MajinKay
Revelation 6:4
Ich hab es erneut im Fanfiction Forum versucht und bin erneut gescheitert, da meine Threads dort immer noch nicht automatisch freigeschalten werden... Also dann erneut hier.
Versucht euch eine Zukunft vorzustellen, in der ihr alle schon Großeltern seid und euch eure Enkelkinder bitten Geschichten über die Jahrtausendwende und die ersten Jahre nach dem Millennium zu erzählen. Geschichten über eure Jugend eben. Sie hören euch mit offenen Ohren, Augen und Mündern zu, wie ihr von der Welt von damals erzählt, und als ihr schließlich die Bombe platzen lässt, ist es nichts weiter als ein schockiertes Nach-Luft-Schnappen. „Wisst ihr Kinder, euer Opa / eure Oma ist älter als das Internet.“
Stille.
Ich warte schon auf den Moment. Klar, man könnte jetzt Haarspalterei betreiben und Fakten auf den Tisch werfen, dass schon Ende der Siebziger die wesentlichsten Grundgerüste aufgebaut waren und die Universitäten schon längst vor meinem Geburtsjahr 1984 miteinander vernetzt waren. Vollkommen richtig soweit, aber wenn wir mal von den praktischen Anwendungen, den kommerziellen Anwendungen ausgeht – da befinden wir uns Anfang der Neunziger. Ich weiß das, da ich es miterlebt habe. Ich hatte das Glück, in eine sehr technikbegeisterte Familie reingeboren worden zu sein. Der Hype übers WWW ist bei ihnen nicht spurlos vorbei gegangen. Der Klang von 256k, 384k und 512k Modems ist noch in meinen Ohren, genauso wie der vollkommen verrückte Quantensprung zur ADSL Leitung, als man plötzlich auch die ersten Flat-Rate Tarife genießen durfte. Das Surfen war also auf einmal nicht mehr so streng zeitlich kontrolliert wie noch zuvor, als alles minutengenau auf die monatliche Telefonrechnung gerechnet wurde. Plötzlich hatte ich die Möglichkeiten, diese neue Technologie zu einer meiner liebsten Freizeitbeschäftigungen zu machen, der ich Stunden um Stunden meiner Woche opferte. Ich begann, im WWW neue Informationen regelrecht aufzusaugen. Anime und Manga, auf die ich zuvor schon dank dem Nachmittagsprogramm von RTL2 neugierig geworden bin, wurden in einem gigantischen Ausmaß erhältlich. Ich stieß auf Evangelion, Trigun und natürlich auf Dragonball Z. Bei letzterem kannte ich Dragonball, fand im Internet die Fansite eines gewissen Mb und damit auch noch aufs Forum… etwa zur selben Zeit der deutschen Erstausstrahlung. Schon damals las ich enthusiastisch die Beiträge des ADBs mit, es dauerte aber über ein halbes Jahr, bis ich mich endlich, am 24. März 2002 registrierte. Vor nicht ganz 16 Jahren. Wenn wir jetzt die Monate des Lurkens davor aber mitnehmen, kommen wir aber zu einer lustigen Rechnung: Ich war 17, als ich zum ersten Mal das ADB betrat und heuer habe ich meinen 34. Geburtstag. Mit anderen Worten: Dieses Forum, diese Community, begleitet mich bald mein halbes Leben lang.
Als ich 2013 den ersten Beitrag dieser Art verfasste, befand ich mich in einer Phase des Umbruchs, der persönlichen Weiterentwicklung. Nach einer langen Zeit der Stagnation in praktisch allen Lebenslagen hatte ich im Jahr zuvor endlich wieder Bewegung in mein Leben gebracht und arbeitete zu dieser Zeit entschlossen daran, die Weichen meiner Zukunft zu stellen. Ich hatte endlich wieder eine klare Vision, wie mein Leben in fünf, in zehn Jahren aussehen sollte. So positiv diese Perspektive auch war, so ernüchternd war mein aktueller Standpunkt. Durch falsche Entscheidungen in der Vergangenheit hatte ich mir den Weg unnötig erschwert und ich brauchte dringend einen Neustart, der mich wieder auf Kurs bringen konnte. Ich fand diesen nach einer zehrenden Suche in Form einer Dissertationsstelle auf meiner „alten“ Universität. Neue Herausforderungen in einem neuen Themengebiet – das war die Lösung, nach der ich gesucht hatte.
