sich die schlanke Frau in Bewegung, huschte von Auto zu Auto und näherte sich den drei Zielen. Es war einige Zeit her, dass sie so spontan zur Tat geschritten hatte und eigentlich bevorzugte sie sorgfältige Planung. Sie beschloss, es einfach als Herausforderung zu betrachten und voller Zuversicht bewegte sie sich langsam, unsichtbar und nahezu geräuschlos immer weiter an die drei parkenden Autos heran. Dass sie es mit Vaishara zu tun hatte und keine Ahnung von der Art und dem Ausmaß ihrer Fähigkeiten hatte, war Yasemin ebenfalls klar. Aber sie hatte schon kniffligere Aufträge erledigt und allein die Aussicht auf ästhetischen, lauten, lodernden Mord trieb sie voran. Scheitern kam für sie nicht in Frage und sie würde es genießen, sich erneut zu beweisen, dass sie das größte Raubtier von allen war, ungeachtet irgendwelcher merkwürdigen Kräfte ihrer Kontrahenten.
 
Nur weil ich mir mal etwas mehr Details wünsche, ist das ja nicht gleich als destruktive Kritik gedacht. Das du dir Mühe gibst glaube ich dir sofort und bisher find ich die Geschichte sehr spannend und gut geschildert. Manchmal muss man auch mal etwas posten, auch wenn man nicht soo zufrieden ist. Bringt ja auch nichts, wenn du lange über einem Beitrag brütest und am Ende sogar etwas verschlimmbesserst. Mich hast du definitiv "am Haken". So kurz fand ich den Beitrag gar nicht. Ja eben: Es geht auch schlechter! Der neue Part gefiel mir recht gut. Mit Yasemin hast du wieder einen neuen Charakter vorgestellt, der mir persönlich ganz gut gefällt. Die Beschreibungen fand ich gut, ebenso Yasemins Background. Bin gespannt, was es mit ihrem Auftraggeber auf sich hat und warum sie so voller Selbstvertrauen ist, während sie gegen Vaishara in den Kampf zieht. Schreib schnell weiter!
 
@Quinn:

So schnell fasse ich nichts als destruktive Kritik auf. Schön, dass du fleißig weiter liest. Ohne Kommentare kann ich nämlich nicht weiter schreiben. Zumindest nicht, ohne irgendwann Ärger zu kriegen. Yasemin ist auch toll. Ich widme sie Iggy!, weil sie eigentlich aus dem Gedanken entstanden ist, wie ich mir eine eigene Antagonistin vorstelle. Mit folgendem Part bin ich mal wieder unzufrieden. Die Kampfszenen gefallen mir irgendwie nicht. Aber gleichzeitig wollte ich auch heute unbedingt mal wieder posten. Irgendwann will ich ja fertig werden und das Kapitel ist schon recht lang. Hab schon überlegt, ob ich nicht doch weniger Kapitel schreibe. Je nachdem, ob und wie ich die von mir geplante Handlung umsetzen kann. Abgesehen davon, dass ich mit einigen Beschreibungen nicht zufrieden bin, hab ich jedoch den von mir beabsichtigten Inhalt rüber gebracht und bin froh, nach fast 9 Stunden endlich fertig mit dem Part zu sein und freu mich schon darauf, den nächsten zu schreiben. Zwei Parts noch, denke ich, und das erste Kapitel ist geschafft.


So, weiter geht's!

------------------------------------------------------



Noch während die fünf Sicherheitsmänner ihre Lasergewehre anlegten und das Feuer auf die Eindringlinge eröffneten, setzte sich der Fuchs in Bewegung und streckte dabei eine Hand aus, als würde er seine Angreifer bitten, doch aufzuhören. "Seht euch um", rief er seinen beiden Mitstreitern hinter sich zu, ohne auch nur den Blick von den Sicherheitsmännern abzuwenden. "Aber denkt daran: Bringt niemanden um!" Kassandra schätzte er als selbstdiszipliniert genug ein, um auch in brenzlichen Situationen nicht den Kopf zu verlieren und einen Fehler zu machen. Phönix jedoch war hitzköpfig und ungeduldig. Immer wieder erinnerte der Fuchs seine Mitstreiter daran, wie wichtig es war, keine Menschen zu töten und auch schwere Verletzungen zu vermeiden. Manchmal ließ es sich nicht vermeiden, Menschen zu verwunden doch bisher hatte der Fuchs seinen Ruf wahren können, Menschen zu verschonen. Die Sicherheitsmänner feuerten ihre Lasergewehre ab, während der Fuchs sich ihnen mit schnellen Schritten näherte. Er konzentrierte sich und nutzte nun seine Fähigkeit, sein Umfeld zu verbiegen. Die Lasersalven schossen auf ihn zu, bogen sich dabei jedoch und konzentrierten sich auf seine ausgestreckte Handfläche, wo sie in einen hellen Funkenregen zerfaserten und harmlos gegen den grauen Mantel des Fuchses prasselten. Nun hatte dieser die fünf Männer erreicht. Mit den Händen griff er nach zwei Gewehren und drückte die Läufe zusammen, veränderte die Konsistenz des Metalls und quetschte es wie weichen Lehm zusammen, ehe er den beiden ihm nahestehenden Sicherheitsmännern jeweils einen Zeigefinger auf die Stirn drückte. Nur eine winzige Beeinflussung und beide sackten ohnmächtig zu Boden.

Die drei verbliebenen Sicherheitsmänner jedoch feuerten auf ihn und weiße Lasersalven durchlöcherten seinen Mantel, ehe ihm einer der Sicherheitsmänner den Lauf seines Gewehrs direkt unters Kinn hielt. Doch noch ehe der Fuchs reagieren konnte, traf eine Wasserkugel das Gewehr mit solcher Wucht, dass es das Gewehr beiseite schlug. Aus den Augenwinkeln sah der Fuchs, wie Kassandra sich ihm näherte. Ohne erneut zu zögern schlug er dem Sicherheitsmann vor sich kräftig ins Gesicht, so dass er mit dem Hinterkopf gegen die Wand des Korridors krachte und an der Wand zu Boden rutschte. In derselben Bewegung wirbelte er herum und dabei zischten Lasersalven haarscharf an seinem Körper vorbei und schlugen in die Wand. Kassandra war nun fast bei ihm, schleuderte eine weitere Wasserkugel nach vorne. Sie schlug auf den Boden ein und ein dünner Film aus Wasser machte den Boden rutschig, genau dort wo die beiden Sicherheitsmänner standen. Der Fuchs trat aus der Drehung heraus nach einem der beiden, dieser jedoch sprang zurück und rutschte dabei aus, fiel auf den Rücken und verlor sein Gewehr. Der Fuchs packte sofort das Gewehr des letzten stehenden Sicherheitsmannes und rang mit ihm. Kassandra hatte den am Boden liegenden Mann erreicht, packte seinen Kopf und schlug ihn gegen die Wand. Der Fuchs schaffte es, dem Sicherheitsmann das Lasergewehr zu entreißen, kassierte jedoch einen kräftigen Tritt in die Magengrube, der ihn zurück taumeln ließ. Der Sicherheitsmann schlug nach dem Hals des Fuchses, dieser blockte jedoch und versuchte einen Beinfeger. Der Sicherheitsmann wich nach hinten zurück und wäre auf dem nassen Boden fast ausgerutscht, verlor jedoch nicht das Gleichgewicht sondern trat dem Fuchs kräftig gegen das Standbein und brachte ihn damit zu Fall. "Balanceverstärker", erklärte der Sicherheitsmann grinsend und zog einen Schlagstock, dessen Spitze nach einem Knopfdruck hell zu knistern begann. "Jetzt mache ich dich fertig, du Missgeburt!" Mit dem Schlagstock hielt er Kassandra auf Distanz und gerade als er ausholte, um dem Fuchs einen kräftigen Schlag auf den Kopf zu verpassen, traf ihn eine helle, leuchtende Kugel gegen die Brust. Es krachte laut, rote Funken stoben und der Sicherheitsmann flog einige Meter zurück und blieb reglos auf dem Boden liegen.

"Das passiert, wenn man sich zurück hält", rief Phönix ihnen zu. Er stand an einer Abzweigung und wies hinter sich auf zwei Türen. "Ich habe einige der Sicherheitsleute eingeschlossen, doch es ist nur eine Frage der Zeit, bis die da heraus kommen. Die Waffenkammer habe ich zwar ebenfalls zugeschweißt, aber dennoch finde ich, wir sollten uns langsam mal beeilen." Der Fuchs war inzwischen wieder auf den Beinen und Kassandra absorbierte das Wasser am Boden wieder. Sie gesellten sich zu Phönix und hielten kurz inne, um sich eine Übersicht über den Komplex zu verschaffen. Der Korridor war kreuzförmig, scheinbar gab es vier Eingänge wie jenem, der vom Fuchs so effektiv umgangen wurde. Die Tür zu den Wachunterkünften und der Waffenkammer waren vorerst verschlossen, Phönix hatte ihnen also etwas Zeit erkauft. "Aus der südlichen Richtung kommen wir", erklärte der Fuchs, während sie in der Mitte der vier sich kreuzenden Korridore standen. "Kassandra geht nach Norden und du, Phönix, gehst nach Osten. Ich sehe mir den westlichen Korridor an." Kassandra und Phönix nickten und so trennten sie sich, um den Komplex zu durchsuchen. Der Fuchs eilte den westlichen Korridor entlang und hielt schließlich auf halbem Weg zum Westeingang bei zwei gegenüberliegenden Türen inne. Er versuchte es zuerst mit der linken Tür, die nicht verschlossen war. Hinter der Tür sah er erstaunt zahlreiche Tanks mit einer grünlichen Nährflüssigkeit, in denen unterschiedliche Tierarten schwammen. Mit Schläuchen beatmet und in künstlichem Koma schwammen Kälber und Lämmer in mehreren Tanks und warteten darauf, abgeerntet und geschlachtet zu werden.

In einer Welt, in der Städte durch große Kuppeln voneinander abgeschottet waren und die Außenwelt von einem gefährlichen Naturphänomen namens Nebel unpassierbar gemacht wurde, war das Klonen von Tieren als Nahrungsmittelquelle nichts Ungewöhnliches. Der Monolith bekam scheinbar in regelmäßigen Abständen junge Tiere geliefert, die dann in diesen Tanks zur Reife wuchsen. So versorgte der Monolith sich selbst mit Nahrung. Der Fuchs verließ den Raum wieder und untersuchte den gegenüberliegenden Raum, wo sich ihm ein ähnliches Bild offenbarte. Zwar gab es hier keine Tanks, doch auf zahlreichen Ebenen, künstlich beleuchtet, wurden hier Nahrungsmittel angebaut. Vertikale Landwirtschaft war in den Jahrzehnten seit dem Auftauchen des Nebels etwas ganz normales geworden. In mehrstöckigen Gebäuden, sogenannten Farmscrapers, ermöglichte sie eine tragfähige Landwirtschaft und Massenproduktion pflanzlicher und tierischer Erzeugnisse im Ballungsgebiet der Städte. Basierend auf Kreislaufwirtschaft und Hydrokulturen unter Gewächshausbedingungen wurden in Gebäudekomplexen auf mehreren übereinander gelagerten Ebenen ganzjährig Früchte, Gemüse, essbare Speisepilze und Getreide erzeugt und es bestand keine Gefahr durch wetterbedingte Ernteausfälle oder Schädlingsbefall. Der Fuchs betrachtete die vielen Ebenen, die noch tiefer unter die Erde führten und wandte sich dann wieder ab. Hier gab es nichts von Interesse. Er trat wieder auf den Korridor und wandte sich dem Westeingang zu, streckte beide Hände aus und konzentrierte sich. Wie die Oberfläche eines Sees unter starkem Wind begann sich der Korridor zu bewegen. Der Boden, die Decke und die Wände kräuselten sich, zogen sich dann langsam zusammen. Es war, als würde sich der Korridor verflüssigen, Teile der Decke tropften wie Wachs hinab und bildeten Stalaktiten. Nach einigen Sekunden war der Korridor nur noch ein unförmiges, enges Gebilde, unpassierbar für die Sicherheitskräfte aus dem oberen Teil des Monolithen. Der Fuchs atmete tief durch, wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn und wandte sich dann ab, um Kassandra und Phönix einzuholen.

In der Zwischenzeit hatte Phönix den Osteingang verschlossen. Er betrachtete seine Arbeit einen Moment und war sich sicher, dass die dicke Metalltür gut genug mit dem Rahmen verschmolzen war, um ein Eindringen unmöglich zu machen. Der Türrahmen glühte noch ein wenig und Phönix klopfte sich die Hände aneinander ab, wobei schwache Funken sein zufriedenes Lächeln erhellten. Auch im östlichen Korridor gab es zwei Türen und Phönix wandte sich vom Eingang ab und wählte die von ihm aus linke Tür, da die Rechte weitaus besser gesichert war und Stimmerkennung, Retinascan und Manahcheck verlangte. Phönix öffnete die linke Tür und fand sich in einer Art Sicherheitsschleuse wieder. Luft entwich zischend, als er die zweite Tür passierte und sich in einer dunklen, kalten Kammer wiederfand. Er suchte nach dem Lichtschalter und kaum hatte er die Beleuchtung des Raumes aktiviert schien ihm das Blut in den Adern zu gefrieren, was jedoch nicht an der niedrigen Temperatur des Raumes lag. Der Raum war voller hoher, dünner Glaszylinder. Lagereinheiten, wie Phönix sofort erkannte. Und jeder Zylinder barg einen Körper. Es gab zahlreiche kleine Behälter mit toten Föten, die in einer Konservierungsflüssigkeit schwammen. Entsetzt sah Phönix, dass einige der kleinen Körper schrecklich verstümmelt waren. Einige der kleinen Leiber waren verbrannt, andere hatte man offenbar Giftgas oder Ähnlichem ausgesetzt denn ihre Haut war voller großer, eitriger Blasen. Phönix taumelte rückwärts fort von den kleinen Behältern, wobei sein Blick auf die größeren Behälter fiel. In den meisten der größeren Behälter schwammen kleine Kinder, nicht älter als acht Jahre. Einige hatten kybernetische Implantate, anderen waren Organe entnommen worden. Die meisten hatten schreckliche Wunden, Spuren von rücksichtsloser Folter oder furchtbarer Experimente.

Phönix betrachtete dutzende Behälter mit etwa zwölfjährigen Kindern. Einigen fehlten weite Teile der Haut, da sie Opfer von biologischen oder chemischen Kampfstoffen geworden waren. Vielen der Kinder standen die Augen offen und obwohl den Blicken jedes Leben fehlte waren manche Gesichter vor Furcht, Hass oder Schmerz verzerrt. Phönix spürte, wie der Zorn in ihm neue Triebe schlug und fassungslos trat er zurück, bis er das kalte Metall der Tür im Rücken spürte. Sein Herz schlug so schnell, als wolle es seinen Brustkorb sprengen. Er schnappte nach Luft, hob dann die zitternden Hände und konzentrierte sich. Funken sprühten aus seinen Handflächen, ehe sich knisternde, helle Kugeln aus seinen Händen lösten und über seinen Handflächen schwebten. Funken stobend und glühend wuchsen diese Kugeln, ehe Phönix erst eine Kugel, dann die andere in den Raum schleuderte. Die Behälter mit den Föten zerplatzten in einem Regen aus Splittern und Konservierungsflüssigkeit, die Phönix gegen die Schuhe schwappte. Er erschuf zwei weitere knisternde Funkenkugeln in den Händen und sprengte die Behälter mit den Kindern. Irgendetwas Warmes lief ihm die Wangen hinab und seiner Kehle entkam ein langer, gequälter Zornesschrei. Immer wieder schleuderte er Funkenkugeln in den Raum hinein, bis kein einziger Behälter mehr heile war. Warum müssen wir uns zurück halten, fragte er sich zitternd und rutschte mit dem Rücken die Tür hinab, bis er auf dem Boden saß. Konservierungsflüssigkeit durchtränkte seine Hose und sein Hemd doch es war ihm egal. Wütend schlug er mit den Fäusten auf den Boden, lehnte sich schnaufend an die Tür und wischte sich dann die Tränen von den Wangen. Schreckliche Dinge wurden den Vaishara angetan. Einst war er selbst in einer ähnlichen Anlage gefangen gewesen, ehe der Fuchs ihn befreit hatte. Der Fuchs kämpfte selbstlos für andere Vaishara, doch warum ging er nicht aggressiver vor? AEGIS hatte es nicht anders verdient, da war sich Phönix sicher. Phönix atmete immer wieder tief durch und versuchte sich zu beruhigen. Die Absichten des Fuchses waren ehrenhaft und jeder befreite Vaishara war ein kleiner Sieg. Doch musste sich Phönix auch fragen, ob sie sich nicht selber etwas vormachten. Frieden und Freiheit sahen anders aus als immer davon laufen zu müssen.

Die linke Tür des nördlichen Korridors führte zu den Unterkünften der Wissenschaftler. Panisch hatten die Männer und Frauen dort aufgeschrien, als Kassandra die Unterkünfte betreten hatte. Kassandra hatte sich nicht lange mit den Forschern aufgehalten, hatte das Zugangspanel auf der Innenseite der Tür zerstört, die Tür von außen geschlossen und auch dort das Zugangspanel mit einer Klinge aus Wasser zerschmettert. Die gegenüberliegende Tür war mit Retinascan, Stimmerkennung und Manahcheck gesichert. Kassandra verzog das Gesicht, ehe sie sich konzentrierte und zwei Klingen aus Wasser in ihren Händen kreierte, mit denen sie dann auf die Metalltür einschlug. Ganz langsam fräste sie sich mit den Klingen durch die Tür, welche dann in vier Stücken aus dem Rahmen kippte. Kassandra betrat einen großen, viereckigen Raum mit hoher Decke. Stege aus Metall führten unterhalb der Decke durch den Raum, dickes Sicherheitsglas schützte die Beobachter vor - ja, vor was? - während es gleichzeitig eine Sicht auf den Bereich unterhalb des Geländers ermöglichte. Kassandra fühlte sich wie in den Glasröhren eines Hamsterlabyrinths. Der Raum war von oben durch die Stege perfekt einsehbar, war jedoch geschickt durch Wände in mehrere Teilabschnitte geteilt, durch transparente Decken entging den Forschern jedoch nichts. Wissenschaftler eilten panisch davon, zum anderen Ausgang, während Sicherheitsleute ihre Schlagstöcke zogen und sich Kassandra näherten. Diese wusste, dass hier der Grund ihres Ausflugs sein musste und stellte sich den Sicherheitsmännern. Lasergewehre hatten diese nicht, sie waren jedoch abgesehen von den Schlagstöcken auch mit Pfeilpistolen ausgerüstet. Betäubungspfeile waren perfekt um Eindringlinge am Betreten dieser Einrichtung - oder um jemanden an der Flucht aus dem Komplex - zu hindern.

Als der erste Sicherheitsmann Kassandra erreichte und mit dem Schlagstock nach ihr schlug, wich sie geschickt aus, packte den ausgestreckten Arm ihres Angreifers und wirbelte herum, schleuderte ihn mit dem Rücken gegen die Glaswand. Sie versuchte, ihn mit einem gezielten Handkantenschlag gegen den Hals außer Gefecht zu setzen, doch er blockte mit dem linken Unterarm und schlug ihr mit dem Schlagstock in die linke Seite. Die knisternde Spitze versetzte ihr einen Schock und kurz sackte sie ein wenig ein, ehe sie ihm den rechten Arm beiseite schlug und zuerst mit einer Faust, dann mit der anderen in den Magen des Mannes boxte. Doch dieser trug eine Sicherheitsweste unter seiner schwarzen Uniform und konterte, indem er Kassandra mit der flachen Hand kräftig ins Gesicht schlug. Diese packte nun das Handgelenk der rechten Hand ihres Gegners und rammte es kräftig gegen die Glaswand, so dass er seinen Schlagstock fallen ließ. Sie trat die Waffe schnell außer Reichweite, ehe sie dem Mann das Knie in den Unterleib rammte. Er krümmte sich und schrie vor Schmerz, setzte jedoch sofort einen Aufwärtshaken an, dem Kassandra nur knapp entgehen konnte. Sie hatte nun bereits andere Sicherheitsmänner im Rücken. Als einer von ihnen sie hinterrücks angriff, packte sie ihren Gegner und wirbelte ihn herum, hielt ihn wie ein Schutzschild vor sich. Er wurde vom Schlagstock seines Kollegen am Hals erwischt und ging bewusstlos zu Boden. Der Raum war in vier Teilbereiche unterteilt und jeder dieser Bereiche wurde von vier Sicherheitsmännern bewacht. Das hieß, dass fünfzehn Männer nur darauf warteten, sie zu überwältigen. Sie würde nicht alle ausschalten können. Nicht, ohne sie ernsthaft zu verletzen oder gar zu töten. Als ihr nahestehender Angreifer ihr den Schlagstock in den Magen rammen wollte, duckte sich Kassandra geschickt, erschuf eine Wasserklinge in ihrer Hand und trennte den Schlagstock knapp oberhalb des Griffes ab, ehe sie dem Mann mit einem Beinfeger zu Fall brachte und ihn mit einem kräftigen Schlag ins Gesicht außer Gefecht setzte.

Hastig formte sie aus ihrer Wasserklinge einen Schild, in dem auch schon mehrere Betäubungspfeile stecken blieben. Wie eine Wand aus Wasser ließ sie ihren Wasserschild nach vorne sausen und dabei warf sie einige Sicherheitsmänner um. Der Steg oberhalb des Raums wurde an dieser Stelle nun glitschig und die anderen Männer gerieten ins Stolpern. Ohne zu zögern nutzte Kassandra den kurzen Vorteil und setzte sich in Bewegung. Einem der Männer trat sie feste auf die Hand, die den Schlagstock umklammerte, dann noch einmal kräftig auf den Brustkorb, schritt dann weiter vorwärts und packte einen anderen am Kragen, riss ihn vom Boden hoch und schleuderte ihn fort. Er rutschte über den Boden und stieß mit dem Kopf unsanft gegen die Wand, wo er liegen blieb. Ein anderer Sicherheitsmann kam nun wieder auf die Beine und warf sich gegen Kassandra, drückte sie gegen die Wand und rammte ihr eine Faust in den Magen, ehe er mit der anderen Hand zuschlug. Doch sie lenkte die Hand zur Seite ab, so dass der Mann kräftig gegen die Wand schlug. Sofort griff Kassandra ins Haar des Mannes, riss seinen Kopf zurück und schlug ihm mit der anderen Hand kräftig ins Gesicht, riss ihn dabei von den Beinen und donnerte ihn mit dem Hinterkopf voran auf den Stahlboden des Stegs. Einige Betäubungspfeile trafen sie und blieben in ihrem Rücken stecken. Mit eisblauen Augen funkelte sie ihre Angreifer an, ehe sie sich konzentrierte und das Gift schlichtweg aus dem Körper fließen ließ. In der anderen Tür, ihr schräg gegenüber, erschien nun Phönix. Mit einem kurzen Blick hatte er sich eine Übersicht über die Lage verschafft und eilte los, um Kassandras elf Angreifern in den Rücken zu fallen.

Diese hatten sich völlig auf Kassandra konzentriert und sahen nicht nach hinten, als Phönix dem ersten am Hals packte und mit dem Gesicht voran gegen die Glaswand schmetterte. Eine blutige Spur blieb zurück, als der Mann zu Boden sackte. Ein weiterer Sicherheitsmann drehte sich mit erhobenem Schlagstock um, während Phönix schon brutal gegen seine Kniescheibe trat und ihn schreiend zu Fall brachte. Doch der Mann schwang seinen Schlagstock und rammte Phönix die knisternde Spitze gegen den rechten Oberschenkel. Phönix schlug ihm hart gegen das Kinn und humpelte ein wenig rückwärts. Kassandra schmetterte einem ihrer Angreifer eine Wasserkugel ins Gesicht, entging einem harten Schlag ins Gesicht indem sie einen Teil ihres Körpers verflüssigte. Die Faust durchdrang ihren Kopf, ohne Schaden zu hinterlassen. Dann jedoch rammte ein anderer Angreifer ihr den Schlagstock in den flüssigen Teil ihres Körpers und die Spannung in der Spitze sandte einen Schock durch ihren Leib, ließ sie keuchend zurück taumeln. Der Fuchs war plötzlich an ihrer Seite, stützte sie und stellte sich zwischen sie und ihren Angreifern. Auf der anderen Seite wurde Phönix nun bedrängt. Einen Fausthieb fing er mit einer Hand, ehe er mit der anderen gegen den ausgestreckten Unterarm schlug und dem Angreifer den Arm brach. Doch statt einen Knochen zu brechen schlug der künstliche Arm Funken, ehe sich eine Klinge aus der Handfläche schob und der Sicherheitsmann dem überraschten Phönix die Klinge über den Bauch zog, ehe dieser rechtzeitig nach hinten springen konnte.

Der Fuchs streckte seinen Angreifern die Hände entgegen und gleich drei versanken bis zur Hüfte, als sich der Metallsteg verformte und die Männer wie Treibsand verschluckte, ehe er sich wieder verfestigte. Mit den Händen stützten sie sich nun auf dem Boden ab, während die Beine in der Luft zappelten. Der Fuchs umging die drei kampfunfähigen Männer, während Kassandra sich an die Wand lehnte um sich ein wenig zu erholen. Phönix duckte sich indes unter einem Schlag des Mannes mit dem Cyberarm hinweg und drückte ihm einen funkensprühenden Zeigefinger gegen die künstliche Gliedmaße. Der Funke sprang auf den Arm über, schloss diesen kurz und der Schock, der über die künstlichen Nervenenden ins Gehirn des Mannes schoss, reichte aus um ihn zu Boden zu schicken. Phönix humpelte auf zwei weitere Sicherheitsmänner zu, die ihre Pfeilpistolen auf ihn richteten. Zwei Pfeile bohrten sich in seinen Oberkörper und der junge Mann reagierte, indem er eine helle, knisternde Funkenkugel nach den Schützen schleuderte und sich hastig die Pfeile aus dem Körper zog. Die Kugel explodierte genau zwischen den beiden Männern und beide wurden hart gegen die Wände geschleudert. Ein Teil der Glaswand splitterte und Stücke fielen in den Raum unterhalb des Stegs. Doch beide Schützen waren keine Gefahr mehr. Der Fuchs war gleichzeitig von den restlichen drei Sicherheitsmännern umringt. Betäubungspfeile flogen auf ihn zu, nur um die Richtung zu ändern und an ihm vorbei zu fliegen. Einem der Männer drückte er den Zeigefinger gegen die Stirn, ließ ihn ohnmächtig zu Boden sacken. Ein anderer jedoch schlug ihm ins Gesicht, während der verbliebene Angreifer versuchte, ihn von hinten zu packen. Der Fuchs versuchte, sich zu befreien, kassierte jedoch noch mehrere Schläge in den Magen. Dann allerdings waren Kassandra und Phönix bei ihm. Kassandra griff dem Mann, der den Fuchs festhielt in den Nacken und konzentrierte sich, brachte seinen Flüssigkeitshaushalt durcheinander, was ihn schwitzend und keuchend zu Boden sacken ließ. Kurz darauf wurde er bewusstlos, doch Kassandra berührte ihn und negierte den angerichteten Schaden. Phönix war weniger sanft, riss den verbliebenen Sicherheitsmann vom Fuchs weg und schlug ihm mehrmals ins Gesicht, ehe er in seiner Hand eine grell leuchtende Funkenkugel erschuf. Doch der Fuchs legte ihm eine Hand auf die Schulter, schüttelte knapp mit dem Kopf. "Suchen wir den Grund unseres Besuchs und verschwinden."

