Am selben Tag abends
Sichtlich genervt schlug Marco seine Zimmertür hinter sich zu und ließ sich der Länge nach auf sein Bett fallen, die Hände hinter dem Kopf verschränkt.
Was für ein Mittag. Nicht, dass es nicht lebensnotwendig für ihn wäre, exakt Bescheid zu wissen, wer in der Gegend den besten Gulascheintopf mache oder wo er auch nachts um vier noch Toilettenreiniger bekommen könnte. Alles also entscheidende Fakten, die seinem Leben eine völlig neue Richtung gegeben hatten.
Er war seinem Onkel ja wirklich dankbar für dessen Unterstützung, aber nach diesen Stunden zweifelte er ernsthaft an der geistigen Gesundheit seines Verwandten. Nicht einer der Menschen, die sie getroffen hatten und deren Hände er geschüttelt hatte, schien interessant genug zu sein, als dass es sich lohnen würde ihn oder sie näher kennen zu lernen.
Und dafür hatte er wertvolle Stunden geopfert. Zeit, in der er hätte los ziehen können und schauen, was für schöne Aussichten die Stadt bei diesem Wetter für ihn bereit halten würde. Gerade nachdem der erste Schultag nicht unbedingt optimal verlaufen war. Dieses ganze bescheuerte Gruppenbilden. Er hatte keinen Bock irgendjemandes persönlicher Leibeigner zu sein, genauso wie er keine große Lust hatte die Konsequenzen zu spüren, falls er sich widersetzen sollte.
“Ist doch alles große Scheiße“, dachte sich Marco und betrachtete weiter seine Zimmerdecke, die ein Poster von den Ramones zierte. Er lag noch immer in dieser Position, als die Stimme seines Onkels aus dem unteren Stockwerk ertönte.
„Marco, komm runter, wir haben Besuch!“
„Nicht noch einer“, fluchte der Angesprochene leise und schwang genervt seine Füße auf den Boden, um zur Tür zu schlurfen. Mit großer Unlust trabte er die Treppenstufen hinunter, an deren Ende sein Onkel ihn schon breit lächelnd erwartete, wieder mal eine Kippe, die lässig ihm Mundwinkel hing.
Wesentlich interessanter war jedoch der Gast, er passte so gar nicht in das Ambiente. Wie ein Delphin in einer Horde Orcas stach der Fremde heraus. Er war um die einsachtzig groß, recht dünn und wenn auch nicht schwarz, zumindest ziemlich braun. Auf jeden definitiv niemand aus dem westlichen Raum, arabisch würde er spontan tippen, aber wer konnte so etwas in New York schon genau sagen? Es gab hier so viele Kulturen, Menschentypen, multikulturell beschrieb die Stadt ganz gut. Da war es auch schon möglich einen Asiaten zu treffen, der keinen Brocken asiatisch kannte, aber auf der anderen Seite auch denjenigen, der dir Maos Lebenslauf rückwärts aufsagen kann.
Auf jeden Fall schien dieser Kerl schon auf den ersten Blick anders zu sein.
„Marco, das ist Umar, ein alter Freund von mir. Umar, mein Neffe Marco.“
Unterdessen im Times
Obwohl es erst früher Abend war, hatte sich das Times bereits gut gefüllt. Wieder mal waren alle unterschiedlichen Typen und soziale Schichten vertreten. Da waren die Broker von der Wall Street und die gehobeneren Bankfuzzies im feinen Anzug, die noch einen Drink oder auch mehrere nehmen wollen bevor sie nach Hause gehen und sich auf den morgigen Tag vorbereiten, genauso wie diejenigen, die Sozialhilfe beziehen und schon viel zu lange anschreiben und beschlossen haben, dass es viel bequemer ist den Jogginganzug 24 Stunden am Tag non-stop zu tragen. Und alles dazwischen.
Kurz um, ein normaler Abend. Auch Loyd hatte sich schon mit zwei Freunden eingefunden und stand am Billiardtisch, ein Scotch in der einen, den Que in der anderen und lachte gerade über eine Geschichte seines Kumpels.
Auch wie immer.
Doch sollte sich die Normalität des Abends noch wandeln.