Mein zweiter Beitrag folgte 2016, kurz bevor ich meine Dissertation einreichte. Es war wiederum eine Zeit des Aufbruchs und der Veränderung für mich. Drei Jahre sind eine relativ lange Zeit, in der man sich in eine gewisse Routine erschafft. Die „neue“ Wohnung wird zum Zuhause, die „neue“ Stelle zum gewohnten Job und die „neuen“ Herausforderungen werden über kurz oder lang zum Alltag. Routine muss nicht automatisch etwas schlechtes sein. Sie bringt eine gewisse Sicherheit mit sich, gebündelt mit einer gewissen Leichtigkeit. Die Arbeit ist immer noch herausfordernd, aber nicht mehr mit dem negativen Stress der Anfangszeit behaftet. Man hat sich ein schönes Leben aufgebaut, wohl wissend, dass die eigene Position, die aktuelle Arbeit, auf drei Jahre begrenzt ist. Und ehe man sich versieht ist auch diese Lebensphase urplötzlich vorbei und man steht wieder auf der dunklen, ungewissen Straße der Zukunft. Dieses Mal ist es mir einfacher gefallen. Ich habe aus den Fehlern meiner Vergangenheit gelernt und bin mit einer klaren Vision auf Jobsuche gegangen. Und ich hatte ein unglaubliches Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Mein Traumjob, serviert auf einem silbernen Tablett.
Und heute? Es erfüllt mich mit Ehrfurcht und Demut, wenn ich an die Entwicklungen der letzten eineinhalb Jahre denke. Ich bin schon lange nicht mehr der 17-jährige Teenager, der gerade zu seinem Charakter findet. Ich bin auch nicht mehr der Mittzwanziger, der in der fast schon peinlich stereotypen Quater-Life-Crisis steckt. Auch den großen 30iger mit all den damit verbundenen Veränderungen habe ich mittlerweile hinter mir gelassen, um wiederum ein neues Kapitel in meinem Leben zu beginnen. Bald schon werde ich 34 Jahre alt sein, stehe mitten im Leben, habe einen fixen Job in der Industrie, eine neue Gartenwohnung am Rand einer Kleinstadt und erwarte zusammen mit meiner langjährige Lebensgefährtin die Geburt unseres ersten Kindes – unserer Tochter – im Sommer. Ohne es wirklich bemerkt zu haben bin ich praktisch über Nacht erwachsen geworden. Es war der eine Prozess, von dem ich immer ein wenig Angst hatte: Erwachsen zu werden. Für mich war es stets mit dem Aufgeben von Träumen, Wüschen und liebgewordenen Dingen verbunden. Doch in Wahrheit musste ich nichts aufgeben – alles kam ganz automatisch. Mit dem Älterwerden änderte sich meine Perspektive. Dinge, die mir einst sehr, sehr wichtig waren, erscheinen mir mittlerweile im besten Fall nur noch nostalgisch. Andere Prioritäten sind an deren Stelle getreten und füllen mich mittlerweile aus. Der natürliche Lauf der Dinge.