Zwei der vier Räume waren leer. Sterile, weiße Wände. Jeder der vier Räume konnte vom Steg aus mit einem Aufzug erreicht werden. Die drei Eindringlinge betrachteten die spärliche Möblierung, die meistens nur aus einem Bett, Toilette, Waschbecken, Ultraschalldusche und einem Tisch samt Stuhl bestand. Einer der leeren Räume hatte rußgeschwärzte Wände und die Möbel waren verbrannt. Phönix starrte lange auf den Raum, dass Gesicht ganz blass. Der Fuchs ahnte, was sein junger Mitstreiter dachte. Einst hatte er Phönix in einem solchen Raum gefunden. Erneut legte er sanft eine Hand auf die Schulter des jungen Mannes und sie gingen weiter, um sich den nächsten Raum von oben anzusehen. Der zweite leere Raum beinhaltete lediglich ein Bett und war gespickt mit hellen Scheinwerfern. Kurz zögerte der Fuchs, ehe er ein kleines Loch in der Glaswand bildete und in den Raum hinein rief, ob dort jemand war. Niemand antwortete. Im nächsten Raum wurden sie von einem winkenden, jungen Mann begrüßt, der ruhig auf seinem Bett saß. Der Fuchs schätzte ihn auf etwa fünfzehn Jahre. Er war recht dünn, hatte zerzauste rote Haare und blieb auch noch sitzen, als das Trio mit dem Aufzug zu ihm fuhr. "Möchtest du mit? Du sitzt nämlich ziemlich teilnahmslos da", bemerkte Phönix und sah den jungen Mann neugierig an, musterte dabei die Erkennungsmarke um seinen Hals: KNT - Kategorie Nachahmende Transformation. Und kaum hatte er den Blick von der Marke genommen, schaute ihn plötzlich sein genaues Ebenbild an, wenn auch in einem weißen Kittel. "Natürlich komme ich mit", sagte der zweite Phönix, wenn auch mit einer jugendlichen, hohen Stimme. Er verwandelte sich zurück und rasch widmeten sich die vier dem letzten Raum. Kassandra musste Phönix hierbei abstürzen, da das Betäubungsmittel wirkte. Es gelang ihr jedoch, das Gift zu neutralisieren. Der letzte Raum war besonders ungewöhnlich, weil der eigentliche Boden, die Wände und die Decke mit einem rötlichen Energiefeld bedeckt waren. Aus dem Boden ragte eine runde Plattform mit der üblichen Einrichtung. Eine Brücke beim Aufzug würde auf die Plattform führen. In der Mitte der Plattform saß ein junges Mädchen in ihrem weißen Kittel im Schneidersitz und sah die Eindringlinge neugierig an. Das Mädchen war recht blass, hatte lange, hellbraune Haare und dunkelblaue Augen. Als das Energiefeld deaktiviert wurde und die Brücke sich zur Plattform senkte, erhob sich das Mädchen und schritt hastig auf die vier Vaishara zu. "Ihr habt die bösen Männer besiegt", stellte sie mit einem zaghaften Lächeln fest. "Gehen wir, ja?" Der Fuchs lächelte sie an, las die Buchstaben auf ihrer Erkennungsmarke: KAT - Kategorie Angeordnete Terminierung. "Die wollten dich umbringen?", fragte er entsetzt. "Erstaunlicher finde ich eher, dass man ihr dafür extra eine andere Marke gab, anstatt die Sache sofort durchzuziehen", kommentierte Phönix und lächelte das Mädchen freundlich an.

Das Mädchen, etwa zwölf Jahre alt, zuckte mit den Schultern. "Ich glaube, sie wollten mich mit der Drohung gefügiger machen. Gehen wir jetzt?" Die fünf fuhren mit dem Aufzug zurück nach oben. "Habt ihr Namen?", fragte Kassandra die beiden befreiten Gefangenen. Der junge Mann schüttelte mit dem Kopf, ebenso das Mädchen. "Mich nennt man Kassandra. Mein Name würde von den Buchstaben auf meiner Marke abgeleitet. Der Fuchs hat mich aus einer ähnlichen Einrichtung befreit. Wie könnte man euch denn nennen?" Kassandra überlegte noch, während die fünf den Raum verließen und sich dem Nordausgang zuwandten. "Wie gefällt dir Kenneth?", fragte de Fuchs den jungen Mann, sah sich jedoch wachsam im Korridor um. Der junge Mann mit den roten Haaren lächelte und nickte zustimmend. Phönix sprengte die dicke Sicherheitstür aus den Angeln und sie eilten ins Treppenhaus. "Geht vor, ich sichere uns von hinten ab", rief der Fuchs und streckte bereits die Hände aus, um die Sicherheitstür wieder im Rahmen einrasten zu lassen und das Metall miteinander zu verschmelzen. Als das helle Licht der unterirdischen Einrichtung Dunkelheit wich wusste Kassandra, dass sie den oberirdischen Teil des Monolithen erreicht hatten. Doch kaum hatten sie die Brandschutztür zum Atrium erreicht, zuckten auch schon Dutzende Lasersalven auf sie zu. Phönix wurde an der Schulter getroffen, ehe sie sich ins Treppenhaus zurück ziehen konnten. "Wir kommen da nicht raus", rief Kassandra als der Fuchs sie wenige Sekunden später einholte. Der Fuchs jedoch schritt an ihnen vorbei und durch die Kellertür ins Foyer. Etwa dreißig Wachleute hatten ihre Gewehre auf ihn gerichtet und schon wurde das Feuer eröffnet. Der Fuchs streckte die rechte Handfläche nach vorne, bündelte dort die Lasersalven und sandte sie dann harmlos gen Boden oder Wände, wo dicke Splitter aus dem schwarzen Marmor gesprengt wurden. Die linke Hand richtete der Fuchs auf die Wand links von sich, wo der Marmor wie Tinte zu Boden floss und Stahl und Beton ein Loch in der Wand bildeten. Auch die linke Hand richtete er anschließend nach vorne. "Links entlang", brüllte er. "Lauft!" Und während er weitere Lasersalven bog und von sich ablenkte, sprinteten Phönix, Kassandra, Kenneth und das Mädchen los, um die Ecke herum und dem Loch in der Wand entgegen.

Der Fuchs geriet ziemlich ins Schwitzen, denn auch seine Fähigkeiten waren begrenzt. Er bekam zunehmend Probleme damit, die Laserstrahlen abzuwehren und die ersten Strahlen durchlöcherten bereits seinen grauen Mantel. Kaum hatten seine Gefährten das Gebäude verlassen lenkte er daher alle Lasersalven an die Decke und brachte einen Teil davon zum Einsturz. Marmor und Beton brach über ihn zusammen, während er sich bereits in Bewegung setzt. Die Staubwolke, die sich im Atrium ausbreitete, bot ihm gute Deckung und als er ins Freie hechtete, bemerkte er dass Phönix bereits ein Loch in die Backsteinmauer gesprengt hatte. Kassandra kümmerte sich mit Wasserkugeln um die Wachhunde. Gemeinsam eilten sie durch das Loch in der Mauer auf die Straße und auf die drei dort wartenden Fluchtautos zu. "Kenneth, in den hintersten Wagen", rief Phönix und deckte gleichzeitig den Rückzug, indem er Funkenbälle in Richtung Monolithen schleuderte. Kassandra und das Mädchen stiegen in den mittleren Wagen und der Fuchs stieg in den vordersten. Hastig stieg auch Phönix ein, ehe sich die drei Wagen in Bewegung setzten. Sie waren kaum um die Ecke gebogen, als der hinterste Wagen plötzlich krachend einen Meter von der Straße abhob und dann in einer Explosion aus Feuer und Rauch verschwand. "Verdammt", schrie Phönix und drehte sich auf dem Rücksitz herum. "Was war das?" Der Fuchs neben ihm lehnte sich nach vorne zum Fahrer. "Richard, gib Gas!" Er sah zur Beifahrerin. "Evelyn, funke Joey im zweiten Wagen an, er soll uns ja nicht verlieren. Und Bill soll sich bereit halten, falls uns etwas verfolgt." Richard tat wie ihm geheißen und trat feste auf das Gaspedal und Evelyn gehorchte und kontaktierte den Fahrer des zweiten Wagens. Beide Autos fuhren nun schneller und ihr Glück war, dass um diese Uhrzeit wenig los war auf den Straßen. "Woah", schrie Phönix plötzlich vor Überraschung auf und hastig folgte der Fuchs dem Blick seines Mitstreiters und riss vor Unglauben den Mund auf. Auf dem Dach des zweiten Wagens hockte eine Frau, völlig unbeeindruckt vom Fahrtwind oder plötzlichen Richtungswechseln des Wagens. In einer Hand hielt sie etwas Blinkendes und im trüben Licht der vorbei huschenden Straßenlaternen glaubte der Fuchs, ein breites Grinsen im finsteren Gesicht dieser geheimnisvollen Angreiferin zu sehen.
 
Schlecht fand ich die Kampfszenen nicht. Es gefiel mir, wie du die Kräfte vom Fuchs und von Phönix beschrieben hast. An manchen Stellen fragte ich mich jedoch, ob gut ausgebildete, bullige Sicherheitsmänner wirklich so schnell k.o. gehen, an anderen Stellen genau das Gegenteil: Ob die nicht eher echt ernste Verletzungen davon getragen haben. Schön finde ich aber, dass die Menschen nicht unbedingt chancenlos da stehen und auch mal Treffer landen. Aber gleichzeitig kam zumindest bei mir nie ein Gefühl auf, dass die Vaishara wirklich in Gefahr waren, egal ob manche Wachleute tollen Schnickschnack im Körper hatten. Okay, das Ende hat mir gefallen und ich bin sehr gespannt, wie es weiter geht.
 
@Quinn:

Es ist nicht so einfach, Menschen gegen Leute mit besonderen Kräften antreten zu lassen. Die Implantate in einigen der Soldaten gleichen das alles ein wenig aus, wobei ich aber auch sagen muss, dass ich mir einige Ideen schlichtweg noch für später aufhebe. Und dann werden es die Vaishara weitaus schwerer haben, das verspreche ich. Aber die Geschichte hat gerade erst angefangen und da kommt noch einiges. Habe noch zahlreiche fiese Asse im Ärmel und manche Sachen sind einfach für später gedacht, allein schon aus storytechnischen Gründen. Mit folgendem Part habe ich große Probleme gehabt. Ich wollte eigentlich eine tolle Verfolgungsjagd schreiben, bin aber mit dem Ergebnis nicht soo sehr zufrieden, obwohl der von mir geplante Inhalt rüber gebracht wurde... Ich darf auch nicht in ein reines Action-Spektakel abgleiten. Aber es wird natürlich auch einige interessante Dialoge geben und an Emotionen soll es auch nicht mangeln. Ich habe ja noch einige Kapitel vor mir, auch wenn ich mich über weitere Leser echt freuen würde.


So, hier der vorletzte Part von Kapitel 01:

------------------------------------------------------



Mit einer gewissen Genugtuung hatte sich Yasemin erneut davon überzeugt, dass die Vaishara trotz all ihrer besonderen Fähigkeiten immer noch Menschen waren und damit menschlichen Fehlern unterworfen waren. Es war ein Kinderspiel gewesen, sich an die drei parkenden Fluchtautos heran zu schleichen. Yasemin war bewusst ein wenig getaumelt und in ihrem Dress würde man sie für ein betrunkenes Flittchen halten. Sie hatte unauffällig einen Haft-Detonator an das Heck des hintersten Wagens angebracht, hatte sich dann lasziv zum Beifahrerfenster hinab gebeugt und den Beifahrer nach der Richtung zur nächsten U-Bahn-Station gefragt. Sowohl Fahrer als auch Beifahrer waren viel zu sehr in Yasemins Dekolleté vertieft gewesen um irgendwie misstrauisch zu werden. Nur zu gerne hatten sie ihr erklärt, dass sie einfach geradeaus weitergehen und rechts abbiegen musste und dort die Treppe zur U-Bahn-Station gar nicht übersehen konnte. Mit einem leicht vernebeltem Blick und einem verführerischen Lächeln hatte sie sich bedankt, ehe sie sich wieder auf den Weg gemacht hatte. Mit ziemlicher Schlagseite war sie den Gehweg entlang getorkelt, hatte sich einige Male kichernd an Autos oder Straßenlaternen festgehalten, ehe sie um die Straßenecke herum huschte und außer Sichtweite der Vaishara war. Sofort hatte Yasemin ihren Gang beschleunigt, war am Ende des Gebäudes in die Seitengasse gehuscht und hatte über die Feuerleiter das Dach des Hauses erklommen. Nur eine Sekunde hatte sie nach oben geschaut. Der künstliche Vollmond stand hoch am Himmel, nur einige wenige Wolken befleckten das mit Sternen gesprenkelte Firmament. Yasemin wusste natürlich, dass Himmel, Wolken, Sterne und Mond nur eine Projektion auf der Unterseite der fünf Schutzwälle waren. Dennoch wusste sie einen schönen Anblick zu schätzen, selbst wenn er nur eine Illusion war.

Doch sofort konzentrierte sich die Attentäterin wieder auf ihre Arbeit. Ihr schwarzes Gewand schützte Yasemin vor neugierigen Blicken. Ihr Mantel war eigentlich ein modifizierter Palto, ein Staubmantel aus den Wüsten von Tanua. Er war dünn, jedoch sehr wetterbeständig und von vorne und hinten hoch geschlitzt, wobei der Schlitz hinten momentan noch mit Druckknöpfen geschlossen war. Nun setzte sich Yasemin auch die Kapuze auf, die ihr tief ins Gesicht fiel. Der Saum von Kapuze, Mantel und Ärmeln war in Weiß gehalten. Was wie verrückte neumodische Verzierungen aussah war jedoch eigentlich ein Muster ihrer Heimat. Unter dem schwarzen Mantel trug Yasemin ein Jukata, ein dünnes, dunkelblaues Kleid mit einem gelben Blütenmuster. Es bot genug Beinfreiheit und schränkte sie in ihren Bewegungen nicht ein. Der Jukata wurde von einem breiten Stoffband, dem Ovi, an Ort und Stelle gehalten und Yasemins Dekolleté wurde umso mehr betont. Sämtliche Kleidungsstücke waren voller verborgener Waffen und anderen Ausrüstungsgegenständen. Nun jedoch zählte nur die Schwärze ihres Mantels, als sie am Rand des Daches entlang huschte und schließlich von oben auf die drei parkenden Fluchtautos hinab sah. Vom Dach aus hatte Yasemin einen guten Überblick auf die Autos und auf den Monolithen. Sie konnte sogar über die meterhohe Backsteinmauer bis zum Gebäude selbst sehen und erstaunt hob sie eine Augenbraue als sich in der schwarzen Fassade ein Loch bildete. Kurz darauf rannten einige Personen ins Freie. Yasemin erkannte zwei Männer, eine Frau und ein junges Mädchen, welches ebenso wie einer der Männer einen weißen Kittel trug. Der Mann mit den blonden Haaren und dem orangefarbenen Hemd erschuf einen leuchtenden Ball in seiner Hand und schleuderte diesen auf die Backsteinmauer, sprengte ein Loch hinein und machte damit den Weg zu den Fluchtautos frei.

Dieser Bursche könnte mir gefährlich werden
, dachte sich Yasemin, ehe ihr Blick wieder zum Monolithen wanderte. Aus dem Loch in der Häuserwand quollen Staubwolken, ehe Lasersalven aus dem Inneren zischten und eine weitere Person ins Freie sprintete. Es war ein Mann mit langen schwarzen Haaren und einem grauen Mantel. Sie hatte die Fahndungsplakate gesehen und wusste sofort, dass dies der Fuchs sein musste, der Anführer seiner gleichnamigen kleinen Zelle aus Rebellen. Yasemin beobachtete, wie die Frau Wasserkugeln auf die Wachhunde schleuderte und rasch eilten sie zu den wartenden Fluchtautos. Nun hielt sich Yasemin bereit und beobachtete genau, was die Vaishara taten. Der Mann mit den roten Haaren und dem weißen Kittel stieg in den hintersten Wagen ein. Yasemin gönnte sich ein Lächeln und griff in eine der Innentaschen ihres Mantels, holte den Zünder des Detonators hervor und nahm ihn fest in die Hand. Der Bursche mit den blonden Haaren warf knisternde Funkenbälle hinter sich, um die Wachen innerhalb des Monolithen an der Verfolgung zu hindern. Die Frau und das junge Mädchen stiegen in den mittleren Wagen und kurz darauf stieg der Fuchs in den vordersten Fluchtwagen, dicht gefolgt von seinem schießwütigen Kameraden. Sofort fuhren die drei Autos los und Yasemin eilte auf dem Dach entlang zur Häuserecke. Sie wartete, bis die drei Wagen um die Ecke gebogen waren, dann betätigte sie den Zünder. Der Haft-Detonator am Heck des hintersten Wagens explodierte. Der Plastiksprengstoff riss das Auto vom Asphalt und verschlang es in einem Feuerball. Das laute Krachen der Detonation hallte von den Häuserwänden zurück und mit einem Grinsen bemerkte Yasemin, dass die Vaishara nun hastig die Flucht antreten wollten.

Auf der Ecke des Dachs richtete sich Yasemin nun zu voller Größe auf, packte kurz ihren Mantel und riss die Knöpfe des hinteren Schlitzes auf, um sich mehr Bewegungsfreiheit zu verleihen. Dann sprang sie vom Dach, fiel fünf Stockwerke in die Tiefe. Nun jedoch streckte sie beide Arme von sich und aktivierte die Repulsoren in ihren Stiefeln und in ihren Unterarmschienen. Das Prinzip der Repulsoren war eine schwächere Form der Aircycle-Antriebe oder der Schwebe-Wagen. Ihre Stiefel beinhalteten die Repulsoren von Airhockey-Skates und in ihren Unterarmen hatte sie Repulsoren aus mehreren Hover-Boards integriert. Ihr Fall verlangsamte sich rasch und mit Bewegungen ihrer Hände und Füße konnte sie die Richtung ihres Falls beeinflussen. Grazil wie eine Katze landete Yasemin auf dem Dach des zweiten Fluchtautos. Sofort aktivierte sie die Magnete in ihren Stiefeln, ging in die Hocke und holte einen weiteren Haft-Detonator aus einer Innentasche ihres Mantels. Der Fahrer ihres unfreiwilligen Transportmittels versuchte, sie mit raschen Richtungsänderungen abzuschütteln. Doch die Magnete an den Stiefeln hielten sie sicher auf dem Dach. Gelassen aktivierte sie den Detonator und grinste siegessicher. Sie würde das zweite Auto ebenfalls sprengen und versuchen, dem letzten Auto genug Schaden zuzufügen, um dem Fuchs einen gehörigen Schrecken einzujagen. Gerade als sie den Detonator anbringen wollte, bemerkte sie wie der junge blonde Mann im vorderen Wagen sich weit genug aus dem Fenster lehnte, um eine seiner glühenden Funkenkugeln nach ihr zu werfen. Yasemin spannte sich an, machte sich für den kommenden Angriff bereit. Doch der blonde Hitzkopf zog sich wieder ins Innere des Fahrzeugs zurück, was Yasemin ein Schmunzeln entlockte. Er hatte gut daran getan, seine Meinung zu ändern. Mühelos hätte sie den Angriff abgewehrt und tatsächlich hätte ihr Angreifer nur seine eigenen Kameraden in Gefahr gebracht anstatt sie zu retten.

Der Beifahrer des zweiten Fluchtautos hatte jedoch dieselbe Idee, lehnte sich mit dem Oberkörper aus dem Fenster und richtete eine Handfeuerwaffe auf Yasemin. Diese richtete hastig ihre freie Hand auf ihn und benutzte den Repulsor an ihrem Handgelenk, um eine Druckwelle abzufeuern. Die Wucht war nicht stark genug, um ernsthaft Schaden anzurichten oder den Mann gar aus dem Auto zu schleudern, doch es riss ihm die Pistole aus der Hand. Das hinderte den Mann jedoch nicht, es weiter zu versuchen. Elegant zog er sich aus dem Seitenfenster und stieg auf das Dach, um sich Yasemin von Angesicht zu Angesicht zu stellen. Diese hob überrascht eine Augenbraue, ehe sie mit der freien Hand an ihr Gürtel-Rückenholster griff und eine von zwei Pistolen zog. Bereits ihr Daumen auf dem Griff entsicherte die Waffe und sofort richtete sie den Lauf auf ihren Gegenüber und drückte den Abzug. Es knallte, doch verblüfft stellte sie fest, dass die Kugel zwischen ihnen in der Luft schwebte, ehe sie hinab fiel und vom Dach rollte. Nun erkannte Yasemin, was für eine Kraft ihr Kontrahent hatte. Es hätte ihr schon auffallen müssen, als er so mühelos auf das Dach kletterte, ohne abzurutschen. Der junge Mann mit den schwarzen Haaren trug Turnschuhe, Jeans und einen blauen Pullover. Anders als sie konnte er keine Magnete an den Schuhen haben. Stattdessen konnte er Magnetfelder formen oder beeinflussen. So haftete er auf dem Dach und so hatte er das Projektil gestoppt. Yasemin war einen Moment überrumpelt und ihr Gegner nutzte diese Sekunde und riss ihr mit seinen Kräften die Pistole aus der Hand, fing sie auf und versuchte, auf sie zu feuern. Doch die Pistole hatte ein Fingerabdruck-Sicherheitssystem. Nur sie konnte mit der Waffe feuern. Kaum hatte der Junge dies bemerkt, warf er die Waffe nach ihr und Yasemin bekam den Griff gegen den Kopf, sah einen Moment lang Sterne.

Doch sofort griff sie an ihren Stiefel und zog ihr Keramikmesser heraus, stürzte sich nach vorne und schwang die Klinge, zerfetzte blauen Stoff und hätte dem Burschen fast den Bauch aufgeschlitzt. Doch dieser schlug nach ihrem Gesicht und nun war Yasemin gezwungen, den Detonator fallen zu lassen. Harmlos fiel er auf die Straße. Zwar hatte sie noch einige mehr dabei, doch zuerst musste sie ihren Gegner ausschalten. Sie blockte seinen Angriff ab, schlug ihm kräftig in den Bauch. Doch er reagierte schnell, packte ihre Hand und drehte ihr den Arm um. Yasemin verzog das Gesicht, ehe sie ihm die Klinge in die rechte Schulter rammte. Und gerade, als sie erneut zustechen wollte bohrten sie zwei schimmernde Klingen durch das Dach. Yasemin ließ von ihrem Gegner ab und wich etwas zurück. Die Frau im Auto hatte zwei Klingen aus Wasser erschaffen und versucht, sie von unten aufzuspießen. Yasemin wich noch etwas mehr zurück, als ein Klirren ihr verriet, dass die Heckscheibe des Autos zertrümmert worden war. Man wollte ihr nun wohl ziemlich ans Leder und unter dieser vereinten Gegenwehr würde es ihr schwer fallen, sich auf dem Auto zu halten ohne verletzt zu werden. Fluchend warf sie ihr Messer nach ihrem Kontrahenten. Dieser wich zwar aus, war jedoch so abgelenkt, dass Yasemin ungehindert eine kleine Sprengkapsel ziehen konnte und in eines der Löcher im Dach stopfte und so in den Innenraum fallen ließ. Plötzlich verloren ihre Stiefel jedoch den Halt auf dem Dach. Offenbar versuchte ihr Gegner, ihre Stiefel wirkungslos zu machen. Yasemin warf ihm eine Kusshand zu, griff nach dem Zünder für die Sprengkapsel und machte dann einen Rückwärtssalto vom Autodach, nutzte die Repulsoren um ihren Fall zu bremsen und landete wie eine Katze auf dem Asphalt, sah dem Fluchtwagen nach und betätigte dann den Zünder. Zwischen ihr und dem Wagen explodierte die Kapsel in einer kleinen Explosion und Yasemin sah nur noch, wie ihr Gegner auf dem Dach ihr zuwinkte. Ebenso das junge Mädchen, welches sie durch die zertrümmerte Heckscheibe angrinste. Das Mädchen hatte die Sprengkapsel im letzten Moment aus dem Auto geworfen.

Yasemin biss die Zähne zusammen und presste die Lippen in einem Ausdruck des Missmutes aufeinander. Zwar war sie nicht direkt gescheitert, doch gerne hätte sie mehr Schaden angerichtet. Sie atmete tief durch, erhob sich langsam aus der Hocke. Kaum wandte sie sich dem Gehweg zu, zog ein Surren von Repulsorantrieben ihre Aufmerksamkeit auf sich. Mehrere pechschwarze Aircycles brausten die Straße entlang und hatten offenbar die Verfolgung der Vaishara aufgenommen. Mit leichtem Abstand zueinander rasten sechs Aircycles vom Typ Valkyrie auf sie zu. Hinter einem Wagen verbarg sich Yasemin, ehe sie hinter der fünften Valkyrie auf die Straße trat, auf das letzte Aircycle zu rannte und dann eine Radwende vollführte. Nach einem kurzen Anlauf frontal auf das Aircycle zu setzte sie die Hände seitlich auf den Boden auf, schwang ihren Körper in einen seitlichen Handstand hoch und drückte sich dann vom Boden ab, wobei sie auch die Repulsoren in ihren Unterarmschienen zur Hilfe benutzte. So drückte sie sich vom Asphalt ab, beendete in der Luft die halbe Drehung und öffnete bei der Landung ihre Beine, landete direkt hinter dem Fahrer auf dem Sattel der Valkyrie. Der Fahrer hatte weder ausweichen noch sich anderweitig wappnen können als Yasemin ihm das Genick brach, ihn seitlich vom Aircycle warf und hastig die Füße auf die Pedale setzte, den Schub regulierte und so die Kontrolle über die Valkyrie übernahm. Den Fahrern der anderen Aircycles war nicht einmal aufgefallen, was hinter ihnen vor sich ging. Yasemin folgte ihnen und rasch hatten sie die fliehenden beiden Autos in Sichtweite. Aircycles vom Typ Valkyrie wurden ausschließlich für den militärischen Gebrauch konstruiert. Ähnlich den alten, dreirädrigen Trikes hatten diese Aircycles zwei hintere Repulsorantriebe, um die Geschwindigkeit und Manövrierfähigkeit zu erhöhen. Das breitere Heck bot Stauraum für Waffen oder andere Ausrüstung. Der Sattel war lang genug für zwei Personen und über dem vorderen Repulsor, der mit einer Steuergabel bewegt wurde, ließ sich ein Waffensystem integrieren, was im Falle der AEGIS-Aircycles zwei Lasergewehre waren.

Yasemin war sich ziemlich sicher, dass auch ohne ihr Eingreifen die Vaishara nicht entkommen würden. Es war ein dummer Fehler vom Fuchs gewesen, sich Autos mit Rädern als Fluchtfahrzeuge auszusuchen anstatt der viel schnelleren Aircycles. Zur Not hätten sie sich auch Schwebewagen besorgen können und über dem Luftweg viel schneller Distanz zu AEGIS aufbauen können. Lasersalven zischten durch die Luft und die hintere Stoßstange des hinteren Fluchtwagens zerschellte unter der Hitze und der Wucht der Treffer. Yasemin konnte den jungen Mann auf dem Dach des Autos sehen, wie er nun die Hände ausstreckte. Und plötzlich wurden die vorderen beiden Aircycles heftig gegeneinander gedrückt. Funken schlugen, als Metall gegen Metall krachte und plötzlich verloren beide Valkyries an Höhe, ehe die Antriebsspulen den Asphalt berührten und durch die Reibung schnell ganz den Dienst versagten. Beide Fahrzeuge blieben zurück, gänzlich außer Gefecht gesetzt. Ein weiteres Aircycle versuchte, sich seitlich an das hintere Auto heran zu bringen. Der Fahrer nahm eine Hand vom Lenker und zog seine Pistole, feuerte seitlich auf den Wagen. Doch erneut wehrte der Knabe im blauen Pullover die Kugeln ab. Dann griff die Frau auf der Rückbank ein, schleuderte eine Wasserkugel und traf die Gabel, wodurch das Aircycle scharf nach links abbog und gegen ein parkendes Auto fuhr. Die Valkyrie wurde in die Luft geschleudert, überschlug sich und landete schließlich auf dem Dach eines anderen Autos, begrub dabei den Fahrer unter sich. Yasemin hatte es nicht sonderlich eilig, das Schicksal des Fahrers zu teilen. Es war auch nicht ihre Aufgabe gewesen, die Vaishara bis zu ihrem Versteck zu verflogen. Aber aufgeben wollte sie noch nicht. Die anderen beiden Fahrer schienen zu zögern, wollten ihr Leben nicht leichtfertig aufs Spiel setzen. Erneut versuchten sie es mit Lasersalven, sprengten schließlich den Kofferraum auf und geschmolzenes Metall perlte vom Heck des Fluchtautos ab. Yasemin sah, wie der junge Mann vom Dach wieder durch das Seitenfenster ins Innere des Autos glitt. Dann plötzlich brachte sich der hinterste Wagen direkt neben den vorderen Fluchtwagen und Yasemin drosselte hastig den Schub, als sie eine knisternde Funkenkugel sah, die auf die beiden anderen Aircycles zuflog. Eines der beiden anderen Valkyries wurde durch die Explosion zur Seite gerissen, eines der hinteren Repulsoren brannte. Schließlich sprang der Fahrer ab, während das Aircycle heftig trudelte, eine Rauchwolke hinter sich her zog und dann durch das Fenster eines Getränkeladens krachte.