Und dennoch gibt es einen mittlerweile sehr kleinen Teil von mir, der all die losen Fäden der Vergangenheit sieht und sich dabei so sehr wünscht, ich hätte mehr zu Ende gebracht. Der dabei an diesen uralten Ordner auf meiner Festplatte denkt, der wohl irgendwann im Jahre 2000 oder 2001 von mir erstellt wurde, den Namen „Own Stories“ trägt, und die Galerie meiner zerbrochenen Träume repräsentiert. Den staubigen Dachboden all der Geschichten, die ich begonnen habe und von denen ich viel zu wenige je zu Ende gesponnen habe. Ein Speicher all des ungenutzten Potentials, welches ich im Laufe der Jahre verkümmern hab lassen. Hätte ich je ein professioneller Autor werden können? Diese eine Frage hat mich viele Jahre lang verfolgt. Ich erwähnte bereits die Quarter-Life-Crisis. Mit ungefähr 25 spukte diese eine Frage wie kaum eine zweite durch meinen Verstand. Ich wusste, dass ich schreiben konnte, ich wusste aber auch von meinen zahlreichen Schwachstellen. Einige massive Punkte in Grammatik und Tempus, und viele kleinere Themen, die allesamt auf eine große Anzahl von Flüchtigkeitsfehlern zurückzuführen waren. Mir fehlte Feinschliff. Eine gehörige Portion Feinschliff, die ich wohl nur mit massiver Übung und Lehre erhalten hätte können. Nach ein, zwei Jahren war mir die Schlussfolgerung klar: Vielleicht könnte ich tatsächlich meine Zukunft als professioneller Autor ausrichten, nur würde das meine absolute Hingebung erfordern. 100% Fokus auf dieses Ziel. Und damit war die Antwort auf meine Frage gekommen.
Es war ein Preis, den ich niemals hätte zahlen können.
Kaum war das ausgesprochen, was ich wohl schon lange in meinem Innersten wusste, war alles weitere nur noch eine Frage des natürlichen Verfalls. Aus meinem Nummer Eins Hobby wurde „ein“ Hobby, später eine sporadische Tätigkeit und schließlich eine frühere Zeitbeschäftigung. Das alte Sprichwort ist vollkommen wahr – wer rastet, der rostet. War es vor vielen Jahren noch eine ganz natürliche Sache, diese bunten, verrückten Welten in meinem Kopf in Worten zu beschreiben und diese auf digitales Papier zu bekommen, so fällt es mir mittlerweile unendlich schwer, überhaupt einen geraden Satz zu formulieren. Diese Welten und all die Charaktere in ihnen sind nicht verschwunden. Wenn ich meine Augen schließe, sehe ich nach wie vor Kyle, Jax, Cassandra, Crowley, Kelly, Mórrígan, Rico, „Nicht-Jack“, Ms. Xara und wie sie sonst noch alle heißen mögen direkt vor mir. Ich kann nach wie vor in ihre Persona hineinschlüpfen und die Welt um sie herum durch ihre Augen wahrnehmen und mit ihr interagieren. Aber es ist mir einfach nicht mehr möglich, die Brücke zwischen ihnen und dem Textverarbeitungsprogramm vor mir zu schlagen. Ich habe viele Jahre lang versucht, diese Fähigkeit in mir wieder zu nähren, um den Anschluss endlich wiederzufinden. Weil ich einfach nicht mit der Gewissheit leben wollte, dass all diese losen Enden vermutlich auf immer solche bleiben werden. Dass ich mich selbst in eine Richtung weiterentwickelt habe, in der all dies doch gar keine Bedeutung mehr hat. Und genau diese Wahrheit beginne ich langsam zu akzeptieren.
Will ich meinen zukünftigen Enkelkindern wirklich den Altersvergleich zum Internet auf die Nase binden? Vermutlich nicht. Um ehrlich zu sein, habe ich noch nicht einmal die geringste Vorstellung, was ich meiner Tochter in ein paar Jahren erzählen soll, wenn sie beginnt, Dinge aus meiner Vergangenheit wissen zu wollen. Wir sie je von diesem Ort hier erfahren? Wird sie je das Forum zu Gesicht bekommen können? Und wird sie je verstehen können, welchen Stellenwert all das hier für mich eingenommen hat? Die Zukunft wird mir die Antworten bescheren, dessen bin ich mir sicher.
„Dein Papa hat früher, wie er mal jung war, Geschichten geschrieben und sie im Internet veröffentlicht. Es war eine verrückte Zeit gewesen. Damals traf man sich in einem Forum und nicht in einer App. Man tauschte Gedanken und Geschichte aus, las die Texte von anderen Schreibern und feilte an den nächsten Kapiteln seiner eigenen Werke. Man schrieb nicht, um Geld zu verdienen oder um großflächig berühmt zu werden. Nein, man schrieb des Schreibens wegen und weil man die Meinungen seiner Leser hören wollte. Diese Meinungen waren mir immer sehr wichtig gewesen. In meinem ganzen Leben – weder davor, noch Jahre danach – traf ich je wieder auf einen so großen Haufen grundehrlicher, enthusiastischer und individualistischer Menschen und nie wieder schloss ich so viele davon in mein Herz wie an diesem Ort. Viele von ihnen verschwanden im Laufe der Jahre und nur ganz wenige sind mir geblieben, zu denen ich immer noch Kontakt halte und die ich nach wie vor sehr lieb habe. Sie sind alle zu einem großen Teil daran verantwortlich, dass ich zu dem Menschen geworden bin, der dir all das erzählen kann. Und vielleicht wirst du das auch eines Tages verstehen können.“
Ihr kennt mich unter dem Namen MajinKay. Oder einfach nur Kay.
Einige von euch kennen auch den Menschen in der realen Welt, der immer hinter diesem Nickname zu finden war.
Ich will an dieser Stelle nicht mehr sagen müssen, dass dies der letzte Thread von mir sein könnte, denn ich weiß nicht, was die Zukunft bringt. Vielleicht wird es ein Wiedersehen in ein, zwei oder drei Jahren geben. Vielleicht war dies auch ein guter Punkt, um endgültig Lebewohl zu sagen. Ich weiß nur, dass all diejenigen von Euch, die diese Worte erreichen, vermutlich sogar ein besseres Verständnis über den Kern dieses Monologs haben, als er sich mir im Moment erschließt. Das Leben ist ein reißender Fluss und nur zu selten haben wir die Gelegenheit, für einen Moment inne zu halten, um das zu sagen, was wirklich zählt.
Danke für all die Erinnerungen.
Nostalgie hat für mich keinen Namen.
Sie hat für mich eine URL.
Und einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen.
-Kay, am 04.03.18
Versucht euch eine Zukunft vorzustellen, in der ihr alle schon Großeltern seid und euch eure Enkelkinder bitten Geschichten über die Jahrtausendwende und die ersten Jahre nach dem Millennium zu erzählen. Geschichten über eure Jugend eben. Sie hören euch mit offenen Ohren, Augen und Mündern zu, wie ihr von der Welt von damals erzählt, und als ihr schließlich die Bombe platzen lässt, ist es nichts weiter als ein schockiertes Nach-Luft-Schnappen. „Wisst ihr Kinder, euer Opa / eure Oma ist älter als das Internet.“
Stille.
Ich warte schon auf den Moment. Klar, man könnte jetzt Haarspalterei betreiben und Fakten auf den Tisch werfen, dass schon Ende der Siebziger die wesentlichsten Grundgerüste aufgebaut waren und die Universitäten schon längst vor meinem Geburtsjahr 1984 miteinander vernetzt waren. Vollkommen richtig soweit, aber wenn wir mal von den praktischen Anwendungen, den kommerziellen Anwendungen ausgeht – da befinden wir uns Anfang der Neunziger. Ich weiß das, da ich es miterlebt habe. Ich hatte das Glück, in eine sehr technikbegeisterte Familie reingeboren worden zu sein. Der Hype übers WWW ist bei ihnen nicht spurlos vorbei gegangen. Der Klang von 256k, 384k und 512k Modems ist noch in meinen Ohren, genauso wie der vollkommen verrückte Quantensprung zur ADSL Leitung, als man