Der andere Fahrer war geschickt ausgewichen, hatte seine Pistole gezogen und auf den blonden Mann gefeuert. Dieser wäre fast aus dem Fenster gefallen und Yasemin sah, wie er wieder ins Innere des Autos gezogen wurde, wahrscheinlich vom Fuchs. Noch immer feuerte der andere Fahrer mit der Pistole auf beide Wagen, ließ sich dann zurück fallen und feuerte erneut mit den Lasergewehren. Yasemin tat es ihm gleich, feuerte jedoch bei weitem nicht so wild. Sie nahm sich Zeit zum Zielen, denn sollte sie auch nur eines der Räder treffen, wäre die Flucht für das betreffende Auto vorbei. Dann jedoch warf der Fahrer der anderen Valkyrie einen Blick zur Seite und erkannte, dass auf dem anderen Aircycle kein Kollege saß, sondern jemand anderes, der definitiv keine schwarze AEGIS-Uniform trug. Überraschend schnell riss er den Lenker herum und rammte seitlich Yasemins Valkyrie. Diese fuhr eine fünfundzwanzig Zentimeter lange Klinge aus ihrer Unterarmschiene, lehnte sich etwas zur Seite und zog sie dem Fahrer über den Hals. Leblos rutschte er vom Sattel und sein Aircycle verlor rasch an Geschwindigkeit und kam schließlich zum Stehen. Yasemin indes gab mehr Schub auf die Antriebsspulen, eröffnete wieder das Feuer aus den Lasergewehren. Die kurze Ablenkung durch den anderen Fahrer hatte den beiden Fluchtautos etwas Vorsprung verschafft und fast wären sie sogar entkommen, da sie im Zickzack durch die nächtlichen Straßen brausten und kurzzeitig außer Sichtweite waren. Doch einem Aircycle würden die beiden Autos nicht entkommen. Yasemin blieb wachsam, musste immer mit überraschenden Angriffen der Hexen rechnen. Sie selber hatte Schwierigkeiten, mit ihren Lasergewehren Treffer zu erzielen. Denn die Straßen waren ungewöhnlich neblig geworden. Dichte Schleier erschwerten ihr die Sicht und ihre Lasersalven verschwanden im weißen Dunst. Innerhalb der schützenden Wälle waren solche Wettereffekte sehr selten geworden und Yasemin vermutete einen Trick der Vaishara dahinter. Zu plötzlich war der Nebel in den Straßen aufgekommen und zu dicht war er, um natürlichen Ursprungs zu sein. Yasemin gab Gas, sorgsam darauf bedacht, nicht gegen parkende Autos oder gar Häuserwände zu krachen. Schließlich sah sie vor sich das Heck eines Autos. Die Stoßstange fehlte und der Kofferraum stand offen. Die Attentäterin gönnte sich ein Grinsen, erhöhte den Schub um mit den Fluchtautos aufzuschließen.

Sie eröffnete abermals das Feuer, helle Lasersalven stachen durch den Nebel. Die beiden Autos fuhren im Zickzack, wichen den Strahlen aus. Und dann plötzlich verschwanden beide Autos, wurden Teil des weißen Dunsts und verteilten sich als helle Wolkenschleier auf der Straße, verschmolzen mit dem Nebel selbst. Irritiert bremste Yasemin ihr Aircycle ab, sah sich um. Einen Moment lang stellte sie sogar die Antriebsspulen der Valkyrie ab, in der Hoffnung, quietschende Reifen oder Motoren zu hören. Doch sie sah oder hörte absolut nichts. Wie unter einem weißen Leichentuch erhoben sich die Gebäude um sie herum, die Sichtweite war auf unter zehn Metern gesunken. Yasemin verzog das Gesicht und knurrte leise. Hatte die Frau mit ihrer Kontrolle über Wasser etwa diesen Nebel erschaffen? Es war allerdings auch nicht auszuschließen, dass einer der anderen Vaishara eine Art Illusion erschaffen hatte. In der Ferne heulten Sirenen. Yasemin stieg vom Aircycle und platzierte einen Detonator mitsamt Abstandszünder unter der Valkyrie, ehe sie in einer Seitengasse verschwand. Gerne hätte sie das Aircycle behalten, doch vermutete sie, dass AEGIS ein Ortungssystem hatte. Es galt, rasch aus dieser Gegend zu verschwinden. AEGIS war gut darin, Hexen aufzuspüren und obwohl sie selber keine war, wollte sie nicht am eigenen Leib heraus finden, wie gut die Hexenjäger wirklich waren. Ihr Glück war, dass niemand von AEGIS ihr Gesicht gesehen hatte und es überlebt hatte. Die Abteilung zur Eliminierung von Gesetzesbrechern im Interesse der Sicherheit würde sich wohl eher auf die Verfolgung der Vaishara konzentrieren. Yasemin trat am anderen Ende der Gasse auf den Gehweg und ging die Treppen zu einer U-Bahn-Station hinab, mit der normalen Eile einer hübschen Frau zu später Stunde. Sie würde nun einige Stationen bis ans andere Ende der Stadt fahren, eine weitere Strecke mit einem Taxi und schließlich zu Fuß zu ihrem Unterschlupf schlendern. Angst vor AEGIS hatte sie nicht, dennoch galt es, vorsichtig zu sein. Mehr als aufzupassen und auf eine Kontaktaufnahme ihres geheimnisvollen Auftraggebers zu warten konnte sie ohnehin nicht tun. Allerdings beschloss sie, ihre Ausrüstung ein wenig anzupassen, um beim nächsten Zusammentreffen mit Hexen vorbereitet zu sein. Zwar war sie zufrieden mit sich, doch strebte sie stets nach größtmöglicher Effizienz. Dazu gehörte auch, zu lernen und sich weiterzuentwickeln. Vielleicht würde sie sich in naher Zukunft erneut mit den Hexen im Dienste des Fuchses messen. Sie freute sich darauf und würde sicher gehen, dass sie auch das nächste Kräftemessen überleben würde.
 
Eigentlich gefiel mir der Post recht gut. Du hast natürlich ein wenig wiederholt, aber es war dennoch interessant, den Teil mit der Explosion und den Beginn der Flucht aus Yasemins Perspektive zu erleben. Ich fand es auch gut, dass du auf ihr Aussehen ein wenig mehr eingegangen bist. Ihre Ausrüstung hat ja doch einen ziemlichen Unterschied gemacht. Du bist mit der Verfolgungsjagd nicht zufrieden? Irgendwie vermute ich, dass du das alles gerne länger gestaltet hättest. Aber Yasemin hätte auf dem Autodach wohl Probleme bekommen und du hast es ja doch irgendwie gelöst, dass sie dann doch noch irgendwie mitmischen konnte. Cool, wie sie auf das Aircycle sprang. Aber hätten die Lasergewehre nicht kurzen Prozess mit den beiden Autos machen müssen? Die Leute von AEGIS wurden wieder recht schnell ausgeschaltet. Ich lese trotzdem gerne mit und freu mich schon auf den Abschluss des Kapitels und darauf, wie es generell weitergeht. Ich bin echt gespannt, was da noch so passiert.
 
@Quinn:

Klar hab ich ein wenig wiederholt, aber ich wollte eben erklären, wie Yasemin den Detonator anbrachte. Wird wohl noch öfter vorkommen, dass sich manchmal die Geschehnisse etwas überschneiden. Ja, die Verfolgungsjagd hätte ich gern länger werden lassen, aber andererseits ist es auch nicht gut, etwas zu "erzwingen". Glaub mir, AEGIS wird noch zeigen, warum Hexen sich fürchten sollten. Jetzt freu ich mich darauf, das erste Kapitel zu beenden und im zweiten Kapitel ein paar neue Charaktere vorzustellen. Mit dem Part bin ich sogar mal ganz zufrieden. Hier wollte ich auf die Charaktere eingehen und ich finde, es ist mir ganz gut gelungen.


So, hier der letzte Teil vom ersten Kapitel. Viel Spaß beim Lesen!

------------------------------------------------------



Kurz vor Sonnenaufgang hing der geheimnisvolle Nebel, der durch die Straßen wallte, einige Kilometer entfernt über einem Industriegebiet am Rande von Tinroth. Wie ein milchiger Schleier zog er durch die leeren Straßen und über die Höfe der dunklen Fertigungsanlagen und Fabriken. Ein mächtiger Schornstein, Überbleibsel einer alten Waffenfabrik, ragte wie ein mahnender Zeigefinger aus dem Nebel, düster und unheilvoll. Einige der alten Fabriken waren ausgebrannte Ruinen oder seit Jahren verlassen und dem Verfall ausgesetzt. Zu oft hatten fanatische Vaishara Sabotageaktionen gegen Tinroth durchgeführt, um der Grenzstadt zu schaden wo es nur ging. Besonders nachts war es im Industriegebiet ruhig und totenstill. Nun jedoch regte sich etwas auf dem großen, leeren Hof der alten Waffenfabrik. Der Hof war bedeckt mit großen Betonplatten, zwischen denen hoch das Gras wuchs. Eine der Betonplatten jedoch warf plötzlich Blasen, kräuselte sich wie ein See im Wind. Eine Sekunde später fuhren zwei Autos im Schritttempo aus der Betonplatte heraus, tauchten aus dem Boden auf und passierten die Betonplatte als wäre sie nur ein grauer Vorhang. Beide Autos steuerten eine offen stehende Garage an, deren Tor sich hinter dem zweiten Wagen senkte. Der Fuchs stieg blass und völlig übermüdet aus dem vorderen Auto aus, schlug die Tür hinter sich zu und lehnte sich einen Moment lang gegen den Wagen, atmete tief durch. Der Abend war bei weitem nicht so gelaufen, wie er es sich erhofft hatte. Phönix, der auf der anderen Seite des Wagens ausstieg und sich die linke Schulter hielt, verlieh seinen Gedanken zu der Operation umgehend Worte: "Wir haben zwei Männer verloren und nur ein Mädchen gerettet, Fuchs", bemerkte Phönix laut genug, dass es auch die anderen hören konnten. Dabei sah er kurz zum anderen Wagen und zum jungen Mädchen mit den hellbraunen Haaren. "Es ist nicht persönlich gemeint, Kleine. Ich bin froh, dass wir wenigstens dich retten konnten. Aber die Statistik dieses Abends - und nicht nur dieses Abends - spricht irgendwie nicht gerade für eine richtige Herangehensweise. Wenn wir mehr Leute verlieren als zu retten, dann machen wir etwas falsch!"

Der Fuchs schloss die Augen, sog weiter die kühle Luft in seine brennenden Lungenflügel und kämpfte darum, aufrecht stehen zu bleiben. Der Abend hatte sehr an seinen Kräften gezehrt. "Ja, es ist meine Schuld", sagte er schließlich leise. "Ich habe einige Fehler gemacht und das tut mir leid. Ich werde beim nächsten Mal besser planen, das verspreche ich. Weitere Kritik oder Anregungen möchte ich jedoch erst bei der Nachbesprechung in einer halben Stunde hören. Wir treffen uns dann alle in der Kantine." Kurz öffnete Phönix den Mund, schloss ihn jedoch sofort wieder ohne etwas zu sagen. Stattdessen ging er zu Kassandra, die mit dem befreiten Mädchen bereits eine der Türen ansteuerte. "Seid ihr verletzt? Ist alles in Ordnung?", wollte Phönix wissen. Kassandra hielt kurz inne, nickte Phönix zu und lächelte. "Es geht mir gut. Ich möchte jetzt einfach nur heiß duschen. Und ich möchte unserer neuen Kameradin unsere ach so schöne Unterkunft zeigen." Das Mädchen schmunzelte, sah sich jedoch mit neugierigen Augen um. Dann folgte sie der älteren Frau und beide verschwanden durch die Tür in Richtung Kassandras Zimmer. Phönix sah beiden einen Moment lang nach, ehe er eine andere Tür ansteuerte und dabei sein zerschlissenes Hemd aufknöpfte. Als die Tür hinter ihm zuschlug fand sich der Fuchs von den anderen Mitgliedern des Einsatzteams umringt wieder. Müde sah er Richard, Evelyn, Bill und Joey an. In ihren Blicken lag Erschöpfung und Sorge. Schwach brachte der Fuchs ein Lächeln zustande. "Ihr alle habt gute Arbeit geleistet." Der Fuchs sah Richard an, den Fahrer des ersten Fluchtautos, dann sah er zu Richards jüngeren Bruder Joey, der den zweiten Wagen gefahren hatte. "Eure Fahrkünste haben uns vor weiteren Verlusten bewahrt." Beide Brüder hatten die besondere Gabe, mit jederlei Maschine sofort umgehen zu können. Sie verstanden es, ein Auto zu fahren. Sie verstanden das Auto, als wäre es eine Erweiterung ihrer Sinne. Richard und Joey lächelten schwach, doch der Verlust zweier Kameraden schmerzte sehr. "Ich trage für den Tod von Meiji und Eddie die Verantwortung. Die ganze Operation hätte besser laufen können", sagte er leise und stieß sich vom Auto ab, schritt langsam durch den Raum und fasste die anderen ins Auge. Evelyn bot an, ihn zu stützen doch der Fuchs lächelte die junge Frau mit den roten Haaren und den Sommersprossen kopfschüttelnd an.

"Ich komme schon klar, ich brauche nur ein wenig Ruhe. Geht nur, wir sprechen in einer halben Stunde weiter." Eher widerwillig verließen Evelyn und Bill die Garage. Joey und Richard jedoch holten sich bereits Werkzeugkästen aus einem nahen Schrank und begutachteten die beiden malträtierten Fluchtautos. Schwach lächelte der Fuchs, als die beiden Brüder bereits darüber diskutierten, welche Schäden man zuerst reparieren sollte. Mit Füßen schwer wie Blei schritt der Fuchs durch eine der Türen ins Treppenhaus und schleppte sich die Stufen hoch, steuerte sein Zimmer an, wobei er sich mit einer Hand an der Wand abstützte. Obwohl er noch einige Kraftreserven hatte, war die komplexe Manipulation von festen Oberflächen sehr mühsam für ihn. Das Spüren und Umlenken zahlreicher Lasersalven war noch schlimmer gewesen. Am Schlimmsten jedoch war die Tatsache, dass er zwei seiner Gefährten - und den kurz zuvor befreiten Kenneth - verloren hatte. Kaum hatte der Fuchs sein Zimmer erreicht, legte er seinen zerschlissenen Mantel ab, ebenso seinen schwarzen Pullover und setzte sich auf die Pritsche, die ihm als Bett diente. Natürlich wusste er, dass er nicht gerade ein taktisches Genie war, dass seine Planung Schwächen hatte und sein Schwur, stets Menschenleben zu schonen ihm die Befreiung anderer Vaishara nicht gerade erleichterte. Mit einem Lächeln erinnerte er sich an seine Jugend, während er mit einer Hand nach dem Anhänger griff, der an seinem Hals baumelte. Einst war er impulsiv und egoistisch gewesen. Er hatte seine besonderen Gaben benutzt, um Banken zu überfallen und sich so ein kleines Vermögen aufzubauen. Menschenleben hatten ihm damals nichts bedeutet. Damals bekam er seinen Spitznamen und damals begann die Jagd auf ihn. Dutzende hatte er getötet, als sie ihn gefangen nehmen oder eliminieren wollten. Ironischer weise war es genau hier in Tinroth geschehen, dass sich sein Leben plötzlich schlagartig geändert hatte. Damals hatte er versucht, nach Aeasis zu entkommen, als sich die Schlinge seiner Verfolger langsam enger um seinen Hals gezogen hatte. Doch man hatte ihn erwischt und festgesetzt. Auf dem Hexenplatz vor dem Rathaus wollte man ihn hinrichten. Doch als er damals vor der Blutmauer stand und auf seinen Tod wartete, kam sie zu ihm. Shio.

Ein Klopfen an der Tür riss ihn aus seinen Gedanken und er gab ein leises "Herein" von sich, ließ den Anhänger an seinem Hals los und klammerte sich an den Rahmen seiner Pritsche. Kassandra und das befreite Mädchen betraten sein Zimmer. "Ich hoffe, wir stören nicht", murmelte das Mädchen etwas schüchtern und der Fuchs lächelte und schüttelte den Kopf. "Aber natürlich nicht. Sonst hätte ich euch doch nicht herein gebeten." Kassandra schloss die Tür hinter sich und lehnte sich dagegen. "Unsere neue Freundin wollte sich persönlich bei dir bedanken, Fuchs. Sie wollte nicht bis zur Nachbesprechung warten." Der Fuchs schmunzelte, rutschte etwas zur Seite und deutete neben sich auf die Pritsche. Das junge Mädchen mit den hellbraunen Haaren und den dunkelblauen Augen setzte sich, starrte jedoch den abgenutzten Teppich an. "Solange ich denken kann war ich in diesem Raum gefangen", erklärte sie nach einer Weile, "Man brachte mir Lesen, Schreiben, Rechnen bei. Hin- und wieder nahm man mir Blut ab. Ich glaube, sie wollten eine Art Waffe aus mir machen. Besonders, als sich meine Kräfte das erste Mal manifestierten." Das Mädchen schwieg und sah nun den Fuchs mit ihren traurigen Kulleraugen an. "Sie haben mir weh getan und ich habe ihnen nicht gehorcht. Ich glaube, deshalb haben sie meinen Tod angeordnet. Ich dachte zuerst, es sei nur eine Drohung. Aber nun ich bin mir sicher, dass sie es ernst meinten. Ihr habt mich gerettet. Nach so vielen Jahren sah ich nun zum ersten Mal die Welt außerhalb dieses Zimmers. Und dafür bin ich sehr dankbar. Euch allen." Sie lächelte Kassandra an, ehe sie wieder den Fuchs ansah. Dieser erwiderte das Lächeln, musste jedoch immer wieder lange blinzeln, so erschöpft war er. "Ich habe Kassandra einst aus einer ähnlichen Einrichtung befreit. Ebenso Phönix, Nue und Tessa. Ich bin froh, dass du nun frei bist. Auch wenn der Preis hoch war." Der Fuchs schwieg, schluckte hart. Kassandra ergriff sofort das Wort, entfernte sich von der Tür. "Phönix meinte es sicher nicht so. Wir alle kennen das Risiko und Verluste gehören leider dazu." Sie hockte sich direkt vor den Fuchs und sah ihn mit ihren eisblauen Augen an. "Jeder von uns könnte nach Aeasis, wenn er es wollte. Aber wir sind bei dir geblieben, Fuchs. Vergiss das nicht!"

Der Fuchs nickte schwach, seine Mundwinkel zuckten. "Es ist dennoch schwer, jemanden zu verlieren. Meiji und Eddie vertrauten mir ihr Leben an. Und nun sind sie tot. Hätte ich vielleicht etwas anders gemacht, besser geplant..." Kassandra erhob sich und unterbrach ihn, wobei sie ihre Stimme etwas erhob: "Hättest du etwas anders gemacht, hätten auch noch mehr sterben können! Es kann immer etwas schief gehen! Und ganz ehrlich: Ich glaube nicht, dass Meiji und Eddie dir etwas vorwerfen würden. Kleiner Themawechsel: Hast du schon eine Idee, was wir als nächstes angehen?" Der Fuchs blickte zu ihr hoch und grinste benommen. Es war typisch für Kassandra, dass sie direkt nach einer anstrengenden Mission, mit verschwitzten Haaren und dunklen Ringen unter den Augen bereits nach dem nächsten Auftrag fragte. "Zuerst bringen wir die Nachbesprechung hinter uns, erholen uns ein wenig und dann sehen wir mal weiter, ja? Keine Widerrede!" Kassandra grinste ihn an, nickte jedoch. "Hast du dir mittlerweile einen Namen überlegt?", fragte sie das jüngere Mädchen. Diese legte sich einen Zeigefinger an den Mund und sah Kassandra nachdenklich an. "Du hast deinen Namen von deiner Marke abgeleitet. Das könnte ich doch genauso machen." Kassandra lächelte und zuckte mit den Schultern. "Wie wäre es mit Kathy?" Das Mädchen lächelte und schien kurz den Fuchs fragend anzusehen, der ebenfalls lächelte. "Das gefällt mir. Ein schöner Name. So heiße ich ab sofort!" Der Fuchs wuschelte Kathy durch die Haare. "Aber jetzt raus mit euch, ich möchte duschen und mich umziehen, ehe die Nachbesprechung ansteht. Oder ist noch etwas?" Kassandra schüttelte den Kopf und war bereits bei der Tür, während Kathy neugierig auf den Anhänger um den Hals des Fuchses blickte. "Was ist das?", fragte sie neugierig und beugte sich ein wenig in seine Richtung. Der Fuchs nahm den Anhänger in die Hand. "Das ist ein Henkelkreuz. In der Alten Welt nannte man so etwas auch Schicksalsschleife oder Ankh. Es soll Glück bringen, symbolisiert das Leben und den Neuanfang. Ich habe es von einer guten Freundin bekommen." Nun lächelte der Fuchs strahlend, ehe er sich von der Pritsche erhob. "Nun aber raus! Ich brauche jetzt nichts dringender als eine Dusche. Wir sehen uns gleich in der Kantine."

Kathy folgte Kassandra durch die Tür und kaum war diese ins Schloss gefallen, zog der Fuchs seine restlichen Kleidungsstücke aus und steuerte die Dusche an, genoss das heiße Wasser auf seiner Haut. Er hatte Glück gehabt, keinen direkten Treffer eines Lasergewehrs kassiert zu haben. An seiner linken Seite und an der rechten Schulter hatte er Brandblasen, doch diese würden schnell wieder heilen, ebenso wie die zahlreichen Blutergüsse. Dies war eine der Gaben eines Vaishara. Wunden heilten manchmal erstaunlich schnell. Anders war es jedoch bei der geistigen Erschöpfung. Der Fuchs wusste, dass es wohl noch einige Tage dauern würde, bis er wieder vollkommen fit war. Erschöpfung, Kopfschmerzen und Fieber waren die Nebenwirkungen eines zu verschwenderischen Gebrauchs seiner besonderen Fähigkeiten. Es gab eine Grenze für jeden Vaishara und der Fuchs wusste, dass ein Überschreiten eben dieser Grenze den Tod bedeuten konnte - oder gar Schlimmeres. Der Fuchs senkte den Kopf, so dass seine langen, schwarzen Haare ihm im Gesicht klebten. Er labte sich an den Wassertropfen, die heiß auf seinem Rücken und seinen Schultern prickelten und ein warmes, fast betäubendes Gefühl zurück ließen. Die wohlige Wärme tat ihm gut und beruhigte seinen aufgewühlten Verstand. Kassandra hatte nicht Unrecht mit ihren Worten, es hätte auch schlimmer ausgehen können und tatsächlich kannte jeder seiner Kameraden das Risiko. Jeder hatte die freie Wahl zu gehen, jederzeit. Doch Phönix hatte ein wichtiges Thema angesprochen. Mit besserer Planung musste sich der Verlust weiterer Mitstreiter vermeiden lassen. Nach einigen langen, wohltuenden Minuten unter der Dusche stellte der Fuchs das Wasser ab, trocknete sich ab und wählte nun eine schwarze Hose, schwarze Halbschuhe und ein graues Hemd. Sein Stirnband durfte natürlich nicht fehlen, hatte es doch einen ebenso sentimentalen Wert für ihn wie sein Anhänger. Einen langen Moment betrachtete er sich im Spiegel. Kurz erschrak er, als sein Spiegelbild ihn mit kränklichen, bronzefarbenen Augen ansah. Doch kaum hatte der Fuchs geblinzelt, waren seine Augen wieder grau wie polierter Stahl. "Ich halluziniere", wisperte der Fuchs etwas besorgt und rieb sich die Schläfen. Er war ausgelaugter als er gedacht hatte, würde nach der Besprechung dringend Schlaf brauchen. Nun jedoch machte er sich auf den Weg zur Kantine.

Der Speisesaal der verlassenen, alten Waffenfabrik war von der Bande des Fuchses zum Aufenthaltsraum umfunktioniert worden. Man hatte einige Tische an den Wänden gestapelt, die restlichen zu einer langen Tischreihe zusammen geschoben. Zumindest die wichtigsten Teile der Küche waren sauber und funktionierten gut genug, um etwas zu kochen. Heute hatte Evelyn diese Aufgabe übernommen und es gab Nährpaste, Proteinriegel in Tomatensoße und Apfelmus. "Ganz ehrlich, Eve", begann Bill mit einem schelmischen Grinsen und kaute auf einem Stück Proteinriegel herum, "Egal wie gut man Mist verpackt, es bleibt immer noch Mist!" Er erntete damit einen kräftigen Schlag gegen den Hinterkopf. "Warum hast du dir dann das schöne Hemd angezogen, Billy? Ändern tut es ja sowieso nichts", entgegnete sie und knuffte ihn mit dem Ellenbogen in die Seite. Einige andere lachten, andere aßen schweigend weiter. Der Verlust von Meiji und Eddie hatte der sonst so ausgelassenen Stimmung einen Dämpfer verpasst, den selbst Bill und Evelyn nicht zu überwinden vermochten. Alle anderen saßen bereits am Tisch, ehe Kassandra und Kathy die Kantine betraten. "Guten Appetit", wünschte Kathy schüchtern, ehe sie sich neben Kassandra an den Tisch setzte. "Kathy, darf ich dir die anderen Damen und Herren unserer erlesenen Gruppierung vorstellen?", bot der Fuchs ihr an und legte kurz Messer und Gabel ab. "Joey kennst du ja bereits", begann er und deutete auf den etwa achtzehnjährigen Jungen mit den schmutzigblonden Haaren. Er hatte braune Augen und noch Ölflecken im Gesicht. Joey nickte ihr freundlich grinsend zu, ehe er ohne zu sprechen weiter die Nährpaste in sich rein schaufelte. "Die Dame neben Bill ist Evelyn. Ihr verdankst du diese außerordentlich gute Mahlzeit." Der Fuchs machte eine Pause, als Bill leise kicherte und einen finsteren Blick von Eve kassierte. "Der Herr neben mir ist Joeys Bruder Richard", setzte der Fuchs fort und deutete auf den Mann rechts neben sich. Wie sein Bruder hatte er helle Haare und dunkle Augen, hatte jedoch einen stämmigeren Körperbau und einen langen Kinnbart. Richard zwinkerte ihr zu, ehe er sich weiter ein Wettessen mit seinem Bruder zu liefern schien.

"Der Knabe mit der Vorliebe für farbenfrohe Klamotten nennt sich Phönix", erklärte der Fuchs, doch sein Lächeln schwand ein wenig, als Phönix ihn fast ein wenig giftig ansah, ein trotziges Funkeln in den grünen Augen. Phönix öffnete den Mund, doch mit einer vagen Handbewegung bedeutete der Fuchs ihm, zu warten. "Die junge Dame mit der weißen Bluse ist Nue", setzte Kassandra für den Fuchs fort, nachdem sie Phönix mit einem Blick dazu gebracht hatte, einfach weiter zu essen. Nue war ein drahtiges, sechzehnjähriges Mädchen mit schwarzen Haaren, die sie zu einem Pferdeschwanz zusammen gebunden hatte. Sie lächelte Kathy warmherzig an und hieß sie herzlich willkommen. Kassandra sah zum Ende der Tischreihe und nickte der anderen Frau dort zu, die kurze, bunt gefärbte Haare hatte und gelangweilt in ihrem Essen herum stocherte. "Das ist Tessa, unsere Späherin. Sie kann spüren, falls sich jemand unserem Versteck nähert. Und der große Bursche neben ihr heißt Garth." Garth war zwei Meter groß, sehr muskulös und hatte kurze, blonde Haare und Tätowierungen auf seinen dicken Oberarmen. Doch er lächelte freundlich, ehe er sich noch ein Stück Proteinriegel in den Mund schob. "Wir sind nicht viele, aber wir halten zusammen und kommen gut miteinander aus", beendete Kassandra und widmete sich ihrem Essen. Kathy erklärte, wie sehr sie sich freue, ehe sie vom Proteinriegel kostete. "Ist das lecker!", bemerkte sie sofort und strahlte die anderen - vor allem Evelyn - aufrichtig an. "Echt gut!" Einige der anderen staunten verständnislos. "Der Fraß bei AEGIS ist wohl noch schlimmer als das, was Eve so zusammen braut. Gut, dass wir dich da raus geholt haben", kommentierte Bill und rutschte bereits ein wenig von Eve weg, als befürchtete er weitere Schläge auf den Hinterkopf. Nun legte Phönix beide Handflächen auf den Tisch. "Meiji und Eddie sollten nun bei uns sitzen. Und Kenneth auch!" Sein Blick wanderte von einer Seite der Tischreihe zur anderen und blieb dann auf dem Fuchs haften. "Wir müssen etwas an unserer Herangehensweise ändern, Fuchs! Sonst sitzt du irgendwann alleine an diesem Tisch!"