plötzlich auch die ersten Flat-Rate Tarife genießen durfte. Das Surfen war also auf einmal nicht mehr so streng zeitlich kontrolliert wie noch zuvor, als alles minutengenau auf die monatliche Telefonrechnung gerechnet wurde. Plötzlich hatte ich die Möglichkeiten, diese neue Technologie zu einer meiner liebsten Freizeitbeschäftigungen zu machen, der ich Stunden um Stunden meiner Woche opferte. Ich begann, im WWW neue Informationen regelrecht aufzusaugen. Anime und Manga, auf die ich zuvor schon dank dem Nachmittagsprogramm von RTL2 neugierig geworden bin, wurden in einem gigantischen Ausmaß erhältlich. Ich stieß auf Evangelion, Trigun und natürlich auf Dragonball Z. Bei letzterem kannte ich Dragonball, fand im Internet die Fansite eines gewissen Mb und damit auch noch aufs Forum… etwa zur selben Zeit der deutschen Erstausstrahlung. Schon damals las ich enthusiastisch die Beiträge des ADBs mit, es dauerte aber über ein halbes Jahr, bis ich mich endlich, am 24. März 2002 registrierte. Vor nicht ganz 16 Jahren. Wenn wir jetzt die Monate des Lurkens davor aber mitnehmen, kommen wir aber zu einer lustigen Rechnung: Ich war 17, als ich zum ersten Mal das ADB betrat und heuer habe ich meinen 34. Geburtstag. Mit anderen Worten: Dieses Forum, diese Community, begleitet mich bald mein halbes Leben lang.
Als ich 2013 den ersten Beitrag dieser Art verfasste, befand ich mich in einer Phase des Umbruchs, der persönlichen Weiterentwicklung. Nach einer langen Zeit der Stagnation in praktisch allen Lebenslagen hatte ich im Jahr zuvor endlich wieder Bewegung in mein Leben gebracht und arbeitete zu dieser Zeit entschlossen daran, die Weichen meiner Zukunft zu stellen. Ich hatte endlich wieder eine klare Vision, wie mein Leben in fünf, in zehn Jahren aussehen sollte. So positiv diese Perspektive auch war, so ernüchternd war mein aktueller Standpunkt. Durch falsche Entscheidungen in der Vergangenheit hatte ich mir den Weg unnötig erschwert und ich brauchte dringend einen Neustart, der mich wieder auf Kurs bringen konnte. Ich fand diesen nach einer zehrenden Suche in Form einer Dissertationsstelle auf meiner „alten“ Universität. Neue Herausforderungen in einem neuen Themengebiet – das war die Lösung, nach der ich gesucht hatte.
Mein zweiter Beitrag folgte 2016, kurz bevor ich meine Dissertation einreichte. Es war wiederum eine Zeit des Aufbruchs und der Veränderung für mich. Drei Jahre sind eine relativ lange Zeit, in der man sich in eine gewisse Routine erschafft. Die „neue“ Wohnung wird zum Zuhause, die „neue“ Stelle zum gewohnten Job und die „neuen“ Herausforderungen werden über kurz oder lang zum Alltag. Routine muss nicht automatisch etwas schlechtes sein. Sie bringt eine gewisse Sicherheit mit sich, gebündelt mit einer gewissen Leichtigkeit. Die Arbeit ist immer noch herausfordernd, aber nicht mehr mit dem negativen Stress der Anfangszeit behaftet. Man hat sich ein schönes Leben aufgebaut, wohl wissend, dass die eigene Position, die aktuelle Arbeit, auf drei Jahre begrenzt ist. Und ehe man sich versieht ist auch diese Lebensphase urplötzlich vorbei und man steht wieder auf der dunklen, ungewissen Straße der Zukunft. Dieses Mal ist es mir einfacher gefallen. Ich habe aus den Fehlern meiner Vergangenheit gelernt und bin mit einer klaren Vision auf Jobsuche gegangen. Und ich hatte ein unglaubliches Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Mein Traumjob, serviert auf einem silbernen Tablett.