"Beim nächsten Mal wird es anders ablaufen", entgegnete der Fuchs und hielt dem anklagenden Blick des jüngeren Mannes stand. "Besser. Das verspreche ich euch!" Doch Phönix schüttelte mit dem Kopf und schlug mit der Faust auf den Tisch. "Du hast mich befreit, Mann. Du hast uns eigentlich alle irgendwie befreit und dafür sind wir dir dankbar. Aber vielleicht gehst du diese Sache falsch an!" Phönix hob sein Hemd und deutete auf das lange Pflaster auf seinem Bauch, zog dann den Kragen seines Hemds etwas zur Seite und nach unten, um das Pflaster zu zeigen, das seine Schusswunde in der Schulter bedeckte. "Ich bin nicht der einzige, der etwas abbekommen hat. Und wir können uns noch glücklich schätzen. Ich weiß genau, warum du dich so davor scheust, offensiver vorzugehen. Wegen dem Ruf der Vaishara." Phönix machte eine kurze Pause, sah den Fuchs mit traurigem Blick an. "Deine Beweggründe ehren dich, doch irgendwann geht es einfach nicht anders als sich aggressiver zur Wehr zu setzen. Die jagen uns wie Tiere. Und du weißt, was Tiere machen, wenn sie keine andere Wahl haben: Sie beißen. Und ich frage dich nun: Haben wir überhaupt noch eine Wahl?" Phönix erhob sich von seinem Stuhl. "Was erwartest du von uns? Das wir uns im Ernstfall lieber abknallen lassen anstatt uns zu wehren? Was willst du damit erreichen? Es interessiert AEGIS nicht, wie wir uns verhalten. Alles was die interessiert ist bloß, wie sie uns kontrollieren, studieren oder töten können!" Phönix hatte seine Stimme nun erhoben und alle anderen hatten mit ihrer Mahlzeit aufgehört. Der Fuchs jedoch rieb sich kurz seine Stirn, ehe er sich räusperte. "Wir sind keine Tiere, Kyle", entgegnete er mit einer gewissen Schärfe in seiner Stimme und benutzte dabei den wahren Namen seines Gegenübers. "Also verhalten wir uns auch nicht wie welche! Das ist der Unterschied zwischen uns und Echidna und ihren Leuten!" Langsam stand der Fuchs auf und begann, die Tischreihe zu umkreisen. "Eigentlich habe ich schon oft genug über meine Beweggründe gesprochen. Und obwohl ich mich ungern wiederhole, so lernt Kathy wenigstens etwas mehr über mich und über den Grund unserer Anwesenheit hier kennen."

"Alles was ich mache dient einem gewissen Ziel", erklärte der Fuchs ruhig, während er weiterhin langsam um die Tischreihe herum schlenderte. "Manche Vaishara streben nach persönlicher Bereicherung. Oder nach Rache. Manche sehnen sich einfach nur nach Freiheit, nach einem Leben in Ruhe und Frieden. Ich sehne mich nach einer Welt, in der Vaishara und Menschen miteinander Seite an Seite leben." Er machte eine Pause, um seine Worte wirken zu lassen. "Es wird immer Menschen geben, die uns misstrauen, fürchten und hassen. Durch meinen Schwur, Menschenleben wenn möglichst zu verschonen hoffe ich, ein gutes Beispiel für andere zu sein und den Menschen zu zeigen, dass es mir einfach nur darum geht, gefangene Brüder und Schwestern zu retten. Leider sehen manche mein Verhalten als Spott. Doch ich sage: Alles andere würde unserem Ruf noch mehr schaden! Wir müssen das Vertrauen der Menschen verdienen. Nur wenn sie uns verstehen und tolerieren kann es wirklich Frieden geben, ohne Vorurteile und Furcht. Bis es soweit ist, retten wir jeden Vaishara, der Hilfe braucht. Aber wir werden nicht zu dem werden, was die Menschen in uns sehen wollen!" Der Fuchs beendete seine Umrundung des Tisches und setzte sich wieder, sah nun Phönix mit einem traurigen Lächeln an. "Nicht alle Menschen sind so wie AEGIS. So schwierig unsere Lage auch ist, es gibt Hoffnung! Und diese Hoffnung dürfen wir nicht mit unüberlegten Gewaltausbrüchen zerstören! Egal, ob wir nun einem Mann von AEGIS gegenüber stehen oder einem normalen Raufbold in einer Kneipe. Wir haben eine Gabe und damit geht eine Verantwortung einher! Ich träume von einer besseren Welt. Ganz ehrlich: Kann es überhaupt ein anderes Ziel geben in einer Welt, wo Städte voneinander getrennt sind, die Natur gegeißelt und zerstört von einem tödlichen Schleier bedeckt wird? Wir müssen zusammen arbeiten, nur so können wir unsere Gesellschaften und unsere Welt retten! Alles andere ist eher kontraproduktiv. Es mag dauern, bis mein Traum Wirklichkeit wird. Doch bis dahin lasse ich nichts unversucht. Jeder befreite Vaishara ist ein Schritt in die richtige Richtung. Ebenso jeder Mensch, der unverletzt zurück bleibt, obwohl er hätte sterben können. Es mögen kleine Schritte sein, doch sie machen einen Unterschied!"

Phönix atmete tief durch, setzte sich langsam wieder hin und nahm wieder die Gabel in die Hand, während er jedoch langsam mit dem Kopf schüttelte. "Ich würde so gerne glauben, dass wir wirklich einen Unterschied machen, Fuchs. Aber unsere Verluste arbeiten gegen uns! Echidna arbeitet gegen uns! Hast du eigentlich schon einmal daran gedacht, sie auszuschalten?" Der Fuchs nickte schwach, sah mit seinen grauen Augen traurig in die Runde. "Echidna träumt von einer Vorherrschaft der Vaishara. Möglicherweise werden wir uns eines Tages gegen sie stellen müssen, um die Reputation unserer Rasse zu retten. Das schmerzt mich, aber vielleicht wird es sich nicht vermeiden lassen. Auch habe ich von Vaishara gehört, die willentlich für AEGIS und das Militär der Menschen arbeiten. Sie erhoffen sich so Vorteile, doch wo sie glauben, zu profitieren schaden sie nur sich selbst und uns anderen." Er fixierte Phönix und sein Blick war traurig. "Denkst du, ich wäre des Kämpfens, Fliehens und Versteckens nicht überdrüssig? Aber es muss sein! Ich würde für meinen Traum sterben! Und ich schätze jede Hilfe, die ich kriegen kann. Aber wenn es euch zu viel wird, dann wisst ihr, dass ihr jederzeit gehen könnt und über die unterirdischen Tunnel nach Aeasis abhauen könnt." Phönix stocherte in seiner Nährpaste herum, ergriff jedoch sofort das Wort, als der Fuchs eine Pause machte: "Ich bleibe an deiner Seite! Aber ich habe einfach die Befürchtung, dass wir am Ende nichts erreichen! Unsere Operationen sind wie wenn man sich in einer schwarzen Hose selbst bepisst: Man bekommt ein warmes Gefühl aber niemandem fällt etwas auf. In den Zeitungen schreiben sie nur über Echidnas Schandtaten. Du erwartest, dass man deine Absichten und dein Verhalten gut heißt? Erwartest du Respekt der Menschen? Jubel? Stehende Ovationen?" Im Blick von Phönix lag Schmerz, Hoffnungslosigkeit. "Ich glaube, der einzige Jubel, den wir je bekommen werden, wird wie Gewehrfeuer klingen. Und wenn wir unsere Operationen nicht besser planen oder gar aggressiver angehen, dann werden wir untergehen. Die machen uns einfach nieder, mit tödlicher Begeisterung, mit donnerndem Applaus. Lasersalve um Lasersalve, Explosion um Explosion. Und wenn sie mit uns fertig sind, dann wird sich niemand mehr unserer guten Absichten erinnern."

Der Fuchs erhob sich, schob seinen Stuhl an den Tisch heran. "Ich hoffe sehr, dass du Unrecht hast, mein Freund", sagte er an Phönix gewandt. "Ich hoffe einfach, dass ihr mir vertraut. Wir alle müssen Vertrauen haben und dürfen unsere Hoffnung nicht verlieren." Er nahm sein Tablett und schlenderte gen Küche, stellte das Tablett dort ab und räumte das Geschirr in eine große Geschirrspülmaschine. "Gönnen wir uns ein wenig Erholung, dann sehen wir weiter. Es gibt noch genug andere Einrichtungen, die wir überfallen können." Er kehrte zum Tisch zurück, setzte sich jedoch nicht. "Vielleicht versuchen wir unser Glück in Iserion. Dort wird nicht so aggressiv gegen unseresgleichen vorgegangen wie hier in Tinroth oder in Varath. Aber es gibt dort eine Einrichtung von AEGIS, die wir uns mal von innen anschauen könnten." Nun hob Kathy eine Hand und überrascht hielt der Fuchs inne und bedeutete ihr mit einem freundlichen Lächeln und einem Nicken, doch zu sprechen. "Könnte eine Operation in Iserion nicht genau dafür sorgen, dass dort eben verstärkt gegen Hexen vorgegangen wird? Ich hätte da einen Vorschlag, denn ich habe ein Gespräch einiger Forscher mit angehört. Die haben in den nächsten Tagen einen neuen Gefangenen erwartet und der kommt wohl aus der Einrichtung in Iserion. Es hieß, der Gefangene sei zu gefährlich und zu schwer in Gewahrsam zu halten. Daher wollte man ihn nach Tinroth schicken. Meines Wissens ist dieser Gefangene bereits unterwegs. Und weil ich nicht glaube, dass man ihn zurück nach Iserion bringen wird, wird er entweder tatsächlich nach Tinroth gebracht oder man wartet bei der Zwischenstation dieser kleinen Reise ab, wie die Befehle von ganz oben lauten. Ich finde, einen Gefangenentransporter zu überfallen wäre einfacher, als eine komplette Einrichtung von AEGIS. Ich finde, wir sollten nach Arhath. Zumindest ein Teil von uns." Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und sah den Fuchs abwartend an. "Handeln wird nun schon nach Mutmaßungen eines Kindes?", fragte Phönix. "Ich finde zwar, ein schnelles Handeln könnte uns einen Vorteil verschaffen, einen Überraschungseffekt. Aber wir haben zu wenig Informationen!"

Der Fuchs sah Kathy nachdenklich an. "Bist du sicher, dass du dich nicht verhört hast?" Das junge Mädchen mit den dunkelblauen Augen schüttelte den Kopf. "Ich bin mir sehr sicher. Und es muss jemand sehr gefährliches sein, wenn sie einen solchen Aufstand machen. Nach Iserion können wir noch immer, aber möglicherweise können wir vorher noch einen Gefangenen direkt während seiner Auslieferung wegschnappen." Der Fuchs sah zu Richard und Joey. "Ihr beide bekommt gleich etwas Geld von mir und kauft uns einen schönen Schwebetransporter." Die Brüder sprangen begeistert vom Tisch auf. "Warum durften wir uns vorher keiner kaufen?", wollte Joey wissen. "Warum esse wir diesen Mist, wenn du so viel Geld hast?" war Richards Frage, auf die der Fuchs mit einem listigen Lächeln antwortete: "Weil ich sehr sorgsam mit den Finanzen umgehen muss. Diesmal gönnen wir uns jedoch etwas Luxus. Ihr zwei kauft noch heute etwas Brauchbares und schaut mal, ob ihr es etwas verbessern könnt." Nun wandte sich der Fuchs an die anderen. "Bill bleibt hier und passt auf unsere Luxussuite auf. Evelyn, du behältst den Monolithen im Auge, falls der Transport doch bis nach Tinroth kommt. Kathy bleibt ebenfalls hier..." Nun jedoch unterbrach ihn Kathy mit dem protestierenden Schrei einer zwölfjährigen. "Er meint es doch nur gut", bemerkte Garth freundlich und legte ihr eine Hand auf die Schulter. "Das wird kein Zuckerschlecken." Kathy jedoch erhob sich. "Ich kann helfen! Ich möchte dabei sein!" Der Fuchs sah sie zweifelnd an. "Was kannst du schon ausrichten?", fragte Phönix, versuchte es jedoch mit Vernunft und in seinen Augen stand echte Sorge. Nun jedoch grinste Kathy. Sie schob sämtliche Tabletts von einem der Tisch und hob diesen plötzlich mit nur einer Hand hoch, hielt in mehrere Sekunden ohne auch nur einen zitternden Arm zu bekommen, ehe sie ihn abstellte und plötzlich beide Hände in den Stahl rammte und den Tisch in der Mitte auseinander riss und dabei wie Frischhaltefolie zerfetzte. Einen Moment lang schwiegen alle, dann wandte sich der Fuchs an Richard und Joey. "Kommt, wir gehen und ich gebe euch das Geld. Wir brauchen einen Transporter, der wenigstens acht Leute transportieren kann. Alle anderen: Ausruhen! Viel Ruhe werdet ihr nicht bekommen, ich möchte dass wir uns sehr bald auf den Weg nach Arhath machen. Wir dürfen unseren Termin mit AEGIS nicht verpassen!"



________________________________________________________
___________________________ ___________________________



Werden der Fuchs und seine Mitstreiter Erfolg mit ihrer nächsten Befreiungsaktion haben? Wird es weitere Verluste geben, die Phönix nur in seiner Annahme bestätigen, dass es ohne Blutvergießen keinen Erfolg geben kann? Wird Yasemin wieder auftauchen, um ihnen das Leben schwer zu machen und wer ist eigentlich ihr geheimnisvoller Auftraggeber? Fragen über Fragen. Die Antworten erfahrt Ihr in Aeruin: SANKTUARIUM, regelmäßig um 19:30 Uhr im ADB.
 
Wie gesagt, mir gefiel die Verfolgungsjagd recht gut. Gut, gut... bin schon gespannt, wann es das erste Mal gefährlich für die Vaishara wird. Yasemin hat schon ganz gut angefangen, aber das geht sicher noch besser, spannender und intensiver - was jetzt nicht als Kritik gemeint ist! Der letzte Teil des ersten Kapitels gefiel mir wieder. Ich fand es mal ganz interessant, mehr vom Fuchs, seiner Bande und den Gefühlen und Motivationen dahinter zu lesen. Mit Kathy hast du eine weitere Verbindung zu deinen Charakteren im RPG geschaffen und nun ahne ich auch, woher Sharon ihren Anhänger bekommen hat. Ich bin gespannt, wie es weiter geht und sich alles entwickelt. Das Lesen macht auf jeden Fall Spaß und die Charaktere gefallen mir größtenteils auch. Es ist natürlich klar, dass es eine gewisse Charakter-Entwicklung gibt, aber bei 12 geplanten Kapiteln hast du dir ja auch Grenzen auferlegt, daher bin ich echt gespannt, wie der Spannungsbogen noch so aussehen wird.
 
@Quinn:

Glaub mir, die Vaishara werden noch vernünftige Gegner bekommen, die sie echt an ihre Grenzen bringen werden. Trotz ihrer Kräfte sind sie nicht unbesiegbar. Ja, natürlich gibt es Verbindungen zu meinen Charakteren im RPG und ich war froh, Kathy endlich vorstellen zu können. Was Sharons Anhänger betrifft, natürlich steckt da eine Geschichte hinter. Ja, die Charaktere entwickeln sich und es ist eine ziemliche Herausforderung, alles in den 12 geplanten Kapiteln abzuschließen. Besonders, weil ja auch noch neue Charaktere dazu kommen. Da muss ich aufpassen, es nicht zu übertreiben, nicht das ich am Ende zu viele Charaktere habe und lose Handlungsstränge vergesse... Mit folgendem Teil bin ich ganz zufrieden, auch wenn es schwierig war, Aril zu beschreiben und ich nicht sicher bin, ob mir die Dialoge am Ende gelungen sind.


Nun denn, hier ist der erste Teil vom 2. Kapitel:

------------------------------------------------------



02 | Interessante Zeiten
25. Januar, 1997: Aril
Die Sonne war längst hinter dem gezackten Rand des Vulkans Irina verschwunden, was weder etwas an den Temperaturen änderte noch an der Farbe der Wolken, die stets über dem Vulkankrater thronten. Im Inneren des Irina war es immer unangenehm warm, so wie die Wolken stets den Feuerschein des flüssigen Gesteins reflektierten, das innerhalb des Kraters unaufhörlich am Brodeln war. Das faszinierende am Irina war nicht die steile, spitzkegelige Form, die eine Höhe von über siebentausend Metern erreichte, sondern das Innere des rotgrauen Vulkans. Zahlreiche Metallstege waren an den Innenwänden des Kraters verankert, boten eine spektakuläre Aussicht auf den kochenden Lavasee und auf das technologische und architektonische Meisterwerk inmitten des Kraters. Auf einem der Stege lehnte sich eine Frau gegen das Geländer und genoss die warme Luft im Gesicht. Sie hatte lange, weiße Haare und trug eine schlichte, braune Robe. Die Frau, die auf den Namen Finscéal hörte und von ihren Freunden meistens Finn genannt wurde, hatte sich längst an die Hitze innerhalb des Irina gewöhnt und die Dämpfe machten ihr nichts mehr aus. Finscéal lächelte, als sich eine andere Frau zu ihr gesellte. Kurz sah sich die jüngere Frau mit den schulterlangen, roten Haaren um. Sie richtete erst das Wort an Finscéal, als sie sicher war, nicht beobachtet oder belauscht zu werden. "Drei Männer sind seit gestern in der Stadt", begann sie leise und deutete mit dem Kinn ins Zentrum des Vulkankraters. "Amergan, Miotas und ich haben sie genau beobachtet und ich finde, wir sollten den Meister davon in Kenntnis setzen, Finn." Finscéal richtete ihre bernsteinfarbenen Augen auf ihre jüngere Kameradin und gönnte sich ein Lächeln. "Alles was er wissen muss, weiß er bereits, Étaín. Er hat mich geschickt, um zu hören, was es mit den Besuchern auf sich hat. Es kommen ständig Touristen nach Aril. Was macht diese drei so besonders?" Étaín drehte sich um, lehnte sich mit dem Rücken gegen das Geländer und verschränkte die Arme. "Alle drei sind keine Vaishara, scheinen unabhängig voneinander zu arbeiten, stellen jedoch dieselben Fragen. Sie suchen nach Informationen über uns, über die Präsenz von AEGIS innerhalb der Stadt und das Wichtigste ist: Sie wollen etwas über das Netz der hundert Höhlen wissen." Nun riss Finscéal erstaunt ihre Augen auf. "Das ist tatsächlich etwas besonderes", entgegnete sie leise und bedeutete Étaín mit einem Nicken, fortzufahren.

"Menschen, die nicht zu AEGIS gehören und herum schnüffeln, hatten wir lange nicht mehr. Wissenschaftler, Reporter und Neugierige kommen meistens direkt zu uns", erklärte Étaín und in ihren smaragdgrünen Augen funkelte das Misstrauen. "Aber niemand hat bisher gleichzeitig nach uns, AEGIS und dem Netz gefragt, Finn. Das weißt du genau so gut wie ich!" Finscéal nickte zustimmend und seufzte leise. "Kaum jemand weiß überhaupt vom Netz. Von uns erfahren die Menschen sicher nichts und AEGIS hat gute Gründe, ihr größtes Geheimnis ebenfalls für sich zu behalten. Wie gehen wir also vor? Hat der Meister etwas erwähnt?" Die jüngere Frau zuckte mit den Schultern. "Einer der drei Typen wurde beim Beschatten erwischt und sitzt nun in einem Lagerhaus fest, ausgiebig von den AEGIS-Folterknechten umsorgt. Die anderen beiden laufen noch frei herum. Amergan und Miotas behalten sie im Auge." Finscéal überlegte einen Moment. "Wo ist das Lagerhaus von AEGIS? Ich möchte herausfinden, was der arme Kerl weiß. Danach werde ich mal nach Amergan und Miotas sehen, ehe ich dem Meister Bericht erstatte. Du gehst am besten schon einmal vor." Étaín schmunzelte und stieß ihrer Freundin leicht den Ellenbogen in die Seite. "Das Lagerhaus ist auf Ebene 4 vom Styx-Bezirk. Eigentlich kannst du es nicht verfehlen, aber ich würde dich gerne begleiten. Nach Amergan und Miotas kannst du gerne alleine sehen, aber AEGIS ist... wachsam, dank der Inkompetenz dieser drei Amateure." Étaín machte eine kurze Pause und lächelte sanft. "Außerdem waren wir beide lange nicht mehr gemeinsam unterwegs, Finn." Finscéal lachte kurz und nickte. "Dann beeilen wir uns besser, bevor AEGIS den armen Bastard zu Tode foltert." Beide gingen den Steg entlang, bogen auf eine der zahlreichen dünnen Brücken und steuerten das Zentrum des Vulkankraters an. Einen Moment staunten die beiden Frauen ob der bizarren Schönheit dieses Anblicks. Selbst nach Jahrzehnten gewöhnte man sich nicht daran, doch Finscéal empfand die Stadt Aril eher als Mahnung, Götter und Natur nicht zu erzürnen. Der Preis dafür konnte mitunter sehr hoch sein.

Aril oder Vashyr, wie die Metropole einst hieß, war eine der ältesten Städte Ylesias und wurde vor über dreitausend Jahren gegründet. Damals war sie eine blühende Metropole und Hauptstadt von Ylesia. Alten Aufzeichnungen zufolge war sie einst Tempelstadt der Alten Götter, ehe die Menschen gegen ihre Herren aufbegehrten. Legenden besagten, dass der Gott Aciel aus Zorn einen gewaltigen Feuerball aus dem Himmel schickte und die Stadt mit all ihren Einwohnern zerstörte. Der Feuerball fraß sich durch die Erde und schuf eine klaffende Wunde in ihrer Kruste, die heute den Namen Irina trug. Der Vulkan ist zwar nie ausgebrochen doch stets aktiv. Um die Götter zu besänftigen, bauten die Überlebenden eine Stadt im Inneren des Irina, welche auf einem kleinen Felsbrocken gebaut wurde, der durch etliche Verstrebungen und Repulsoren über der brodelnden Lava schwebte. Der Wall von Aril, Zion, umhüllte die Stadt wie ein dicker Zylinder, schützte die Einwohner vor giftigen Dämpfen und den extremen Temperaturen. Finscéal fand, die Stadt erinnerte an einen Kokon, der inmitten eines riesigen Spinnennetzes hing. Es war ein Wunder, dass der kleine Felsbrocken das enorme Gewicht der Stadt halten konnte. Die Bewohner der Stadt suchten den Vulkan nach seltenen Mineralien und Erzen ab, weshalb es zahlreiche Höhlen gab, die durch Brücken mit der Stadt und mit Stegen untereinander verbunden waren. Aril war auch als Schmiedestadt bekannt und genoss einen extrem guten Ruf bei der Erstellung spezieller Legierungen. Außerhalb des Kraters breitete sich ein großer, grauer Wald aus, der als Barriere gegen den Nebel diente. Aus unbekannten Gründen passierte der tödliche Dunst den Wald niemals, so dass der zylinderförmige Wall Arils ausschließlich die Hitze und die giftigen Dämpfe fern hielt. Zahlreiche Energiebarrieren umhüllten den Wall, die vielen Brücken und Stege und schützen Material und Menschen vor der enormen Hitze. Man wagte nicht einmal sich vorzustellen, was geschehen würde, wenn die Schutzschilde ausfielen, die Repulsoren versagten oder einige der Verstrebungen rissen.

Finscéal und Étaín schlenderten die Brücke entlang und betraten die Stadt durch eines der vielen Tore mit den meterdicken Schutztüren. Breite Promenaden oder größere Gänge gab es innerhalb von Aril nur selten. Sofort tauchten die beiden Frauen in einen dichten Strom aus Menschen und wurden von der Menschenmasse regelrecht durch die Korridore getragen. Es erforderte ein enormes Maß an Geduld, in der Enge nicht plötzlich um sich zu schlagen und noch viel mehr Aufmerksamkeit und Geistesschärfe, um zu bemerken, wenn man verfolgt wurde. Aril war nicht in Stockwerke eingeteilt, sondern in verschiedene Bezirke, die ihrerseits in Ebenen eingeteilt waren. Die Stadt war ein etwa vier Kilometer hoher Koloss und bei über 800 Stockwerken hielt man eine Einteilung in Bezirke für unkomplizierter. Der unterste Bezirk war der Wartungsbereich für die Energiebarrieren und Repulsoren, hier war die Quelle der Energieversorgung der Stadt und man nutzte die Macht des Vulkans, um Aril am Funktionieren zu halten. Über dem untersten Bezirk, dem Lethe-Bezirk, lag der Styx-Bezirk mit seinen zahlreichen Lagerhäusern und Unterkünften für das Wartungs- und Technikerpersonal von Aril. Per Aufzug gelangten Finscéal und Étaín tief in die Eingeweide der Stadt und traten in einen schmalen Korridor von Ebene 4. Besagte Ebene war etwa zehn Meter hoch und bot damit Platz für maximal dreistöckige Gebäude. Das Lagerhaus von AEGIS hatte drei Stockwerke, somit kam es nicht in Frage, über das Dach in das Gebäude einzudringen. "Du willst doch nicht etwa direkt zur Vordertür rein marschieren, oder Finn?", fragte Étaín als sie die verwundenen Korridore passiert hatten und einige Minuten später unweit des Lagerhauses standen und ihre Vorgehensweise planten. "Da kannst du dir auch gleich ein Fadenkreuz auf den Bauch malen und auf ein Schild schreiben, dass du Vaishara bist." Finscéal verzog das Gesicht und beobachtete das Lagerhaus am Ende einer schmalen Straße. "Kannst du irgendwie Pläne für das Gebäude bekommen?", fragte Finn ihre Partnerin, doch diese schüttelte mit dem Kopf. "Das habe ich bereits versucht, ohne Erfolg", entgegnete die jüngere Frau missmutig, "In ganz Aril werden so oft komplette Ebenen umgebaut, dass oft kaum noch Reste des ursprünglichen Grundrisses vorhanden sind. Ich vermute, das Lagerhaus diente früher der Fertigung von Repulsor-Komponenten. Siehst du die hohen Fenster an der rechten Seite?" Nun lächelte Finscéal. "Wir könnten uns vom Nebengebäude Zugang verschaffen. Allerdings gefällt es mir nicht, keine Ahnung zu haben, was uns im Inneren erwartet."

Étaín knurrte leise. "Dort rein schleichen ist riskant für mich. Allerdings könnte ich eine Ablenkung inszenieren, so dass du dich gefahrlos auf das Nebengebäude begeben kannst. Von dort aus können wir gemeinsam angreifen." Finn gefiel die ganze Sache nicht. Wahrscheinlich war es einfacher, die beiden anderen Schnüffler zu finden und zu fangen. Sicher waren Amergan und Miotas ihnen noch immer auf dem Fersen. Es war nicht einmal sicher, dass der Gefangene noch lebte und brauchbare Informationen hatte. Étaín schien auf eine Konfrontation zu brennen und Finscéal erkannte die Dickköpfigkeit der Jugend in ihrer Kameradin. Sie selber war längst über solche Emotionen erhaben. Doch vielleicht hatte der Gefangene wirklich wichtige Informationen. Es lohnte es allein deshalb, weil es wichtig war, den Auftraggeber dieser drei Männer zu kennen. Vielleicht waren es sogar drei unterschiedliche Personen, obwohl Finn dies bezweifelte. "Alles klar", sagte Finn schließlich mit einem resignierten Seufzen, "Sorg du dafür, dass ich unbeobachtet auf das Nebengebäude komme und wir treffen uns dann dort." Étaín nickte und zwinkerte keck, ehe ihre Gestalt ganz langsam verblasste und sie zuerst durchsichtig, dann völlig unsichtbar wurde. Finscéal hielt sich bereit, schlenderte langsam in Richtung des Lagerhauses, wo stets ein Mann neben der Eingangstür lehnte und die Umgebung im Auge behielt. Die Straße war schmal, nur wenige Passanten waren hier unterwegs. Gelegentlich waren schwebende Lastenheber unterwegs, brachten Material von einer Fertigungsanlage zur nächsten oder über die großen Lastenaufzüge sogar in andere Bezirke. Finscéal hatte direkte Sicht auf den Eingang des Lagerhauses, doch plötzlich war ein lautes Krachen zu hören und der Mann am Eingang entfernte sich außer Sichtweite. Sofort eilte Finn voraus, bis sie das zweistöckige Nebengebäude erreicht hatte. Kurz sah sie nach der Wache und sah, dass die Repulsoren eines Lastenhebers versagt hatten und stinkende Chemikalien sich auf der Straße unweit des Lagerhauses ausbreiteten. Der Mann sah sich die Misere einen Moment lang an und diesen Augenblick nutzte Finscéal und huschte in die Gasse zwischen dem Lagerhaus und dem Nebengebäude. Sie konzentrierte sich, legte die Hände gegen die Betonwand und kurz darauf ihre nackten Füße, ehe sie die Wand gleich einer Spinne erklomm, der Schwerkraft trotzte und an der Wand haftete, als würden ihre Hände und Füße daran kleben.

Kurz darauf schwang sie sich auf das Dach und legte sich hin, behielt die Straße im Auge und sah zum Lagerhaus gegenüber. Schmale, dreckige Fenster würden einen Weg ins Gebäude bieten. Plötzlich tippte ihr jemand auf die Schulter und Finn zuckte zusammen, ehe sich neben ihr Étaíns dünne Gestalt aus dem Nichts schälte. "Auf der anderen Seite des Gebäudes ist ein Lastenaufzug. Hier oben lagern die wohl manchmal Kisten. Vielleicht können wir so auch wieder verschwinden." Finscéal sah kurz hinter sich zum Aufzug, dann wieder nach vorne. Drei Meter trennten die Gebäude voneinander. "Ich zuerst", erklärte Finn und konzentrierte sich. Ihre Haut nahm die Farbe eines dunklen Graus an, als sie sich erhob und etwas Anlauf nahm. Dann rannte sie los, sprang und überquerte so die Kluft zwischen den Gebäuden und krachte durch eines der Fenster im dritten Stockwerk. Ihre Haut hatte die Konsistenz von Stein, so dass die Glassplitter zwar Teile ihrer Robe zerfetzten, ihr selber jedoch nicht schadeten. Adrenalin rauschte durch ihre Adern, als sie sich abrollte um den Aufprall abzumildern. Rasch kam sie wieder auf die Beine und stellte fest, dass sie in einem leeren Raum voller alter Schreibtische und Aktenschränken gelandet war. Ohne innezuhalten ging sie weiter, warf sich gegen die Tür und riss diese mit ihrem Schwung und ihrer Widerstandsfähigkeit aus den Angeln. Auf dem Korridor erwarten sie zwei Soldaten von AEGIS, jedoch nicht in den typischen schwarzen Uniformen. Diese beiden trugen mattschwarze Rüstungen und hatten wuchtige Schulterpanzer, dicke Brustplatten und Unterarmschienen, die vor versteckten Waffen nur so zu strotzen schienen. Finscéal wartete nicht, bis die beiden nach ihren Gewehren greifen konnten sondern griff an, wollte beide mit einem Sprung die steinernen Fäuste auf die Helme donnern. Doch beide Soldaten reagierten unglaublich schnell. Der Soldat links von ihr packte ihren linken Arm, nutzte ihren Schwung und donnerte sie mit dem Gesicht voraus gegen die Wand, wo eine Delle in den Putz gedrückt wurde. Der andere Soldat ballte die Fäuste und schlug ihr kräftig ins Gesicht, so dass sie erneut gegen die Wand krachte. Doch schnell fing sich Finn, schlug einem der Soldaten ins Gesicht und ließ ihn so nach hinten taumeln. Aus den Unterarmschienen der Soldaten schoben sich plötzlich lange, dünne Klingen mit denen beide Soldaten nach ihr ausholten. Doch noch immer war Finscéals Körper hart wie Stein und die Klingen schlugen Funken, ohne ihr zu schaden.

Aus den Augenwinkeln sah sie, wie sich das Gewehr eines der Soldaten von dessen Rücken löste und eine Sekunde später krachte eine Lasersalve aus dem schwebenden Gewehr in den Hinterkopf des Soldaten, sprengte sogar ein glühendes Loch in die Vorderseite des Helms. Noch während der Soldat umfiel, reagierte sein Partner und holte mit den Unterarmklingen aus. Blut spritzte aus dem Nichts und Étaín wurde sichtbar, als ihr die Konzentration fehlte, weiter ihre Tarnung aufrecht zu erhalten. Ihre linke Schulter blutete stark. Gerade als der verbliebene Soldat sie erneut angreifen wollte, packte Finn seinen Kopf mit beiden Händen und drehte ihn mit einem kräftigen Ruck herum. "Die sind zu hart für dich", schnaufte Finscéal und sah ihre Kameradin besorgt an. Die Schnittwunde schien nicht sehr tief, trotzdem war es wohl zu gefährlich, selbst wenn man so widerstandsfähig war wie sie selbst. Étaín schüttelte mit dem Kopf, presste die Lippen zusammen und langsam verschwammen ihre Konturen als ihr Körper die Farbe der Umgebung annahm. Finn verkniff sich ein Seufzen, nahm eines der Lasergewehre und sah sich im obersten Stockwerk um. Eine Treppe führte nach unten und es gab fünf weitere Räume, von denen sich zwei als Toiletten entpuppten und drei als weitere provisorische Lagerräume für Kram, der nicht weiter gebraucht wurde. Schritte hallten von der Treppe durch den Flur und Finscéal legte ihr Lasergewehr an. Sobald ein schwarzer Helm mit ovalem Visier zu sehen war, betätigte sie den Abzug. Es schien, als hätten die Soldaten von AEGIS ein schwaches Energieschild gegen Distanzwaffen, denn eine blaue Aura knisterte um den Kopf des Soldaten. Die erste Lasersalve wurde von der Energiebarriere der Rüstung absorbiert, bremste den Soldat jedoch ab. Erst die zweite Salve riss ihm die Hälfte seines Kopfes weg und besprenkelte die Wand hinter ihm mit rauchender, rosafarbener Masse. Zwei weitere Soldaten jedoch warfen sich geschickt auf die Treppe und hatten ausreichend Deckung, eröffneten jedoch ihrerseits das Feuer. Zwei Lasersalven krachten gegen Finscéals Oberkörper und ließen sie nach hinten taumeln. Rasch flüchtete sie in einen der leeren Räume und verschnaufte kurz. Ihre Widerstandskraft hatte ihr das Leben gerettet. Nur ihre Robe war angesengt. Doch das Spielchen würde sie nicht ewig durchhalten können. Bereits jetzt war sie erschöpft und sie wusste, dass bereits ein einziger Treffer sie töten konnte.

"Jetzt Finn!", hörte sie plötzlich einen lauten Ruf, ehe der Korridor in ein helles Licht getaucht wurde. Finscéal hastete aus ihrer Deckung und sah Étaín über den beiden Soldaten auf der Treppe aufragen. In einer Hand hielt sie etwas Rundes, wohlmöglich eine weitere Blendgranate. Beide Soldaten waren geblendet und die junge Frau mit den smaragdgrünen Augen hatte nicht vor, ihnen die Zeit zu geben, sich zu erholen. Dem ersten trat sie von hinten kräftig in den Bereich zwischen Helm und Rückenpanzerung und ließ ihn sofort erschlaffen. Der zweite schlug blind mit seinen Unterarmklingen um sich, doch Étaín sprang nach hinten, ehe Finscéal ihr Lasergewehr hob und zwei kurze Salven abfeuerte und auch den zweiten Soldaten zum Schweigen brachte. Beide Frauen stiegen die Treppe hinab, wobei auch Étaín sich ein Lasergewehr schnappte. Im zweiten Stockwerk wurden sie mit Lasersalven begrüßt, denen sie nur knapp ausweichen konnten und die mehrere Brocken Putz aus der Wand sprengten und rauchende, schwarze Löcher zurück ließen. Étaín machte sich mitsamt ihrem Lasergewehr unsichtbar und einen Moment lang hielt Finn die Luft an. Dann blitzte erneut eine Blendgranate auf und als Finscéal aus der Deckung der Treppe hastete, erschoss Étaín bereits einen der wartenden Soldaten aus nächster Nähe mit einer Salve in den Oberkörper, welche den Brustpanzer sprengte und den Soldaten mit dem Rücken gegen die Wand hinter sich krachen ließ. Doch es schien, als seien die Rüstungen der Soldaten besser als erwartet. Ganz plötzlich erhoben die Soldaten, die sich in Türrahmen oder hinter Kisten versteckt hatten, viel zu genau ihre Gewehre. Die Helme hatten integrierte Lichtdämpfer und wohlmöglich auch Systeme zur Zielerfassung. Ein heller Laserblitz streifte Étaíns Schulter, ehe sie verschwand. Finscéal beharkte die nahen Soldaten mit schnellen Feuerstößen ihres Gewehrs, ehe sie hinter einer Kiste in Deckung ging. Einen Moment lang war es still im Korridor und Finn hörte schmerzverzerrtes Wimmern, hörte das Klicken von Energiezellen, die ausgewechselt wurden. Sie selber bemerkte, dass ihr Lasergewehr nicht mehr viel Saft hatte. Sie riskierte einen schnellen Blick um die Kiste herum, wobei sie sich konzentrierte und ihre Widerstandsfähigkeit erhöhte. Auch hier unten gab es sechs Räume. Étaín hatte einen Soldaten getötet, Finscéal einen anderen. Ein dritter, verwundeter Soldat lag mitten auf dem Flur und jammerte leise, hatte mehrere Salven in die Beine und in den Bauch bekommen. Die beiden ersten Räume waren leer. Bei der Tür stand eine Kiste, hinter der Finn nun kauerte. Étaín erschien im Türrahmen ihr gegenüber und zeigte ihr eine Hand. Fünf Soldaten waren also noch übrig. Finscéal verkniff sich ein Fluchen, ehe sie sich konzentrierte.

Sie verband ihren Körper mit dem Betonboden, absorbierte dessen Härte und packte die schwere Holzkiste mit beiden Händen, hob sie hoch und schleuderte sie durch den Korridor nach vorne. Einer der Soldaten, der aus seiner Deckung huschte und das Feuer eröffnete, traf lediglich die Kiste, ehe er seinerseits von ihr getroffen und begraben wurde. Finn setzte sich in Bewegung, eilte nach vorne und stieg über den verwundeten Soldaten, beugte sich dabei etwas nach unten und nahm ihm sein Lasergewehr ab. Helle Lasersalven zischten an ihr vorbei und das Knallen der sich rasch ausbreitenden heißen Luft hallte wie Donner durch den Korridor. Finscéal revanchierte sich mit zwei schnellen Feuerstößen und streckte damit einen Soldaten nieder, der sie aus einem Türrahmen heraus mit Lasersalven eindeckte. In der Tür gegenüber wartete ein weiterer Soldat und tatsächlich traf er Finn am rechten Oberschenkel. Sie knickte kurz ein, geriet fast ins Stolpern, ehe sie sich gegen den Mann warf, mit ihm in den Raum hinein fiel und auf ihm landete. Wo die steinerne Beschaffenheit ihres Körpers jedem Menschen die Luft aus den Lungen gepresst hätte und sogar Knochen hätte brechen können, hielt die schwarze Kampfrüstung des Mannes statt und sofort donnerte er Finscéal eine Faust gegen den Kopf. Sofort sah sie Sterne, wäre fast von ihm herunter gefallen, doch stattdessen packte sie mit beiden Händen den Hals des Mannes und drückte zu. Erneut kassierte sie einen harten Schlag gegen den Kopf, ehe sich seine Hände um ihren Hals legten. Doch dieses Kräftemessen konnte der Soldat nur verlieren. Rasch ebbten sein Zucken und seine Gegenwehr ab, ehe seine behandschuhten Hände von ihrem Hals glitten und leblos zu Boden fielen. Gerade als sich Finn erhob, betraten die verbliebenen zwei Soldaten den Raum. Eine Lasersalve traf sie in die Seite und schickte sie sofort wieder zu Boden. Beide richteten ihre Gewehre auf sie, zielten ganz genau - ehe einer der Soldaten seine Waffe auf seinen Partner richtete und abdrückte. Der Soldat fiel mit rauchenden Löchern in seiner Brust auf den Rücken und Étaín tauchte wie aus dem Nichts auf, hatte die Waffe des Soldaten herum gerissen und betätigt. Gleichzeitig hatte sich Finscéal mühsam wieder erhoben. Der verbliebene Soldat ließ sein Gewehr fallen, fuhr beide Unterarmklingen aus und stach nach Étaín, die sich jedoch elegant weg drehte und versuchte, dem Soldaten die Beine weg zu ziehen.

Doch der Soldat hatte einen sicheren Stand, schwang seine Klingen und zwang die junge Frau, zurück zu weichen. Geschickt umkreiste er Étaín und behielt auch Finscéal im Auge, die gerade nach einem Lasergewehr greifen wollte. Mit einer ausgestreckten Unterarmklinge hielt sich der Soldat Étaín auf Distanz, den anderen Arm richtete er auf Finn. Und noch während Finscéal ihr Lasergewehr erhob, schoss eine klare, stinkende Flüssigkeit aus dem Unterarm des Soldaten und ein Funke aus seinem Handrücken genügte, um die Flüssigkeit in Flammen zu setzen. Finscéal wurde in Feuer gehüllt und verschlungen und noch während der Soldat seinen Arm herum riss, um auch Étaín in Feuer zu hüllen, ließ diese sich zu Boden sinken und trat kräftig in die ihr zugewandte Kniekehle des Soldaten, der rücklings zu Boden fiel. Dabei verschwand jedoch der Flammenstrahl, der aus seiner Unterarmschiene quoll und eine Sekunde war der Soldat überrascht. Étaín erhob sich und stemmte ihren rechten Fuß auf den Hals des Soldaten, erhöhte den Druck. Doch sofort bohrte der Soldat seine Unterarmklinge durch ihren Fußknöchel und entlockte ihr einen langen, gequälten Schrei, ehe sie kräftig auf den Hals des Soldaten trat und dann erneut zu Boden ging. Lange blieb Étaín schnaufend liegen, drehte sich auf die Seite und umklammerte ihren verwundeten Fuß. Dann sah sie in die Ecke des Raums. Die Tapete glomm noch immer vom Feuer. Finscéal lehnte mit dem Rücken zur Wand und schnappte nach Luft. Ihre Robe war gänzlich vom Feuer verzehrt, sie selber jedoch schien verhältnismäßig unverletzt, sah man von einer Wunde in ihrer Seite und einigen Brandblasen einmal ab. "Außerdem waren wir beide lange nicht mehr gemeinsam unterwegs", äffte Finn Étaíns Worte früher am Abend nach und grinste in einer Mischung aus Erleichterung und Erschöpfung. "Du dumme, starrköpfige Kuh!" Étaíns bleckte die Zähne, als sie sich unter Schmerzen aufsetzte. "Ich freue mich auch, dich wohlauf zu sehen", entgegnete sie frech und musterte Finscéal mit vor Schalk funkelnden Augen. "Das wird ein Spaß wenn du so die Stadt verlassen willst." Sie kicherte erheitert, jammerte jedoch wieder vor Schmerz, als sie versuchte, aufzustehen. Auch Finn kam schwankend auf die Beine und stützte ihre Kameradin. "Können wir nur hoffen, dass unten nicht noch mehr auf uns warten. Ich kann nämlich nicht mehr." Étaín nickte und gemeinsam mit ihrer Freundin humpelte sie auf den Korridor. Eines der Zimmer diente als Unterkünfte der Soldaten und neben zahlreichen Pritschen gab es auch einige Decken, in denen Finn ihren zierlichen Körper hüllen konnte.

Im Erdgeschoss gab es zwei kleine Räume und einen großen, der voller Kisten war. Einer der kleinen Räume diente als Aufenthaltsraum, der andere war abgeschlossen und mit einer Kiste versperrt. Nachdem beide Frauen den Verbandskasten im Aufenthaltsraum geplündert hatten und ihre Wunden wenigstens provisorisch versorgt hatten, schoben sie die Kiste beiseite und mit dem letzten Quäntchen ihrer Kraft trat Finscéal die Tür ein. Was sie innerhalb des Raums vorfanden, ließ beiden vor Schreck den Mund offen stehen. Der Raum war völlig leer, abgesehen von einer bewegungslosen Gestalt die auf dem Rücken nahe einer der Wände lag. Der Gefangene war an Händen und Füßen gefesselt und komplett ausgezogen. Sein Gesicht war eine geschwollene Masse aus Blutergüssen, die Lippe aufgeplatzt und die Nase scheinbar gebrochen. Hinter geschwollenen Augenlidern waren schwach zwei markante, violette Augen zu erkennen. Man hatte dem armen Kerl sogar brutal einige seiner strohblonden Haare heraus gerissen. Ein klarer Beweis der Folter, die der Mann in der Gefangenschaft von AEGIS erleiden musste. Die meisten seiner Zähne waren dem Mann ausgeschlagen oder mit einer Zange entfernt worden, man hatte seinen Körper mit Schnitten und sogar Brandwunden gequält. Man hatte ihm Finger gebrochen, ihm Nadeln unter die Fingernägel geschoben. Der Mann war am Ende seinen Verletzungen oder seinen Schmerzen erlegen. Lange lehnten die beiden Frauen sprachlos am Türrahmen. "Diese miesen Schweine", wisperte Étaín leise. "Und wir haben nicht einmal den kleinsten Hinweis, was das alles überhaupt sollte." Finscéal taumelte aus dem Zimmer und zurück in den Aufenthaltsraum, wo sie sich das Telefon nahm und sich müde auf einen Stuhl sacken ließ. Sehr schnell waren Amergan und Miotas benachrichtigt und schnell hatten beide einen der beiden verbliebenen Schnüffler gefangen genommen. Es dauerte nicht lange, und Étaín und Finscéal wurden von weiteren Freunden abgeholt. Auch die Leiche des gefolterten Mannes wurde mitgenommen. Aril konnte schnell und relativ unbemerkt verlassen werden und durch das Höhlensystem gelangte man bald an die Außenseite des Irina, zum Hain des Zwielichts. Dort kümmerten sich Étaíns jüngere Schwester Siobhán und Miotas Bruder Ronan um die Beisetzung des Toten, auf das die Götter gnädig seien und seiner Seele Einzug ins Jenseits gewährten.

Finscéal und Étaín wurden gemeinsam mit Amergan und Miotas in die Hütte des Oberältesten von Iga gerufen, einem Dorf inmitten des Zwielichthains. Die Hütte war mehr ein kreisrunder Raum unterhalb eines der größeren Bäume des Waldes. Dicke Wurzeln verliehen der Wand ein organisches, lebendiges Aussehen und große, weiße Kerzen warfen ein schwaches Licht auf mehrere Stapel dicker, uralter Bücher und Manuskripte. Um eine kleine Feuerstelle saßen nun die beiden Frauen, die beiden jungen Männer und der Gefangene, der mehr als bereitwillig alles ausgeplaudert hatte, was er wusste, nachdem man ihm einen Blick auf seinen toten Kameraden - oder Konkurrenten - hat werfen lassen. Étaín war still geworden, nachdem sie ihren Bericht beendet hatte. Nun saß sie ruhig da, ihr Fuß sorgsam verbunden. Finn war ebenfalls sehr ruhig, besonders nachdem sie die Leiche des anderen Mannes im Lagerhaus von AEGIS gefunden hatten. "Ich darf noch einmal zusammen fassen", begann Amergan und strich sich durch den sorgsam gestutzten Bart, "Dich hat eine Frau mit schwarzer Hautfarbe in einer Bar in Varath angesprochen, ob du Lust auf ein lukratives Geschäft hättest, nur ein wenig Beobachten, Nachforschen und Bericht erstatten? Das war vor zwei Tagen, richtig?" Der Gefangene nickte, war zwar blass, aber doch sehr gefasst. Immerhin war er hier nicht bei AEGIS gelandet, zu seinem Glück. "Sie wollte gezielt Informationen über Druiden, über AEGIS und über das Netz der hundert Höhlen", fügte er mit etwas heiserer Stimme hinzu. "Ich kam jedoch nicht dazu, Bericht zu erstatten, ich schwöre es!" Finn, Étaín und Amergan warfen sich misstrauische Blicke zu, ehe Miotas langsam nickte. "Er hat niemanden angerufen, das kann ich bezeugen. Das beantwortet jedoch nicht die Frage, wer unseren Gast hier angeheuert hat und warum. Das Netz der hundert Höhlen liegt weit unter den öffentlichen Höhlen und durch gewisse Investitionen haben wir dafür gesorgt, dass die Menschen niemals dort graben, wo sie nicht graben sollen. Niemand weiß von der Existenz der Höhlen und noch weniger kennen unsere Bezeichnung für das Netz." Finscéal starrte nachdenklich in die Flammen, räusperte sich leise. "Niemand außer uns und AEGIS. Daher müssen wir davon ausgehen, dass hier eine andere Gruppierung im Spiel ist. Wer sonst gibt so viel Geld aus?"

Ein weiteres Räuspern hallte aus einem dunklen Bereich des Raums und sofort herrschte Stille, abgesehen vom Knistern der Flammen und dem aufgeregten Schnauben des Gefangenen. "Deine Intuition spricht für dich, Kind", erklärte die Stimme in der Dunkelheit. "Dunkle Wolken bahnen sich am Horizont an, eine Gefahr für Berührte und Unberührte gleichermaßen. Das Netz der hundert Höhlen muss beschützt werden. Einst scheiterten wir, als AEGIS die alten Tunnel fand. Noch einmal dürfen wir nicht versagen." Ein langes Schweigen füllte den Raum, dann ertönte das Geräusch von Gekritzel in der Finsternis, einer Feder, die über Pergament kratzte. Es war Étaín, die vor Neugier und Ungeduld nicht den Mund halten konnte: "Da scheinen ja interessante Zeiten auf uns zuzukommen. Meister, glaubt Ihr etwa, das Aeruin wird beginnen?" Sie bekam keine Antwort auf ihre Frage. Finn und Étaín warfen sich bedeutsame Blicke zu und Amergan und Miotas wirkten angespannt. "Miotas, bring unseren Gast fort und weise ihm eine Unterkunft zu. Er wird eine Weile bei uns bleiben müssen." Die tiefe, respekteinflößende Stimme schnitt so plötzlich durch die Stille, dass alle Anwesenden zusammen zuckten. "Amergan, ich möchte, dass du dein Ziel erneut aufspürst und ihn ebenfalls hierher bringst." Sofort erhob sich Amergan und verschwand durch einen der Ausgänge in der Nacht. "Finscéal, trete näher!" Rasch stand Finn auf und trat aus dem Schein der Kerzen in die Dunkelheit. Kurz glaubte sie, lange graue Haare zu sehen, die wie flüssiges Silber über den Rücken einer Gestalt im Schatten flossen. "Was soll ich tun, Meister Théal?" Die Gestalt im Schatten wandte sich von seinem Schreibtisch ab und kurz fiel Finscéals Blick auf ein rot leuchtendes Auge, dann auf die kreidebleiche, fast wächserne Hand, die ihr ein Blatt Pergament reichte. Die Finger waren lang und feingliedrig, ohne jedoch schwach zu wirken. Mit zitternden Händen nahm Finn das Pergament und betrachtete es. Es zeigte eine Zeichnung eines Mannes, wobei die Schattierungen und Linienführung so exakt war, als handele es sich hier um ein Schwarzweißfoto. Der Mann hatte lange, schwarze Haare, trug ein Stirnband und einen Anhänger mit einer Schicksalsschleife um den Hals. "Dieser Mann nennt sich seit einigen Jahren Fuchs", sagte die Stimme in der Dunkelheit, "Ich möchte, dass du ihn findest!"

Finscéal starrte in die Dunkelheit, doch ihr Meister wünschte keinen erneuten Blickkontakt. Tatsächlich schien es, als habe sich die Dunkelheit um den Oberältesten zusammen gezogen, denn nun konnte sie nicht einmal mehr Umrisse sehen, obwohl er nicht einmal zwei Schritte entfernt war. Nachdenklich trat sie ein wenig zurück und schaute erneut auf das Pergament. War der Fuchs nicht ein Rebell, der im Süden des Landes aktiv war? "Ich habe den Fuchs als hitzköpfigen, sturen Bengel in Erinnerung, der mehr Ärger macht, als er vertragen kann." Finn schaute bei den Worten ihres Mentors auf, wusste nicht, ob da Humor oder Ärger in der Stimme lag. Die Worte des Oberältesten waren stets wohlformuliert, nahezu melodiös. Manchmal jedoch waren sie schwer zu deuten. "Meine Träume jedoch haben mich nie in die Irre geführt und ich spüre, dass dieser Knabe etwas mit den aktuellen - und zukünftigen - Geschehnissen zu tun hat. Draußen wartet Niceven mit einem Umschlag. Er enthält alles, was du für deine Suche brauchst." Finscéal merkte, wie die Unruhe in ihr wuchs. Warum wurde gerade sie für diese Suche auserwählt? Sie öffnete bereits den Mund, doch Théal schnitt ihr das Wort ab: "Sei wachsam, schau dir die Medien der Menschen an. Der Fuchs kann nicht anders, als irgendwie auf sich aufmerksam zu machen. Als sei er prädestiniert dafür, Unruhe zu stiften. Du wirst ihn früher oder später finden. Doch sei wachsam, Kind! Mächtige Wesen mögen dir bei deiner Suche begegnen und die wenigsten werden dir freundlich gesinnt sein. Die Welt außerhalb des Waldes ist ein rauer, herzloser Ort. Doch vergiss nicht: Wenn du deine Prinzipien immer im Herzen hast, dann bist du Teil der Natur und die Natur ist Teil von dir. Habe keine Angst, Finscéal! Denn deine Ausbildung und deine Intelligenz sprechen für dich. Deshalb schicke ich dich!" Und es war, als würden seine Worte ihr Mut geben, Finns Seele selbst mit Zuversicht füllen. Sie nickte eifrig und nach einem letzten Blick auf das Pergament faltete sie dieses zusammen und steckte es in eine Tasche ihrer neuen Robe. "Aber wenn ich den Fuchs gefunden habe", fragte Finscéal etwas nervös und konzentrierte sich auf die Dunkelheit vor ihr, "Was soll ich dann tun?" Noch immer konnte sie nicht einmal einen Umriss in der Finsternis ausmachen. Dann jedoch sah sie wieder das eine, strahlend rote Auge im Schatten leuchten. Der Oberälteste antwortete mit nur zwei Worten.
 
Die Beschreibung von Aril fand ich eigentlich ganz in Ordnung, auch wenn es etwas schwierig ist, sich eine Art vertikale Stadt inmitten eines Vulkans vorzustellen. Aber du hast das schon ganz gut hin gekriegt. Tja, du hast hier einige neue Charaktere vorgestellt und ich fand den Teil an sich ganz okay, bin natürlich gespannt, was genau Finn mit dem Fuchs anstellen soll. Hast du ein Faible für Typen mit roten Augen? Weiß nicht so recht, was ich vom Oberältesten halten soll. Der Kampf gegen die Leute von AEGIS war etwas kurz, aber dafür intensiv. Die haben mit ihren Rüstungen ja auch ganz gut ausgeteilt. Das die Vaishara sich Druiden nennen und scheinbar im Wald leben, find ich mal interessent. Bin gespannt, was die Höhlen mit dem "größten Geheimnis von AEGIS" zu tun haben. Freu mich, wenns weiter geht.
 
Zum Thema "rote Augen": Die haben einen Hintergrund und sind nicht wirklich auf ein Faible zurückzuführen. Dies jetzt zu erklären würde aber im Augenblick zu viel verraten, daher verweise ich einfach einmal auf's RPG, in welchem das bald aufgeklärt wird.

Sascha, ich komme im Moment leider zu rein gar nichts, aber sei Dir versichert, dass ich die Geschichte noch immer verfolge. Mir gefällt, wie Du Théal präsentierst. Passt zu meiner Vorstellung des Guten. Ein ausführlicheres Review folgt, sobald ich wieder etwas Zeit entbehren kann.
 
@Chris:

Hab mir schon gedacht, dass du wenig Zeit hast. Oder das du entsetzt einen großen Bogen um die FanFic machst *gg* Nee, ich weiß ja, das dein Durchschnittstag immer sehr stressig und verplant ist und es sei dir auch mal etwas Freizeit gegönnt ohne dass du irgendwo schreiben musst. Ich bin froh, dass ich Théal einigermaßen zu deiner Zufriedenheit dargestellt habe. Wir haben uns ja über ihn unterhalten und obwohl ich seine Worte gerne "mystischer" gewählt hätte, habe ich doch versucht, ihn dem nahe zu bringen, was du mir über ihn erzählt hast. Freu mich über jede Art von Kritik, aber ich hoffe, du gönnst dir auch mal etwas Ruhe. Einfach mal seine Ruhe haben, ohne Pflichten oder Zwänge ist nämlich etwas Wunderbares...

@Quinn:

Ich fand eine vertikale Stadt, annähernd in der Form eines riesigen Wolkenkratzers oder Zylinders glaubhafter und logischer als eine große, runde Plattform über einem Lavasee. Nach Möglichkeit frage ich Chris nach Fakten über Orte und Charaktere aber Aril zu beschreiben war wirklich nicht einfach. Aber so an sich ist es schon ein interessanter Ort und ich werde sehen, dass da noch einige Beschreibungen dazu kommen. Was die neuen Charaktere betrifft, da kommen noch einige dazu und ich gebe mir Mühe, dass alle gleichermaßen interessant sind, gleichermaßen in die Story eingebunden werden. Wobei manche Charaktere natürlich eindeutig Nebencharaktere sind. Wie Chris schon sagte, habe ich kein Faible für rote Augen, vielmehr hat alles einen gewissen Hintergrund. Immerhin ist dies eine FanFic und trotz mancher Freiheiten und Improvisation versuch ich schon, dass sich alles nicht mit Chris' Vorstellungen und Beschreibungen beißt.