Und heute? Es erfüllt mich mit Ehrfurcht und Demut, wenn ich an die Entwicklungen der letzten eineinhalb Jahre denke. Ich bin schon lange nicht mehr der 17-jährige Teenager, der gerade zu seinem Charakter findet. Ich bin auch nicht mehr der Mittzwanziger, der in der fast schon peinlich stereotypen Quater-Life-Crisis steckt. Auch den großen 30iger mit all den damit verbundenen Veränderungen habe ich mittlerweile hinter mir gelassen, um wiederum ein neues Kapitel in meinem Leben zu beginnen. Bald schon werde ich 34 Jahre alt sein, stehe mitten im Leben, habe einen fixen Job in der Industrie, eine neue Gartenwohnung am Rand einer Kleinstadt und erwarte zusammen mit meiner langjährige Lebensgefährtin die Geburt unseres ersten Kindes – unserer Tochter – im Sommer. Ohne es wirklich bemerkt zu haben bin ich praktisch über Nacht erwachsen geworden. Es war der eine Prozess, von dem ich immer ein wenig Angst hatte: Erwachsen zu werden. Für mich war es stets mit dem Aufgeben von Träumen, Wüschen und liebgewordenen Dingen verbunden. Doch in Wahrheit musste ich nichts aufgeben – alles kam ganz automatisch. Mit dem Älterwerden änderte sich meine Perspektive. Dinge, die mir einst sehr, sehr wichtig waren, erscheinen mir mittlerweile im besten Fall nur noch nostalgisch. Andere Prioritäten sind an deren Stelle getreten und füllen mich mittlerweile aus. Der natürliche Lauf der Dinge.
Und dennoch gibt es einen mittlerweile sehr kleinen Teil von mir, der all die losen Fäden der Vergangenheit sieht und sich dabei so sehr wünscht, ich hätte mehr zu Ende gebracht. Der dabei an diesen uralten Ordner auf meiner Festplatte denkt, der wohl irgendwann im Jahre 2000 oder 2001 von mir erstellt wurde, den Namen „Own Stories“ trägt, und die Galerie meiner zerbrochenen Träume repräsentiert. Den staubigen Dachboden all der Geschichten, die ich begonnen habe und von denen ich viel zu wenige je zu Ende gesponnen habe. Ein Speicher all des ungenutzten Potentials, welches ich im Laufe der Jahre verkümmern hab lassen. Hätte ich je ein professioneller Autor werden können? Diese eine Frage hat mich viele Jahre lang verfolgt. Ich erwähnte bereits die Quarter-Life-Crisis. Mit ungefähr 25 spukte diese eine Frage wie kaum eine zweite durch meinen Verstand. Ich wusste, dass ich schreiben konnte, ich wusste aber auch von meinen zahlreichen Schwachstellen. Einige massive Punkte in Grammatik und Tempus, und viele kleinere Themen, die allesamt auf eine große Anzahl von Flüchtigkeitsfehlern zurückzuführen waren. Mir fehlte Feinschliff. Eine gehörige Portion Feinschliff, die ich wohl nur mit massiver Übung und Lehre erhalten hätte können. Nach ein, zwei Jahren war mir die Schlussfolgerung klar: Vielleicht könnte ich tatsächlich meine Zukunft als professioneller Autor ausrichten, nur würde das meine absolute Hingebung erfordern. 100% Fokus auf dieses Ziel. Und damit war die Antwort auf meine Frage gekommen.
Es war ein Preis, den ich niemals hätte zahlen können.