So, weiter geht's. Mit folgendem Part hab ich mich irgendwie richtig abgequält. Bin auch noch immer sehr unzufrieden damit, hab jedoch keine Ahnung, wie ich es hätte besser machen können. Die lange Fahrt nach Sagon gefiel mir nicht und das Ende in Sagon hätte ich sicher auch besser und spannender schildern können. Andererseits habe ich auch den von mir geplanten Inhalt rüber gebracht, auch wenn mir das "wie" einfach nicht gefällt. Trotzdem: Viel Spaß beim Lesen!

------------------------------------------------------



25. Januar, 1997: Sagon
Die vergangenen Stunden waren mehr als anstrengend gewesen. Richard und Joey hatten laut Anweisungen des Fuchses einen Schwebetransporter gekauft, einen massigen Kleintransporter vom Typ Vindler mit vier breiten Bankreihen für jeweils drei Personen. Während sich alle anderen ein wenig ausgeruht hatten, hatten Richard und Joey stundenlang am Vindler gewerkelt, den Antrieb des Fahrzeugs verbessert, zusätzliche Repulsorspulen und Batterien eingebaut, Panzerplatten angebracht und die Fenster durch Panzerglas ersetzt. Die Brüder hatten sich kein bisschen Ruhe gegönnt, hatten sich lieber voller Begeisterung dem neu erworbenen Fahrzeug gewidmet und modifizierten es in solchem Ausmaß, dass es kaum noch dem Ursprungsmodell glich. Am Ende war aus dem Kleintransporter mit den großen Fenster und der riesigen, ovalen Frontscheibe eine schwebende Festung geworden. Richard und Joey waren zwar nicht besonders zufrieden gewesen und hatten betont, mit etwas mehr Zeit noch beeindruckendere Verbesserungen vornehmen zu können, doch der Fuchs wollte und konnte ihnen diese Zeit nicht geben. Aufgrund seiner Verletzungen blieb Bill zurück um auf den Unterschlupf aufzupassen, während sich Evelyn nach einer Mütze voll Schlaf und einem kurzen Frühstück auf den Weg machte, um den Monolithen zu beobachten und eventuelle Schachzüge von AEGIS sofort berichten zu können. Um 14 Uhr nachmittags hatten sich die anderen mit dem Vindler aufgemacht um den Gefangenentransporter ausfindig zu machen und abzufangen. Garth hatte sich ans Steuer gesetzt, während Richard und Joey sich auf der dritten Bank ein wenig Schlaf gegönnt hatten. Beide lehnten sich an die Türen und sehr zum Leidwesen von Kassandra - die in der Mitte saß - schnarchten beide nicht gerade leise. Die hinterste Bank bot nur noch Platz für eine Person, war ansonsten voller Batterien für die Antriebsspulen. Tessa und der Fuchs saßen vorne neben Garth. Während der Fuchs eine Straßenkarte in den Händen hielt, konzentrierte sich Tessa darauf, möglicherweise den von ihnen gesuchten Gefangenen aufzuspüren. Sie konnte Personen spüren und sogar Mensch von Vaishara unterscheiden. Vielleicht würde sie den entscheidenden Vorteil verschaffen, wobei sie unmöglich die genaue Route des Gefangenentransporters heraus finden konnten. Was genau sie eigentlich machen sollten, wenn der Transporter bereits nach Iserion zurück gekehrt war oder eine andere Route fuhr - etwa über Eagis oder Sagon - wagte sich niemand zu fragen. Phönix, Nue und Kathy saßen auf der zweiten Bank und während Phönix gelegentlich die Risiken dieses Ausflugs betonte, schliefen die beiden anderen noch ein wenig.

Der Fuchs hatte immer wieder Anrufe getätigt, "alte Gefallen" eingefordert und dafür gesorgt, dass die Untergrundröhren- und Bahnhöfe in Iserion, Eagis, Tinroth, Arhath und Sagon beobachtet wurden. Oberirdische Straßen gab es nur innerhalb der Wälle. Zwar gab es mehr als genug Ausweichmöglichkeiten für den Gefangenentransporter, doch ganz unwahrscheinlich war es nicht, ihn ausfindig zu machen. Dann schließlich war ein Anruf gekommen, dass ein Gefangenentransporter den Untergrundbahnhof von Sagon verlassen hatte - aus Richtung Arhath. Es schien, als habe sich AEGIS doch noch dazu entschlossen, den Transporter zurück nach Iserion zu rufen. "Darf ich dir eine Frage stellen, Fuchs?", begann Kathy nachdem sie aufgewacht war und Garth mit dem Vindler nun im Untergrund-Terminal von Arhath die U-Tube gen Sagon ansteuerte, "Wenn du so viele Kontakte, Freunde und Verbündete hast, warum hast du dann nicht öfters Erfolg?" Trotz der forschen Frage des jungen Mädchens hatte der Fuchs gelächelt und sich zu ihr umgedreht. "Du weißt doch, dass ich von einer friedlichen Koexistenz von Menschen und Vaishara träume. Zahlreiche Vaishara und auch Menschen teilen diesen Traum." Der Fuchs lächelte noch immer, doch in seinen grauen Augen standen eine Zuversicht und eine Leidenschaft, die Ihresgleichen suchte. "Nicht alle Menschen sind so wie AEGIS. Ich habe einige Freunde. Doch nicht jeder ist bereit, sich offen zu seiner Ansicht zu bekennen oder gar Partei zu ergreifen und gemeinsam mit mir für unser Ziel zu kämpfen. Trotzdem kann ein jeder helfen und etwas tun!" Nun drehte sich der Fuchs wieder um, betrachtete Kathy jedoch durch den Rückspiegel des Vindlers. "So viele Menschen bringen Vaishara bei sich unter und helfen ihnen, nach Aeasis zu entkommen. Andere beobachten AEGIS und berichten, was sie sehen. Zahlreiche Vaishara leben da draußen wie Menschen und bleiben unentdeckt, helfen jedoch trotzdem, wenn es darauf ankommt. Vielleicht sieht unser Unterschlupf wenig prunkvoll aus und vielleicht sind wir wenige - aber glaube ja nicht, dass es wirklich so schlecht für uns steht. Viele teilen meinen Traum und jede noch so kleine Hilfe ist ein Schritt in eine Zukunft ohne Angst, ohne Vorurteile!" Kathy lächelte und nickte. "Ich verstehe", sagte sie entschlossen und beugte sich nach vorne. "Wann sind wir denn endlich da?"

Eine jede Untergrundröhre war ein technologisches Meisterwerk und eigentlich ein Bündel kleinerer Röhren. Es gab Tunnel für Magnetschwebebahnen aus beiden Richtungen, Tunnel für Schwebefahrzeuge und normale Fahrzeuge mit Rädern. Es gab Ersatztunnel, Möglichkeiten zum Wenden und zum Rasten. Gemeinsam mit Wartungstunneln und Sicherheitsabständen war eine Untergrundröhre meistens achtspurig und so hoch wie ein achtstöckiges Gebäude. "Wenn AEGIS in Sagon eine Rast macht, dann kann das nur von Vorteil sein", murmelte Garth und strich sich mit einer Hand durch die kurzen blonden Haare, während er mit der anderen das Steuer fest hielt. "Sie hätten ja auch einen der Fahrzeugtransportzüge nehmen können um schneller zurück in Iserion zu sein. Ich vermute, dass die ganz schön müde sein müssen. Sicher machen die irgendwo Rast. Und genau dann können wir zuschlagen." Phönix schnaubte leise und tippte sich mit dem Zeigefinger auf seine Armbanduhr. "Du vergisst, dass wir kurz nach achtzehn Uhr haben. Bis wir in Sagon sind werden noch ein paar Stunden vergehen und wenn wir Pech haben sind die Leute von AEGIS dann schon längst wieder auf dem Weg nach Iserion. Und wenn sie dann einen der Autozüge nehmen, holen wir sie nie mehr ein. Vielleicht hätten wir in Arhath einen der Fahrzeugtransportzüge nehmen sollen. Dann wären wir schneller in Sagon angekommen und unsere Chancen stünden besser." Tessa brummte und zeigte Phönix über ihre Schulter hinweg den Mittelfinger. "Erzähl mir nie wie meine Chancen stehen, Kyle!" Sie sah ihn kurz warnend an, ehe der Fuchs ihren Kopf sanft aber bestimmt wieder nach vorne richtete. "Immer mit der Ruhe", begann er und klang dabei überraschend optimistisch, "Phönix hat recht. Aber Fakt ist, dass AEGIS den Transporter in Sagon doch mühelos in einen der Autozüge hätten stecken können. Die hätten sich ganz einfach ausruhen können, während der Zug sie nach Iserion bringt. Sie haben sich dafür entschieden, in Sagon eine Pause einzulegen. Und da sie zuvor keinen Autozug benutzt haben - sonst wären sie uns noch weiter voraus - sind die armen Kerle möglicherweise zwölf Stunden unterwegs. Vorausgesetzt, sie haben auf halbem Weg nach Arhath gedreht. Wenn sie bereits in Arhath waren, sind sie schon achtzehn Stunden unterwegs und vielleicht wirklich müde genug, um uns die nötige Zeit und den nötigen Vorteil beim Angriff zu schenken."

"Für mich klingt 'vielleicht' genau so unschön wie 'hätte'", sagte Kathy leise und lehnte sich mit dem Gesicht leicht an Nues Schulter. "Wir dürfen auch nicht vergessen, dass wir noch etwa fünf Stunden unterwegs sind. In diesen fünf Stunden können die uns noch immer entwischen." Der Fuchs nickte zustimmend. "Das ist richtig. Aber ich habe noch immer meine Kontakte und ich bin mir sicher, dass sie den Gefangenentransporter nicht aus den Augen lassen. Wenn AEGIS noch in Sagon bleibt, werden wir es erfahren und zuschlagen." Auf der dritten Sitzbank regten sich Richard und Joey und kurz darauf fuhr Garth auf einen Rastplatz. Garth wechselte den Platz mit Richard und nach wenigen Minuten fuhren sie weiter. Richard gab Vollgas und es schien, als würde seine besondere Gabe den Vindler jenseits seiner Möglichkeiten beschleunigen. Mit sirrenden Repulsorspulen fegte der modifizierte Kleintransporter durch die Untergrundröhre, überholte andere Schwebefahrzeuge wo es nur ging. Joey saß noch immer auf der dritten Bank, hatte die Augen geschlossen. Gelegentlich bat er seinen Bruder, das Tempo ein wenig zu drosseln - es schien, als würde er genau spüren können, wie weit man die Antriebsspulen des Vindlers beanspruchen konnte. Schweigend fuhren sie eine ganze Weile weiter. Garth gönnte sich nun etwas Schlaf und obwohl Kathy ebenfalls immer wieder kurz einschlief war sie es, die die Stille unterbrach. "Mögt ihr mir nicht etwas von euch erzählen?", fragte sie an Phönix gewandt und sah dann zu Nue neben sich und zu Tessa und dem Fuchs vor sich auf der ersten Sitzbank. Der Fuchs lächelte, schüttelte jedoch den Kopf. "Verzeih mir, dass mir nicht danach ist, jetzt meine ganze Lebensgeschichte zu erzählen. Es würde wohl länger dauern als unsere Fahrt und ich bin mit meinen Gedanken ganz woanders." Tatsächlich hielt er noch immer eine Stadtkarte von Sagon in den Händen. Kathy beugte sich nach vorne, legte die Arme auf die Kopflehne der Sitzbank vor sich und sah Tessa neugierig mit ihren dunkelblauen Augen an.

Tessa grinste und zuckte mit den Schultern. "Viel gibt es da nicht zu erzählen, Kleine. Ich war eine Diebin. Wenn man Leute spüren kann, ist es ziemlich einfach, Einzelpersonen ausfindig zu machen und auszurauben. Das hab ich bestimmt zehn Jahre so gemacht und bin auch ganz gut über die Runden gekommen, ohne geschnappt zu werden. Dann allerdings wurde ich von AEGIS erwischt und eingesperrt. Es waren der Fuchs, Garth und Bill, die mich da heraus geholt haben." Sie stieß dem Fuchs einen Ellenbogen in die Seite und sah Kathy dann ernst an. "Ich war ein ziemlich egoistisches Ding. Meine Eltern haben mich raus geworfen. Es geschah mir recht, dass mich AEGIS gepackt hat. Und obwohl ich nur wenige Monate eingesperrt war, hat mich die Zeit dort verändert. Ich habe Glück gehabt." In ihren grauen Augen lag eine gewisse Trauer. "Was ich all die Jahre getan habe war falsch. Ich finde, mein Leben hat nun eine Bedeutung." Tessa schloss die Augen und lehnte sich seitlich an die Tür. Für sie schien das Gespräch beendet und Kathy sah an Nue vorbei zu Phönix, der jedoch die Arme verschränkt hatte und aus dem Fenster sah, ihrem Blick auswich. Nue hielt Kathys Blick eine Weile stand, ehe sie weg sah. "Du bist echt neugierig, weißt du das? Eigentlich spreche ich nicht gerne über die Zeit ehe ich Teil unserer illustren Gruppierung wurde. Der Fuchs hat auch mich aus einen Verlies von AEGIS befreit. Bevor AEGIS mich erwischte war auch ich eine Art Diebin. Allerdings habe ich für Echidna gearbeitet." Nue machte eine Pause und es schien, als würde die Temperatur im Inneren des Vindlers merklich abkühlen. Es dauerte einen Moment, ehe Nue weiter sprach: "Ich war acht Jahre alt, als Echidna mich aus dem Waisenhaus holte. Auch sie hat Mittel und Wege, Menschen von Vaishara zu unterscheiden und sie aufzuspüren und so nahm sie mich mit. Vier Jahre benutzte sie mich. Ich raubte Banken aus, zerstörte zahlreiche Einrichtungen von AEGIS. Bis die Situation irgendwann so brenzlich wurde, dass AEGIS mich schnappen konnte. Echidna ließ mich zurück. Ich war ihr wohl nicht wichtig genug. In ihrem Krieg ist wahrscheinlich jeder entbehrlich. Zwei Jahre war ich eingesperrt. Ich hab AEGIS alles über Echidna erzählt was ich wusste. Dann hat der Fuchs mich befreit." Nue seufzte, schüttelte den Kopf. "Mehr habe ich nicht zu sagen." Kathy sah sie noch einen Moment lang an. "Wie sieht Echidna eigentlich aus? Was hat sie für Kräfte?" Und noch immer schüttelte Nue den Kopf. "Ich bin froh, nicht mehr für sie zu arbeiten. Glaub mir einfach: Die Menschen und besonders AEGIS haben gute Gründe, sie zu fürchten. Sie ist ein fleischgewordener Albtraum!"

Das Fragenstellen war Kathy vorerst vergangen und die Stimmung lag unter dem Gefrierpunkt. Tessa hatte sich in einen unruhigen Schlaf geflüchtet und Nue starrte missmutig ins Leere. Auf der dritten Sitzbank ergriff Kassandra nun das Wort und legte Kathy dabei eine Hand auf die Schulter. "Schwer haben wir alle es wohl irgendwie gehabt. Aber die Gegenwart ist es, die nun zählt. Damit wir eine vernünftige Zukunft aufbauen können." Ihre eisblauen Augen strahlten eine Wärme aus, die die gedrückte Atmosphäre im Vindler etwas zu verbessern schien. "Vergessen dürfen wir unsere Herkunft und unsere Vergangenheit nicht. Aber manche Ereignisse können als Mahnung dienen, heute einfach anders zu handeln." Kassandra lächelte, schüttelte ihre Hände und feine Wassertropfen besprenkelten Nues Haare, die sofort empört herum fuhr. "Du blöde Ziege!", kreischte Nue als sie weitere Tropfen ins Gesicht bekam, doch sie lächelte und an Kathy gewandt sagte sie: "Jeder trägt wohl schlimmere Erinnerungen mit sich herum. Aber beherrschen dürfen sie uns nicht. Wir führen nun ein anderes Leben. Wir haben nun eine Wahl. Und wir haben uns dafür entschieden, mit dem Fuchs zusammen an einer besseren Zukunft zu arbeiten." Kathy nickte und im Rückspiegel konnte sie sehen, dass auch der Fuchs anerkennend lächelte. Wieder fuhren sie schweigend weiter und Richard stellte das Radio an, lauschte dank einem eingebauten Empfänger eine Weile dem Polizeifunk ehe er etwas Musik laufen ließ. Minutenlang lauschten sie den leisen, elektronischen Beats mit sanften Synthesizer-Klängen ehe das Handy vom Fuchs klingelte und sich dessen Gesicht merklich aufhellte. "Melanie hat mir soeben die Position des Gefangenentransports durchgegeben", erklärte er nachdem er das Gespräch beendet hatte. "Sie ist ein Sensortyp genau wie Tessa und hat den Transporter zu einem Rastplatz nahe dem Hafen verfolgt. Außerdem sagte sie, dass der Transporter die Farbe eines Schulbusses hat und die Valkyrien ebenfalls mehrfarbig sind, aufgrund ihres Typs jedoch leicht als Fahrzeuge von AEGIS identifiziert werden können. Es scheint, als hätte sich der Transporter schon eine Weile nicht bewegt. Melanie meint, sie meldet sich, sollte der Transporter seine Position wechseln. Bis dahin bleibt unser Ziel der Rastplatz an der Ecke Stevenson-Silver." Mit einem zufriedenen Lächeln widmete der Fuchs sich wieder dem Stadtplan, während Richard nur umso mehr auf das Gaspedal trat.

Als der Vindler endlich das Untergrund-Terminal von Sagon erreicht hatte und Richard den Kleintransporter ins Freie steuerte, waren alle sichtlich froh, nach der langen Fahrt endlich aus der Röhre raus zu sein. Zwar war das Innere jeder U-Tube gut beleuchtet und weite Teile hatten sogar Hologramme, die Wälder oder andere Landschaften darstellten. Doch am Ende war eine Röhre immer noch eine Röhre, egal wie schön man sie auch von Innen verzierte. Sagon war ein willkommener Anblick, denn die einzige Hafenstadt von Ylesia bestach durch ihre ungewöhnliche Architektur. Die Stadt befand sich nämlich größtenteils auf dem Ozean. Nur die Altstadt stand auf dem Festland, welches in Stufen zum Ozean führte. Der Rest der Stadt war mit dem Kliff des Festlands verankert und schwebte über achthundert Meter über dem Meeresspiegel. Da der Seeverkehr durch den Nebel beinahe vollständig eingestellt wurde, war Sagon bereits seit Jahrzehnten eine zentrale Anlagestelle für Abenteurer und anderen Reisenden der anderen zwei Kontinente. Die Stadt war zu einem kulturellen Schmelztiegel geworden, voller unterschiedlicher Stileinflüsse. Niemand scherte sich hier um die Religion oder Rasse, solange man keinen Ärger machte. Geschützt wurde Sagon durch den Triton-Wall. der nicht nur die Stadt bedeckte, sondern auch den Hafen und einen Teil des Meeres. Die Sicherheitsvorkehrungen waren hier besonders hoch, um die Sicherheit der Stadt zu gewährleisten. Reisende musste mehrere Schleusen passieren und es gab gigantische Landungsbuchten für einkommende und ausgehende Schwebefahrzeuge und es gab Unterseeboote, mit denen man den Nebel erforschte um vielleicht eines Tages eine Lösung zu finden, welche die Schutzwälle obsolet machen und eine Neubesiedlung der Alten Welt möglich machen würde. Die Stadt senkte sich ringförmig dem Kliff entgegen, war somit in mehrere Stadtviertel aufgeteilt, die Richard nun mit dem Vindler durchqueren musste, ehe sie ihren Zielort erreichten. Kassandra weckte Garth auf und der Fuchs riss Tessa unsanft aus ihren Träumen. "Wir müssen noch ein paar Dinge besprechen", begann der Fuchs und faltete den Stadtplan zusammen.

"Der Gefangenentransporter hat die Größe eines Schulbusses und wurde von sechs Valkyrien begleitet. Zwar wissen wir nicht, wie genau der Gefangene dort gesichert wird, doch müssen wir damit rechnen, dass der Bus voller Soldaten ist. Grob geschätzt hat so ein Bus etwa vierzig Sitzplätze. Wenn die jedoch auch einige Soldaten gezwungen haben zu stehen, dann sind es vielleicht sogar mehr als vierzig Soldaten, mit denen wir rechnen müssen." Phönix wartete, bis der Fuchs eine Pause machte und beugte sich nach vorne. "Dann erkläre uns doch bitte, wie wir diesen Bus stürmen sollen ohne jemanden umzubringen. Im Angesicht von so vielen Soldaten stelle ich es mir nämlich schwierig vor, den Gefangenen da raus zu holen ohne... erneut jemanden zu verlieren." Mit einem gedehnten Seufzen lehnte sich Phönix zurück und sah die anderen abwartend an. "Ich werde spüren können, wie viele Soldaten auf uns warten", erklärte Tessa und sah aus dem Fenster. Sie fuhren durch ein Wohnviertel voller rustikaler Altbauten, Fachwerkhäusern und zahlreichen Grünanlagen in allen erdenklichen Größen. "So werde ich auch spüren können, wo genau sich unsere Zielperson innerhalb des Busses befindet. Wenn wir Glück haben, kann Nue zuschlagen und wir können ganz schnell wieder abhauen, ohne große Feuergefechte und andere Fisimatenten." Tessa strich sich durch die kurzen, bunten Haare und lächelte zuversichtlich. Der Fuchs wandte sich in seinem Sitz um und sah die anderen an. "Genau so werden wir es versuchen. Evelyn ist diesmal nicht dabei, um uns mit ihren Illusionen weiter zu helfen, aber Kassandra könnte erneut Nebel aufkommen lassen und Phönix kann eine Ablenkung schaffen. Schneller Zugriff und dann hoffentlich ein noch schnellerer Abgang." Der Fuchs setzte sich wieder hin und plötzlich drehte sich Richard um, hielt mit einer Hand das Steuer und mit der anderen strich er sich durch den Kinnbart. Auf den Verkehr schien er nicht mehr zu achten, doch mysteriöser weise kollidierte er weder mit anderen Fahrzeugen noch kam er von der Straße ab. "Joey und ich haben da noch zwei nette Extras in den Vindler eingebaut, die uns bei der Flucht mehr als helfen werden. Wird schon alles glatt laufen..."

Sie passierten die Altstadt, fuhren durch ein Geschäftsviertel mit zahlreichen Hochhäusern und modernen Neubauten, ließen anschließend ein kleines Industrieviertel hinter sich und flogen dann über den Luftweg ins äußere Hafenviertel, welches allgemein als Diamantenes Dock bezeichnet wurde. Sobald die Touristen die Anlegestellen und Sicherheitskontrollen des Hafens passiert hatten war das Diamantene Dock der erste, große Touristenmagnet. Es war ein riesiges Vergnügungsviertel, verlief parallel zum Hafen und war berühmt für seine Theater, Geschäfte und Restaurants. Es gab nur wenige breite Straßen innerhalb des Viertels, jedoch umso mehr schmale, gewundene Gassen. Besonders nachts nannte man das Dock auch das leuchtende Band, da die zahlreichen kleinen Gebäude nur so vor Neonschildern, Reklametafeln und prunkvollen Lampen strotzten. Das Diamantene Dock war ein Labyrinth aus engen Gehwegen, verbunden durch noch engere Gassen, die kaum Platz für mehr als einen Passanten boten. Kein Gebäude war höher als zwei Stockwerke und manche der kleinen Restaurants, Kneipen oder Porno-Kinos boten gerade einmal Platz für eine Handvoll Besucher. Trotz all der Lampen waren manche Gänge kaum beleuchtet, was manchen Teilen des Diamantenen Docks einen finsteren, heruntergekommenen Anschein verlieh. Die Uhr zeigte nun den Beginn der dreiundzwanzigsten Stunde an und ein dichter Strom an Touristen zog nun in das Viertel um sich zu amüsieren. Der Rastplatz an der Ecke Stevenson-Silver war bereits voller geparkter Fahrzeuge als Richard den Vindler über das Gelände steuerte, als würde er nach einem freien Parkplatz suchen. "Da haben wir unseren Bus", rief Phönix plötzlich und deutete in die Dunkelheit außerhalb des Vindlers. "Kannst du etwas spüren, Tess?" Tessa hatte bereits die Augen geschlossen und konzentrierte sich, nickte dann aber. "Der Gefangene ist im hinteren Teil des Busses, wahrscheinlich auf der hintersten Bank. Die schlechte Nachricht ist, dass ich neununddreißig Menschen innerhalb des Busses spüre." Phönix verzog das Gesicht. "Wenn nur nicht so viele Leute unterwegs wären. Vielleicht sollten wir warten, bis der Transporter wieder aufbricht oder das Ganze komplett abblasen."

"Machen wir es so wie wir es besprochen haben", entgegnete der Fuchs und legte Richard eine Hand auf die Schulter. "Bring uns weiter nach unten, damit Nue besser sehen kann! Kassandra, gib uns Deckung!" Richard tat wie ihm geheißen und flog knapp über den geparkten Fahrzeugen entlang. Natürlich gab es keinen freien Parkplatz mehr, aber so verschaffte er Nue einen besseren Blick auf den Gefangenentransporter. Das junge Mädchen atmete angestrengt ein und aus, strich sich nervös durch die schwarzen Haare und fixierte den Bus, dessen Inneres im Dunkeln lag. Scheinbar schliefen die Soldaten noch. "Das Problem ist nicht das Hineinkommen, sondern die Flucht", erklärte Nue. "In den Bus komme ich ganz leicht, aber zurück in ein sich bewegendes Objekt ist eine ganz andere Sache. Ich möchte ungern mitten in einer Repulsorspule auftauchen und zerfetzt werden." Sie verzog das Gesicht bei der Vorstellung. "Ich kann den Vindler ganz still in der Luft halten, wenn es darauf ankommt", gab Richard sofort zu bedenken und drosselte die Antriebsspulen als würde er seine Worte unterstreichen wollen. Kassandra konzentrierte sich bereits und ganz langsam verschwanden die Lichter des Diamantenen Docks in einem Nebelschleier. Nue atmete noch einmal tief durch, ehe sie die Augen zusammen kniff und plötzlich einfach verschwand, von einer Sekunde auf die andere. Im selben Moment erschien sie außerhalb des Busses, schaute durch die hintere Einstiegstür ins Innere und verschwand erneut. Zwei Sekunden später tauchten zwei Gestalten außerhalb des Busses auf und die Zeit schien plötzlich zäh wie Sirup zu verrinnen. Kaum war Nue mit dem Gefangenen außerhalb des Busses erschienen, verschwanden beide auch schon und tauchten im Inneren des Vindlers auf. Nue landete auf Phönix' Schoß und neben ihr landete ein kleiner, bewusstloser Junge. "Vorsicht", rief Garth plötzlich, denn die Türen des Busses öffneten sich und in der nächsten Sekunde war ein lautes Zischen zu hören, als eine Boden-Luft-Rakete abgefeuert wurde. Richard drückte einen Knopf auf dem Armaturenbrett und der Vindler machte einen Satz nach vorne, als die Antriebsspulen ungesund aufkreischten und den Transporter stark beschleunigten. Die Rakete mit ihrem Infrarot-Suchkopf nahm jedoch die Verfolgung auf. Kathy reagierte blitzschnell und zerschlug das Panzerglas auf ihrer Fensterseite, zog den Kopf ein und rief Phönix' Namen, der sofort begriff und eine seiner grell leuchtenden Funkenkugeln durch das offene Fenster schleuderte, in der Hoffnung, mit der Hitze die Aufmerksamkeit der Rakete abzulenken.

Tatsächlich folgte die Rakete der leuchtenden Funkenkugel, traf sie und explodierte in einem noch helleren Feuerball. "Das war eine Falle", keuchte Nue und schnappte nach Luft, während Richard den Vindler rasch vom Diamantenen Dock fort bringen wollte. "Die waren fast alle wach und ich hab Glück gehabt, dass ich den Jungen packen und mich noch rechtzeitig raus teleportieren konnte. Die haben nur auf uns gewartet und die wussten ganz genau, dass wir sie im Vindler umkreist haben!" Allen anderen stand das Entsetzen ins Gesicht geschrieben. "Wie?" wollte der Fuchs wissen, doch Nue konnte nur mit den Schultern zucken. "Darüber können wir uns gerne Gedanken machen, wenn wir entkommen sind", rief Tessa gereizt, "Die haben nämlich schon die Verfolgung aufgenommen. Wir sind vielleicht schneller als der Bus, aber nicht schneller als die Valkyrien. Und ich spüre mehr als nur sechs Valkyrien, die sich uns nähern. Allerdings aus allen Richtungen!" Richard sah panisch in den Rückspiegel, dann in den Seitenspiegel, ehe er sein Tempo rasch drosselte, langsam auf einer der Straßen aufsetzte und dabei einen weiteren Knopf drückte. "Bis vorhin haben sie noch einen himmelblauen Vindler gesucht. Nun jedoch haben wir einen schwarzen", erklärte er triumphierend. "Neueste Technologie. Nanobots, die via Knopfdruck die Farbe des Lacks verändern, indem sie sich anders anordnen." Das breite Grinsen schwand jedoch schnell aus seinem Gesicht, als der Vindler unter den Einschlägen von Lasersalven erzitterte. Sofort gab er wieder Gas und hob von der Straße ab, während Kassandra mit Garth den Platz tauschte, Tessa mit dem Fuchs und Kathy kurz zu Phönix kletterte und dessen Fenster einschlug, ehe sie sich wieder hinsetzte, anschnallte und umdrehte um das Fenster für Kassandra zu zerschlagen. "So viel zum Thema, dass wir niemanden umbringen müssen", beschwerte sich Phönix und schleuderte einen knisternden Funkenball nach draußen und zwang eine der verfolgenden Valkyrien zu einem Ausweichmanöver. "Oder gibt es noch einen Knopf, der diese Kiste unsichtbar macht? Ich bin für alles offen, geizt bitte nicht mit tollen Ideen die uns das Leben retten könnten, ja?"

Helle Lasersalven zischten rechts am Vindler vorbei und zwangen Richard zu einem Ausweichmanöver, bei dem er das Lenkrad heftig drehte und fast eine Haarnadelkurve flog. Die Antriebsspulen des Vindler ächzten und trotz des Trägheitskompensators wurden alle Insassen unsanft in ihre Sitze gedrückt. "Das dürften ein Dutzend Aircycles sein", kommentierte Tessa mit geschlossenen Augen, "Aber Richard ist ihrem Zugriff entkommen und sie alle sind nun hinter uns." Hinter ihnen rasten die Valkyrien heran, wurden zuerst zu dunklen Umrissen im Nachthimmel, dann enthüllte ihr Laserfeuer ihre genaue Position als sie versuchten, den Vindler in die Zange zu nehmen. Schon erbebte der Transporter unter den Lasersalven, die gegen die Außenpanzerung schlugen. Kassandra versuchte, mit Nebelschwaden die Sicht der Angreifer zu stören, doch bei solch hohen Geschwindigkeiten war es zu schwierig, Nebel zu erschaffen. Phönix hingegen schoss mit knisternden Kugeln auf die Aircycles, begnügte sich jedoch dabei, sie lediglich zum Ausweichen zu zwingen. Dann jedoch änderten die Valkyrien ihre Taktik, griffen in zwei Spitzen an und hängten sich unter und über den Vindler und feuerten mit ihren Lasern. "Ausweichen, Richard! Keine gerade Flugbahn!", rief Joey und konzentrierte sich auf den Vindler, als könnte sein reiner Wille die Spulen am Laufen halten. Richard riss den Vindler herum und fluchte leise, als das Fahrzeug trotzdem weiter unter heftigem Beschuss erzitterte. "Ich weiß nicht, was ich machen soll", brüllte er und gab erneut Schub auf die Spulen um wenigstens etwas Distanz zwischen sich und die Verfolger zu schaffen. Kassandra schleuderte Wasserkugeln auf die Valkyrien, während Phönix zwischen seinen Händen ein knisterndes Band erschuf, welches sich hinter dem Vindler zu einem gleißenden, hellen Feld ausdehnte, welches Lasersalven abwehrte und außerdem die Piloten der Aircycles kurzzeitig blendete. Doch die Atempause dauerte nicht lange und schnell sengten weitere Treffer über das Dach des Vindlers. "Wir müssen die abhängen, sonst bringt es uns auch nichts, wenn wir das Untergrund-Terminal erreichen", knurrte Phönix und schleuderte weitere knisternde Funkenbälle aus dem Fenster. Dann krachte es und der Vindler bebte und bockte und Richard und Joey schrien durcheinander, verzweifelt nach einem Ausweg suchend. Eine der Antriebsspulen war getroffen worden und weitere solche Treffer würde der Vindler nicht überstehen können.

"Flieg wieder gen Hafen und versuch, den Vindler unter die Plattform zu bringen! Vielleicht können wir die Valkyrien dort abhängen", schlug Joey vor und entlockte Richard nur ein missmutiges Knurren, ehe er jedoch erneut eine Kurve flog. Das Gewitter aus Laserblitzen ließ jedoch nicht nach und eine Salve brannte einen schwarzen Fleck in das Panzerglas der Beifahrertür. Der Fuchs verformte das Material nun, erschuf ein Loch und nutzte seine Gabe, um Lasersalven abzulenken, was bei derart vielen Verfolgern jedoch unmöglich war. Ein weiterer Treffer sprengte das Heckfenster und Durchzug schüttelte nun die Insassen des Vindlers durch. Um sie herum glühten Lasersalven in der Dunkelheit der Nacht und zwölf Valkyrien rasten noch immer hinter ihnen her. Plötzlich versuchte Richard eine Haarnadelkurve, raste den verfolgenden Aircycles entgegen und zwang sie zum Ausweichen. Hastig ging Richard hinter einer Reihe höherer Gebäude in Deckung und gab Gas, doch es dauerte nicht lange und die Aircycles hatten den Transporter wieder in Reichweite ihrer Laser. Richard warf das Fahrzeug von einer Seite zur anderen, während der Fuchs, Phönix und Kassandra ihr Bestes gaben, um die Verfolger zu stören. Ein weiterer Treffer schüttelte sie durch und der Fuchs knallte mit dem Kopf gegen die Beifahrertür. "Wir haben gerade eine weitere Antriebsspule verloren", murrte Joey und biss die Zähne zusammen, konzentrierte sich darauf, das Fahrzeug irgendwie am Funktionieren zu halten. "Ihr müsst das Ganze mal positiv sehen", rief Kassandra in einem Anflug von Galgenhumor und parierte eine Lasersalve mit einer großen Kugel aus Wasser, "Wenn wir dieser Zwickmühle entkommen, werden wir in den Zeitungen von ganz Ylesia stehen, da bin ich mir sicher." Ehe jemand eine bissige Antwort von sich geben konnte, krachte es erneut und der Vindler verlor an Höhe, als die verbliebenen Spulen das Gewicht des Transporters nicht mehr länger tragen konnten. Richard zerrte am Lenkrad und versuchte alles, um den Sturz zu verhindern oder wenigstens abzubremsen. Doch weitere Lasersalven schlugen in die Unterseite des Vindlers und beschleunigten damit nur dessen Absturz. "Wir stürzen doch schon ab, verdammt!", knurrte Phönix und schleuderte eine grelle Kugel aus dem Fenster, in der Hoffnung, die Verfolger zu blenden. "Was wollen die denn noch?" Doch er kannte die Antwort bereits: AEGIS wollte, dass der Vindler spätestens beim Aufprall explodierte und die Insassen auslöschte. Diesmal wollte sich AEGIS nicht mit Gefangenen herum ärgern, sondern kurzen Prozess machen. Phönix vermutete, dass sie selbst ohne weiteren Beschuss die Nacht nicht überleben würden.

Während sie an Hochhäusern vorbei stürzten, erblickten die Insassen des malträtierten Vindlers das leuchtende Band vor sich. Richard zerrte nach wie vor am Lenkrad, doch ein Großteil der Antriebs- und Manövrierspulen war bereits zerstört. Nun galt es zu verhindern, dass der Vindler gar über den Rand der Stadt hinaus flog und ins Meer stürzte. Der Fuchs legte beide Hände gegen die Frontscheibe und trotz der dicken Beule auf seiner Stirn konzentrierte er sich, versuchte, den Sturz abzubremsen. Ein weiterer Treffer schüttelte das Fahrzeug durch und der Fuchs biss die Zähne zusammen, während er sich darauf konzentrierte den Vindler zu bremsen. Die Lichter des Diamantenen Docks näherten sich rasch und noch immer prasselten Lasersalven auf den Transporter ein, der bereits einen dicken Schweif aus schwarzem Rauch hinter sich her zog. "Ich bin definitiv offen für Vorschläge", knurrte Richard und ließ das Lenkrad los, als das Fahrzeug ohnehin nicht mehr reagierte. "Anschnallen!", kreischte Kathy und kauerte sich regelrecht zusammen. Hinter dem Diamantenen Dock lag die Dunkelheit der Anlegestellen und direkt dahinter war der tiefe Abgrund der direkt ins Meer führen würde. Kathy presste die Lippen aufeinander um nicht vor Angst zu wimmern und sah zur Seite, wo Phönix noch immer Funkenbälle auf die Verfolger schleuderte. Nue klammerte sich verzweifelt an das einzige, an was sie sich momentan klammern konnte: An den kleinen Jungen neben sich, der immer noch bewusstlos war. Der Knabe hatte kurze, violette Haare und trug einen weißen Kittel. Zu schade, dass er nicht einmal kurz die Freiheit genießen konnte, dachte sich Kathy und schloss die Augen, als würde es den Absturz irgendwie erleichtern. Dann krachte es laut, als der Vindler gegen eines der Neonschilder krachte, seitlich ins Trudeln geriet und dann auf die Straße zwischen dem Diamantenen Dock und den Anlegestellen krachte. Metall kratzte über Asphalt und schlug kreischend Funken, als das Fahrzeug auf der Straße aufsetzte. Kurz danach wurde es für alle stockfinster, als sie mit kaum gebremster Wucht gegen die Wand eines der angrenzenden Gebäude geschmettert wurden und sowohl ihre Flucht als auch ihr Absturz ein jähes Ende nahmen.
 
Die Autofahrt... Naja, du hast hier 9 Stunden Fahrt darstellen müssen. Vielleicht hast du dir da die Entfernungen falsch überlegt, hättest es irgendwie kürzen können, so dass die Fahrt eben nicht so lange dauert. Zum Beispiel hätten Richard und Joey ja vielleicht durchaus länger beim Basteln am Transporter brauchen können und möglicherweise wäre der Transporter schnell genug um die Fahrt eben in weniger Stunden zu bewältigen. Naja, im Nachhinein ist es eigentlich egal. Du hast die Fahrt genutzt, um erneut die Ideale vom Fuchs zu erläutern und hast die Hintergründe von Tessa und Nue ein wenig angeschnitten. Das gefiel mir, war aber auch ein wenig kurz gehalten. Besonders über Nues Zeit bei Echidna hätte ich gerne mehr gelesen. Die Beschreibung von Sagon fand ich gelungen und ich bin gespannt, wie der Fuchs und seine Leute nun da heil heraus kommen wollen. Fand es ganz nett, dass Nue den Jungen - Darklighter? - so schnell retten konnte, sich nun jedoch andererseits eine nette Verfolgungsjagd abspielte die wohl in einem Konflikt gipfeln wird. Bin gespannt, wie das ausgehen wird und warum AEGIS die Vaishara eigentlich bereits erwartet hat.
 
@Quinn:

Ja, vielleicht hab ich die Entfernung falsch gewählt und hätte die Autofahrt irgendwie verkürzen sollen. Aber ich hab ja auch einiges per Rückblende erzählt und man kann eben auch davon ausgehen, dass viel während der Fahrt geschlafen wurde - oder man einfach nur angespannt geschwiegen hat. Ich hab mir da wirklich lange die Zähne dran ausgebissen - vielleicht die größte Schwierigkeit beim Schreiben, der ich mich in all den Jahren des Geschichtenschreibens stellen musste. Mag sein, dass der Part mittelmäßig oder gar schlecht war, aber nun geht es weiter und ich hab noch einige Pläne - und werde versuchen, so etwas wie die Autofahrt in Zukunft zu vermeiden. Ja, mag sein, dass ich manche Beschreibungen kurz gehalten hab, werde aber sicher noch weitere solcher Hintergründe einfügen. Darklighter? Tjoa, im Voraus verrate ich nichts. Die Puzzlestücke werden sich schon zusammen fügen, aber ich werde sehen, dass es spannend bleibt ^^


Mit folgendem Part bin ich recht zufrieden und hoffe, ihr auch! Wieder einige Stücke dem Puzzle hinzu gefügt. Allerdings wurmt es mich, Ambrosia nicht mit einem irre komplexen Wortsalat erklärt zu haben. Mehr als "Artifizielle-manah-bindende" fiel mir nicht ein. Euch vielleicht? Viel Spaß beim Lesen!

------------------------------------------------------



Das hübsche junge Paar saß an einem Tisch für zwei Personen direkt am Fenster in der Nähe des Eingangs eines Restaurants am Rande des Diamantenen Docks. Beide knabberten an einem in Stücke geschnittenen, dampfenden Kräuterbaguette und unterhielten sich leise, der junge Mann trank Orangensaft und die Frau nippte gelegentlich an einer Tasse Früchtetee. Niemand vom Personal erinnerte sich genau, wann die beiden hereingekommen waren - oder wer ihre Bestellung aufgenommen hatte. Aber da es ihnen gut zu gehen schien, machte sich darüber auch niemand Sorgen. Überhaupt schien ihre Anwesenheit im Restaurant völlig normal zu sein.
Der junge Mann schien ungefähr achtzehn Jahre alt zu sein. Er war schlank, hatte schulterlange, schwarze Haare und hellblaue Augen. Nahezu stetig war er am Lächeln, hatte sein weißes Hemd am Kragen geöffnet und heute ausnahmsweise auf eine Krawatte verzichtet, trug jedoch wie so oft eine schwarze Hose und ebenso schwarze Lederschuhe.
Seine Gefährtin trug heute eine exotische Tracht aus dem südlichen Kontinent, dem Dalwar aus den Wüsten von Tanua nicht unähnlich. Sie trug ein knielanges, orangenes Hemd über einer gleichfarbigen Pluderhose. Das Hemd war ab der Hüfte abwärts geschlitzt um mehr Bewegungsfreiheit zu ermöglichen. Ein langer, breiter Seidenschal - genannt Dupatta - hatte sie sich um die Schultern und den Hals gelegt. Das orangene Gewand war voller gelber Verzierungen und passte hervorragend zu den langen, roten Haaren, ließ jedoch die grünen Augen umso mehr hervorstechen. Sie trug nur einen Hauch von Make-up und die weitgeschnittene Kleidung konnte die üppigen Kurven ihrer Figur nicht verbergen. Während man den Mann nur als hübsch bezeichnen konnte, würde jeder die etwas jüngere Frau atemberaubend nennen. Allerdings sah niemand im Restaurant in ihre Richtung. Sie wollte es so. Und ihre Wünsche gingen meistens in Erfüllung. Gerade schluckte sie einen Bissen Kräuterbaguette hinunter, lächelte ihren Gegenüber an und faltete die Hände auf dem Tisch.

"Drei Männer - Menschen - schnüffelten in Aril herum", begann die junge Frau. Ihre Stimme war weich, unglaublich gelassen und damit auch sehr beruhigend. Es war zwar nicht ihr richtiger Name, aber sie nannte sich Arikel. "Menschen, die etwas über die ansässigen Druiden, über das Höhlensystem unter der Stadt und über AEGIS wissen wollten. Ich glaube, da geht etwas nicht mit rechten Dingen zu."
"Das befürchte ich auch", antwortete der junge Mann, der auf den Namen Michael hörte. Trotz des ernsten Gesprächsthemas war seine Stimme heiter, optimistisch ohne jedoch allzu belustigt zu wirken. "Die drei Männer wurden jedoch aus dem Verkehr gezogen. Einer wurde von AEGIS gepackt, die beiden anderen von den Baumkuschlern. Wie gut, dass unsere Spione in Aril noch nicht entdeckt wurden." Er hob eine Hand und winkte die Bedienung heran, bestellte sich einen Teller mit auserwählten Meeresfrüchten und ein weiteres Glas Orangensaft. Arikel schüttelte den Kopf und lehnte weiteres Essen ab, nippte erneut an ihrer Teetasse und als der Kellner außer Hörweite war, schüttelte sie tadelnd den Kopf. "Du solltest etwas mehr Respekt zeigen. Es heißt, der Oberälteste könne alleine mit Worten den Verstand eines Menschen zerschmettern, wenn er es darauf anlegen würde. Und er soll Gedanken lesen können. Falls es dich also je nach Aril führt, solltest du wirklich mehr Ehrfurcht zeigen. Hast du schon daran gedacht, dass unsere Leute in Aril längst entdeckt wurden, jedoch toleriert werden?" Sie stellte ihre Tasse ab und faltete erneut die Hände. "Zwei Männer wurden in Iserion beim Spitzeln beobachtet. Haben sich in Vaishara-Kreisen nach AEGIS umgehört und als sie deren Einrichtung dort allzu offensichtlich umkreisten wurden beide einfach abgeknallt. Die Leichen waren längst entsorgt noch ehe die Polizei überhaupt angerufen wurde." Michael öffnete den Mund, schwieg jedoch, als der Kellner das bestellte Essen und ein Glas Orangensaft brachte. Sofort leerte er das Glas, ehe er sich mit der Gabel ein Stück frittierten Tintenfisch in den Mund führte.

"Vielleicht sind das Leute vom Fuchs", vermutete Michael nachdem er aufgekaut und geschluckt hatte. "Du weißt ja, er ist nicht besonders subtil was seine Operationen angeht. So viele Leute, wie der schon verloren hat..." Arikel fixierte ihn mit smaragdgrünen Augen und Michael schwieg, legte jedoch den Kopf etwas schräg und sah seine Gefährtin fragend an. "Du siehst aus, als kümmere es dich. Hab ich da einen Nerv getroffen?" Und Arikel lächelte, bleckte dabei leicht ihre Zähne und als sie sprach, war ihre Stimme tief, fast verführerisch und doch irgendwie bedrohlich: "Schon wieder dieser Mangel an Respekt. Du weißt ganz genau, dass ich einst für den Fuchs gearbeitet habe. Lass dir gesagt sein, dass er besser planen kann, als es den Anschein hat. Und er würde niemals absichtlich Menschen in Gefahr bringen. Jemand anderes muss die Schnüffler angeworben haben. Und wir haben keine Ahnung, wer. Allerdings bin ich mir sehr sicher, dass das nichts Gutes bedeutet."
Michael sah den Teller vor sich einen Moment lang missmutig an, ehe er erneut die Gabel gen Mund führte und dabei Arikel fragend ansah. "Und du hast keine Ahnung, wer genau da seine Nase in fremde Angelegenheiten steckt?" Die junge Frau schüttelte mit dem Kopf und schmunzelte, schüttelte tadelnd den Kopf. "Du weißt genau, dass ich trotz meiner Gaben dennoch nicht in der Lage bin, weit in die Zukunft zu sehen und so die Wirren und Mysterien der Gegenwart zu entschlüsseln. Wenn ich etwas wüsste, hätte ich es bereits gesagt. Wir sollten uns vorerst auf das Hier und Jetzt konzentrieren. Das wird heute noch schwierig genug für uns." Im Hintergrund wurde die Musik ein wenig lauter, die altertümlichen, exotisch anmutenden Gitarrenklänge aus der Musikanlage beim Tresen hallten durch das Restaurant. Niemand im Restaurant störte sich an der etwas lauteren Musik. Und niemand schien zu bemerken, dass die Anlage lauter spielte, obwohl niemand in der Nähe gestanden hatte um sie lauter zu stellen. Die Rothaarige lächelte und genoss die Musik und Michael beugte sich nach vorne, hob eine Augenbraue. "Habe ich dich jemals gefragt, warum du eigentlich den Fuchs und seine Bande verlassen hast und zu uns gekommen bist?"

Arikels Lächeln bekam eine geheimnisvolle Nuance und sie lehnte sich entspannt zurück. "Ich hatte gute Gründe, die allerdings wenig mit dem Fuchs zu tun hatten. Ich bin zufrieden damit, wie es nun für mich läuft." Sie griff nach ihrem Tee und nippte an der Tasse. Michaels Lächeln jedoch war verblasst. "Warum habe ich bei deinem Lächeln nur das Gefühl, dass du noch gefährlicher als Echidna bist? Wer von euch würde wohl eine direkte Auseinandersetzung gewinnen?" Michaels eisblaue Augen funkelten und Arikel hielt seinem Blick stand, beugte sich wieder nach vorne und stellte ihre Tasse ab. "Vielleicht bin ich noch gefährlicher als Echidna", antwortete sie und schmunzelte, "Aber vielleicht halte ich mich einfach lieber im Hintergrund. Niemals würde ich gegen Echidna kämpfen wollen. Wir stehen ja schließlich auf derselben Seite." Das Misstrauen wich nicht aus Michaels Augen, doch er lächelte und strich sich durch die schwarzen Haare. "Warum bist du wirklich hier? Bist du eine Spionin vom Fuchs? So wie du redest und grinst glaube ich, dass du uns alle nur zum Narren hältst." Nun war es Arikel, die mit dem Lächeln aufhörte und ihre smaragdgrünen Augen fixierte ihren Gegenüber. "Ich arbeitete nicht mehr für den Fuchs. Aber vielleicht will ich aufpassen, dass Echidna nicht völlig ausrastet. Wenn ich ihr dafür das eine oder andere Mal helfen muss, soll mir das nur recht sein. Aber ich halte ihre Einstellung für falsch. Wie sieht es mit dir aus, Michael? Denkst du wirklich, alle Menschen sollten einfach ausgerottet werden?" Forschend taxierten sie einander. Michael war der erste, der zur Seite sah. Langsam schüttelte er den Kopf. "Ausrotten ist ein harter Begriff. Aber ich habe gesehen, zu was die Menschen fähig sind. Ich habe Hexen gesehen, die wie Tiere zusammengepfercht wurden. Kleine Kinder, die wie Missgeburten angestarrt wurden und einfach abgeknallt wurden. Ich glaube nicht, dass es Frieden geben wird, indem wir einfach nur weg gucken und auf das Beste hoffen. Wir Vaishara müssen für unsere Freiheit kämpfen und sie uns notfalls mit Gewalt nehmen. Nur so werden die Menschen erkennen, dass wir gleichberechtigt sind. Wenn Furcht am Ende für ein Gleichgewicht der Kräfte sorgt, dann soll es eben so sein. Echidna weiß schon, was sie tut. Und deshalb stehe ich auf ihrer Seite, seit sie mich damals auf der Straße aufgabelte."

Arikel seufzte leise und leerte ihre Teetasse. "Furcht wird irgendwann Hass mit sich bringen. So kann es keinen Frieden geben. Unterdrückung wird immer zu Widerstand führen. Deshalb bin ich hier. Eigentlich geht es mir nur um AEGIS. Ich vermute, du hast mit deiner Einschätzung der Situation recht: Wenn niemand etwas für den Frieden tut, wird es auch keinen geben. AEGIS wird immer Jagd auf unseresgleichen machen. Da ist kein Platz für Toleranz oder Gnade oder Zögern. Aber trotz allem dürfen wir nicht zu dem werden, was wir bekämpfen." Sie machte eine Pause und strich sich eine rote Haarsträhne aus dem Gesicht. "Ich bin hier, damit Echidna das nicht völlig vergisst. Die Menschen und insbesondere AEGIS sehen sie als ein Monster. Fleischgewordener Albtraum nennt man sie. Sie muss aufpassen, dass sie nicht genau zu dem wird, was die Menschen in ihr sehen wollen." Michael schüttelte genervt den Kopf und schlug mit der Faust auf den Tisch. Niemandem schien es aufzufallen. "Wie soll sie denn anders vorgehen? Hat denn der Fuchs so viel mehr Erfolg bei seinen sinnlosen, idealistischen Operationen? Ich weiß zwar nicht, wie Shio drüben in Aeasis für Ordnung sorgt, aber ich schätze, Echidna ist die einzige, die uns hier etwas Ähnliches aufbauen kann. Dem Fuchs jedenfalls traue ich sowas nicht zu." Michael griff nach seinem Glas und verzog das Gesicht, als ihm wieder einfiel, dass es längst leer war. "Vielleicht kann die Vernichtung von AEGIS das Ruder für uns herum reißen. Möglicherweise hast du Recht und es genügt, danach einen Gang runter zu schalten. Ich habe sowieso seit einiger Zeit den Verdacht, dass wir alle überarbeitet sind und Echidna sich auch etwas Ruhe gönnen sollte. Im Stress macht man schnell mal einen Fehler und das können wir uns nicht leisten." Während er sprach, pickte er mit der Gabel ein weiteres Stück Tintenfisch vom Teller. "Ein Jammer, dass wir lediglich den Namen von AEGIS' Hauptquartier kennen, nicht aber den Weg dorthin. Wir hätten Major Marston damals fragen sollen, ob er den Weg zu den Pralaia-Inseln kennt." Arikel zuckte mit den Schultern. "Wir haben damals genug zu tun gehabt, die Aufzeichnungen zu löschen, unsere Identität zu verschleiern und ich musste den Major lange genug am Leben erhalten, damit er uns wenigstens ein bisschen erzählen konnte. Sehr viel länger hätte ich es nicht geschafft. Es ging damals nicht anders und mit etwas Glück haben wir heute unsere nächste Chance auf Antworten"

Ich habe immer gedacht, du glaubst nicht an die Existenz von Glück", entgegnete Michael und führte sich den nächsten Happen in den Mund, während seine Gesprächspartnerin nur müde lächelte. "Für gewöhnlich ist dem auch so. Ich schmiede mein Schicksal selbst. Allerdings bin auch ich nicht allmächtig." Sie blickte auf die Uhr. Es war eine Stunde vor Mitternacht. Kurz drehte Arikel ihr Handgelenk und zeigte Michael die Uhrzeit. "Gleich geht es los, ich fühle es", wisperte Arikel und sah aus dem Fenster in die Nacht hinaus. "Zehn Minuten haben wir noch, dann fängt die Party an. Ich hoffe, alles wird glatt laufen." Michael nickte langsam, lächelte dann aber zuversichtlich. "Du musst dir ja eigentlich keine Sorgen machen. Ich bin es, der sich gleich eine anständige Deckung suchen muss." Er begann zu grinsen und winkte der Bedienung zu, deutete dann auf das leere Glas vor sich um zu verdeutlichen, dass er gerne ein weiteres Glas Orangensaft haben wollte. "Glaubst du, die anderen sind schon in Position?", fragte Michael dann und schloss kurz die Augen, lauschte den seichten Klängen aus der Stereoanlage. Arikel nickte, gab dann jedoch ein leises "Mhm Mhm", von sich, da ihr Gegenüber sie ja nicht sehen konnte. "Ziemlich viel Aufwand für nur eine Person. Seit Tagen treiben wir uns in Sagon herum und buhlen nahezu um die Aufmerksamkeit von AEGIS. Schließlich entscheiden die sich dafür, einen Gefangenentransporter als Köder zu schicken und vorhin erst meldet sich Melanie und sagt uns, der Fuchs und seine Leute seien ebenfalls in der Stadt und scheinbar hinter dem Transporter her. Das wird ein ziemliches Durcheinander geben. Entweder wird unser Plan ein voller Erfolg oder wir bekommen eine ganze Menge Ärger." Michael öffnete die Augen und lächelte optimistisch. "Das sehe ich ganz genau so. Ich bin sehr gespannt, was passiert wenn Echidna und der Fuchs sich gegenüber stehen." Die Miene von Arikel jedoch verdüsterte sich. "Ich bin eher besorgt wegen AEGIS. Du weißt doch sicher, was Major Marston uns sagte: Dass sie Mittel und Wege haben, sich mit uns auf eine Stufe zu stellen. Lügen konnte er unter deinem Einfluss nicht. Das heißt, es wird eventuell ziemlich schwierig werden, die Zielperson zu schnappen und abzuhauen. Es könnte einige Verluste geben." Noch immer lächelte Michael und bekam nun von der Bedienung sein drittes Glas Orangensaft. Genüsslich nahm er einen Schluck und sobald die Bedienung außer Hörweite war, zuckte er mit den Schultern. "Da machen sich doch die Leute vom Fuchs ganz gut als Kanonenfutter."