Kaum war das ausgesprochen, was ich wohl schon lange in meinem Innersten wusste, war alles weitere nur noch eine Frage des natürlichen Verfalls. Aus meinem Nummer Eins Hobby wurde „ein“ Hobby, später eine sporadische Tätigkeit und schließlich eine frühere Zeitbeschäftigung. Das alte Sprichwort ist vollkommen wahr – wer rastet, der rostet. War es vor vielen Jahren noch eine ganz natürliche Sache, diese bunten, verrückten Welten in meinem Kopf in Worten zu beschreiben und diese auf digitales Papier zu bekommen, so fällt es mir mittlerweile unendlich schwer, überhaupt einen geraden Satz zu formulieren. Diese Welten und all die Charaktere in ihnen sind nicht verschwunden. Wenn ich meine Augen schließe, sehe ich nach wie vor Kyle, Jax, Cassandra, Crowley, Kelly, Mórrígan, Rico, „Nicht-Jack“, Ms. Xara und wie sie sonst noch alle heißen mögen direkt vor mir. Ich kann nach wie vor in ihre Persona hineinschlüpfen und die Welt um sie herum durch ihre Augen wahrnehmen und mit ihr interagieren. Aber es ist mir einfach nicht mehr möglich, die Brücke zwischen ihnen und dem Textverarbeitungsprogramm vor mir zu schlagen. Ich habe viele Jahre lang versucht, diese Fähigkeit in mir wieder zu nähren, um den Anschluss endlich wiederzufinden. Weil ich einfach nicht mit der Gewissheit leben wollte, dass all diese losen Enden vermutlich auf immer solche bleiben werden. Dass ich mich selbst in eine Richtung weiterentwickelt habe, in der all dies doch gar keine Bedeutung mehr hat. Und genau diese Wahrheit beginne ich langsam zu akzeptieren.
Will ich meinen zukünftigen Enkelkindern wirklich den Altersvergleich zum Internet auf die Nase binden? Vermutlich nicht. Um ehrlich zu sein, habe ich noch nicht einmal die geringste Vorstellung, was ich meiner Tochter in ein paar Jahren erzählen soll, wenn sie beginnt, Dinge aus meiner Vergangenheit wissen zu wollen. Wir sie je von diesem Ort hier erfahren? Wird sie je das Forum zu Gesicht bekommen können? Und wird sie je verstehen können, welchen Stellenwert all das hier für mich eingenommen hat? Die Zukunft wird mir die Antworten bescheren, dessen bin ich mir sicher.
„Dein Papa hat früher, wie er mal jung war, Geschichten geschrieben und sie im Internet veröffentlicht. Es war eine verrückte Zeit gewesen. Damals traf man sich in einem Forum und nicht in einer App. Man tauschte Gedanken und Geschichte aus, las die Texte von anderen Schreibern und feilte an den nächsten Kapiteln seiner eigenen Werke. Man schrieb nicht, um Geld zu verdienen oder um großflächig berühmt zu werden. Nein, man schrieb des Schreibens wegen und weil man die Meinungen seiner Leser hören wollte. Diese Meinungen waren mir immer sehr wichtig gewesen. In meinem ganzen Leben – weder davor, noch Jahre danach – traf ich je wieder auf einen so großen Haufen grundehrlicher, enthusiastischer und individualistischer Menschen und nie wieder schloss ich so viele davon in mein Herz wie an diesem Ort. Viele von ihnen verschwanden im Laufe der Jahre und nur ganz wenige sind mir geblieben, zu denen ich immer noch Kontakt halte und die ich nach wie vor sehr lieb habe. Sie sind alle zu einem großen Teil daran verantwortlich, dass ich zu dem Menschen geworden bin, der dir all das erzählen kann. Und vielleicht wirst du das auch eines Tages verstehen können.“
Ihr kennt mich unter dem Namen MajinKay. Oder einfach nur Kay.
Einige von euch kennen auch den Menschen in der realen Welt, der immer hinter diesem Nickname zu finden war.
Ich will an dieser Stelle nicht mehr sagen müssen, dass dies der letzte Thread von mir sein könnte, denn ich weiß nicht, was die Zukunft bringt. Vielleicht wird es ein Wiedersehen in ein, zwei oder drei Jahren geben. Vielleicht war dies auch ein guter Punkt, um endgültig Lebewohl zu sagen. Ich weiß nur, dass all diejenigen von Euch, die diese Worte erreichen, vermutlich sogar ein besseres Verständnis über den Kern dieses Monologs haben, als er sich mir im Moment erschließt. Das Leben ist ein reißender Fluss und nur zu selten haben wir die Gelegenheit, für einen Moment inne zu halten, um das zu sagen, was wirklich zählt.
Danke für all die Erinnerungen.
Nostalgie hat für mich keinen Namen.
Sie hat für mich eine URL.
Und einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen.
-Kay, am 04.03.18