Nun kniff Arikel wütend und missbilligend die Augen zusammen. "Wenn dich Echidna nun hören würde, würde sie dir die Ohren lang ziehen bis du mit den Füßen den Bodenkontakt verlierst. Der Fuchs und seine Kameraden sind Hexen, genau wie wir. Echidna gab uns ausdrücklich zu verstehen, dass wir auf den Fuchs aufpassen sollen. Um die Zielperson kümmert sie sich selbst. Aber wir Hexen müssen zusammen halten, wenn schon die meisten Menschen sich gegen uns verschwören. In dem Augenblick, indem du andere Hexen als minderwertig betrachtest, bist du eigentlich nicht anders als AEGIS mit ihrer Ansicht über uns." Michael schnaubte abfällig und leerte sein Glas. "Oder Echidna mit ihrer Ansicht über die Menschen. Erspare mir deine Moralpredigten über Respekt und Toleranz. Am Ende wird immer der Stärkere überleben. Natürliche Auslese. Und ich habe vor, auf der Seite der Gewinner zu stehen!" Er grinste und tupfte sich den Mund mit einer Serviette ab. "Die Konversation wird mir gerade ein wenig zu ernst, wir sollten langsam gehen. Es dürfte bald soweit sein und ich möchte mich angemessen vorbereiten." Erneut winkte Michael eine in der Nähe stehende Kellnerin herbei und gab ihr eine Handvoll Theni. "Wir müssen los", sagte er freundlich. "Können Sie sich um unsere Rechnung kümmern? Wir hatten ein Kräuterbaguette, einen Sirenenteller, einen Früchtetee und drei große Gläser Orangensaft." Die junge Frau blinzelte und sah etwas verwirrt aus. "Ich bin nicht ganz sicher, wer für den Tisch zuständig ist", erklärte sie. "Aber das ist kein Problem, wenn sie es eilig haben. Warten Sie kurz, ich bringe ihnen das Wechselgeld."
Als die Kellnerin zurück kam, war das Paar fort. Der Geschäftsführer, der sich Sorgen wegen des enormen Trinkgelds machte, befragte den Rest des Personals über die beiden. Niemand konnte sich erinnern, die zwei gehen gesehen zu haben. Oder gesehen zu haben, wie das Duo hereingekommen war oder bedient wurde. Eigentlich konnte sich niemand so richtig an sie erinnern. Der Geschäftsführer beschloss, die Sache auf sich beruhen zu lassen, wünschte sich jedoch angesichts der vielen Theni-Scheine, dass öfter solch großzügige Kunden den Weg in sein Restaurant fanden, egal wie geheimnisvoll sie auch sein mochten.

Vor dem Restaurant blieben Michael und Arikel einen Moment lang stehen. In der Ferne konnten sie Lasersalven hören und vor den Hochhäusern hinter dem Diamantenen Dock zeichnete sich ein trudelnder Transporter ab, der einen Schweif aus Rauch hinter sich her zog und sich langsam näherte. "Es wird nicht lange dauern, bis die Soldaten von AEGIS hier sind", erklärte Arikel und sah zu Michael. "Du solltest dich in Sicherheit bringen und sehen, was du aus der Distanz heraus für uns tun kannst. Eine Flucht durch die Gassen des Docks scheint mir am erfolgversprechendsten. Es mag zwar sein, dass uns in den engen Gassen einige Soldaten entgegen kommen, doch auf freien Plätzen sind wir noch verwundbarer. Wir sehen zu, dass wir den Treffpunkt erreichen und dann verschwinden wir aus der Stadt." Michael nickte und betrachtete weiterhin den Transporter in der Ferne, der von mehreren Valkyrien verfolgt und beschossen wurde. "Dann wünsche ich dir viel Glück. Wir sehen uns auf der anderen Seite des leuchtenden Bandes wieder. Ich versuche, dir zu helfen aber du weißt ja, auch mein Können hat Grenzen." Arikel nickte knapp und gönnte sich ein zuversichtliches Grinsen. "Ich bringe mir selber Glück. Pass auf dich auf!" Hastig überquerte Michael die Straße und verschwand in den engen, dunklen Gängen des Diamantenen Docks. Arikel sah zum Transporter, der nun über die Dächer des Docks hinweg trudelte und dabei ständig an Höhe verlor. Immer wieder hob sich die Nase des malträtierten Vindlers und versuchte dabei, an Höhe zu gewinnen und gleichzeitig den Absturz zu bremsen. Arikel hob eine Hand gen Transporter als würde sie das Fahrzeug beschwören, langsamer zu werden. Es schien keine Wirkung zu zeigen, denn das Fahrzeug krachte in ein Neonschild über den Dächern, geriet ins Trudeln. Nun hob Arikel auch die zweite Hand, trat auf die Straße und schien keine Angst vor dem Vindler zu haben, der auf sie zu flog. Ganz knapp, nur wenige Millimeter, flog das Fahrzeug über Arikel hinweg, die sich umdrehte und weiterhin ihre Hände auf den Vindler richtete, der funkenschlagend auf die Straße krachte, einige Meter schlitterte und schließlich gegen die Wand des Lagerhauses gegenüber dem Restaurant geschmettert wurde und zum Stillstand kam. Zufrieden lächelte die rothaarige junge Frau. Natürlich hätte sie den Absturz nicht verhindern können, doch hatte sie den Insassen allesamt das Leben gerettet. Zumindest vorerst, denn sie konnte bereits fühlen, dass sich die Soldaten von AEGIS näherten, um zu Ende zu bringen, was sie angefangen hatten.

Es würde noch etwas dauern, bis der Fuchs und seine Gefährten wieder zu Bewusstsein kommen würden. Arikel verzog das Gesicht und schlenderte zum verbeulten, verbrannten Wrack des Transporters und sah durch die Fenster auf die Insassen, ehe sie sich auf der Straße aufbaute und wartete. Aus zwei zwischen ihren Schultern geschnallten Schwertscheiden auf ihrem Rücken, perfekt von ihrem breiten Dupatta verborgen, zog sie zwei fünfundvierzig Zentimeter lange Griffe und fuhr per Knopfdruck dünne, ebenso lange Klingen heraus. Die Tsuruzashis waren traditionelle Klingen aus dem südlichen Kontinent, zweischneidig mit zentrierter Spitze. Ganz wie die Kriegerinnen aus den alten Legenden umfasste Arikel beide Waffen knapp unterhalb der Klinge, so dass die langen Griffe an ihren Unterarmen anlagen. Erwartungsvoll sah sie sich um und es dauerte nicht lange, bis Soldaten in schwarzen Rüstungen aus den zahlreichen Gassen des Diamantenen Docks schwärmten und Lasergewehre auf sie gerichtet wurden. Arikel musste an die Worte des verstorbenen Majors am Sonntag zuvor denken. AEGIS würde alles tun um Echidna zu vernichten. Und wenn AEGIS wirklich die Möglichkeit hatte, die Chancen etwas auszugleichen, dann würde von Sagon wohl nicht viel übrig bleiben. Ohne Fragen zu stellen oder um Kapitulation zu bitten eröffneten die umstehenden Soldaten das Feuer, während Arikel sich in Bewegung setzte. Sämtliche Lasersalven verfehlten sie. Zahlreiche Gewehre hatten Ladehemmungen und manchen fielen sogar die Energiezellen aus den Griffen. Die Wahrscheinlichkeit für eine derartige Ansammlung an Zufällen und Glück war nichts anderes als Arikels Werk. Sie schmiedete buchstäblich das eigene Glück, veränderte Wahrscheinlichkeiten und konnte die Realität in einem gewissen Maße erspüren und verbiegen. So hatte sie den Major am Sonntag trotz seines von ihr erahnten Herzanfalls am Leben erhalten. Genau so hatte sie nun den Ort erahnt, an dem der Transporter des Fuchses auf die Straße krachen würde und hatte außerdem verhindert, dass sich einer der Insassen allzu schwer verletzt hatte. Und nun würde sie ihr Glück nutzen um AEGIS den Abend ein wenig zu verderben.

Schon hatte sie den ersten Soldaten erreicht und rammte das Tsuruzashi in ihrer linken Hand zwischen Helm und Brustpanzer in den Hals des Soldaten, schwang sich an dessen rechter Seite herum und rammte den Mann links vom Soldaten den Griff ihres anderen Tsuruzashis hart gegen den Helm, zog die andere Klinge aus dem Hals ihres letzten Opfers und überkreuzte beide Klingen und trennte dem Soldaten vor sich einer Schere gleich den Kopf ab. Der nächste Soldat parierte ihre Klingen mit seinen gepanzerten Unterarmen und einen Moment lang sah Arikel ihr eigenes Gesicht im ovalen Visier ihres Kontrahenten. Sie hatte Berichte gehört, wusste das die Soldaten mit ihren mattschwarzen Rüstungen eine Menge dreckiger Tricks in der Hinterhand hatten. Implantate waren bei AEGIS weit verbreitet, das Problem war, dass man nie wissen konnte, was für Implantate ein Soldat in seinem Körper trug. Arikel jedoch konnte so etwas erahnen, fast als hätte sie die Information schon immer im Kopf gehabt. Der Soldat vor ihr drückte ihre Klingen nach oben, rammte sie mit dem wuchtigen Schulterpanzer und ließ Arikel nach hinten taumeln. Schon schoben sich zwei Klingen aus den Unterarmen des Soldaten und er setzte nach, um sie aufzuspießen. Es bedurfte nicht einmal einer bewussten Anstrengung und der Soldat rutschte im Blut seiner beiden toten Kameraden aus und landete wie eine Schildkröte auf dem Rücken. Hinter ihr griffen zwei weitere Soldaten mit ihren Unterarmklingen an, doch Arikel drehte sich und ging dabei in die Knie, hakte dabei die Griffe ihrer Tsuruzashis hinter die Standbeine der Soldaten und holte sie ebenfalls von den Beinen. Sofort drehte sie die Klingen und rammte beiden Männern die Spitzen an der Oberseite der Oberschenkel tief in den Körper und umging dabei die Brust- und Hüftpanzerung. Der Mann hinter ihr war wieder auf den Beinen und schwang seine Klingen nach ihr. Hastig rollte sich Arikel zur Seite und erhob sich, doch schon war der Soldat vor ihr. Vier Klingen verhakten sich ineinander und der Soldat versuchte, Arikel zu überwältigen, die mit ihrer zierlichen Gestalt nun im Nachteil war. Schon wurde sie mit dem Rücken gegen eine Wand gedrückt und bemerkte, wie sich ein Halbkreis von Soldaten um sie bildete. Zwar hatte sie das Glück auf ihrer Seite, konnte mit ihren Gedanken jedoch nicht überall zugleich sein. Plötzlich hob einer der Soldaten sein Lasergewehr und schoss Arikels Angreifer direkt in den Hinterkopf. Das Visier des Helmes explodierte und Arikels Gesicht und Gewand wurde mit Blut besprenkelt. Sofort wusste sie, dass Michael irgendwo in der Nähe war und gönnte sich ein Lächeln, ehe sie einladend ihre Arme ausbreite und die Griffe ihrer Tsuruzashis in den Händen kreisen ließ. Zufrieden bemerkte sie, dass kein Soldat auf der Straße auch nur ansatzweise in Richtung des abgestürzten Transporters blickte.

Plötzlich war ein Soldat vor ihr und rammte ihr sein Knie in den Magen, so dass sie keuchend die Luft ausstieß und sofort ihre Klingen nach dem Soldaten schwang. Dieser jedoch tauchte unter den Waffen hinweg und stieß eine seiner Klingen nach Arikel. Dieser sprang hoch und die Klinge rammte in die Wand hinter ihr und blieb dort stecken. Elegant landete sie auf der Klinge und trat dem Soldaten kräftig gegen die Stirn, was jedoch ihrem Fuß mehr weh tat als dem Soldaten, der lediglich nach hinten taumelte und dabei seine Klinge aus der Wand zog. Arikel machte einen Satz nach vorne, sprang den Soldaten regelrecht an mit der Absicht, ihm eine ihrer Klingen in den Hals zu rammen. Doch der Soldat packte ihren Arm, schwang sie herum und schmetterte Arikel auf den Boden. Verzweifelt sah sich Arikel um doch sie musste feststellen, dass der Soldat, den Michael unter seine Kontrolle gebracht hatte bereits von seinen Kameraden erschossen worden war. Zwar hatten seine Kräfte eine beträchtliche Reichweite, doch die Willenskraft dieser AEGIS-Soldaten war schwierig zu brechen. Arikel spürte eine Hand an ihrer Kehle, spürte das Gewicht des Soldaten auf sich. Doch sie spürte auch den Reflexbooster im Rückgrat des Mannes und konzentrierte sich darauf. Sie wusste von den Risiken biomechanischer Verbesserungen. Manchmal dauerte es Jahre, bis es Nebenwirkungen gab. Arikel konnte spüren, dass der Soldat einen integrierten Trigger hatte, ein Gerät, mit dem er den Booster ein- und ausschalten konnte. Cleverer Bursche, dachte sie mit einem Lächeln. Es gab Leute, die sich mit Implantaten vollstopften und unter Muskelzuckungen litten. Arikel hatte einmal eine Geschichte gehört, in der ein junger Mann einer alten Frau die Nase gebrochen hatte, weil diese nur genießt hatte und der Reflexbooster des Mannes überreagierte. Auch führten solche Implantate oft zu Entfremdung und Entpersönlichung. Arikel konzentrierte sich und der Reflexbooster im Rückgrat des Soldaten brannte durch. Der Mann schrie und zappelte und kippte von Arikel herunter, die sofort auf die Füße sprang, seitlich ausbrach und einem Soldaten, der ihr im Weg stand die Klinge durch das Helmvisier rammte. Dann huschte sie in eine der dunklen Gassen des Diamantenen Docks. Sie hoffte, die Soldaten vom Transporter fort zu locken, würde ihn jedoch nicht lange unbeobachtet lassen können, denn es wäre ein Jammer, wenn jemand den Fuchs und seine Gefährten erschießen würde, solange diese noch bewusstlos waren.

Sie konzentrierte sich und wusste, dass Michael es ihr irgendwo gleich tat. Die Soldaten von AEGIS waren erpicht darauf, Vaishara zu töten oder noch besser, welche gefangen zu nehmen um an Informationen zu kommen. Sie erhöhte die Wahrscheinlich, dass die Soldaten die Verfolgung aufnahmen und Michael beeinflusste den Rest, ebenfalls in die engen Gänge des leuchtenden Bands zu eilen. Soweit Arikel vermutete, wusste AEGIS noch nicht, dass sie es auch mit dem Fuchs und seinen Leuten zu tun hatten. Damit war für AEGIS jeder potentielle Gefangene eine Chance, Echidna zu fassen und zu eliminieren. Arikel huschte durch die dunklen Gassen und ihre besondere Gabe half ihr, in keine Sackgasse zu huschen. Der Schusswechsel auf der anderen Seite des Viertels hatte die Touristen aufgeschreckt. Die meisten Gänge waren voller hysterischer, fliehender Zivilisten und es fiel Arikel leicht, einfach in der Menge unterzutauchen. Ihre Absicht war es, einen Bogen zu beschreiben und so zum abgestürzten Transporter zurück zu kehren. Sie musste warten, bis der Fuchs und seine Leute wach wurden um ihnen die Lage zu beschreiben. Kurz drückte sich Arikel gegen die Wand, bog um eine Ecke und folgte einer Gruppe Touristen in eine leere Seitengasse und gerade als sie sich sicher fühlte und sich in Richtung Transporter aufmachte, schlug knapp über ihrem Kopf eine Lasersalve ein. Schockiert fuhr sie herum und bemerkte einen Soldaten hinter sich. War es AEGIS egal, ob es zivile Opfer gab? Und wie hatte der Soldat sie in der dunklen Gasse als Hexe erkannt? "Wir können euch aufspüren", erklärte der Soldat als habe er ihre Gedanken gelesen. Langsam näherte er sich, wobei der Lauf seines Gewehrs nicht einmal zitterte. Arikel hob ihre Klingen und blieb stehen, konzentrierte sich und atmete tief durch. Eine Flucht kam nicht infrage, da der Soldat sie trotz ihres Glücks vermutlich doch erwischen konnte. Und vielleicht konnte sie so heraus finden, was AEGIS die Möglichkeit verlieh, Mensch von Hexe zu unterscheiden. "Die Tage, in denen wir vor Furcht gezitterten haben sind vorbei", spie der Soldat aus als würde er Arikel und ihre gesamte Rasse gleichermaßen verfluchen wollen. "Heute sind wir wirklich ebenbürtig. Heute werdet ihr Hexen vor Furcht erzittern!" Er eröffnete das Feuer doch Arikel eilte ihm entgegen, tauchte unter der Lasersalve hinweg und rollte sich ab, kam wieder auf die Beine und schwang ein Tsuruzashi und zerschlug das Lasergewehr knapp oberhalb des Griffs, setzte mit der anderen Klinge nach und hackte auf den Soldaten ein, der gerade noch rechtzeitig zurück springen konnte und so verhinderte, dass Arikel ihm den Kopf wie eine Melone spaltete.

Im trüben, flackernden Licht eines dreckigen Neonschilds standen sich beide schnaufend gegenüber. Arikel standen Schweißperlen auf der Stirn und der Soldat starrte sie aus seinem ovalen Visier an. Seinen Helm zierte eine lange Kerbe von ihrem Tsuruzashi. Aus dem rechten Unterarm fuhr ganz langsam eine dünne, lange Klinge. Mit der anderen Hand öffnete der Soldat eine Versiegelung und zog sich dann den Helm vom Kopf. In der Dunkelheit konnte Arikel das kaputte Innere des Helms sehen, ein flackerndes Head-up-Display. Ihr Kontrahent war ein junger Soldat mit kurzen, blonden Haaren und blauen Augen. In seinem Blick lag purer Hass, doch er grinste siegessicher und fuhr seine zweite Unterarmklinge aus, griff sofort an und mit wirbelnden Klingen näherte er sich Arikel, die jedoch mit den eigenen Klingen parierte, in der engen Gasse jedoch kaum Freiraum hatte und daher zurück springen musste. Doch sofort griff sie wieder an und Klingen prallten klirrend aufeinander. Mit einem Gedanken nutzte sie ihr Glück und die rostige Halterung des flackernden Neonschilds über ihnen gab nach. Das Schild krachte dem Soldaten auf dem Kopf und Arikel nutzte die Gelegenheit, schlug seine Klingen beiseite und rammte ihm die Griffe ihrer Tsuruzashis seitlich gegen die Schläfen. Der Soldat ging zu Boden und in der Gasse war es nun stockfinster, abgesehen vom schwachen Licht der fernen Hochhäuser und der umliegenden Lampen. Arikel seufzte erleichtert und wollte sich gerade abwenden, um zurück zum Transporter zu eilen, als ein Lachen durch die Gasse hallte. Sofort hielt sie inne und sah, wie der Soldat wieder auf die Beine kam und sich seitlich gegen eine Wand lehnte. "Bist du so arrogant, dass du es nicht einmal richtig zu Ende bringen willst?", fragte der Soldat und rieb sich den schmerzenden Schädel, starrte Arikel mit hasserfüllten Augen an. "Ich habe noch gar nicht richtig angefangen, Hexe!" Das gespenstische Grinsen des Mannes sandte Arikel einen Schauer über den Rücken. Ganz langsam griff der Soldat an den Kragen seines Brustpanzers und schien sich etwas in den Hals zu injizieren. "Ich habe doch gesagt, dass wir heute ebenbürtig gegeneinander kämpfen. Hast du schon Angst? Es gefiel mir zwar selber nicht, zu Anfang. Aber nun ist es doch ein berauschendes Gefühl, nicht mehr unterlegen zu sein. Sagen wir einfach, wir haben beschlossen, Feuer mit Feuer zu bekämpfen..." Der Soldat senkte die Hände und Arikel konnte erkennen, dass seine Augen nun azurblau leuchtenden. Auch schien den Mann eine schwache, bläuliche Aura zu umgeben und Arikel stockte der Atem, als sie verstand, was sich da vor ihr abspielte.

Ehe sie zu Echidna ging hatte ihr der Fuchs einst erklärt, dass Vaishara eigentlich Wesen waren, die einen Teil des Lebensstroms - den man Manah nannte - nutzen konnten. Diese Energie wurde vom Planeten und allen lebenden Wesen erzeugt und entstand immer wieder aus sich selbst heraus. Der Fuchs hatte ihr damals erklärt, dass man die Gaben eines Vaishara in zwei Bereiche untergliedern konnte: Aktive und passive Gaben. Mit den aktiven Gaben konnte man die Umgebung beeinflussen, während die passiven Gaben lediglich den eigenen Körper veränderten oder betrafen. Es gab mehrere Kategorien dieser Gaben und es war der Fuchs gewesen, der Arikel erstmals die genaue Kontrolle ihres Glücks erläutert hatte - zumindest glaubte er das. Der Fuchs sprach damals außerdem von einem Verhältnis jedes Lebewesens zum Lebensstrom. Alles, was aus dem Lebensstrom entstand, kehrte auch zu diesem zurück. Anders als normale Menschen nahmen Vaishara jedoch mehr Energie auf, als sie abgaben. Diesen Überschuss konnten sie für sich nutzen und die Energie so wieder abgeben. Arikel hatte von Verrätern gehört, Hexen die sich AEGIS anschlossen um so ihre Freiheit zu erkaufen. Doch Menschen, die plötzlich den Lebensstrom anzapfen konnten waren neu für sie. Und tatsächlich empfand sie Angst ob der Möglichkeiten, die sich damit für AEGIS boten. Selbst wenn der Vorteil nur kurzfristig war, so war es dennoch eine Chance für AEGIS, ziemliches Leid über die Hexen zu bringen. Arikel war wie gelähmt ob dieser Offenbarung und registrierte kaum, wie der Soldat sich blitzschnell auf sie zubewegte und mit den Klingen nach ihr stach. Knapp wich sie aus doch die Unterarmklingen des Soldaten schnitten durch ihr Gewand und sie wurde am rechten Oberarm verletzt. Sofort wirbelte der Soldat herum und trat ihr heftig gegen das Bein, brachte Arikel so ins Stolpern und sie konnte einem weiteren Angriff nur entgehen, weil sie rechtzeitig die Klingen vor sich kreuzte und nach hinten sprang, wobei sie fast gestolpert wäre. Hatte ihr Glück sie nun verlassen? Ich schmiede mein Glück selbst, schalt sie sich in Gedanken und biss die Zähne zusammen. Sie duckte sich unter einem Schwinger ihres Kontrahenten und als seine Klingen nur die Wand trafen, stach sie nach dessen Seite. Doch ihre Tsuruzashis hinterließen nur tiefe Furchen in der mattschwarzen Rüstung des Soldaten.

"Wie habt ihr Bastarde das gemacht?", fragte Arikel schnaufend und versuchte, dem Soldaten Informationen zu entlocken und ihn abzulenken. Der Soldat grinste sie an, stach nach ihr und drückte blitzschnell Arikels Klingen nach außen, ehe er seinen Kopf kräftig gegen Arikels Stirn donnern ließ. Sie fiel nach hinten um, rollte sich weg als die Klingen des Soldaten dort auf den Boden schlugen, wo sie nur Sekundenbruchteile zuvor noch gelegen hatte. "Die Genies von der Forschung haben dem Zeug einen unaussprechlichen, komplizierten Namen voller Fachausdrücke gegeben. Artifizielle-Manah-Bindende..." Er schnaubte und winkte ab. "Ach, pfeif drauf! Wir Frontschweine kürzen es ab und nennen es Ambrosia. So könnt auch ihr dem Schrecken einen Namen geben!" Der Soldat lachte und griff Arikel erneut an, kaum dass diese wieder auf den Beinen war. Unter seinen schnellen, harten Schlägen musste sie immer wieder zurück weichen und verlor schließlich eines ihrer Tsuruzashis. Ihre Unterarme schmerzten und ihr ging langsam die Puste aus. Auch dröhnte ihr Kopf, so dass sie sich kaum konzentrieren konnte. Mit Mühe parierte sie einen Hieb von oben und drehte ihre Klinge um auch die andere Klinge des Soldaten abzuwehren. Sie hielt ihr verbliebenes Tsuruzashi nun mit beiden Händen und versuchte, den Soldaten von sich fern zu halten, ging rückwärts und überlegte, wie sie aus dieser misslichen Lage entkommen konnte. "So wird es bald überall ablaufen", feixte der Soldat mit einem Grinsen und breitete die Arme aus, wobei seine Klingen mit einem furchterregenden Schaben über die Wände kratzten. "Wir Jungs von den Cherubim löschen euch Hexen einen nach dem anderen aus, bis endlich wieder Ruhe und Frieden herrscht." Mit einem maliziösen Lachen sprang der Soldat auf Arikel zu, die zwar eine seiner Klingen parieren konnte, die andere jedoch in die linke Schulter gerammt bekam. Keuchend ging sie zu Boden und verlor auch ihre zweite Klinge, weil die Kraft aus ihrem Körper wich und Panik sie zu erfassen drohte. Der Soldat hatte sich über ihr aufgebaut und seine Augen leuchteten noch immer in diesem hellen Azurblau. Lachend drückte der Soldat ihr beide Klingen leicht gegen die Rippen, ehe er seine Zunge wie aus Spott aus dem Mund streckte. Dann endlich bemerkte Arikel, das es nicht seine Zunge war, die da aus dem Mund ragte, sondern die Klinge eines ihrer Tsuruzashis. Der Soldat kippte nach hinten um und Michael war plötzlich an ihrer Seite. "Bin ich froh, dass ich noch rechtzeitig kam", sagte er und musterte den toten Soldaten. "Wie konnte der dich so fertig machen?" Doch Arikel hörte ihn kaum. Mühsam erhob sie sich und taumelte in die Richtung, in der der Transporter lag. Sofort stützte Michael sie. "Wir müssen den Fuchs beschützen", keuchte Arikel und verringerte mit all ihrer Kraft die Wahrscheinlichkeit, einfach in Ohnmacht zu fallen. "Noch wichtiger, wir müssen Echidna und dem Fuchs schleunigst erklären, dass AEGIS seit heute mit uns gleichziehen kann..."
 
Naja, da ich hier im Board schon ganz andere "Werke" gelesen hab, kann ich dir versichern, dass das Wort schlecht nicht bei dir zutrifft. Viele Kritikpunkte fallen mir wirklich nicht ein, aber trotzdem gibt es eben doch einige kleine Punkte, die aber das Gesamtbild bisher nicht stören. Mich zum Beispiel stören diese riesigen Textbrocken die du postest nicht - Aber abschreckend ist sowas schon. Kann aber auch verstehen, dass du eben vorwärts kommen willst. Auch wenn dir die Autofahrt nicht gefiel, so hast du doch versucht, das Beste draus zu machen. Es ist außerdem nicht einfach, wenn man so viele Charaktere in eine Geschichte einbindet. Daher bin ich sehr auf eventuelle Charakterentwicklungen gespannt. Du hast ja noch einige Kapitel vor dir, aber trotzdem musst du aufpassen, dass besonders gen Ende alles noch passt. Mir fällt zu Ambrosia absolut nichts ein, aber ich hab auch grad eine fantasielose Phase. Zum S fiele mir vielleicht noch Substanz ein, mehr aber auch nicht.

Der Teil gefiel mir. Zum einen, weil du Michael und Arikel zum ersten Mal seit dem Prolog wieder auftreten lässt. Dabei sind sie anfangs wieder schön mysteriös. Man erfährt einiges über die beiden und ich bin nicht sicher, ob mir das gefällt oder ob ich die zwei lieber geheimnisvoll behalten hätte. Die Beschreibungen gefallen mir, aber vielleicht hast du zu früh zu viel über die beiden verraten. Rückgängig kannst du es aber eh nicht machen, von daher kann ich auch sagen, dass es interessant ist, was für Kräfte die beiden haben, was für Persönlichkeiten und Unterschiede. Besonders Arikel gefällt mir und zumindest sie behält auch ein wenig von ihrem mysteriösen Hauch. Das beide für Echidna arbeiten hab ich vermutet seit du die Truppe um den Fuchs vorgestellt hast. Auch ist der Grund für die Anwesenheit der beiden sehr interessant und ich bin gespannt, wie die Vaishara am Ende entkommen und was passiert, wenn Echidna auftaucht und sie mit dem Fuchs aufeinander trifft.

Arikels Kräfte find ich ziemlich cool. Aber ist sie nicht auch ein wenig übermächtig? Michael scheint da eher nicht so viel drauf zu haben außer andere zu manipulieren und das scheint ja auch nicht immer zu klappen. Da bin ich sehr auf Echidna und auf andere Untergebene von ihr gespannt. Die Action gefiel mir ganz gut. Zusätzlich zu den Implantaten trumpfen die Soldaten von AEGIS nun auch mit Ambrosia auf. Wobei ich gespannt bin, wie die Wirkung denn genau aussieht. Der eine Soldat hat Arikel ja schon einen guten Kampf geliefert und ich glaube, eine ganze Horde solcher Kerle würden den Vaishara schon Probleme bereiten. Freu mich, wenn es weiter geht. Möchte ja nun doch wissen, wie die Vaishara aus Sagon entkommen und wie sich die Story noch entwickelt, wobei ich - glaube ich - schon eine Ahnung habe, in welche Richtung sich das alles bewegt.
 
Zurück
Oben Unten